Der amerikanische Faschismus

Trumps Handelskrieg gegen China ist ein weiterer Schritt, um der Demokratie in den USA den Todesstoß zu versetzen.

Trumps Handelskrieg mit China eskaliert. Seinen Feldzug rechtfertigt der US-Präsident mit einem Notstandsgesetz aus dem Jahr 1977. Dieses legt er nach Gutdünken aus, um die Befugnis zur alleinigen Regulierung des Außenhandels an sich zu reißen. Der amerikanischen Wirtschaft steht durch die Eskalation des Handelskrieges eine Rezession bevor, doch anstatt den Kurs zu wechseln gibt Trump anderen die Schuld an den Ereignissen. Durch sein Handeln treibt er die Errichtung eines korporativ-faschistischen Staates voran — und niemand gebietet ihm Einhalt.

von Anthony Dimaggio

Donald Trumps Wut auf China ist eines von vielen Zeichen für den Vormarsch des Neofaschismus in der amerikanischen Politik — und das zu einer Zeit, in der weder der Kongress noch die Gerichte daran interessiert zu sein scheinen, die Macht des Präsidenten zu beschränken. Trumps einzigartige Form des Neofaschismus äußerte sich anfangs durch seine Versuche, gegen kritische Journalisten wegen „Verrats“ vorzugehen sowie durch die Ausrufung eines weißen Ethno-Nationalismus mittels der Erklärung eines „Notstandes“.

Dies ermöglichte ihm die Kriminalisierung von Einwanderern, die in konzentrationslagerähnlichen Gefangenenlagern festgehalten werden, sowie die Beschlagnahmung von Steuergeldern für den Bau einer vom Kongress niemals genehmigten Mauer an der Grenze zu Mexiko.

Der aufkommende Faschismus nimmt derzeit wegen Trumps Bemühungen, die Investitionsvorschriften US-amerikanischer Unternehmen zu bestimmen und einen Handelskrieg mit China heraufzubeschwören, immer drastischere Formen an.

Ende August kündigte Trump an, er wolle den Handelskrieg mit China durch die Einführung eines zusätzlichen Zolls von 5 Prozent auf chinesische Waren im Wert von 250 Milliarden US-Dollar verschärfen. So wird zum 1. Oktober eine Steuer von 30 Prozent erreicht, verbunden mit Sonderabgaben in Höhe von 15 Prozent — im Gegensatz zu dem bisher geplanten Satz von 10 Prozent — auf weitere Importwaren im Wert von 300 Milliarden US-Dollar, die am 1. September in Kraft traten. Trotzdem ist die größte Kontroverse nicht Trumps Säbelrasseln mit China an sich, sondern sein einseitiger Versuch, amerikanische Unternehmen daran zu hindern, weiterhin Geschäfte mit China zu machen. Auf Twitter verkündete Trump:

„Unsere großartigen amerikanischen Unternehmen sind hiermit angewiesen, sich sofort nach einer Alternative zu China umzusehen. Im besten Falle heißt das, unsere Unternehmen wieder NACH HAUSE zu bringen und eure Produkte in den USA herzustellen.“

Diese „Anweisung“ war politisch motiviert und steht im Einklang mit Trumps „America-First“-Agenda, sichtbar auch an folgender Aussage: „Wir brauchen China nicht und ehrlich gesagt wären wir ohne die viel besser dran“.

Für diejenigen, die den neofaschistischen Staatschef mit dem Argument verteidigten, dass die Aussage doch nicht ernst gemeint und er US-Unternehmen nicht wirklich herumkommandieren wolle: Trump sah das ganz anders. Er erklärte auf Twitter, dass seine Verfügung gemäß dem International Emergency Economic Powers Act aus dem Jahr 1977 zulässig sei.

Dieses Gesetz ist einem Bericht der New York Times zufolge vor allem zur Strafverfolgung von Terroristen und Drogenhändlern angewendet worden und war ursprünglich dazu gedacht, einem Präsidenten die Enttarnung krimineller Regimes zu ermöglichen — nicht etwa dazu, aufgrund eines Zollstreits die Wirtschaftsbeziehungen zu einem der bedeutendsten Handelspartner des Landes zu kappen.

Ein Zeichen dafür, wie viel weiter Trump im Vergleich zu den Jahren des „Krieges gegen den Terror“ unter George W. Bush geht, ist die Warnung von Bushs ehemaligem Berater für internationale Wirtschaftsbeziehungen, dass jede Heranziehung des International Emergency Economic Powers Act unter diesen Umständen und zu diesen Zwecken ein Missbrauch wäre.

Das Gesetz solle lediglich in Fällen einer außergewöhnlichen Bedrohung der nationalen Sicherheit und in wahrhaftigen nationalen Notsituationen angewendet werden, nicht „um den Groll des Präsidenten auszuleben“. Aber Trump ließ sich nicht aufhalten. In Hinblick auf seine Befugnis, den nationalen Notstand auszurufen, behauptete er:

„Für all die Fake-News-Journalisten, die keine Ahnung davon haben, was das Gesetz hinsichtlich der Präsidialmacht, China, et cetera sagt: Versucht doch mal, euch den Emergency Economic Powers Act von 1977 anzusehen. Fall erledigt.“

Diese Argumentation Trumps überrascht nicht besonders, wenn man bedenkt, dass er das Rechtsstaatsprinzip seit langem missachtet und bisher wenig Interesse daran gezeigt hat, den Kongress und die Gerichte bezüglich der Erlassung von Gesetzen und Verfügungen zu konsultieren. Dieser Präsident regiert durch das Erlassen von Dekreten und wird nicht zulassen, dass sich ihm solch unbequeme Hindernisse wie Verfassungsmäßigkeit und Gerichts- oder Kongressaufsicht in den Weg stellen.

Ein genauerer Blick auf das Gesetz aus dem Jahr 1977, auf das Trump sich bezieht, zeigt, dass es einem Präsidenten in der Tat die Befugnis erteilt, den Außenhandel in Zeiten des Notstandes zu regulieren. Allerdings reichen die durch das Gesetz gewährten Befugnisse nicht so weit, wie Präsident Trump behauptet. Es ermöglicht der Exekutive das Verbot der Ein- oder Ausfuhr von Waren und jeglicher Fremdwährungstransaktionen, an denen ein fremder Staat oder ein Staatsbürger desselben in Zeiten einer „ungewöhnlichen und außerordentlichen Bedrohung“ der nationalen Sicherheit und Wirtschaft irgendein Interesse hat.

Der ausschlaggebende Punkt ist hier die Tatsache, dass diese Befugnis nur in Zeiten „ungewöhnlicher und außerordentlicher Bedrohung“ erteilt werden darf — mit keinem rationalen Argument könnte das Gesetz also so ausgelegt werden, dass darunter auch einfache Handelsstreitigkeiten zwischen konkurrierenden Staatsoberhäuptern fallen. Ebenso wenig ist das Gesetz anwendbar auf Handelsstreitigkeiten, die in einer — wie Trump selbst noch im August behauptet hatte — „starken und guten“ Wirtschaft auftreten, beziehungsweise der besten Wirtschaft, die es jemals gegeben habe.

Präsident Trump möchte also auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen: Auf der einen Seite ruft er eine nationale wirtschaftliche Notlage aus, auf der anderen feiert er die wirtschaftliche Vitalität und das wirtschaftliche Wachstum der USA.

Aber geben Sie sich keinem Irrglauben hin: Trump ist sich sehr wohl bewusst, dass der amerikanischen Wirtschaft durch seinen eskalierenden Handelskrieg mit China eine Rezession droht. Das Problem ist: Er ist zu arrogant und zu eitel, um jemals zugeben zu können, dass die zunehmende wirtschaftliche Instabilität eine Folge seines eigenen Handelns ist. Er wird seinen Kurs nicht mehr ändern, auch nicht, um die bevorstehende Rezession zu verhindern.

In seiner wachsenden Verzweiflung und als Reaktion auf eine selbst verursachte „Krise“ geht Trump jetzt dazu über, Personen der US-amerikanischen Innenpolitik zu dämonisieren. Da wäre zum Beispiel der Chef der amerikanischen Notenbank (Fed), Jay Powell: Als der beginnende Handelskrieg des US-Präsidenten mit China sich auch an der Börse bemerkbar machte, forderte Trump Powell zu einer umgehenden Zinssenkung auf, um weiteren Unsicherheiten in der Wirtschaft vorzubeugen.

Der Notenbankchef weigerte sich zunächst mit der Aussage, dass die Fed aufgrund der durch Trumps Handelskrieg geschaffenen Unsicherheit und Volatilität nur begrenzt in der Lage sei, die Wirtschaft anzukurbeln. Daraufhin wurde er auf Twitter von einem hyperventilierenden Trump mit den folgenden Worten beschimpft: „Wer ist unser größerer Feind, Jay Powell oder Präsident Xi?“

Die Auswirkungen einer rückläufigen Wirtschaft auf Trumps politische Zukunft sollten nicht unterschätzt werden. Ein Präsident mit einer Zustimmungsrate von 40 Prozent kann es sich nicht leisten, weiter an öffentlicher Unterstützung zu verlieren, wenn er 2020 wiedergewählt werden will.

Eine massive wirtschaftliche Rezession wird mit ziemlicher Sicherheit zu einem signifikanten Rückgang der ohnehin schon schwachen Zustimmungsrate führen, was bedeutet, dass das Erreichen einer zweiten Amtszeit für Präsident Trump in immer weitere Ferne rückt, sollten die wirtschaftlichen Bedingungen sich Ende 2019 und 2020 weiter verschlechtern.

Während der US-Präsident sich also über Feinde im In- und Ausland auslässt, ist die ultimative Ironie in diesem Fall, dass Trump sich selbst sein ärgster Feind ist und er die sich abzeichnende Rezession — sofern sie kommt — selbst verursacht haben wird.

Die jüngsten politischen Ereignisse deuten darauf hin, dass den Vereinigten Staaten tatsächlich ein Notstand bevorsteht, auch wenn es sich nicht um einen durch wirtschaftlichen Abschwung herbeigeführten Notstand handelt. Die Nation wird vielmehr von der Epidemie des Neofaschismus heimgesucht.

Mit Neofaschismus meine ich in diesem Zusammenhang ein politisches System, das geprägt ist von extremen Formen des Nationalismus, des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit, von einer autoritären Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und seit kurzem von aktiven Bemühungen der Regierung, der kapitalistisch geprägten Wirtschaft entgegen den neoliberalen Prinzipien des „freien Marktes“ neue „Spielregeln“ aufzuzwingen. Dieses i-Tüpfelchen des Faschismus — nennen wir es korporativen Faschismus — ist bekannt aus dem Nazi-Deutschland des Dritten Reichs und überträgt der Regierung die Macht, wichtige Investitionsentscheidungen für private Unternehmen zu treffen.

Der US-Kapitalismus ist seit langem von einer autoritären Organisationsstruktur geprägt: Unternehmenshierarchien üben Macht auf Kosten der Arbeitnehmer-Mitspracherechte am Arbeitsplatz aus und verhindern gleichzeitig Gewerkschaftsbewegungen und demokratische Verhältnisse am Arbeitsplatz. Aber die Variante des korporativen Neofaschismus, die Trump versucht einzuführen, übersteigt alle Formen des Faschismus, die es in der modernen Geschichte gegeben hat. Regierungen nahmen in der Vergangenheit bei der Stärkung der plutokratischen Macht der Unternehmerschicht über die Politik die Rolle eines Juniorpartners ein. Im Kapitalismus des „freien Marktes“ stellen sie bei der Festlegung von Investitionsbedingungen für den Wirtschafts- und Privatsektor keine legitime treibende Kraft dar.

Die meisten Amerikaner wenden auf Trumps Politik nur widerwillig den Begriff „Faschismus“ an, da die Vorstellung, die USA könnten jemals zu einer faschistischen Nation werden, bisher immer strikt abgelehnt wurde. Der Ethos des „It Can’t Happen Here“ wurde von dem US-amerikanischen Autor Sinclair Lewis bereits vor mehr als 80 Jahren sehr gut auf Papier gebracht, was bedeutet, dass die Amerikaner seit jeher blind für die neofaschistischen Elemente der Politik gewesen sind, die sich direkt vor ihren Augen entfalteten.

Aber letztendlich ist der „faschistisch/nicht faschistisch“-Gegensatz sehr problematisch, gefährlich und selbstzerstörerisch für diejenigen, die die Prinzipien der Demokratie und der Gewaltenteilung immer noch achten. Denn wenn die Amerikaner mit der Frage „Ist es Faschismus?“ warten, bis der neofaschistische Staat vollständig institutionalisiert wurde, dann wird diese Debatte rein akademischer Natur und völlig bedeutungslos sein. Der Zeitpunkt, um über eine faschistische Bedrohung zu diskutieren ist dann, wenn sie sich abzeichnet, nicht nachdem sie umgesetzt wurde.

Die Zeit wird knapp für diejenigen, die Trumps neofaschistische Politik noch aufhalten und die Rechtsstaatlichkeit im Land wiederherstellen könnten. Der Kongress hätte die Möglichkeit, Trumps Bemühungen, der amerikanischen Wirtschaft einen korporativen Neofaschismus aufzuzwingen, ein sofortiges Ende zu bereiten.

Genau das Notstandgesetz, auf das Trump sich beruft, besagt nämlich, dass der Präsident in jedem erdenklichen Falle den Kongress konsultieren muss, bevor er eine der durch das Notstandsgesetz gewährten Befugnisse ausübt und dass er sich „für die gesamte Dauer der Ausübung solcher Befugnisse regelmäßig mit dem Kongress beraten muss“.

Er muss der Legislative regelmäßig Auskunft darüber geben, auf welche Art und Weise die Notstandsbefugnisse genutzt werden. Demnach steht es dem Kongress frei, den von Trump erklärten „Notstand“ umzukehren. Dies ist möglich, da dieser seine politische Macht missbraucht hat, indem er eine autoritäre, selbstverherrlichende Politik verfolgt, die dem Präsidenten eine noch nie dagewesene Befugnis zur Durchsetzung eines korporativen, neofaschistischen Regimes gewährt.

Der Kongress sollte aufgrund der Untauglichkeit Trumps als Staatschef unverzüglich ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Die Untauglichkeit des Präsidenten äußert sich beispielsweise in seiner kürzlich angeführten Behauptung, Gott habe ihn dafür „ausgewählt“, die Handelspolitik zu bestimmen, sowie in seinen Bemühungen, sich zur Führung seines Handelskriegs mit China diktatorische Notstandsbefugnisse zu erteilen.

Da Trumps neofaschistische Politik bisher wenig Gegenwind erhalten hat, wächst die Sorge, dass er durch seine im Handelskrieg getroffenen Maßnahmen noch mächtiger wird. Abgesehen von gesetzgeberischen oder gerichtlichen Maßnahmen gibt es kaum etwas, das dem Präsidenten bei seiner Mission, die Reste der in der amerikanischen Verfassung festgelegten Gewaltenteilung auszuradieren, noch im Weg steht. Falls ein Amtsenthebungsverfahren oder ein nationaler Streik und landesweite Massenproteste ausbleiben, wird sich Trumps neofaschistische Politik in Zukunft sehr wahrscheinlich verschärfen.


Anthony Dimaggio ist Assistenzprofessor der Politikwissenschaften in der Lehigh University. Er ist Doktor der politischen Kommunikation und Autor mehrerer Bücher. Weitere Artikel von Anthony Dimaggio.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Trump’s Trade War and the Emerging Corporatist-Fascist State". Er wurde von Nadine Müller aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.