Blick zurück in die Zukunft
Wer die Vergangenheit kontrolliert, herrscht über die Gegenwart — somit verwundert es nicht, dass die Verwässerung historischer Quellen kaum hinterfragt wird. Exklusivauszug aus „Tatort Vergangenheit“.
Spätestens seit „COVID-19“ sollte klar sein, dass die tatsächlichen Vorgänge mit den offiziell zur Geschichte gewordenen Erzählungen wenig zu tun haben. Ein Blick auf die jüngere Vergangenheit von der „Spanischen Grippe“ bis 9/11 bestätigt, dass schon länger Fake News zu einer Fake Past werden. Europa konnte sich nur zum Hotspot der COVID-Gläubigen und Impfopfer verwandeln, weil vermeintliche Erinnerungen an eine „Spanische Grippe“ und europaweite „Pest“-Ereignisse vorgeprägt waren. Bereits seit 1347 inszeniert man im Abendland „Pandemien“, um radikale Gesellschaftsveränderungen anzubahnen (1). In seinem aktuellen Buch geht Gerd Reuther der Frage nach, wie eine Fake Past nachträglich erzeugt wird. Exklusivauszug aus „Tatort Vergangenheit: Wie eine Fake Past unsere Zukunft diktiert“.
Es hat gute Gründe, wenn der Begriff „Fake Past“ bis heute gemieden wird und keine Treffer von Suchmaschinen generiert. Die Vergangenheit soll weiterhin als Tresor erscheinen, in dem Ereignisse scheinbar unantastbar konserviert werden.
Zerbricht der Glaube an die vermeintliche Richtigkeit der Vergangenheit, droht das Konstrukt der Gegenwart einzustürzen.
„Geschichtsleugner“ und „Geschichtsrevanchisten“ sind die Todfeinde der Mächtigen. Die Gralshüter unserer Geschichtserzählungen tun bis heute alles, um diese Autoren der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Schließlich ist „das Vergangene nicht tot; es ist nicht einmal vergangen“, wie der Schriftsteller William Faulkner (1897 bis 1962) mahnte.
Damit unsere Vergangenheit die Zukunft im Interesse der Machthaber prägen kann, muss die Geschichte so erinnert werden, dass diese sich reimen oder nachhallen kann. Nur wenn unser Gedächtnis die vorbeihuschende Gegenwart irgendwie bestätigt, sind wir bereit, Entwicklungen ohne Widerstand zu akzeptieren. Selbst Verschlechterungen werden von der Bevölkerung toleriert, falls das kollektive Gedächtnis eine Erinnerung vorspiegelt. Wer die Gegenwart passiv ertragen soll, darf vieles nicht wissen.
Der französische Schriftsteller Honoré de Balzac (1799 bis 1850) hatte „zwei Arten von Weltgeschichte“ unterschieden: „Die eine ist die offizielle, verlogene, für den Schulunterricht bestimmte; die andere ist die geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt.“ Die tatsächliche Geschichte muss geheim bleiben. Damit ist klar: Die Narrative über Vergangenes sind von einer Fake Past durchsetzt, die unser Bewusstsein nicht weniger prägt als Fake News: „Der Mensch ist das, was er aus der Geschichte erfährt“ (2).
Schriftstücke, die alle Zeitläufte überdauert hätten, gelten als die Anker unseres Geschichtsnarrativs. Für Historiker hat bis heute Geschriebenes Vorrang vor Bodenfunden. Dies geht auf die kirchliche Vorliebe für das Wort zurück. Aber Worte können unwahr sein und propagandistischen Zwecken dienen.
Dürfen Dokumente tatsächlich die Schlüsselrolle spielen? Wer hat eigentlich ausgewählt, was zu unserer Geschichtserzählung beitragen darf? Was darf überhaupt Authentizität beanspruchen? Wie echt sind die vielen Abschriften?
Als antik geltende Handschriften griechischer und römischer Gelehrter tauchten erst ab dem 12. Jahrhundert in einem vergleichsweise kurzen Zeitfenster auf. Aus Griechenland stammte das wenigste. In Rom ließen sich bestenfalls steinerne Inschriften finden. Die Auffindungsüberlieferungen angeblicher Originale und frühmittelalterlicher Abschriften tragen stereotype Züge. Entweder man fand Unvermutetes in Klöstern, die meist weit entfernt von den antiken Stätten lagen, oder oft ungenannte Gewährsleute hätten etwas vorbeigebracht. Nach der Kopie in privaten Schreibateliers „verschwanden“ umgehend die Vorlagen aus Unachtsamkeit oder weil man sie nicht mehr zu benötigen glaubte. Danach gab es lediglich „Abschriften“.
Wie authentisch waren die Informationen in den behaupteten Originalen? Der Antikenforscher Otto Neugebauer (1899 bis 1990) stellte fest, dass „der größere Teil der Manuskripte, auf denen unser Wissen über die griechische Wissenschaft der Antike beruht, aus byzantinischen Abschriften besteht, die 500 bis 1500 Jahre nach dem Tod der Autoren angefertigt wurden“ (3). Angeblich bedeutende Gestalten sind oft ausschließlich in eigenen Dokumenten präsent. Ihren schreibenden Zeitgenossen blieben sie unbekannt. Ihr Ruhm hätte sich oft erst lange nach ihrer Entdeckung entwickelt. Ungeklärt bleibt, warum die Manuskripte bewahrt worden wären, wenn ihren Verfassern keine Bedeutung zugemessen wurde.
Die Überbleibsel der Vergangenheit, aus denen unsere Geschichte für Schule und Studium rekonstruiert wurde, stellen keine Zufallsauswahl dar. Schriften und Bodenfunde tauchten zu oft auf, wenn sie gebraucht wurden. Der hippokratische Eid wurde 1518 – angeblich 1800 Jahre nach der gleichnamigen griechischen Heilerschule – erstmals bei einer Promotionsfeier gesprochen, nachdem Humanisten das „Altgriechisch“ neu geschaffen hatten (4). Die aristotelischen Schriften lagen erstmals vor, als an den neuen Universitäten ein Bedarf für Lehrinhalte jenseits der Bibel bestand. Texte über die antiken Republiken fanden sich, als der autoritäre Feudalismus in der Renaissance in Zweifel gezogen wurde. Die Manuskripte begannen dort zu zirkulieren, wo das bürgerliche Selbstbewusstsein ausgeprägt war: in oberitalienischen Kaufmannsmetropolen.
Es fehlen Originalschriften, die älter als etwa 1000 Jahre sind. Wir kennen nur Abschriften von Abschriften.
Vieles davon nur in winzigen Fragmenten. Die Hardware von Schriftstücken ist nicht ausreichend verlässlich datierbar. Das gilt für Pergamente, Papier, Tinte und Siegel. Einschließlich aller Schriftarten konnte in den vergangenen Jahrhunderten alles perfekt gefälscht werden. Wer sich genauer mit irgendeinem Abschnitt unserer Vergangenheit beschäftigt, muss bald stutzig werden. Warum wurden alle Originale weggeworfen oder achtlos verloren? Warum wäre aus dem antiken Griechenland und Rom so viel mehr übrig geblieben als aus der Zeit Karls des Großen?
Niemand scheint sich über den plötzlichen Mangel an Chronisten im frühen Mittelalter zu wundern. Ist die Zeit für uns scheinbar so „dunkel“, weil der Berufsstand plötzlich ausstarb? Als wir dann ab dem 11. Jahrhundert wieder mehr Quellen gezeigt bekommen, fehlen die Historiker, die zu den vorangehenden Jahrhunderten hätten mehr in Erfahrung bringen können als wir heute. Sie waren schließlich der Zeit noch näher. Vor dem Beginn der Neuzeit um 1500 gab es jedenfalls außerkirchlich wenig Schriften über Vergangenes.
Fast alles, was älter als 1000 Jahre sein soll, stammt aus kirchlichen Schreibstuben. Unter den wenigen Originalunterlagen aus dem Mittelalter gibt es kaum Gerichtsakten, Unterlagen über Landvermessungen, Aufstellungen über Ernteerträge, Tagebücher oder Aufzeichnungen über das tägliche Leben. Man behauptet, fast ausschließlich Urkunden und Erlässe zu haben, deren Inhalte zumeist Schenkungen zugunsten von Kircheneinrichtungen sind. Bei Verträgen mit weltlichen Partnern gibt es immer nur das kirchliche Exemplar. Andererseits sollen aus der Antike selbst Vorlesungsnotizen griechischer Philosophen und jede Menge privater Korrespondenzen aufgehoben und erhalten sein. Schriften heidnischer Autoren, die in Klöstern mehr als 2000 Jahre überdauert hätten!
Stein- und Tonfragmente oder Münzen lassen sich materialtechnisch ebensowenig sicher datieren. Hier verbleiben subjektive Alterseinschätzungen anhand von Materialverwendung, Stil und eingekerbten Botschaften, die allerdings täuschend echt nachempfunden werden können. Inschriften haben nicht den Aussagewert, der ihnen vielfach zugebilligt wird. Niemand kann objektiv ermitteln, wann diese eingemeißelt wurden. Steinfälscher wie Pirro Ligorio (1514 bis 1583) waren in der Renaissance gesuchte Handwerker. Außerdem gab es bereits seit dem 12. Jahrhundert einen blühenden Handel mit Steinartefakten und Inschriftensteinen aus Rom über ganz Europa (5).
Es sollte zu denken geben, wenn erst über ein Jahrtausend nach dem angeblichen Rückzug der Römer auf deutschem Boden „Römisches“ gefunden wurde.
Zufallsfunde hätte es längst geben müssen. Ungewöhnliches oder wertvoll Erscheinendes wäre bewahrt worden. Dies scheint jedoch nirgends der Fall gewesen zu sein. Erst als die Humanisten sich der römischen Vergangenheit annahmen und die Jesuiten die römisch-katholische Kirche mit Heiligen in römischen Kostümen bevölkerten, gab es Funde. Der Ort der berühmten Varusschlacht erhält seinen Namen erst im 17. Jahrhundert! Bis dahin gab es keinen Teutoburger Wald ...
Alle naturwissenschaftlichen Materialdatierungen beinhalten für präzise Altersbestimmungen zu viele Fehlerquellen und zu große Schwankungsbreiten. Ereignisse, die länger als ein Jahrtausend zurückliegen, sind mehr Mutmaßungen als Fakten. Wir wissen nicht einmal definitiv, ob die Zeit, um die es geht, ganze 2000 Jahre oder vielleicht einige Jahrhunderte weniger zurückliegt. Der Zeitstrahl, auf dem wir fest zu sitzen glauben, ist alles andere als astronomisch und historisch-kritisch evidenzbasiert. „Tatort Vergangenheit“ führt in die Abgründe unserer Geschichte und hilft, den schweren Rucksack einer Fake Past abzuwerfen.
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