Alles kommt zurück

Wer sich Zitate aus der Zeit des deutschen Faschismus zu Gemüte führt, kann beängstigende Parallelen zur aktuellen Kriegsrhetorik erkennen.

Beschäftigt man sich ein wenig mit den historischen Ereignissen rund um den Beginn des Zweiten Weltkriegs, kommt man nicht umhin, Ähnlichkeiten zur heutigen Zeit festzustellen. Während die folgenden Zitate im Rückblick eindeutig als Propaganda erkannt werden, scheint das für die aktuelle Praxis nicht zu gelten. Das Wort „Kriegstüchtigkeit“ ist fast schon wieder im normalen Sprachgebrauch angekommen, löst bei Manchen schon keine Gänsehaut mehr aus und auch die Dämonisierung Russlands trägt teilweise entmenschlichende Züge.

18. Dezember 1940:

„Die deutsche Wehrmacht muß darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrußland niederzuwerfen.“

Diese Worte stammen von Adolf Hitler, der sie im Zuge des „Barbarossa-Befehls“ äußerte. Er sprach von einer angeblichen „Gefahr“ aus dem Osten und bezeichnete diese Taktik als eine strategische Absicherung gegen die Bedrohung im Rücken. Schon wenige Monate später wurde Hitler radikaler, als er am 30.März 1941 vor Generälen sagte:

„Es handelt sich um einen Vernichtungskampf. (…) Wir müssen vom Standpunkt der Einheit des Volkes aus denken.“

Auch hier lief die Argumentation darauf hinaus, die Sowjetunion angreifen zu müssen, bevor der Bolschewismus übergreife. Göring legte nach, als er im Frühjahr 1941 sagte:

„Rußland muß ausgeschaltet werden, bevor es sich erheben kann. Sonst bricht es uns in den Rücken.“

Damit war die Rede vom „Präventivkrieg“ im Raum, der angeblich unvermeidbar sei, bevor die Sowjetunion selbst aktiv und Deutschland angreife. Hitler griff das auf und erklärte:

„Der sowjetische Aufmarsch ist so stark und bedrohlich, daß Deutschland gezwungen war, dem Feind zuvorzukommen.“

Die Parallelen zu heute sind unverkennbar: Erneut wird eine Bedrohungslage konstruiert, die es nicht gibt — und die es auch damals nicht gab. Nun kann man die Kriege, in die Russland nach dem Zweiten Weltkrieg verwickelt war, in Ruhe analysieren und feststellen, dass es sich fast immer um Konflikte handelte, an denen auch der Westen beteiligt war.

Das bekannteste Beispiel ist sicher die Ukraine, doch auch in Afghanistan, Tschetschenien oder Georgien hatte der Westen seine Finger im Spiel. Besonders auffällig ist der Georgien-Krieg, der nachweislich nicht — wie im Westen oft behauptet– von Russland, sondern von Georgien begonnen wurde, wie auch die EU schriftlich festhielt:

„Einer unabhängigen Untersuchungskommission zufolge ist Georgien für den Ausbruch der Kampfhandlungen im August 2008 mit Russland verantwortlich. Die EU-Experten kritisieren aber auch Russland. Moskau trage eine erhebliche Mitschuld an der Eskalation.“

Es wäre sicherlich naiv und falsch, Russland als ein Land darzustellen, in dem die politischen Führer ausschließlich das Wohl ihrer Bevölkerung im Blick hätten. Eine Weltmacht wie Russland hat selbstverständlich entsprechende Interessen, die sie — notfalls mit Gewalt — nach außen vertritt. Nichtsdestotrotz hat Russland seit Ende des Zweiten Weltkriegs (und auch davor) in erster Linie reagiert, wenn es sich auf Konflikte eingelassen hat.

Die Ukraine ist das deutlichste Beispiel — und zugleich die, aus heutiger Sicht „perfekte Erzählung“. Perfekt jedoch nicht, weil das Narrativ von der die Demokratie verteidigende Ukraine stimmig wäre. Das Gegenteil ist der Fall, die Ukraine war schon vor dem Maidan-Putsch 2014 ein zutiefst korruptes Land, das dem Faschismus keineswegs abgeneigt war und bis heute nicht ist. Perfekt ist die Erzählung trotzdem, weil der Ukraine dank breit angelegter Propaganda ein „neuer Hut“ aufgesetzt werden konnte — ein Hut, der sie in der deutschen und westlichen Wahrnehmung zu einem Land macht, das einerseits von Russland (grundlos!) angegriffen wurde und andererseits weit mehr als die eigene Verteidigung leistet, indem es gleich für den ganzen Westen und seine „Werte“ kämpft.

Doch die Ähnlichkeiten zu der Zeit des Hitler-Faschismus sind nicht von der Hand zu weisen.

Kurzer Rückblick

Am 10. April 2014 äußerte der Moderator Georg Restle im Format „Monitor“ die folgenden Sätze:

„Die Krise in der Ukraine ist noch lange nicht vorbei. Dies haben uns die Bilder aus dem Osten des Landes von dieser Woche gelehrt. Und auch die Propagandaschlacht geht weiter. Eine der zentralen Fragen ist dabei: Wer ist verantwortlich für das Blutbad, dem im Februar dutzende Demonstranten und Polizisten zum Opfer fielen? Und das schließlich auch zum Sturz des Präsidenten Janukowitsch führte? Wer also waren die Todesschützen auf dem Kiewer Maidan? Die vom Westen unterstützte Übergangsregierung hat sich letzte Woche festgelegt. Präsident Janukowitsch und seine Sonderkommandos tragen demnach allein die Schuld für die Toten. Doch an dieser Version gibt es jetzt erhebliche Zweifel.“

Es folgt ein Beitrag, der der heutigen „perfekten“ Erzählung deutlich widerspricht und den Maidan-Putsch sehr kritisch beleuchtet. Am Ende kommt Restle zu folgendem Schluss:

„Bei allen offenen Fragen — dass ein Vertreter der nationalistischen Swoboda-Partei als Generalstaatsanwalt die Aufklärung des Kiewer Blutbads ganz offensichtlich behindert, wirft ein schlechtes Licht auf die neue Übergangsregierung und damit auch auf all jene westlichen Regierungen, die die Machthaber in Kiew unterstützen.“

In dem Beitrag vom 10. April 2014 wird sogar eine kurze Sequenz von „RT“ gezeigt, auf die eher wohlwollend als abwertend Bezug genommen wird. Doch die Zeiten ändern sich: Im Januar 2015 setzte sich Georg Restle in einem Tagesschau-Kommentar noch für Deeskalation und allgemeine Abrüstung ein. Bekanntlich hat der Mann jedoch eine Entwicklung durchgemacht — und die hat es in sich.

Am 12. September 2022 war Restle schon „kriegstüchtiger“, wenngleich er in seinem Kommentar in der Tagesschau sanftere Formulierungen wählte:

„Die Ukraine ist ein Ausnahmefall, ein verbrecherischer Angriffskrieg auf eine Demokratie mitten in Europa.“

Trotzdem war Restle noch nicht weit genug, als er seinen Kommentar mit den Worten ergänzte:

„Wer daraus ableitet, dass Rüstungsexporte in Kriegsgebiete jetzt grundsätzlich erleichtert werden sollen oder Deutschland sich weltweit militärisch mehr engagieren sollte, trägt damit wohl kaum zum Weltfrieden bei. Er feuert damit allenfalls neue Kriege an. Das lehrten und lehren uns all die anderen Kriege unserer Zeit, sei es im Jemen, in Mali oder in Afghanistan.“

Mit seiner Sendung „Monitor“ vom 4. April 2024 ist Georg Restle längst in der Propaganda angekommen, die letzten Differenzierungen bezüglich der geopolitischen Einordnung hat er abgeräumt und konzentriert sich vollständig auf den Aufbau von Feindbildern. Auffällig dabei ist die Entwicklung von 2022 bis heute: Während zu Beginn des Krieges noch der Versuch einer gewissen Ausgewogenheit unternommen wurde, ist davon inzwischen nichts mehr übrig. Mittlerweile beginnt fast jeder Medienbericht mit toten, ermordeten, entführten oder verschleppten Kindern — bei Restle ebenso wie in nahezu allen anderen westlichen Medien auch.

Aus dem russischen Präsidenten von 2022 ist in der deutschen Wahrnehmung 2024 ein Monster geworden. Und Monster waren die Sowjets in den Augen Hitlers ebenfalls.

Entmenschlichung damals und heute

Sowohl im deutschen Faschismus als auch heute spielt die russische Perspektive keinerlei Rolle. Das Bild, das sich die Öffentlichkeit machte, entstand vollständig ohne russische Mitwirkung. So erklärt sich auch, dass aus deutscher Perspektive Russland ausschließlich imperiale Ziele verfolgt, während in Kiew die Verteidiger der westlichen Demokratien ihre harte Arbeit verrichten. Und so wird suggeriert, dass Russland jeden Tag Kinder verschleppt, während in der Ukraine Kinder „die Seele des Landes“ darstellen.

Die Entmenschlichung spielte damals eine zentrale Rolle, um der Bevölkerung einen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion schmackhaft zu machen. Politik und Medien arbeiteten auch damals schon eng zusammen. Man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man die These aufstellt, dass der Zweite Weltkrieg ohne tatkräftige Unterstützung der Medien womöglich gar nicht stattgefunden hätte — oder zumindest eine breitere gesellschaftliche Debatte entstanden wäre, selbst in einem politisch so totalitären und menschenverachtenden System wie dem von damals.

Die These mag steil klingen, doch die Geschichte zeigt: Kriege lassen sich ohne Medien nur schwer realisieren. Der Grund ist denkbar einfach: Die meisten Menschen wollen keinen Krieg, sie wollen weder sterben noch töten.

Und so verwundert es nicht, dass Goebbels am 22. Juni 1941 im Rundfunk sagte:

„Der Führer hat die Sowjetunion angegriffen, um Europa vor der bolschewistischen Gefahr zu retten. […] Der Bolschewismus wollte den Krieg, nun hat er ihn.“

Alfred Rosenberg, der damalige Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, legte im Juni 1941 nach, als er erklärte:

„Moskau wollte den Weltkrieg entfesseln, bevor wir England niedergerungen hätten. Wir sind dem Zangengriff entgangen.“

Ende mit Schrecken?

Die Parallelen zwischen damals und heute sind unverkennbar. Wieder wird ein Bedrohungsszenario konstruiert, das es nicht gibt. Wieder wird der „Feind“ entmenschlicht, wieder wird mit einem notwendigen Präventivkrieg argumentiert — also einem Krieg gegen ein Land, das uns angeblich angreifen soll, obwohl sämtliche Fakten und sogar Herleitungen und Interpretationen dagegensprechen.

Doch der Blick von außen auf die offenkundigen Gemeinsamkeiten von damals und heute ist weniger verstörend als die Bewertung aus der Innenperspektive. Denn wir müssen davon ausgehen, dass die Politiker, die derzeit die russische Entmenschlichung vorantreiben und stündlich die Kriegsbereitschaft bei der Bevölkerung erhöhen wollen, die in diesem Text genannten Zitate kennen und die historischen Hintergründe verstehen. Und doch agieren sie mit einer beängstigenden Präzision so, wie es die politischen Führer des deutschen Faschismus auch taten.

Wenn diese Einordnung stimmt, gäbe es eine offene Bereitschaft deutscher Politiker, nahezu 1:1 so zu argumentieren und zu handeln, wie es der deutsche Faschismus tat. Das wäre dann nicht nur die Akzeptanz der gemeinsamen Herangehensweise zwischen früher und heute. Es wäre ein mehr oder weniger offenes Bekenntnis zum Faschismus, zu faschistischen „Werten“ und Überzeugungen, zur Entmenschlichung und der Bereitschaft, unprovoziert — genau dieses Wort muss hier verwendet werden — einen durch Fantasie und Kriegslüsternheit konstruierten Feind anzugreifen.

Es wäre also eine Art „Faschismus trotz Bildung“ und somit eine Überzeugungstat. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Befürchtung, dass den betreffenden Politikern die Parallelen zwischen dem deutschen Faschismus und der heutigen politischen Praxis gar nicht bewusst sind. Das mag weit hergeholt klingen, doch man muss berücksichtigen, dass die heutige Politikergeneration — nicht durch alle Posten und Ämter hindurch, aber doch in erschreckender Häufigkeit — nur über ein übersichtliches Maß an Bildung verfügt. Die Vielzahl möglicher Beispiele bleibt hier der Kürze halber unerwähnt, aber wenn die deutsche Außenministerin von 360-Grad-Wendungen spricht und den Durchmesser des Globus auf mehrere Hunderttausend Kilometer ausdehnt, muss man nüchtern feststellen, dass die Lernkurve womöglich schon in der Vorschule ihren Höhepunkt erreicht hat.

Fakt ist: Ob die Bildung fehlt oder nicht, deutsche Politik agiert dumm, aggressiv und verantwortungslos. Für die Bürger ist es dabei ein schwacher Trost — eigentlich gar keiner —, dass die destruktive und potenziell suizidale Politik auf Dummheit oder bewusste Absicht zurückzuführen sein könnte. Im Ergebnis führt die derzeitige Politik in eine Richtung, die Tod und Vernichtung Vorschub leistet.

In die andere Richtung

Der Westen im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen sind an einem Punkt angekommen, an dem es kein Zurück mehr gibt — ein Richtungswechsel seitens der politischen Handelnden ist nicht zu erwarten. Besonders in Deutschland hat sich die Kaste der Kriegstreiber so weit etabliert und durchgesetzt, dass es beim Weg in den Krieg kein Halten mehr gibt — zumindest nicht für die, die derzeit die Entscheidungen treffen.

Niemand sollte noch Hoffnungen in die Politik setzen: Sie hat sich vom Rest der Bevölkerung abgekoppelt und lebt in Sphären, die sie sich mit den Profiteuren des Kriegs teilt. Für Soziales, Infrastruktur, Rente, Arbeit oder Bildung bleibt da kein Platz mehr — und das wird so ja auch offen gesagt. Wenn die zuständige Politik voller Überzeugung und ohne Widerspruch die bisherige Staatsform — und nichts anderes erleben wir gerade — als nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr funktionierend, nicht mehr tragbar bezeichnet und als Alternative den Weg in den Krieg präsentiert, darf man sich nichts vormachen: Die Politik arbeitet längst nicht mehr für die Menschen, die sie gewählt haben, sondern für die Profiteure, die sie unterstützt. Die wiederum ernähren sich vom Krieg.

Eine andere Richtung muss her, eine Richtung, die wieder im Sinne der Menschen Politik macht, die das Ziel verfolgt, es den Menschen jedes Jahr ein wenig besser gehen zu lassen. Eine Politik muss her, die sich für die Belange der Menschen einsetzt, die kategorisch Dinge wie Altersarmut oder Lohndumping ablehnt und aktiv dagegen arbeitet. Wir brauchen eine Politik, die sich mit breiter Brust vor ihre Bevölkerung stellt, diese verteidigt gegen Angriffe von außen und innen, die ihren Wohlstand mehrt, sie mit gut bezahlter Arbeit versorgt und im Alter Wertschätzung und ein angemessenes Auskommen sichert.

Wir bekommen diese Dinge nicht, nicht aus freien Stücken; Bitten und Fordern, Betteln und Flehen — all das wird nichts nützen. Deshalb müssen wir die Errungenschaften wieder erkämpfen, sie uns zurückholen, auf der Straße, in den Medien, gemeinsam und solidarisch miteinander. Das ist eine Mammutaufgabe, schwer zu stemmen, denn die Spaltung, die durchs Land geht, ist tief und breit. Es wird nicht leicht sein, diese Zerstörung zu reparieren.

Doch das muss noch ein wenig warten, denn im Moment geht es ums Überleben.

Alles kommt zurück, das ganze Blut, die ganze Feindschaft, der Kriegs- und Zerstörungswille. Die Zeit ist fortgeschritten, die Akteure sind andere, die Feinheiten unterscheiden sich, die Bedingungen werden neu eingerahmt, doch die Parallelität der Motive bleibt. Geplant und angestrebt ist ein Krieg, ein Krieg gegen Russland. Einmal mehr. Verzichtet wird auf die massenhafte Ermordung von Bevölkerungsgruppen in großem Stil — so etwas zeichnet sich derzeit nicht ab — wenngleich der Umgang mit Andersdenkenden uns allen zu denken geben sollte. Denunzierung, Diffamierung und die Zerstörung von Existenzen haben wir erlebt und wir erleben sie jeden Tag — täglich wird es schlimmer.

Die „Feinde der Gesellschaft“ sind die Menschen, die den Frieden wollen: die „Lumpenpazifisten“, „Putin-Versteher“ und „Rechtsextremen“. Sie stellen für die Kriegshetzer eine Gefahr bei der Realisierung ihrer grausamen Pläne dar. Wir alle müssen diese Titulierungen ignorieren, uns an den Händen halten und gegen den Krieg kämpfen, auf die Straße gehen, schreiben, argumentieren, penetrant für den Frieden eintreten.

Niemand übernimmt das für uns, niemand setzt sich für uns ein, niemand von denen, die ihre Posten besetzen und im Verborgenen ihre Geschäfte mit den Profiteuren machen. Der Krieg sitzt in den Köpfen der Politik, der Frieden muss sich in unseren Herzen ausbreiten. Wenn uns das nicht gelingt, sind die Aussichten schlecht. Sehr schlecht.