Der Aufrichtige

Der ehemalige Präsident von Burkina Faso, Thomas Sankara, ist bis heute eine Ikone des afrikanischen Freiheitswillens.

Thomas Sankaras politisches Erbe wirkt bis heute nach. 2025 erschien im PapyRossa-Verlag von Gerd Schumann eine Biografie des Revolutionärs und ehemaligen Präsidenten von Obervolta/Burkina Faso, in dessen Nachfolge sich der heutige Revolutionsführer und Übergangspräsident von Burkina Faso, Ibrahim Traoré, sieht. Die lohnende Lektüre ist eine große Hilfe für das Verständnis der aktuellen Vorgänge nicht nur in den Sahelstaaten, sondern auch in anderen Teilen Afrikas. Aus dem Vermächtnis eines Thomas Sankara und anderer revolutionärer afrikanischer Führer speist sich die heutige Kraft zum Kampf für den Aufbau einer hoffnungsvollen Zukunft.

Thomas Sankara kam am 4. August 1983 durch einen Staatsstreich in Obervolta, dem heutigen Burkina Faso, an die Macht und wurde dessen fünfter Präsident. Sankara war jung, gutaussehend, eloquent, charismatisch, wurde insbesondere von der Jugend seines Landes geliebt. Er stand für revolutionären Aufschwung und eine hoffnungsvolle Zukunft, frei von neokolonialen Zwängen und Abhängigkeiten – sehr zum Missfallen des Westens.

Der heutige Präsident von Burkina Faso heißt Ibrahim Traoré, kam am 30. September 2022 durch einen Staatsstreich an die Macht, ist jung, gutaussehend, eloquent, charismatisch, wird insbesondere von der Jugend seines Landes geliebt. Er gilt mit seinem Gestaltungswillen eines vom Westen unabhängigen Afrikas als Hoffnungsträger für den ganzen Kontinent. Ibrahim Traoré sieht sich in der Tradition von Thomas Sankara – sehr zum Missfallen des Westens.

So lohnt gerade heute der Rückblick auf das Leben und den politischen Werdegang von Thomas Sankara, wie ihn die neu von Gerd Schumann vorgelegte Sankara-Biographie eröffnet.

Gerd Schumanns Text beginnt mit der für das allgemeine Verständnis der Historie afrikanischer Länder hilfreichen Schilderung des geschichtlichen Werdegangs Burkina Fasos. Er beschreibt die Zersplitterung des Landes mit seinen vielen Ethnien und Sprachen in der vorkolonialen Phase, bevor es nach der Eroberung der Hauptstadt Ouagadougou 1896 durch Frankreich unter dessen Kontrolle kam und 1932 als Obervolta Teil des französischen Überseeterritoriums wurde.

Am 5. August 1960 wurde Obervolta formal in die Unabhängigkeit entlassen. Zum Zeitpunkt der von Sankara angeführten Revolution von 1983 herrschten in dem Land Unterernährung, Trinkwassermangel, Epidemien, hohe Kindersterblichkeit und 90 Prozent Analphabetismus.

Sankaras politischer Werdegang

Am 21. Dezember 1949 wurde Thomas Sankara, dessen Vater Gendarm war, in diese bettelarme französische Kolonie hineingeboren, wo er mit anderen Kindern Mülleimer nach Essbarem durchwühlte. Er selbst erzählte:

„Von 1.000 Kindern, die im gleichen Jahr wie ich geboren wurden, ist die Hälfte in den ersten drei Lebensmonaten gestorben. (…) Ich gehörte zu jenen 16 von 100 Kindern, die zur Schule gehen konnten. (…) Ich gehörte zu jenen 18 von 100 Eingeschulten, die bis zur mittleren Reife kamen, und zu jenen 300 Jugendlichen im ganzen Land, die ins Ausland gehen und ihre Ausbildung vervollständigen und bei der Rückkehr sicher sein konnten, einen Arbeitsplatz zu finden.“

Seine Erfahrungen mit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 waren alles andere als positiv. So erklärte er, dass „(…) die Unabhängigkeit wie ein großes Unglück hereinbrach“. Es sei ihm klar geworden, „dass es Prinzipien gibt, die die Gesellschaft bestimmen; Prinzipien, die Ungerechtigkeit schaffen, und solche, die dieser Ungerechtigkeit entgegenwirken können“.

Sankara schrieb sich als 17-jähriger bei der Militärakademie in Ouagadougou ein und begann eine Offiziersausbildung. Bald schloss er sich der kommunistisch ausgerichteten African Independence Party an, bevor er an die Militärakademie Ansirabé auf Madagaskar wechselte. Als es dort 1971 zu Bauernaufständen, Studentenprotesten und 1972 zum Sturz von Präsident Philibert Tsiranana kam, stand Sankara in engem Kontakt zu den Aufständischen. Bezeichnend war vielleicht seine Frage auf die Antwort, welche Bücher er auf eine einsame Insel mitnehmen würde: „Staat und Revolution“ von Lenin, die Bibel und den Koran.

1973 kehrte Sankara zurück nach Ouagadougou, begeisterte sich für Frantz Fanons Kolonialismus-Analyse und begann mit anderen jungen Offizieren politische Untergrundstrukturen aufzubauen. An die Grenze zu Ghana versetzt, wurde er Kommandant des nationalen Ausbildungszentrums der obervoltaischen Luftwaffe. Seine Uniform nebst rotem Barett und Pistole blieben zeitlebens sein Markenzeichen. Er lernte seinen Weggefährten Blaise Compaoré kennen, mit dem er zusammen mit Henri Zongo und anderen die Geheimorganisation kommunistischer Offiziere gründete, mit dem Ziel, in seinem Land eine kommunistische Revolution durchzuführen. Sein Charisma war legendär – ebenso wie seine Vorlieben, etwa mit dem Motorrad durch die Stadt Pô und später durch Ouagadougou zu brettern. Als Gitarrist der populären Gruppe „Tout-à-Coup Jazz“ besaß er eine grandiose Bühnenpräsenz. 1979 heiratete er Mariam Sermé und wurde Vater zweier Söhne.

In Obervolta, einem Land mit einer Lebenserwartung von 40 Jahren und 150 Ärzten für sieben Millionen Einwohner, kam es zu Hungerrevolten und Generalstreiks. Im November 1980 befand sich das ganze Land im Ausstand. Colonel Saye Zerbo rief sich zum Präsidenten aus, dessen Informationsminister 1981 Thomas Sankara wurde. Aus Protest gegen ein Streikverbot der Regierung verließ er das Kabinett, mit der Folge, in der Provinz unter Hausarrest gestellt zu werden. Saye Zerbo konnte sich nicht halten, sein Nachfolger und vierter Präsident wurde der Militärarzt Jean-Baptiste Ouédraogo. Sankara wurde im Januar 1983 aus dem Hausarrest entlassen und neuer Premierminister. Er reiste sogleich zum Gipfel der Blockfreien Staaten nach Indien und gab in Obervolta den neuen politischen Kurs vor: Antiimperialismus, Panafrikanismus und Souveränität. Nicht nur Korruption und Klientelismus, sondern auch schädliche Traditionen machte er für den unseligen Zustand des Landes verantwortlich. Als er auch noch den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi nach Ouagadougou einlud, klingelten im Globalen Norden alle Alarmglocken.

Frankreich schickte „Berater“, darunter ein Sohn von Präsident Francois Mitterrand, zu Präsident Ouédraogo nach Ouagadougou, woraufhin Sankara und seine beiden Gefährten Henri Zongo und Jean-Baptiste Boukary Lingani am 17. Mai 1983 verhaftet wurden. Blaise Compaoré gelang die Flucht nach Pô, von wo aus er am 1. August mit einer unterwegs immer mehr anwachsenden Gefolgschaft in die Hauptstadt aufbrach, die sich inzwischen im Ausnahmezustand befand.

Bereits am 4. August erklärte sich Sankara in einer programmatischen Rede an das Volk zum Präsidenten und verkündete die Einsetzung eines Nationalen Revolutionsrats (CDR), in der Hoffnung, dieser möge sich zu einer Säule für neue demokratische Formen der Machtausübung durch Strukturen von unten erweisen.

Sankaras unverbrüchlicher Kampf gegen Paternalismus und Korruption rief, wie nicht anders zu erwarten, eine oppositionelle Gegenbewegung auf den Plan, insbesondere weil Sankara wegen Lohnkürzungen auch die Gewerkschaften gegen sich aufbrachte. Es kam zu Plünderungen, willkürlichen Verhaftungen und Übergriffen durch die eigenen Kräfte. Bei Konferenzen des CDR in den Jahren 1986 und 1987 versuchte er, fehlgeleitete Entwicklungen zu korrigieren, und ging auch gegen „Abenteurer, Betrüger, Heuchler und Opportunisten“ in den eigenen Reihen vor. Verhandlungen der neu eingerichteten Volksgerichte (TPR) waren öffentlich, um eine „neue Moral und Ethik“ zu verkörpern, hatten aber ihrerseits mit Machtmissbrauch zu kämpfen.

Der Stimmzetteldemokratie stand Sankara äußerst kritisch gegenüber.

Wer sich „nur während der Kampagne um das Volk kümmert, verhält sich nicht wirklich demokratisch. Echte Demokratie existiert da, wo das Volk jeden Tag seine Meinung sagen kann, denn man muss jeden Tag erneut sein Vertrauen verdienen“.

Demokratie müsse in all ihren Formen dem Volk in die Hände gelegt werden, „die wirtschaftliche, militärische, soziale und kulturelle Macht“. Sankara bestand darauf, sich die Sorgen der Menschen anzuhören.

Um die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, sollte in erster Linie im Land selbst produziert und konsumiert werden: „Burkina den Burkinabe. Afrika den Afrikanern.“ Und: „Den Imperialismus seht ihr auf euren Tellern. Importierter Mais, Reis und Hirse, das ist Imperialismus!“

Zum Schutze der Umwelt wurde ein Wiederaufforstungsprogramm gestartet unter dem Motto: „Eine Baumschule für jedes Dorf!“ Es wurden Bauernversammlungen abgehalten und insbesondere Förderprogramme für Frauen und Jugendliche gestartet. Das besondere Augenmerk Sankaras galt der Emanzipation der Frauen. Es sollten institutionelle und technische Voraussetzungen geschaffen werden, um „die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Frauen auch in der Familie“ zu verbessern.

Daneben wurde der luxuriöse Fuhrpark der Regierung aufgelöst, die Amtsträger inklusive Chef mussten mit Renault 5 vorliebnehmen. Jede Art von Privilegien wurde gestrichen, Gehälter dem Landesdurchschnitt angepasst, innerhalb der Ämter ein Rotationsprinzip eingeführt. Die von Sankara definierten Ziele lauteten: „Aufbau einer zeitgemäßen Infrastruktur, menschenwürdige Behausungen, flächendeckende und kostenlose Gesundheitsfürsorge, Schulbildung für alle und Beendigung der Abhängigkeit vom europäischen Ausland.“ Sankara wurde zum Volkstribun.

Frau und Umwelt

Ein eigenes Kapitel widmet Gerd Schumann Sankaras Kampf um Frauenrechte und dem Umweltschutz.

Um die Gleichberechtigung voranzubringen, wurde die Organisation „Vereinigung der Frauen von Burkina Faso“ gegründet, der Militärdienst für Frauen eingeführt, und Prostitution ebenso verboten wie Polygamie und Mitgift, Beschneidung sowie Früh- und Zwangsverheiratung; Geburtenkontrolle dagegen wurde propagiert. Es galt, patriarchal ausgelegte Denkstrukturen und Verhaltensweisen zu überwinden. Nach nur einem Jahr seiner Regierungszeit waren ein Drittel aller Provinzgouverneure weiblich, ebenso wie etliche Ministerinnen ihr Amt angetreten hatten. Sankara: „Revolution und die Befreiung der Frau gehen Hand in Hand. (…) Die männliche Dummheit heißt Sexismus oder Machismus.“ Die Forderung nach gerechter Teilung der Hausarbeit zwischen Männern und Frauen brachte Sankara in der burkinischen Bevölkerung indes nicht nur Beifall.

Auch in Sachen Umwelt setzte Sankara nicht auf halbe Sachen. Auf einer Umweltkonferenz 1986 in Paris erklärte er als Ziel seiner Regierung, „den Baum zu retten, die Umwelt und das Leben schlechthin“. Im Rahmen eines Entwicklungsprojekts wurden in Burkina Faso innerhalb von 15 Monaten zehn Millionen Bäume gepflanzt. Es ging um nicht weniger als „um ein Gleichgewicht und um Harmonie zwischen dem Individuum, der Gesellschaft und der Natur“. Für die ökologische Katastrophe gab er den hochindustrialisierten Ländern die Hauptschuld.

Daneben erfolgte eine Modernisierung der Landwirtschaft. Als Grundlage hierfür wurde eine Alphabetisierungskampagne für Bauern gestartet, Dünger- und Bewässerungssysteme eingeführt. Es gelang der Regierung Sankara, durch Steigerung der Landwirtschaftsproduktion den Hunger zu besiegen.

Afrika und die Schuldenfalle

Ausführlich erläutert Gerd Schumann den Kampf Sankaras gegen die Übermacht der französischen Finanzpolitik, die sein Land strangulierte.

Wie andere Länder auch, blieb Burkina Faso trotz seiner offiziellen Unabhängigkeit Bestandteil von Françafrique und über die Währung des CFA-Francs an die Pariser Zentralbank gebunden, womit das neokoloniale Herrschaftsverhältnis zementiert wurde.

Unter Sankara reihte sich Burkina Faso in die Rolle der blockfreien Länder ein, immer einer Zerreißprobe zwischen den östlichen und westlichen Militärblöcken ausgesetzt, wobei ein Teil der Blockfreien die sozialistischen Länder als natürliche Verbündete betrachtete, ein anderer Teil auf strikte Neutralität setzte. Sankara erklärte die eigene Position, „dass man blockfrei sein kann und muss, selbst wenn man im eigenen Kampf notwendigerweise durch mächtige Länder und Staaten unterstützt worden ist“. Man könne sich helfen lassen, ohne sich zu unterwerfen. Abrüstung, Frieden und Entwicklung seien miteinander verwoben, das Ende des Hungers, der Unwissenheit und der Krankheiten sei die Vorbedingung für Entwicklung.

Sankara suchte seine Verbündeten in Kuba, zeigte sich solidarisch mit den Sandinisten in Nicaragua und wurde zum Hoffnungsträger des Globalen Südens und ihrer Befreiungsbewegungen. Allerdings wuchsen trotz aller positiven Trends auch in Burkina Faso die Schwierigkeiten. Es mangelte an Geld. Es war nicht mehr möglich, die angeblich bei den reichen Ländern angehäuften Schulden und hohen Zinsen zu tilgen, wobei geforderte Strukturanpassungen die Misere noch verstärkten.

Als Sankara auf der Gipfelkonferenz der Organisation Afrikanischer Einheit (OAU) am 29. Juli 1987 in Addis Abeba die afrikanischen Länder aufforderte, den Schuldendienst zu verweigern, hatte er es sich bei beim Globalen Norden endgültig verscherzt.

Sankara: „Wir haben die Schulden nicht zurückzuzahlen. (…) Im Gegenteil, andere schulden uns etwas, das mit keinem Geld der Welt beglichen werden kann. Was ich meine, sind Blutschulden.“ Schulden seien „in ihrer heutigen Form (…) das Mittel einer geschickt organisierten Rekolonisierung Afrikas, um unser Wachstum und unsere Entwicklung Stufen und Normen zu unterwerfen, die uns vollkommen fremd sind“. Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erschienen sinnlos: „Es schien uns so, als sei der IWF nicht nur an der Kontrolle der Verwaltung interessiert, sondern weit darüber hinaus an der politischen Kontrolle.“

Als die Weltbank die zugesagte Hilfe beim Verlängerungsbau einer Eisenbahnlinie von Abidjan nach Ouagadougou mutwillig verzögerte, geschah ein kleines Wunder: Die Bevölkerung folgte einem Aufruf zur freiwilligen Arbeit, und Abertausende Menschen verlegten Bohlen und Schienen mit bloßen Händen.

Sankara wird Opfer einer Verschwörung

Es geschah, was immer geschieht, wenn sich der Westen ausgebootet sieht und Freiheitsbewegungen zu erfolgreich werden. Thomas Sankara wurde ausgeschaltet. Ähnlich wie Lumumba im Kongo vom langjährigen Weggefährten Joseph Mobutu verraten wurde, wurde Blaise Compaoré zum Verräter an Sankara.

Gerd Schumann nennt auch die Gründe und inneren Widersprüche, die Sankaras Rückhalt in der burkinischen Gesellschaft schwinden ließen und mit zum Scheitern seines ehrgeizigen Gesellschaftsprojekts führten. Viele Burkiner waren mit den hohen Ansprüchen, die Sankara an sich selbst und an die Menschen stellte, überfordert. Sein Vorpreschen in Sachen Frauenemanzipation stieß in einer patriarchalisch organisierten Gesellschaft auf Unverständnis und Widerstand. Junge Kader neigten zu Übergriffen; Intrigen und Denunziation schwächten die Bewegung. Sankara räumte öffentlich „zehntausend Fehler“ ein, erklärte: „Diese Fehler, das bin ich. Das macht mich oft sehr traurig“, und sah eine Konterrevolution heraufziehen. Besonders schmerzhaft für ihn war, dass sich bei den Entwicklungsländern keine Mehrheit für seinen Vorschlag fand, die Schuldentilgung zu verweigern.

Was Sankara allerdings niemals vermutet hätte, war, dass der Verrat ausgerechnet von seinem Freund und engsten Vertrauten Blaise Compaoré, der das Amt des Justizministers bekleidete, angeführt wurde. Compaoré hatte sich offensichtlich durch seinen Schwiegervater Jean Kourouma Terrasson, eine einflussreiche Person aus der Elfenbeinküste, korrumpieren lassen. Bereits vorher hatten Frankreich nahestehende afrikanische Regime versucht, Burkina Faso zu destabilisieren. Dazu erklärte der Schweizer Soziologe Jean Ziegler: „Wenn Compaoré zum Mörder geworden ist, wenn jemand die Hand von Compaoré gelenkt hat, dann waren es sicher die französischen Geheimdienste.“

Am 15. Oktober 1987 stürmten Elitesoldaten aus der Leibgarde von Blaise Compaoré den Sitz des Nationalen Revolutionsrats in Ouagadougou und erschossen Präsident Sankara sowie mindestens zwölf seiner Gefährten. Bei den darauffolgenden Protesten wurden hunderte Menschen getötet. Sankaras Leichnam wurde auf einem verlassenen Friedhof, der einer Müllhalde glich, verscharrt.

Burkina Faso fiel zurück auf den Status eines der ärmsten Länder der Welt.

Compaoré wurde neuer Präsident und öffnete den französischen Postkolonisten alle Tore nach Burkina Faso, das umgehend zur Drehscheibe des französischen Waffenhandels wurde. Erst im Oktober 2021 begann vor einem Militärgericht in Ouagadougou der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter, von denen viele verurteilt wurden und Gefängnisstrafen antreten mussten. Ex-Präsident Compaoré war nicht darunter. Er war vorher von Frankreich in die Elfenbeinküste in Sicherheit gebracht worden.

Da Frankreich trotz Zusage bis heute Burkina Faso die diesbezüglichen Akten seines Auslandsnachrichtendienstes nicht zugänglich macht, konnte das damalige Verbrechen immer noch nicht vollständig aufgeklärt werden. Vermutet wird, dass über die CIA auch der spätere Präsident Liberias, Charles Taylor, mitmischte.

Wie Gerd Schumann im letzten Kapital aufführt, hat Thomas Sankara ein großes Erbe hinterlassen. Er war Vorreiter in Sachen Ökologie, Frauenrechte, Gesundheits- und Bildungspolitik. Schumann: „Sankaras Traum von einer neuen, gerechten Gesellschaft in Freiheit und Würde lebt weiter“, ebenso wie der Panafrikanismus. Sankara hatte dem ehemaligen Obervolta einen neuen Namen gegeben: Burkina Faso – das Land der Gerechten.

Es musste dieses Burkina Faso sein, in dem unter dem Übergangspräsidenten Ibrahim Traoré, der sich in der Nachfolge von Sankara sieht, eine neue soziale und Unabhängigkeit anstrebende Bewegung aufblühte.

Es ist nur schwer vorstellbar, dass es ohne einen Thomas Sankara im Januar 2023 die Gründung der Allianz der Sahelstaaten, bestehend aus Burkina Faso, Mali und Niger, gegeben hätte.

Bleibt noch anzumerken, dass am 17. Mai 2025 in der Hauptstadt Ouagadougou ein Mausoleum zu Ehren von Thomas Sankara und zwölf seiner mit ihm ermordeten Mitstreiter eröffnet wurde. Das Mausoleum wurde vom preisgekrönten Architekten Diébédo Francis Kéré entworfen und geht auf eine Initiative von Interimspräsident Ibrahim Traoré zurück.


Bild

Thomas Sankara Mausoleum, Ouagadougou

Ibrahim Traoré, der seit September 2022 Interimspräsident von Burkina Faso ist, musste bisher schon einige Putschversuche abwehren. Aus dem Ausland unterstützte extremistische Islamistengruppen machen immer wieder Teile des Landes unsicher. Doch kann sich Traoré der Unterstützung seiner Landsleute sicher sein. Nach einem weiteren Putschversuch und Äußerungen eines amerikanischen Beamten, der Kritik an Traoré geäußert hatte, versammelten sich am 30. April 2025 Tausende von Menschen in Burkina Fasos Hauptstadt, um ihrer Solidarität mit der Regierung Ausdruck zu verleihen.

Auch diesmal sollen die Verräter in der Elfenbeinküste stationiert gewesen sein.


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