Das lebendige Wofür

Es ist leicht, das gegenwärtige politische Handeln zu verurteilen — schwerer ist es, herauszufinden, was wir stattdessen wollen und entsprechend zu handeln.

„Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie“, sagte Nietzsche. Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind zunehmend schwer zu ertragen. Was aber könnte für uns dieses „Warum“ sein? Was motiviert uns, täglich unser Bestes zu geben? Es braucht positive Visionen einer besseren Zukunft und zugleich Vorschläge, welche konkreten Schritte wir alle in diese Richtung tun könnten. Das herrschende System kann nicht von Dauer sein, weil es gegen das Leben selbst gerichtet ist. Damit aber nicht noch mehr kaputtgeht, bevor es aufgrund seiner eigenen Widersprüche kollabiert, sollten wir uns darüber Gedanken machen, was in naher Zukunft an seine Stelle treten könnte. Aufgabe von Gegenöffentlichkeit könnte es sein, nicht nur über die Dunkelheit zu klagen, sondern darüber zu informieren, wo überall bereits Lichter der Hoffnung entzündet werden. Daraus kann der Impuls, mitzumachen, erwachsen, und es können Anregungen gegeben werden, selbst initiativ tätig zu werden.

Die Flut der Aufklärung

Es ist eine wahre Flut, eine Flut der Aufklärung, die sich gegenwärtig in den Online-Medien über unser Land ergießt. Dass das möglich ist, ist Plattformen wie NachDenkSeiten, apolut, Radio München und natürlich auch Manova zu verdanken.

In Form von Reden, Vorträgen, Interviews, Artikeln sowie auf andere Art und Weise wird bisher Verborgenes bekannt gemacht, werden Missstände aufgedeckt, Hintergründe vermittelt, Menschenrechtsverletzungen und vieles mehr aufgezeigt. Der Sumpf, dem all das Menschenunwürdige entspringt, scheint sehr tief zu sein.

Immer mächtiger wird sie in diesen Tagen, die Flut der Aufklärung. Am allermeisten hat mich die Rede von Eugen Drewermann im Rahmen der Verleihung des Löwenherz-Friedenspreises 2023 an Professor Dr. Gabriele Krone-Schmalz (1, ab 1:30) ergriffen. Seine Friedensbotschaft berührt mich bis ins Herz.

Es ist unfassbar, dass sich die für all den gegenwärtigen Wahnsinn Verantwortlichen noch immer an ihre Posten klammern. Vor allem deshalb ist es so wichtig, weiter aufzuklären, die gesellschaftlichen Verfehlungen unserer Zeit aufzudecken und die Hintergründe zu benennen.

Aufklärung lässt immer mehr Menschen aufwachen

Mich hat all die Aufklärung schon vor einiger Zeit immer wacher werden lassen. Irgendwie wusste ich seit vielen Jahren, dass die Mächtigen ihre Interessen durchsetzen, selbst mit Krieg, dass Lobbyisten maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Politik nehmen, dass die Medien ihre kritische Rolle zunehmend aufgeben und immer mehr im Sinne einflussreicher Kräfte informieren, dass die Gruppe all derer, deren Geld nicht bis zum Monatsende reicht, immer größer wird, während die Wohlhabenden immer reicher werden, dass die Zukunftsfähigkeit unseres Landes immer mehr schwindet und dass das Miteinander der Menschen zunehmend durch ein Gegeneinander abgelöst wird. Die Kriege waren weit weg. Mir und meiner Familie ging es gut, auch wenn der Alltag nicht immer einfach war.

Das, was unser Leben und unser Wohlergehen bedroht, ist näher gerückt. Unter der Berücksichtigung der heutigen Reichweite von Waffensystemen lauert der Krieg vor unserer Haustür und die derzeitige Regierung in Deutschland tut das Gegenteil von dem, was die Kriegsgefahr bannen könnte.

Wie locker es den Regierenden in der Coronazeit von der Hand ging, selbst im Grundgesetzt verbriefte Grundrechte zu untergraben, lässt mich noch immer fassungslos sein. Dabei denke ich vor allem an das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, laut Artikel 2, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Die Inflation, die Folge des Handelns der jetzigen Regierung ist, gefährdet die Existenzgrundlagen von immer mehr Menschen.

Bei früheren Wahlen gab ich meine Stimme auch den Grünen. Mittlerweile machen sie mit ihrem Vorgehen und ihrer politischen Ausrichtung nicht nur mir Angst. Ihre einstige Kernkompetenz, den Schutz der Umwelt, scheinen sie gänzlich aus dem Blick verloren zu haben. Es ist noch nicht lange her, da hätte ich mir all den heutigen gesellschaftlichen Wahnsinn beim besten Willen nicht vorstellen können.

So bin ich nicht nur wacher geworden, inzwischen bin ich entschlossen, mich für eine bessere Zukunft der Menschheit einzusetzen. Kriegserfahrung und Leid brauche ich nicht. Gegenüber meinen Enkeln sehe ich mich in der Pflicht, ihnen das zu ersparen.

Was wollen wir stattdessen?

Inzwischen können wir klar benennen, was wir nicht mehr wollen. Aber was wollen wir stattdessen? Wenn wir keine Vorstellungen von einer lebenswerten Zukunft und den Wegen zu ihrer Erreichung haben, was kommt dann? Kommen die neuen Heilsversprecher, die genau das sagen, was wir hören wollen und sich von folgenden Worten, die Konrad Adenauer zugeschrieben werden, leiten lassen: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“.

Wir brauchen erstrebenswerte Zukunftsideen, Wege, auf denen wir sie Wirklichkeit werden lassen, sowie Organisationen, die sie durchsetzen und weiterentwickeln.

Es gibt sie bereits, diese Organisationen. Schon vor Längerem erfuhr ich vom Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland e. V. (2), dem es vor allem darum geht, Wirtschaft neu zu denken.

„Die Wirtschaft dient dem Gemeinwohl und nicht mehr der Geldvermehrung um ihrer selbst willen. Ungleichheiten bei Einkommen, Vermögen und Macht halten sich in maßvollen Grenzen. Der Umweltverbrauch bleibt innerhalb der Regenerationsfähigkeit natürlicher Ökosysteme und der planetaren Grenzen.“ 

Erst auf Anregung eines befreundeten Friedensaktivisten erfuhr ich von der Initiative GemeinWohl-Lobby (3).

„Seit 2020 erarbeiten wir, die Bürgerinitiative GemeinWohl-Lobby (GWL), zusammen mit immer mehr beteiligten Bürgern, eine erstmals vom Volk selbst erstellte Verfassung. Diese Verfassung — wir nennen sie in Anknüpfung an einen Begriff aus der Aufklärung ‚GesellschaftsFAIRtrag‘, soll eine wirksame Machtkontrolle sowie ein friedliches, sozial gerechtes und enkeltaugliches Zusammenleben ermöglichen und dem Recht wieder Geltung verschaffen.“

Schule im Aufbruch gGmbH versteht sich wie folgt:

„Schule im Aufbruch ist eine Initiative, die zu mehr Potenzialentfaltung unserer Kinder führen soll. Wir wollen Schulen, die die angeborene Begeisterung und Kreativität von Kindern und Jugendlichen erhalten und fördern“ (4).

In vielen internationalen Initiativen setzen sich Bürgerinnen und Bürger unseres Landes für eine menschenwürdigere Welt ein. Beispielhaft sei an dieser Stelle die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW) genannt (5).

„Wir setzen uns für eine friedliche, menschenwürdige Welt frei von atomarer Bedrohung ein, indem wir politischen und gesellschaftlichen Einfluss nehmen.“

Plattformen, die kraftvoll hervorsprudeln lassen, was bereits in Fluss ist

Es gibt viele Organisationen, die längst aufgebrochen sind, eine menschenwürdige Zukunft zu gestalten. Sie zu finden erscheint mir gegenwärtig jedoch mühsam. Deshalb braucht es Plattformen, auf denen all das kraftvoll hervorsprudeln kann, was schon in Fluss gekommen ist, wo Zukunftskonzepte vorgestellt und diskutiert werden, wo Suchende die Initiativen finden, in die sie sich einbringen wollen.

Aufgaben von Zukunftsplattformen werden sein: Initiativen zu bündeln, Zersplitterung entgegenzuwirken, Ziele zu schärfen, Strategien zu deren Erreichung abzustimmen und Vorgehen zu koordinieren. Wie toll wäre es, wenn diese Prozesse von jungen Menschen geleitet würden, denn es ist vor allem ihre Zukunft, um die es geht.

Wir brauchen das lebendige „Wofür“, wenn Engagement erblühen soll, denn nur das „Wofür“ hat die Kraft, uns mitzureißen.

Der gesellschaftliche Wahnsinn unserer Tage hat nicht die Kraft, von Dauer zu sein. Ihm fehlt die Zuwendung zum Leben. Deshalb wird er alsbald zusammenbrechen. Es wäre eine Katastrophe, wenn wir dann keine klaren Ziele und Konzepte für eine menschenwürdige Zukunft hätten. Ähnlich erging es übrigens den Bürgerrechtsbewegungen damals, als die DDR zusammenbrach. Die Vision von einer besseren DDR war nur eine vage. Sie Wirklichkeit werden zu lassen, gelang nicht. Aus dieser Erfahrung müssen wir lernen!