Das totale Kapital

Die Furcht vor einer Ökodiktatur ist irreführend.

Seit das Thema Klimawandel in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, werden auch die Warnungen laut. Oft wird eine Ökodiktatur beschworen, die unmittelbar bevorstünde und unter dem Kommando der sich als grün bezeichnenden Partei den Menschen übergestülpt würde. Dies ist jedoch nichts als ein Ablenkungsmanöver und verschleiert die wahre Diktatur, die sich längst etabliert hat.

Die Klimagerechtigkeitsbewegung hat sich vor allem im Laufe des letzten Jahres in der Öffentlichkeit Gehör verschafft. Plötzlich ist das Thema Klimawandel in aller Munde und wird breit diskutiert, ja sogar die Bundesregierung gibt sich auf einmal aktionistisch und verabschiedet ein Klimapaket. Von Anfang an begleiten skeptische Einwürfe diese Entwicklung. Die Aktivisten wollten, so die Argumentation, in einem Schulterschluss mit der Politik oder gar von dieser gelenkt, die Ökodiktatur einführen und die Menschen ihrer Freiheit berauben.

Mal abgesehen davon, dass es sich bei einem großen Teil der Aktivisten um Anarchisten handelt, denen also nichts ferner liegt, als einen zentralistischen, totalen Staat zu etablieren, krankt diese Sichtweise jedoch noch an einer entscheidenden anderen Stelle. Eine Diktatur zu befürchten setzt voraus, dass wir derzeit in Freiheit lebten und diese Freiheit bedroht sei. Dies ist aber mitnichten der Fall. Die Diktatur ist schon lange da, und die Freiheit, in der wir vermeintlich leben, ist nichts weiter als eine Illusion.

Die Diktatur des Kapitals

Es ist die Diktatur des totalen Kapitalismus, welche die Freiheit jedes Einzelnen negiert. Die Wirtschafts- und Finanzinteressen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in jeden Lebensbereich der Menschen hineingefressen, und diese gleichsam unterworfen. Der Mensch zählt einzig und allein aufgrund seiner ökonomischen Verwertbarkeit.

Eine der bedeutendsten Analysten der totalen Herrschaft war Hannah Arendt. In ihrem Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ hat sie ihre Erkenntnisse über die Diktatur des Nationalsozialismus zusammengetragen. Dort beschreibt sie als Kennzeichen totaler Herrschaftsformen, dass sie das Gesetz, welches eigentlich die Grenze menschlichen Handelns abstecken soll, durch ein „eisernes Band“ ersetzen, das sich um alle Menschen legt und sie so vollkommen ihrer Handlungsfreiheit beraubt. Die menschlichen Gesetze sind zudem nur der Ausdruck eines höheren Gesetzes: des Bewegungsgesetzes. Das bedeutet, dass alles einer nie endenden Bewegung hin zu einem unerreichbaren Ziel untergeordnet wird. Im Nationalsozialismus war dieses Ziel die Erschaffung eines „Übermenschen“ durch „Rassenhygiene“.

Die Bewegung, die zu diesem Ziel führen sollte, drückte sich in der ständigen Ausgrenzung neuer Bevölkerungsgruppen als „unrein“ oder „parasitär“ aus und mündete in deren Vernichtung. Diese Bewegung konnte jedoch niemals an ein Ende gelangen und musste so zwangsweise immer neue Bevölkerungsgruppen erfassen. Sie selbst war zu einem Gesetz geworden, und die totale Herrschaft diente der Aufrechterhaltung dieser Bewegung. Dazu bediente sie sich des Terrors mit dem Zweck, den als vorherbestimmten Prozess zu beschleunigen. Diesen Terror übten der Geheimdienst- und Polizeiapparat ebenso aus wie paramilitärische Gruppen.

Das ewige Wachstum

Analysiert man den Kapitalismus in seiner heutigen Form, so wird man verblüffende Übereinstimmungen erkennen. Auch heute dient das ganze System einem Gesetz der ständigen Bewegung. Es ist das ewige Wirtschaftswachstum, das heutzutage jedoch nicht einmal mehr ein definiertes Ziel hat. Es wird einfach um seiner selbst willen weiterverfolgt. Dieser Bewegung wird alles andere untergeordnet. Um die Bewegung an sich aufrechtzuerhalten, wird alles getan, was dafür notwendig erscheint.

So werden seit Jahren immer größere Teile gesellschaftlicher Angelegenheiten privatisiert. Seien es Trinkwasserversorgung, Bildung oder die Sozialfürsorge. Die Bewegung des ewigen Wirtschaftswachstums will all das und vieles mehr für sich vereinnahmen. Zum gleichen Zweck werden die Steuern für Unternehmen gesenkt und die Vermögenssteuer abgeschafft, werden Banken gerettet, Austeritätsprogramme diktiert und Freihandelsabkommen geschlossen. In einem wahnwitzigen Tempo wird der gesamte Planet Erde ausgebeutet, werden Arten vernichtet und das Klima verändert, einzig, um dem ewigen Wirtschaftswachstum zu dienen.

Die Ergebnisse dieser Prozesse werden dann in Zahlen umgerechnet, die das Bruttoinlandsprodukt sowie dessen alljährliches Wachstum darstellen soll.

Das ganze komplexe Leben von Mensch und Natur wird verdichtet zu einer einzigen Zahl, deren stetiger Anstieg das höchste aller Ziele ist. Gleichzeitig wird behauptet, dass es den Menschen immer besser gehe, je größer diese Zahl sei, während ein immer größerer Teil der Menschen das genaue Gegenteil erlebt.

Vollkommen vernachlässigt wird dabei das Wohlergehen aller nichtmenschlichen Lebewesen, die dem ewigen Wachstum geopfert werden. Es ist eine reine Ideologie, die sich vollkommen von jeder Wirklichkeit gelöst hat.

Selbstverständlich bedient sich der marktradikale Kapitalismus nicht mehr ausschließlich der körperlichen Gewalt zur Umsetzung des Wirtschaftswachstums. Agierte der Nationalsozialismus mit dem Vorschlaghammer, so verwendet der neoliberale Kapitalismus das Skalpell. Dennoch bedient er sich des Terrors. Nur kommt der Terror nicht in Form schwarz uniformierter Sturmtruppen daher, sondern als farblose Bürokraten und Anzug tragende Herren.

Leistungsterror

Im Wirtschafts- und Arbeitsleben herrscht der absolute Leistungsterror. Menschen sind gezwungen, für ihren Lebensunterhalt eine Lohnarbeit zu verrichten. Sie sind vom Geld vollkommen abhängig, weil sie nur so ihr Leben bestreiten können. Ohne Geld gibt es kein Dach über dem Kopf, kein Essen, keine Kleidung. So müssen sich die Arbeitsfähigen in die Abhängigkeit der Lohnarbeit begeben und die Arbeitsplätze annehmen, welche die Unternehmen ihnen gewähren.

Dabei werden sie jedoch zu beständiger Leistung angespornt. Sie müssen „produktiv“ sein, damit sie den Unternehmern Mehrwert erwirtschaften, das, so zumindest die Propaganda, dem ewigen Wirtschaftswachstum zufließt. Dass nebenbei ein nicht unbeachtlicher Teil in die Taschen der handelnden Akteure, also Konzernmanager und Großaktionäre wandert, bestärkt bei diesen natürlich die Überzeugung von der Richtigkeit des eigenen Tuns. Wer nicht bereit ist, sich acht Stunden oder länger ausbeuten zu lassen, der wird früher oder später vor die Tür gesetzt und kann dann sehen, wo er bleibt. In Österreich geht man sogar schon so weit, die Begrenzung der Arbeitszeit auf acht Stunden wieder aufzuheben.

Sich modern nennende Unternehmen hingegen versuchen auf andere Art und Weise die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu erhöhen. Sie räumen ihnen großzügige Pausen und Freizeit ein, geben ihnen die Möglichkeit, sich „kreativ“ auszuleben. Dabei ist „Kreativität“ lediglich ein Schlagwort, das auf eine intrinsische Motivation setzt, auf eine Freiwilligkeit, sich den Verwertungszwängen zu unterwerfen.

Das Leben der Menschen ist jedoch voll und ganz den Zwängen der Lohnarbeit unterworfen.

In diesem Verhältnis liegt die Macht voll und ganz bei den Konzernen und deren Anteilseignern. Sie allein haben Eigentum an den Firmen, Fabriken, den Maschinen, dem Land, ja sogar an den Rechten zur Ausbeutung der Rohstoffe, die in der Welt zu finden sind. Dieses Eigentum, das alle anderen von den Erzeugnissen der Arbeit ausschließt, in Verbindung mit dem Geld und der Abhängigkeit der Mehrheit von diesem verleiht ihnen diese Macht. Ihr unterworfen sind all diejenigen, die nicht über solches Eigentum verfügen und auf irgendeine Art und Weise Geld verdienen müssen, um der herrschenden Klasse ihre Güter abzukaufen. Dabei beruht deren Eigentum auf der Enteignung der Mehrheit, die nun jedoch schon Jahrzehnte, oder gar Jahrhunderte zurückliegt, und die sie seitdem haben verteidigen können. Diese Macht nutzen die Konzernmanager und Aktionäre, indem sie die Abgabe der Früchte der Enteignung an die immer grausamere und rücksichtslosere Bedingung der Lohnarbeit koppeln.

Die Lohnarbeit ist es, die das Leben der Mehrheit maßgeblich bestimmt. Nichts formt und bestimmt den Alltag der Menschen so sehr, wie sie. Einen großen Teil ihrer Zeit müssen die Menschen fremden Interessen dienen, müssen dafür, oft entgegen ihres Biorhythmus ohne wirklichen Sinn früh aufstehen, sich an ihre Arbeitsstelle begeben, um dort in fremdem Interesse ausgebeutet zu werden. Das Ergebnis dieser Ausbeutung fließt dabei an den Kapitaleigner. Die Menschen selbst erhalten nur ein geringes Entgelt, das den Wert ihrer Arbeit überhaupt nicht widerspiegelt. In diesem Verhältnis haben die Mitarbeiter überhaupt kein Mitbestimmungsrecht. Entweder sie führen aus, was ihnen aufgetragen wird, oder sie werden entlassen, denn es steht eine riesige Reservearmee an Arbeitskräften bereit, die jeden Unwilligen ersetzen kann. Unternehmen sind totalitär organisiert, und die Herrscher heißen Wachstum und Profit.

Auch sogenannte Selbstständige sind nicht ihre eigenen Herren. Sie sind von Aufträgen abhängig, die ihnen erteilt werden. Diese wiederum sind jedoch meist sehr detailliert vorgeschrieben und lassen den Selbstständigen keinerlei Freiraum. Zudem werden zumeist jene Dienstleister beauftragt, die ihre Leistung zum geringstmöglichen Preis anbieten. Grund dafür ist das allgegenwärtige Streben nach Wachstum und Profit. Das bedeutet, dass die Kosten so gering wie möglich gehalten werden müssen. Damit jedoch sind Selbstständige einem Dumpingwettbewerb ausgeliefert, dem sie nicht entkommen können. Entweder sie lassen sich auf diesen ein, oder sie gehen unter. Die Mehrheit der Menschen kann über ihre Zeit und Arbeitskraft also überhaupt nicht frei verfügen, sie ist dem totalen Zwang der Produktivität unterworfen. Wer sich als unproduktiv erweist, der wird in diesem System nicht lange durchhalten und endet bei der Sozialhilfe.

Bürokratieterror

Hier geht der Terror dann nur weiter. In Form grauer Bürokraten setzen die Ämter ihre Vorschriften um, die darauf abzielen, die vom System als nutzlos ausgestoßenen Menschen wieder in dieses hineinzupressen. Mit allen Mitteln des Zwanges werden sie zurück in das Heer der Arbeitsfähigen getrieben und manche sogar gezwungen, eine Arbeit zu übernehmen, die der Menschenwürde widerspricht, wie der Fall einer Frau in Berlin zeigt, die ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes unter Androhung von Sanktionen zur Prostitution zwingen wollte.

Dabei werden die Menschen auch sinnlosen Maßnahmen unterworfen, die lediglich darauf abzielen, die Menschen irgendwie beschäftigt zu halten. Wer sich nicht fügt, wird sanktioniert und muss unterhalb des Existenzminimums sein Dasein fristen. Vollkommen ohne jedes Gefühl der Menschlichkeit setzen Bürokraten und Bürokratinnen diese Praxis um. Der Tenor: Niemand, der noch irgendwie und irgendwo arbeitsfähig ist, darf der Allgemeinheit „auf der Tasche liegen“. So können aber auch jene nicht frei über ihr Leben verfügen, die keiner Lohnarbeit unterworfen sind. Sie werden ständig unter Druck gesetzt und sind Opfer eines bürokratischen Zwanges, der mit einer Verweigerung lebensnotwendiger Leistungen droht.

Wie ein eisernes Band schnüren sich die Regeln der Ökonomie um jeden Einzelnen und berauben ihn seiner Freiheit. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit hat sich in jeden Bereich des menschlichen Lebens hineingefressen.

Man erkennt es im Selbstoptimierungswahn beispielsweise durch Smartwatches und Fitnessapps, an der Art und Weise, wie Menschen sich dem Zwängen der Wirtschaft unterwerfen, indem sie nach diesen ihr ganzes Leben ausrichten. Alles muss sich irgendwie „lohnen“, nichts wird mehr unternommen, von dem man sich nicht einen Vorteil verspricht. Ein Leben außerhalb wirtschaftlicher Kategorien ist nicht mehr möglich.

Herrschaft durch Angst

Der Mensch ist damit im Kapitalismus zur totalen Handlungsunfähigkeit verdammt. Handeln ist laut Hannah Arendt nur im Zwischenmenschlichen möglich. Gemeinsames Agieren auf einer politischen Bühne, die eine Sphäre der Freiheit darstellt, in welcher der Mensch von allen Sorgen und Nöten des Überlebens befreit ist, das allein ist Handeln. Doch im Kapitalismus kann der Mensch sich nur verhalten, also auf Reize reagieren, und das auch nur innerhalb der engen Grenzen, die das System setzt.

Von Sorgen und Nöten befreit ist der Mensch niemals. Ständig muss er sich darum sorgen, einen Arbeitsplatz zu bekommen, diesen zu behalten oder zumindest von der Arbeitsagentur nicht sanktioniert zu werden. Denn schließlich muss er seine Rechnungen bezahlen, ebenso wie die Miete. Er ist also den Zwängen des Geldes vollkommen unterworfen. Auch Gemeinschaftlichkeit ist undenkbar in einer Welt, in der alle untereinander zu Konkurrenten geworden und vollkommen vereinsamt sind. Der Leistungsdruck zerstört auch gewollt zwischenmenschliche Beziehungen. Dasselbe geschieht durch die Methode, Angst zu schüren.

Jeder Mensch im neoliberalen Kapitalismus ist immer und überall den Sorgen um sein schieres Überleben unterworfen, also jener Sorge, von welcher er befreit sein muss, wenn er handeln will. Die Angst ist vielfach real, muss es aber nicht zwangsweise sein. Doch sie ist ein integraler Bestandteil des Systems und wird ständig von diesem geschürt. Die Angst sorgt dafür, dass sich die Menschen nicht gegen dieses System auflehnen. Sie bringt sie dazu, jeden Job zu akzeptieren, sich ausbeuten zu lassen oder zumindest die Brotkrumen des Sozialsystems anzunehmen, anstatt sich aufzulehnen.

Denn beständig wird jedem die Alternative vor Augen geführt. Sei es das Negativbeispiel des Hartz-IV-Empfängers, der verteufelt und im Fernsehen lächerlich gemacht wird, seien es die abgemagerten Kinder in fernen Regionen der Welt. Alle diese Bilder dienen nur dazu, das eigene Schicksal zu akzeptieren, denn es könnte einem ja noch viel schlechter gehen. Damit ist auch das repressive Sozialsystem, wie es im Zuge der Agenda 2010 in Deutschland eingeführt wurde, nur ein Instrument der Herrschaft, mit dem Menschen unterdrückt und ihres freien Willens beraubt werden sollen. Sie können ihr Leben niemals frei gestalten, sondern haben sich nach dem Willen des Arbeitgebers oder der Behörden zu richten. Dieses System erzeugt systematische Angst um die Masse regierbar zu halten.

Selbst jene, die meinen einen festen Arbeitsplatz zu haben, können sich dabei nicht in Sicherheit wiegen. Denn das Auskommen ist beständig an die Konjunktur gekoppelt. Sei es der fest angestellte Mitarbeiter irgend eines Konzerns, sei es der selbstständig Arbeitende, das Auskommen steht und fällt mit der wirtschaftlichen Entwicklung. In einer Zeit der wirtschaftlichen Dauerkrise muss ein Jeder um sein Auskommen fürchten. Dies verschärft darüber hinaus die Konkurrenz unter den Menschen und atomisiert die letzten Reste der Gesellschaft in ihre Einzelteile.

Konsumterror

Eine weitere Seite des Terrors, den das Dogma des ewigen Wirtschaftswachstums auf uns ausübt, ist der Konsum. Er ist notwendig, um die ständige Produktion zu rechtfertigen, die Triebfeder des Wirtschaftswachstums. Mit dem von den Arbeitgebern ausgezahlten Lohn soll der Mensch nun Waren konsumieren, sodass ein Großteil des erhaltenen Geldes direkt wieder an seinen Herkunftsort zurückfließt, an die Unternehmen.

Im neoliberalen Kapitalismus wird von jedem erwartet, dass er Dinge anhäuft, Sachen kauft, auch wenn er sie objektiv gar nicht braucht. Das flüchtige Geld wird somit — oberflächlich gesehen — in festes Eigentum umgewandelt. Doch sind heutzutage viele Konsumgüter zumeist von minderer Qualität. Sie werden absichtlich mit einem „Verfallsdatum“ hergestellt. Sie sollen ziemlich schnell kaputt gehen und ersetzt werden, auch dies ist ein Tribut an das ewige Wirtschaftswachstum. Die Folgen für die Natur durch die sich türmenden Müllberge und den stetig steigenden Rohstoffbedarf sind verheerend, spielen aber in der Rechnung keinerlei Rolle. Auch die Natur wird der Bewegung des ewigen Wachstums geopfert.

Das System eröffnet uns auf der Ebene des Konsums scheinbar eine Welt unendlicher Freiheiten und Möglichkeiten. Welche Geräte und Dinge besitzen wir nicht alles, von denen vor uns niemand auch nur träumen konnte? Smartphones, Computer, Tablets mit den passenden Anwendungen, Küchenmaschinen, Wäschetrockner, Roboter als Rasenmäher oder Staubsauger. Wir können aus aller Herren Länder Früchte kaufen, sogar Erdbeeren im Dezember. Ist dies nicht das Paradies der Freiheit?

Diese Freiheit ist jedoch nur eine scheinbare. Denn die Unternehmen entscheiden, welche Dinge sie herstellen, wie und wo sie diese herstellen beziehungsweise herstellen lassen. Dabei entscheiden sie immer nach ökonomischen Kriterien. Sie produzieren also dasjenige, von dem sie sich den größtmöglichen Gewinn erhoffen, und stellen dies möglichst billig her.

Was hingegen keinerlei Rolle spielt ist, ob das Produkt tatsächlich einen relevanten Nutzen hat. Der Konsument hat keine Entscheidungsgewalt darüber, was in den Regalen des Supermarktes angeboten wird. Er kann lediglich aus gleichartigen Produkten wählen, deren einziger Unterschied vielleicht noch der Hersteller ist. Auf die Entscheidung, was und wie ein Produkt hergestellt wird, hat er keinen Einfluss. Oft kennt er nicht einmal die genauen Inhaltsstoffe eines Produktes, insbesondere bei Lebensmitteln und Kosmetika.

Der Mensch als Konsument sieht sich also mit den Ergebnissen des Herstellungsprozesses vollkommen überfordert, und hat nur die Möglichkeit zwischen dem zu wählen, was bereits da ist. Auch die Ideologie, dass die Nachfrage das Angebot bestimme, entspricht nicht der Wahrheit. Denn Konsumenten können nur nachfragen, was bereits produziert wurde. Zudem findet Produktion oftmals auch anfänglich ohne Nachfrage statt. Es werden Produkte auf den Markt geworfen, die nie jemand wirklich gebraucht oder nachgefragt hat. Das beste Beispiel hierfür trägt mittlerweile beinahe jeder Mensch in der Tasche: Das Smartphone. Der angebliche Lenkungsmechanismus begrenzt sich also auf das, was ohnehin schon da ist. Für die Unternehmen bedeuten die Absatzzahlen nur eine Rückmeldung, welche Produkte sie besonders gewinnbringend verkaufen können, und welche sie besser aus der Produktpalette streichen sollten. Er dient damit also lediglich der Optimierung der Profite.

In manchen Fällen schaffen die Unternehmen jedoch erst die Nachfrage. Dazu bedienen sie sich der Medien, insbesondere der Werbung. Hier werden mit allen Mitteln aus der Trickkiste der Psychologie Bedürfnisse geweckt, für deren Befriedigung dann gleich das passende Produkt präsentiert wird. Dabei wird diese Werbung immer aufdringlicher, greller und realitätsferner. Im Radio wird einem das neuste Angebot geradezu entgegengeschrien, im Fernsehen werden grell überzeichnete und vollkommen realitätsferne Bilder und Darstellungen von Menschen benutzt, um Bedürfnisse zu erwecken und im Internet wird man von Pop-Up Fenstern ebenso belästigt, wie von aufdringlichen Werbeclips vor, während und nach beinahe jedem Video, das man sich ansieht. Es herrscht also gleichsam ein Marketingterror, der Menschen Bedürfnisse suggeriert, die sie vorher nie hatten.

Hinzu kommt, dass oftmals Alternativen zu den angebotenen Produkten unterdrückt werden. So hat Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts General Motors, zusammen mit dem Reifenhersteller Firestone sowie Standard Oil in vielen Städten der USA die Straßenbahnen systematisch aufgekauft und verschrottet, damit die Amerikaner auf Autos als Fortbewegungsmittel umsteigen. Das Ergebnis davon sehen wir heute in Form zerissener Großstädte mit gigantischen Parkplätzen und breiten Straßen, die gewaltige Flächen versiegeln. Das fehlende Angebot an Alternativen in Verbindung mit der Werbung, die das Automobil als elegante Lösung in Szene setzt, hat die USA in ein Land der Autofahrer verwandelt.

Medien als Terrorinstrument

Die Medienmaschinerie dient auch als Terrorinstrument, um das herrschende System zu legitimieren. Hier wird die Ideologie vom ewigen Wirtschaftswachstum verbreitet, werden jene, die sich dem System nicht fügen verächtlich gemacht, werden zum Beispiel Arbeitslose in ihrem Ansehen herabgewürdigt, oder Menschen, die auf Ökologie, Selbstversorgung und Naturheilkunde bedacht sind als amüsante Schrullen zur Unterhaltung missbraucht. Die Nachrichten über Wirtschaftswachstum und den Finanz- und Aktienmarkt werden mit einer Wichtigkeit aufgebläht, die ihnen nicht gebührt. Noch für jede Absurdität des Systems haben die Medien eine Rechtfertigung parat. Sie dienen somit als Verstärker der Politik und untermauern die ewige Bewegung des Wirtschaftswachstums.

So werden beispielsweise Staatspräsidenten, die sich der neoliberalen Ausbeutungslogik nicht unterwerfen wollen, diffamiert. Sehr gut beobachten konnte man dies bei Nicolás Maduro in Venezuela, der — bei aller berechtigten Kritik — versucht hat, den Venezolanern aus der Armut zu helfen. Medial wurden die Geschehnisse so umgedeutet, dass Maduro als der böse Diktator dastand, wurden Demonstrationen für Maduro in Proteste gegen ihn uminterpretiert. Ein weiteres Beispiel ist die Medienkampagne gegen das bankrotte Griechenland, das in Schlagzeilen wie „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleitegriechen“ kulminierte.

Politik und Medien erschaffen eine eigene Realität, die mit der wirklichen Welt nichts zu tun hat. Wie dies auf politischer Bühne geschieht, und welche Folgen das haben kann, erklärt Adam Curtis in seiner Dokumentation „Hypernormalization.“ am Beispiel Muammar al Ghaddafis. Dieser wurde von den westlichen Mächten erst zu einem bösen Diktator aufgebaut, als es politisch notwendig erschien. Ihm wurden Terroranschläge in westlichen Staaten in die Schuhe geschoben, obwohl sogar Geheimdienste bestätigten, dass Ghaddafi damit nichts zu tun hatte. Auch wurden ihm Massenvernichtungswaffen angedichtet, die er nie besessen hatte, um ihn als den globalen Bösewicht hinzustellen. Wie dieser Prozess für Ghaddafis endete, ist bekannt.

Diese Form, Realität zu erzeugen, ist eine wesentliche Funktion der Medien, und gilt auch für die Eurokrise, die Arbeitslosigkeit und das Hartz-IV-System sowie die Ideologie vom Wirtschaftswachstum. So wird momentan alles daran gesetzt, die erstarkte Umweltbewegung in dem Sinne einzuhegen, dass ihre Forderungen zu einem grünen Kapitalismus umgemünzt und alle Probleme einzig auf den Faktor des CO2-Ausstoßes reduziert werden. Das dient jedoch nur der Fortsetzung des marktradikalen Kapitalismus und einer Rechtfertigung des ewigen Wirtschaftswachstums. Damit ist auch das Klimapaket der Bundesregierung nichts weiter als der Versuch, den Kapitalismus grün anzustreichen.

Eine Abkehr von der Bewegung des ewigen Wirtschaftswachstums auch nur zu erwähnen gilt geradezu als Ketzerei, und die Reaktionen darauf sind auch stets gekennzeichnet von Verachtung, Hohn und Spott.

Wird die Frage dennoch aufgeworfen so lautet die Antwort in der Regel, dass nur der Kapitalismus Innovationen hervorbringen könne, die sinnvoll zur Bekämpfung von ökologischen Zerstörungen seien. Doch E-Mobilität und Biodiesel vergrößern das Maß der Zerstörung nur, verlagern die Probleme allerdings in andere Bereiche, sodass sie zunächst unsichtbar werden. Der Kapitalismus bringt natürlich nur Innovationen hervor, die sich zu Geld machen lassen. Dabei wäre gerade unter der Bedingung der ökologischen Zerstörung eine Abkehr von Profit und Wachstumsideologie notwendig. Diese jedoch bringt der Kapitalismus nicht als „Produkt“ hervor, denn sie läuft seinen Grundbedingungen fundamental zuwider. So wird versucht, die Veränderungsenergie auf Kapitalismuskonforme Scheinlösungen zu lenken und dies als Rettung der Welt zu verkaufen.

Medien und Politik erzeugen also Pseudorealitäten, um das herrschende System zu erhalten. Dies hat auch schon Karl Marx erkannt, der sagte, dass die herrschenden Gedanken stets die Gedanken der Herrschenden sind. Und Karl Marx kannte weder Walter Lippman noch Edward Bernays, zwei der bedeutendsten Ideengeber der Meinungsmache.

Grundrechte

Auch der Einwand, unser Grundgesetz würde uns Grundrechte garantieren, zum Beispiel das Recht auf Meinungsfreiheit, ist keine Bestätigung unserer Freiheit, sondern eher das genaue Gegenteil. Denn wozu muss ein Staat großzügig die Meinungsfreiheit einräumen, wenn wir doch angeblich frei sind? Zudem stößt die Meinungsfreiheit schnell an ihre Grenzen, sobald sie den Boden der akzeptierten Meinungen verlässt. Dabei bedient sich das System der totalen Herrschaft nur selten der Staatszensur, wie im Falle von Indymedia.

Viel häufiger wird mit Diffamierung gearbeitet, wie das Beispiel Dr. Daniele Ganser zeigt. Auch das Totschweigen unerwünschter Ansichten ist ein bewährtes Mittel der Meinungsunterdrückung. Wenn dies alles nicht hilft und die Gefahr durch den Dissidenten zu groß wird, dann erfindet man Straftaten und zermahlt den Betreffenden in den Mühlen der Justiz, um ihn auf diese Weise kaltzustellen, begleitet und gerechtfertigt von den Medien. Das aktuellste Beispiel ist Julian Assange, der noch immer in Großbritannien im Gefängnis sitzt, der Folter ausgesetzt ist und droht, daran zu sterben. Kaum ein Medium sieht es als seine Aufgabe an, Assange und damit seine wichtige aufklärerische Arbeit zu verteidigen.

Das Gleiche gilt für andere Grundrechte, wie jenes der Versammlungsfreiheit. Die G20 Proteste in Hamburg haben gezeigt, dass eine allzu radikale Kritik am herrschenden System, geäußert von einer großen Menschenmenge, zu harten Repressionen des Staatsapparates gegen diese Menschenmassen führt. Zur Not werden auch mittels Agents Provocateurs Angriffe auf die Behörden fingiert, um einen Grund für das harte Vorgehen gegen die Demonstranten zu haben. Zudem werden antikapitalistische Gruppierungen gerne von Geheimdiensten beobachtet und unterwandert. Der staatliche Polizei- und Geheimdienstapparat dient somit der herrschenden Klasse, die mit der politischen Klasse kaum Überschneidungen aufweist, als weiteres Machtinstrument. Damit ist der Staat ein Instrument des Kapitals, um seine Macht zu sichern und die Mehrheit der Menschen zu unterdrücken.

Der Wert des Lebens

Menschenleben zählen in dieser Welt nicht. Wie Jean Ziegler es einmal ausdrückte: Der Nationalsozialismus brauchte sechs Jahre um 60 Millionen Tote hervorzubringen, der Neoliberalismus schafft das in gut einem Jahr. Er hat Recht, denn zu den direkten Opfern der westlich geprägten totalen Herrschaft des Kapitalismus zählen die Menschen, die überall auf der Welt verhungern, in einem Kriegsgebiet leben oder auf der Flucht sind oder an heilbaren Infektionskrankheiten sterben. In dieser Betrachtung dürfen alle anderen Lebewesen nicht fehlen, die dem Kapitalismus zum Opfer fallen. Hierunter fallen auch die Bäume, die täglich im Regenwald für gigantische Plantagen gefällt werden, und die millionen von Tieren, die jeden Tag ihr Leben lassen.

Der Mensch im Kapitalismus ist also zu keinem Zeitpunkt frei. Freiheit wird so umgedeutet, dass sie sich auf die freie Wahl der Unterwerfung bezieht. Der Mensch darf wählen, welcher Lohnarbeit er sich unterwerfen und welchen der hundert ähnlichen Flachbildfernseher er kaufen will. Echte Freiheit jedoch kennt er nicht. Er kann sich ein Leben außerhalb dieses Systems, ein Leben unter ganz anderen Bedingungen, das wahrhaft freie Entfaltung ermöglicht, gar nicht vorstellen. Daran mitgewirkt haben auch die Medien, welche das herrschende System als natürlich entwickelt darstellen und als die beste aller Welten. So wird auch die Kraft des Marktes mit einer „unsichtbaren Hand“ verglichen, die gewissermaßen ein Naturgesetz darstellen soll. Gegen Naturgesetze ist Auflehnung jedoch nicht möglich. Die totale Herrschaft des Kapitalismus wird somit unangreifbar gemacht und zu nicht verhandelbar erklärt.

Demagogie der Herrschenden

Wenn nun in diesem System der Unfreiheit und der Zerstörung eine junge Generation mit berechtigter Sorge darauf aufmerksam macht, dass wir mit beständiger Produktion und beständigem Konsum nicht weitermachen können, weil wir uns sonst selbst vernichten, dann betrifft dies die einzigen Bereiche, in denen uns Freiheit suggeriert wird: die Arbeit und den Konsum. Viele Arbeitsplätze wirken mit an der Zerstörung dieser Welt und können daher in Zukunft nicht weiter existieren. Doch auch die angebliche Freiheit des Konsums ist gefährdet, denn ein Großteil der Produkte lässt sich nur herstellen, indem unsere Lebensgrundlage zerstört wird, wie das Automobil oder der Fernseher. Da der Begriff der Freiheit auf diese beiden Bereiche verengt wurde, fühlen sich viele Menschen nun durch die Forderungen der Umweltbewegung in ihrer angeblichen Freiheit bedroht. Ihnen ist nicht bewusst, dass diese Freiheit keine ist.

Geschürt wird diese Angst von der herrschenden Klasse, welche die billigen Arbeitskräfte und den Konsum benötigt, um ihren Reichtum und ihre Macht zu sichern. Sie manipulieren die unterworfenen Menschen also derart, dass diese ihre eigene Unfreiheit verteidigen, mit der absurden Anschuldigung, die Umweltbewegung wolle eine Ökodiktatur einführen. Das ist jedoch nichts als blanke Demagogie, welche die wahren Verhältnisse vollkommen in ihr Gegenteil verkehrt. Diese Demagogie jedoch schürt eine Spaltung der Gesellschaft, welche die Macht der Kapitaleigner festigt.

Der Klimawandel ist keine Bedrohung der Freiheit, sondern die wahrscheinlich letzte Möglichkeit, der Diktatur des totalen Kapitalismus zu entkommen und eine wahrhaft freie Gesellschaft aufzubauen, bevor die menschliche Zivilisation untergeht. Diese Chance sollten wir nutzen und uns gegen die herrschende Klasse stellen. Denn nur sie profitiert von diesem System der Unterdrückung und Ausbeutung.