Abgeschüttelte Bevormundung
Vier westafrikanische Länder machen Fortschritte bei der Bekämpfung von Terrorismus und lösen sich aus der Umklammerung durch ehemalige Kolonialherren.
Vier Außenminister trafen sich am 3. Juni 2025 zu einer Gesprächsrunde in Lomé, der Hauptstadt Togos, bei AFO Media. Es waren die Außenminister von Mali und Niger, Abdoulaye Diop und Bakary Yaou Sangaré, Stella Eldine Kabré als beigeordnete Ministerin im Außenministerium von Burkina Faso und der togolesische Außenminister Professor Robert Dussey. Moderiert wurde die Runde von Chefredakteur Alain Foko. Gemeinsam zogen sie Bilanz nach 20 Monaten Revolution der Allianz der Sahelstaaten (1, 2). Und um es gleich vorweg zu sagen: Bei allen Schwierigkeiten sehen sie optimistisch in die Zukunft — entgegen den Katastrophenszenarien, wie sie westliche Medien wie Radio France Internationale oder Jeune Afrique zeichnen.
Bilanz
Die militärisch bedrohten Staaten Mali, Burkina Faso und Niger haben sich im September 2023 zur Allianz der Sahelstaaten (AES) zusammengeschlossen und mit russischer Unterstützung ihre Armee modernisiert (Hubschrauber, Drohnen, Logistik) und verstärkt. Abdoulaye Diop, Außenminister von Mali sagte, im Lande herrsche weniger Unsicherheit. Die Bedrohung von außen — die Militärintervention der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CEDEAO — sei gebannt. Man spreche wieder miteinander. Oder wie der togolesische Außenminister Robert Dussey sagte, die Lage habe sich beruhigt. Der Versuch, die AES zu isolieren, sei fehlgeschlagen. Togo ist ein befreundetes Land. Minister Bakary Sangaré (Niger) wies auf die Solidarität Marokkos hin, hob den Bau eines Kraftwerks hervor.
Als wichtigsten Schritt in der ökonomischen Entwicklung bezeichnete er die Schaffung einer AES-Investitions- und Entwicklungsbank (BDID AES) im Mai, um finanzielle Ressourcen zu mobilisieren, um Entwicklungsprojekte aus eigener Kraft gesteuert anzugehen (3). Ausgestattet mit einem Anfangskapital von 500 Mrd. Franc CFA (etwa 750 Millionen Euro) sollen Infrastruktur-Projekte wie Eisenbahnlinien, Telekommunikationsverbindungen und in der Landwirtschaft finanziert werden, nachdem die Abhängigkeit von multinationalen Konzernen im Bergbau reduziert und die Haushaltslage verbessert wurde. Die Weltbank hat fürs nächste Jahr ein Wachstum für Niger von 5,1 Prozent, Mali 4,8 Prozent und Burkina Faso von 4,7 Prozent vorhergesagt (4).
Besonders dringlich sei die Verbesserung der Stromversorgung, die bislang zu 70 Prozent aus Nigeria bezogen wurde, aber ständig durch Sabotageakte unterbrochen sei. Minister Abdoulaye Diop verwies auf die Integration der drei Staaten durch Straßenbau und die Abschaffung der Roaming-Gebühren im Telekommunikationsbereich, aber auch Synergieeffekte bei der Angleichung der Bildungssysteme und der Verwaltung.
Der malische Minister Abdoulaye Diop betonte, das Militär agiere nunmehr ohne ausländische Bevormundung, die gemeinsame Eingreiftruppe von 5.000 Soldaten habe ihre Taktik den koordinierten Attacken der Terroristen angepasst „Statt Panzer — Motorräder.“
Mobile, kleine Einheiten reagierten nun so schnell wie irgend möglich.:. Nur um eine Vorstellung von der Größe des Terrains zu gewinnen: Die AES sind fast achtmal so groß wie Deutschland. Und die Erfolge der malischen Armee (FAMA) beweisen zweierlei: einmal, dass die Anti-Guerilla-Taktik selbst gegen via Starlink (5) koordinierte Attacken wirksam ist, und zum anderen, dass das schnelle Eingreifen nur mit Informationen aus der Bevölkerung geht.
Resultat allein in der ersten Woche Juni: mehr als 300 Terroristen wurden getötet oder gefangen genommen, fünf logistische Basen zerstört und ausländische Waffen und logistisches Material erbeutet — wie Malijet am 11. Juni berichtete (6). Der nigrische Außenminister Bakary Sangaré legte in der Gesprächsrunde Wert auf die Feststellung, dass bei den Terroristen keine von der eigenen Armee erbeuteten Waffen gefunden wurden, sondern nur fremde — vor allem aus Frankreich und der Ukraine.
Zum 9. Juni würden terroristische Gruppen weder Camps, Militärposten oder Checkpoints der Armee besetzt halten; keine Ortschaft in Mali sei unter der Kontrolle bewaffneter Terroristen. Im Mai kündigte die AES die Einrichtung eines Regionalen Strafgerichtshofs (CPS-DH) an, der Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Terrorismus sowie dessen Finanzierung und Geldwäsche verfolgen wird (7). Mali und Niger haben bereits ihre diplomatischen Beziehungen zur Ukraine abgebrochen, nachdem bekannt wurde, dass Kiew dschihadistische Gruppen mit Waffen und Logistik unterstützt. Darüber hinaus bereitet Mali ein Importverbot von Waren aus der Ukraine vor (8).
Die „Fonds patriotiques“, aus denen die örtlichen Freiwilligen zur Verteidigung des Vaterlands (VDPs) () Milizen finanziert werden, werden aus Spenden der Bevölkerung gefüllt. Stella Eldine Kabré, burkinische Ministerin für regionale Kooperation betonte die Kampfbereitschaft der Dorfbewohner: Sie seien „bereit, sich zu opfern“.
Die Kolonialmächte Frankreich und die USA sind zwar mit ihrer diskreten militärischen Reorganisation in Afrika beschäftigt — Frankreich nach dem Hinauswurf in Benin, die USA mit kleinem (Drohnen-) Bahnhof in der Elfenbeinküste. Ibrahim Traore beschuldigte jedoch Frankreich und die Ukraine, terroristische Strukturen zu fördern.
Bakary Yaou Sangaré, Außenminister von Niger erklärte: In der Presse werde ein Informationskrieg entfacht, die Propaganda der Dschihadisten verbreitet, die Communiques der Armee aber verschwiegen.
Der Minister wies darauf hin, dass die Propaganda der Djihadisten in den sozialen Medien darauf abziele , in der Armee Unzufriedenheit oder gar Zwietracht zu säen und die Unterstützung der Bevölkerung zu schwächen. Dennoch begrüßte er die Funktion der sozialen Medien, die die Revolution unterstützen. „Die jungen Männer gehen in die Armee, um die AES zu verteidigen.“ Der internationalen Begeisterung für Ibrahim Traore wird gegengesteuert mit dem Versuch die AES mit Schauergeschichten zu delegitimieren, wie zum Beispiel Jeune Afrique berichtet: rekrutiert in Burkina Faso fänden sich die jungen Leute in illegalen Goldminen wieder (9).
An vier Fronten haben die verschiedenen bewaffneten Gruppen einen Stellvertreterkrieg entfacht, der die Existenz der AES-Föderation infrage stellen soll. Das französische Forschungszentrum CIRES bescheinigt der Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime (JNIM) „die Kompetenz, im gesamten Territorium Sahels zu operieren“ (10). Und Le Monde Afrique schließt bereits eine Zerteilung à la Somalia nicht aus (11).
Die Strategie der Dschihadisten besteht darin Diplomatie, politische Propaganda und militärische Gewalt zu verbinden (12). Im Prinzip beuten sie die von ihnen kontrollierten Gebiete nach dem gleichen Muster aus, um Logistik und Waffen zu finanzieren.
Industrielle Goldminen zahlen eine Steuer für ihre „Sicherheit“, während illegales Goldschürfen eine Haupteinnahmequelle der Islamisten darstellt — jährlich etwa 30 Milliarden US-Dollar. Nach einem Bericht von Swissaid erfolgt der illegale Export vor allem in die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und die Schweiz. Die Dschihadisten errichten Checkpoints an den Straßen, die aus den Städten führen und erheben Maut und Steuern — sie nennen es Belagerung (13). Angehörige werden zur Zahlung für entführte Clanmitglieder aufgefordert. Der Diebstahl ganzer Viehherden in Richtung Mauretanien oder Senegal ist in diesem ökonomischen Krieg eine Strafaktion für jene widerständigen Viehzüchter, die die Zakat-Gebühr nicht entrichten. Notwendigerweise gehört zu ihrem Geschäftsfeld auch die Geldwäsche, um ihre illegal beschafften Gelder bei Banken oder in kleine Geschäfte zu investieren und damit Profit zu generieren (14). (…)
Die vier Fronten des Krieges
Front 1:
In Mali, mit 1,240 Millionen Quadratkilometern etwa dreimal größer als Deutschland kämpfen im öl- und gasträchtigen Norden Tuaregs um die Unabhängigkeit Azawads, nachdem der Vertrag von Algier 2015 im Januar von der Militärregierung aufgekündigt worden war. Die Tuareg verbündeten sich daraufhin mit den Dschihadisten der IS-nahen „État Islamique au Grand Sahara“ (EIGS) und fügten der russischen WAGNER-Gruppe und der malischen Armee mehrere blutige Niederlagen zu. Anfang Juni zog sich Wagner aus Mali zurück.
Front 2:
Im Zentrum und Süden Malis, verursacht durch Bevölkerungszuwachs und Klimaveränderungen, arteten die Auseinandersetzungen zwischen den nomadisierenden Tierzüchter Peul und den Ackerbauern um Weide- und Durchgangsrechte blutig aus. Die Dschihadisten-Gruppe „Groupe de soutien à l'islam et aux musulmans“ (GSIM), auch bekannt als „Jama’at Nasr al-Islam wal Muslimin“ (JNIM), geführt von Iyad Ag Ghali, nutzt das Dilemma und fordert die Bauern auf zu kooperieren, denn „wir sind dem Sieg nahe“(15). Zur Gruppe JINIM hatten sich 2017 vier Islamistengruppen zusammengeschlossen: Ansar Dine, Katibat Macina, Al-Mourabitoun und „Al-Qaida im islamischen Maghreb“ (AQIM). Im Jahr 2024 sollen etwa ein Fünftel der blutigen Überfälle auf ihr Konto gegangen sein (16).
Front 3:
In Burkina Faso, speziell in der Zone der „drei Grenzen“ zu Mali und Niger hat sich die islamistische „État Islamique au Grand Sahara“(EIGS) festgesetzt und behauptet, in den ersten fünf Monaten des Jahres 240 Attacken geführt zu haben.
Front 4:
Aber auch Al-Qaida operiert in Burkina Faso von Benin aus und entzieht von dort der Verfolgung, weshalb die Grenze zwischen Niger undBenin immer noch geschlossen ist. Damit ist auch die Zusammenarbeit mit Benins Anti-Terror-Operation „Mirador“ im nördlichen Grenzgebiet Benins ausgeschlossen. Niger wirft Benin vor, französische Militärcamps zu unterhalten (17).
In Niger macht auch eine westlich orientierte „Befreiungsfront“ von sich reden, will den früheren Präsidenten Bazoum freipressen, der auf seinen Korruptionsprozess wartet, und bedroht die über 1.000 km lange Öl-Pipeline nach Benin mit Anschlägen.