Das journalistische Gütesiegel

Nonkonforme Prominente erhalten in den Leitmedien regelmäßig den wertenden Stempel „umstritten“ — so auch der Historiker Daniele Ganser. Exklusivauszug aus „Umstritten“.

Daniele Ganser gehört schon lange zu den „Umstrittenen“. Er hat sich diesen Titel bereits Anfang der 2000er Jahre durch kritische Veröffentlichungen etwa zu „Gladio“-Gruppen der NATO und durch die entsprechenden Reaktionen auf seine Texte vonseiten transatlantischer Meinungsmacher „verdient“. Eine damals schon polarisierte Debattenkultur hat sich seither massiv zugespitzt. Entsprechend musste man in den letzten Monaten eine nochmalige Steigerung der Diffamierung Gansers feststellen: Im Vorfeld seiner Auftritte im März dieses Jahres wurde in zahlreichen Orten in Deutschland eine harte Stimmungsmache gegen den 51-jährigen Schweizer Historiker betrieben. Etwa in Dortmund und Nürnberg waren seine geplanten Auftritte nach Kampagnen zunächst ganz verwehrt worden und konnten erst nach Rechtsstreitigkeiten und entsprechenden Gerichtsurteilen stattfinden. Ziel der Kampagnen war — wie so oft heutzutage — nicht der argumentative Einspruch gegen eine bestimmte Meinung und der Eintritt in eine gesittete Diskussion, sondern zumindest für einige Beteiligte war das Ziel die komplette Verhinderung einer unbequemen Meinungsäußerung. Zu diesem Vorgehen wird vor allem von gesellschaftlichen Akteuren gegriffen, die zwar nicht die Inhalte auf ihrer Seite haben, aber die Mittel, einen emotionalen Shitstorm auszulösen, dem sich viel zu viele Veranstalter und andere Verantwortliche viel zu schnell beugen. Im Fall Ganser kann man die Kampagnen als intensiv bezeichnen, Beispiele für Medienbeiträge gegen die Auftritte des Friedensforschers folgen weiter unten im Text. Exklusivauszug aus „Umstritten: Ein journalistisches Gütesiegel“.

Ganser und die illegalen Kriege

Wegen seiner Arbeit ist Ganser prädestiniert dafür, ein Ziel von medialen und politischen Unterstützern der US-Kriegspolitik und der aktuellen militaristischen „Zeitenwende“ zu sein: Er ist mit Untersuchungen zu sogenannten „Stay-Behind-Armeen“ der NATO in europäischen Staaten bekannt geworden, also zu Gruppen, die potenziell und verdeckt für Sabotage und Terror in ebendiesen Staaten bereitgestanden hätten.

Auch sonst stört Ganser mit seiner Forschung das geschönte Bild, das zahlreiche Journalisten und Politiker in trauter Einigkeit hierzulande von den USA und der NATO zeichnen, etwa mit seinen Büchern „Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren: Eine Chronik von Kuba bis Syrien“ oder „Imperium USA: Die skrupellose Weltmacht“.

Auch beim Thema Ukrainekrieg, bei dem Ganser bei seinen aktuellen Vorträgen auch die wichtige Vorgeschichte in den Fokus rückt, befindet er sich in Widerspruch zu einer großen Koalition aus Politikern und Meinungsmachern, die höchst empfindlich darauf reagiert, wenn man ihr „Narrativ“ vom russischen Imperialismus als einzigem Kriegsgrund infrage stellt.

Getragen wurden die diesjährigen Versuche der „Cancel Culture“ gegen Ganser von lokalen Initiativen mit oft pseudolinkem Anstrich, von Politikern sowie von regionalen und überregionalen Medien. Diese Versuche sind als Meinungsunterdrückung scharf zurückzuweisen — sie sind aber auch eine Art Auszeichnung, denn der publizistische Aufwand, der gegen Ganser betrieben wird, und die Wut, die er auslöst, sind Belege seiner Relevanz.

Versuche, Meinungsäußerungen zu unterbinden, werfen außerdem ein helles Licht auf eine große Sorge der Initiatoren der Zensurversuche: nämlich in einer fairen Diskussion mit den eigenen Argumenten nicht bestehen zu können.

Mit diesem Text wird nicht automatisch allen Thesen Gansers zugestimmt — aber er pocht unbedingt darauf, dass der Historiker seine Thesen vortragen darf.

Dass solche Kampagnen auch von Gruppen unterstützt werden, die sich selber irreführend als „links“ bezeichnen, trägt dazu bei, dass inzwischen die Untugend der Meinungsunterdrückung als eine „linke“ Tendenz dargestellt werden kann, was zusätzlich zurückgewiesen werden muss: Die Forderungen, Vorträge zu verbieten oder Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, können selbst nach den erlebten Umdeutungen der Begriffe keinesfalls als linke Positionen gelten.

„… kontrafaktische, antisemitische und antidemokratische Verschwörungsfantasien …“

Mächtiger als pseudolinke (und teils staatlich geförderte) Kleingruppen und noch problematischer als die Aussagen einzelner (Lokal-)Politiker wirken (nicht nur im Fall Ganser) viele etablierte Journalisten in großen deutschen Medien. Als Beispiele unter zahlreichen anderen Beiträgen im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Ganser soll hier auf den NDR und das ZDF Bezug genommen werden. Das ZDF zitiert ein „Bündnis aus Parteien, Religionsgemeinschaften, Verbänden“:

„Sie eint der Protest gegen den umstrittenen Historiker, dessen Vorträge sie für kontrafaktische, antisemitische und antidemokratische Verschwörungsfantasien halten. (…) Rechtlich ist Ganser nicht beizukommen und so darf er weiter im weichen Bett der Demokratie Menschen manipulieren.“

Der NDR lässt etwa folgende Behauptungen unwidersprochen:

„Auf diese Weise verharmlost er den Holocaust, stellt die Anschläge vom 11. September 2001 oder gegen das Satiremagazin Charlie Hebdo infrage, schiebt Corona diffusen Mächten in die Schuhe oder dreht beim Krieg in der Ukraine Täter und Opfer um. Das kommt gut an in manchen Kreisen. Denn Ganser kennt sein Publikum. Schließlich sei er Geschäftsmann, sagt Jasmina Bindner von der Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.“

Personal wie die hier eingeführte Rechtsextremismus-Expertin findet sich in zahlreichen Artikeln zu Ganser und anderen „umstrittenen“ Regierungskritikern. Dass zu Ganser überhaupt eine „Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ befragt wird, ist sachlich unbegründet und es ist der infame Versuch, einen Andersdenkenden bereits durch die Auswahl des jeweiligen „Experten“ als rechtsextrem hinzustellen.


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