An der Wurzel

Wladimir Putin teilte Donald Trump telefonisch mit, der Ukrainekrieg könne erst enden, nachdem man sich mit seinen „Grundursachen“ auseinandergesetzt hätte.

Bezieht man seine Informationen zum Krieg in der Ukraine ausschließlich aus westlichen Leitmedien, so könnte einen der Eindruck ereilen, der Konflikt habe im Jahr 2022 mit dem russischen Angriff auf sein Nachbarland begonnen. Wer jedoch nur den Versuch unternimmt, die Perspektive Putins zu ergründen, dem wird schnell klar: Für Russland hat der Krieg in erster Linie eine historische Dimension. Die Bereitschaft zur Aufarbeitung beispielsweise der NATO-Osterweiterung suchte man im Westen bis jetzt jedoch vergeblich. Möglicherweise liegt der Schlüssel zu einem Frieden, der die Sicherheitsinteressen aller Beteiligten berücksichtigt, nun in den Händen von Donald Trump.

von Joe Lauria

Nach einem zweistündigen Telefonat zwischen den Präsidenten von Russland und den USA am Montag teilte Präsident Wladimir Putin mit:

„Ich möchte erneut betonen, dass das Gespräch sehr konstruktiv war und dass ich es als sehr positiv bewerte. Nun kommt es natürlich darauf an, dass die russische und die ukrainische Seite ein Höchstmaß an Friedenswillen zeigen und Kompromisse finden, die allen Parteien gerecht werden Gleichzeitig möchte ich anmerken, dass Russland sich klar positioniert hat: Es geht uns in erster Linie darum, die Hauptursachen dieser Krise zu beseitigen.“

Diese Grundursachen sollten für westliche Staatsoberhäupter, Medien und die Öffentlichkeit kein Geheimnis darstellen, hat Moskau diese doch seit 30 Jahren und insbesondere im Vorfeld der russischen Intervention von 2022 in den damals bereits acht Jahre währenden Bürgerkrieg in der Ukraine bis zum Überdruss wiederholt.

Das Problem ist, dass der Westen zu sehr von sich selbst überzeugt zu sein scheint, um sich anzuhören, was der Gegner zu sagen hat — was an sich schon eine der Grundursachen des Konflikts ist.

Im Gegensatz zu Mainstream-Konsumenten, also der Mehrheit der Bevölkerung, sind sich Leser unabhängiger Medien wie Consortium News der Grundursachen durchaus bewusst. Weil CN und andere alternative Medien ihre Arbeit machen und über die Hauptursachen des Konfliktes berichten, wurden sie als Propagandisten für Russland gebrandmarkt.

Lassen Sie uns die Grundursachen hier wiederholen:

  1. die Nato-Osterweiterung
  2. Die Stationierung von NATO-Truppen und -Raketen in Rumänien und Polen
  3. Die Ausbildung und Ausrüstung der Ukraine als Stellvertreter durch die NATO in der Absicht, die Ukraine in die NATO einzugliedern/ aufzunehmen
  4. Der verfassungswidrige Regierungswechsel von 2014, der zu Angriffen gegen russischsprachige Menschen im Süden und Osten der Ukraine führte
  5. Der übergroße Einfluss von Neonazi-Gruppen in der Ukraine

Es gibt viele nützliche Analogien zwischen einem von Russland unterstützten Sturz der mexikanischen oder kanadischen Regierung und der Stationierungen von auf die USA gerichteten russischen Raketen in diesen Ländern.

Die Kubakrise von 1962 hat gezeigt, wie die USA reagieren, wenn Raketen in der Nähe ihrer Grenze stationiert werden.

Die etablierten Medien haben jedoch Überstunden gemacht, um die Grundursachen aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tilgen.

Sie verschweigen diese, indem sie wesentliche Aspekte aus der Berichterstattung bewusst ausblenden:

  • a.) die NATO-Osterweiterung,
  • b.) den verfassungswidrigen, von den USA unterstützten Regierungswechsel in der Ukraine im Jahr 2014,
  • c.) den von der Ukraine im selben Jahr begonnenen, von der NATO unterstützten Krieg gegen den ethnisch russischen Donbass,
  • d.) die Nichteinhaltung des Minsker Abkommens von 2015 vonseiten der Ukraine und des Westens zur Beendigung des Krieges,
  • e.) den Rückzug der Ukraine aus dem Abkommen von Istanbul von 2022 unter dem Druck von USA und Großbritannien und
  • f.) die Nichtberichterstattung von 2014 über die Rolle der ukrainischen Neonazis in diesem Zusammenhang

Nach dem Telefonat

Die sich nach dem Telefongespräch von heute ergebenden großen Fragen lauten:

Ließ der US-Präsident nach den zweistündigen, zweifellos sorgfältigen Erklärungen Putins gegenüber Trump, endlich diese Grundursachen in sein Bewusstsein dringen? Ist er dazu bereit, den US-Verhandlungsführern Weisung zu geben, diese Grundursachen in einem abschließenden Friedensabkommen zu berücksichtigen?

Schon früher hatte Trump flüchtige Bemerkungen darüber gemacht, die auf ein gewisses Verständnis des russischen Standpunktes hinzudeuten scheinen, wie etwa im Januar, als er sagte:

„Ein großer Teil des Problems besteht darin, dass Russland über viele Jahre hinweg und lange vor Putin sagte: ‚Die NATO darf sich niemals in der Ukraine engagieren.‘. Das haben sie nun einmal gesagt. Das ist sozusagen in Stein gemeißelt. Und irgendwann sagte (Joe) Biden: ‚Nein, sie sollten der NATO beitreten können.‘ Nun, dann hat Russland jemanden direkt vor der Haustür, und ich könnte ihre Gefühle dazu verstehen.

Es bedarf eines vollständigen, nachhaltigen Verständnisses, dessen Trump möglicherweise nicht fähig ist. Er muss bereit sein, den Hardlinern in seinem Team, nämlich General Keith Kellogg und Außenminister Marco Rubio, die Stirn zu bieten (oder sie zu entlassen) und den Einfluss der USA dafür zu nutzen, die Ukraine zu zwingen, zu akzeptieren, dass diese Grundursachen beseitigt werden müssen, um Frieden zu erreichen.

Die erste Reaktion des ukrainischen Staatsoberhauptes Wolodimir Selenski, insbesondere auf die russischen Forderungen über Gebietsabtretungen der Ukraine an Moskau, zeigen, dass Trump alle Hände voll zu tun haben wird.

„Die Ukraine wird keine Truppen aus einem Teil seines eigenen Territoriums abziehen und sich den Ultimaten Russlands nicht beugen“, sagte Selenski am Montag. „Ich bat ihn (Trump), ohne die Einbeziehung der Ukraine nichts zu akzeptieren, was die Ukraine betrifft.“ Der Kreml hat jedoch deutlich gemacht, dass er bereit ist, den Krieg fortzuführen, bis diese Grundursachen beseitigt sind. Die Opfer, die Russland und die Ukraine gebracht haben, erscheinen aus russischer Sicht sonst wenig sinnvoll. Moskaus Chefunterhändler in den Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland, die letzte Woche in Istanbul begonnen haben, sagte, Russland habe im 18. Jahrhundert 21 Jahre lang gegen Schweden gekämpft und stelle sich auf einen langfristigen Einsatz in der Ukraine ein.

Im Dezember 2021 versuchte Russland, diese Intervention und eine Eskalation des Krieges zu vermeiden, als es den USA und der NATO Verträge anbot, die den Rückzug von NATO-Truppen aus ehemaligen Ländern des Warschauer Paktes und den Abzug von Raketen aus Rumänien und Polen sowie eine Zusicherung der Neutralität der Ukraine, das heißt den Nichtbeitritt zur NATO, vorsahen. Sollten die Verträge abgelehnt werden, so der Kreml, würde man auf technische/militärische Mittel zurückgreifen, um die Probleme zu lösen.

Die USA lehnten die Verträge ab und zogen eine militärische Antwort vor — in der fehlgeleiteten und inzwischen zerschlagenen Hoffnung, dass eine russische Intervention zu einem Zusammenbruch der Herrschaft Putins führen würde. Einzig eine Wiederbelebung dieser Verträge und Trumps entschlossene Bereitschaft, diese zu verhandeln, werden den Krieg beenden.

Die Situation könnte klarer nicht sein: Die einzige Hoffnung der Ukraine, den Krieg zu gewinnen und seine Gebiete zurückzuerobern, besteht darin, dass die NATO direkt gegen Russland eingreift. Da den NATO-Führern bewusst ist, dass dies zu einer atomaren Vernichtung führen könnte, werden sie nur die Illusion aufrecht erhalten, dass sie der Ukraine noch immer zu einem Sieg verhelfen können — um so ihre eigenen politischen Karrieren und ihren Ruf zu schützen —, während sie vor Ort nichts unternehmen.

Je länger die Ukraine sich weigert, Kompromisse einzugehen, desto schlechter wird das Ergebnis schließlich ausfallen — es sei denn, Trump versteht dies und nutzt seine Macht, um die Ukraine dazu zu bringen, die Realität zu akzeptieren.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Rooting Out the Root Causes in Ukraine“. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.