Blutige Lieferketten
Eine Regulierung des Drohnenmarkts in Afrika ist dringend notwendig — Im Sudan haben selbst islamische Milizen Zugang zu Kampfdrohnen des Militärs.
Während der Einsatz bewaffneter Drohnen im Ukrainekrieg unter strenger internationaler Beobachtung steht, bleibt die zunehmende Verbreitung günstiger Importdrohnen auf dem afrikanischen Kontinent weitgehend unbeachtet. Ein Bericht des britischen Guardian vom März 2025 machte deutlich, dass in Afrika nahezu 1.000 Zivilisten durch Drohnenangriffe ums Leben kamen und Hunderte weitere verletzt wurden — während der Handel mit diesen Waffen ungebremst weiterläuft. Allein in den drei Jahren bis November 2024 sind mindestens 50 tödliche Angriffe durch verschiedene Armeen bestätigt worden. Fachleute erkennen darin ein „klares Muster ziviler Opfer“, ohne dass es bislang ernsthafte Rechenschaftspflicht gäbe.
Cora Morris von der Organisation Drone Wars UK verweist in ihrer Studie „Death by Delivery“ auf das wachsende Drohnenarsenal afrikanischer Armeen – insbesondere auf die zunehmende Verbreitung der türkischen Bayraktar TB2. Demnach kamen Drohnen in mehreren zentralen Konflikten zum Einsatz, darunter im Sudan, in Somalia, Nigeria, Mali und Burkina Faso. Gerade dort wurden die meisten Angriffe registriert. Morris mahnt:
„Wenn die internationale Gemeinschaft nicht rasch ein Kontrollsystem etabliert, werden wir in Zukunft noch mehr zivile Opfer durch bewaffnete Drohnen sehen.“
Externe Waffenlieferungen
Die Financial Times hebt hervor, dass der Sudan exemplarisch zeigt, wie sehr externe Waffenlieferungen den Bürgerkrieg befeuern. Nach Schätzungen sind bereits mehr als 150.000 Menschen getötet worden, über zwölf Millionen befinden sich auf der Flucht.
Zunächst erhielt das sudanesische Militär iranische Aufklärungsdrohnen, die zur präziseren Steuerung der Artillerie dienten. Im Sommer 2024 folgten dann türkische Lieferungen: Bayraktar-TB2-Drohnen für Armeechef Abdel Fattah al-Burhan – ein Modell, das bereits in anderen afrikanischen Kriegen eingesetzt wurde. Darauf verweist Wim Zwijnenburg, Experte der niederländischen Friedensorganisation PAX.
In den vergangenen Monaten kombinierte die Armee beide Systeme: TB2 aus der Türkei und iranische Mohajer-6, die mit Präzisionsbomben ausgestattet sind und beim Vormarsch auf Khartum Verwendung fanden.
Das „European Centre for Counterterrorism and Intelligence Studies“ verweist zudem auf Recherchen der Washington Post. Demnach hätten interne Dokumente gezeigt, dass eine türkische Firma im Geheimen Waffen an Burhans Truppen lieferte.
Im September 2024 sei ein verdeckter Transport von Drohnen und Munition organisiert worden – begleitet von Technikern des Rüstungskonzerns Baykar, die vor Ort die Einsatzfähigkeit sicherstellten. Laut Berichten lieferte Baykar im Jahr 2024 Waffen im Wert von rund 120 Millionen US-Dollar, darunter acht Bayraktar-Drohnen und hunderte Sprengköpfe.
Besondere Besorgnis löste Burhans Entscheidung aus, diverse Milizen gemäß Militärgesetz von 2007 der regulären Armee zu unterstellen. Dazu zählen die Brigaden al-Baraa ibn Malik – militärischer Arm der Muslimbruderschaft im Sudan –, Kämpfer der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit unter Finanzminister Dschibril Ibrahim sowie die Sudan Liberation Army von Darfur-Gouverneur Minni Arko Minnawi.
Mit dieser Entscheidung erhielten sie direkten Zugang zu den militärischen Kapazitäten des Heeres – einschließlich Drohnen – , obwohl es sich um ethnisch geprägte und politisch umstrittene Formationen handelt.
Ein Bericht des International Centre for Strategic Studies beschreibt die Baraa-Brigaden zwar primär als mit leichten und mittleren Waffen ausgerüstet. Hinweise auf einschlägigen Plattformen deuten jedoch darauf hin, dass sie inzwischen auch Spezialwaffen und Drohnen einsetzen könnten.
Medienberichte verweisen zudem auf enge Verbindungen zwischen den Brigaden und der Muslimbruderschaft. So erklärte der frühere Generalsekretär der Islamischen Bewegung, Ali Osman Mohamed Taha, bereits 2018, dass die Organisation über eigene bewaffnete Einheiten verfüge – die sogenannten „Schattenbrigaden“.
Drohnen gegen Zivilisten
Seit Beginn des Krieges zwischen Armee und Rapid Support Forces (RSF) im April 2023 häufen sich Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Baraa-Brigaden und andere Milizen in Khartum, Darfur und Kordofan – vielfach unter Einsatz von Drohnen. Dokumentiert wurden diese unter anderem von der Sudanese Founding Coalition „Tassis“, der Nationalen Menschenrechtsbeobachtungsstelle des Sudan sowie internationalen Medien.
Erst gestern verurteilte „Tassis“ einen Drohnenangriff der Armee auf einen Hilfskonvoi des Welternährungsprogramms in Mellit (Nord-Darfur), der aus 16 Lastwagen bestand. Bereits Wochen zuvor war ein Konvoi in Kuma bei al-Faschir angegriffen worden, wobei mehrere Fahrer getötet wurden.
Im Juni verhängten die USA Sanktionen gegen die sudanesische Regierung, nachdem Washington bestätigt hatte, dass im Jahr 2024 Chemiewaffen eingesetzt worden seien – ein Vorwurf, den Khartum strikt zurückwies. Unter den eingesetzten Systemen findet sich auch die iranische „Yiha“ – eine Kamikaze-Drohne, die gezielt für Anschläge auf zivile Gebiete konzipiert ist und im Juli 2025 an die Armee geliefert wurde.
Jüngste Pläne des Militärs sehen zudem den Erwerb weiterer Drohnen aus Pakistan vor. Laut der Plattform Asian Defence Security unterzeichnete Islamabad mit Khartum einen Vertrag im Umfang von 1,5 Milliarden US-Dollar – eine massive Intervention in einen der blutigsten Konflikte Afrikas. Das Abkommen umfasst zehn leichte Trainings- und Angriffsflugzeuge vom Typ K-8 Karakorum, ausgestattet mit Waffenstationen für Boden-Boden-Raketen sowie 220 Drohnen in vier verschiedenen Varianten:
Shahpar-2: eine Eigenentwicklung mit lasergelenkter Präzisionsbewaffnung,
MR-10K: für elektronische Aufklärung und Artilleriebeobachtung,
Ababil-5: modifizierbar für Kamikaze-Angriffe auf Infrastruktur,
weitere taktische Modelle für spezialisierte Einsatzarten.
Die Islamabad Post berichtete, dass der Vertrag wohl von einem Drittstaat finanziert werde – angesichts seines enormen Umfangs ein plausibler Verdacht. Für Beobachter ist dies ein weiterer Beleg für Burhans Strategie der militärischen Eskalation und seine mangelnde Bereitschaft, über politische Lösungen zu verhandeln.
Die zunehmende Zusammenarbeit zwischen Sudan und Pakistan wird zudem im Kontext engerer Verteidigungsbeziehungen zwischen Islamabad und Ankara gesehen – ein bedeutsamer Umstand, da die Türkei als zentraler Unterstützer des sudanesischen Militärs gilt.