Der feine Unterschied

Dumme Menschen sind Unwissende, die sich ihrer mangelnden Sachkenntnis nicht bewusst sind. Sie sind es vor allem, die spalten und zum Krieg treiben.

Es scheint mir angebracht, zwischen Unwissenheit, Dummheit und Idiotie zu differenzieren. Aber worin unterscheiden sie sich, so doch der Dumme ganz wie der Unwissende von einem Mangel an Wissen zum jeweiligen Thema gekennzeichnet sind? Ein Aspekt — so meine ich — ist darin zu finden, dass der Unwissende um seine Unwissenheit weiß, während der Dumme glaubt zu wissen. Die Ursachen dafür finden sich wiederum in einer natürlichen Achtsamkeit beim Ersten und dem eklatanten Mangel daran beim Zweiten.

Immer wieder ist es mir in den vergangenen Monaten passiert, dass ich in Diskussionen geriet, bei denen es sich um die Themen Idiotie und Dummheit drehte. Das ist sehr verständlich nach all dem, was in unserem Land in den letzten Jahren an völlig irrationaler, ja irrsinniger Politik praktiziert wurde. Dabei meinte ich oft, eine emotional abwertende Gleichsetzung jedes Unwissenden mit Dummen herauszuhören. Zumal der Dumme auch rasch zum Idioten abgestempelt werden kann. Bezieht man sich auf die ursprüngliche Wortbedeutung, ist tatsächlich der Unwissende ein Idiot — unter Umständen wohlgemerkt.

„(Idiot kommt) aus dem Griechischen: ἰδιώτης (idiṓtēs) ‚einfacher Mensch; Privatmann; Laie‘, von ἴδιος (idios)‚eigen; den Einzelnen betreffend‘, über lateinisch idiōta und idiōtēs‚unwissender, ungelehrter, unerfahrener Mensch‘, im 16. Jahrhundert zunächst mit der antiken Bedeutung entlehnt, im 19. Jahrhundert dann umgedeutet“ (1).

Es war und ist mir wichtig, Worte mit Bedacht zu wählen. Verletzen ist nicht das Ziel ihrer Verwendung. Treffen sollen sie sehr wohl. Aber nicht den Menschen, sondern sein Verhalten. Sie sollen treffend beschreiben. Und ich denke, nicht falsch zu liegen, wenn ich zum Beispiel einen Karl Lauterbach als Idioten bezeichne. Und das nicht etwa, weil er unwissend ist, sondern weil er seine Unwissenheit mit großer Überzeugung, ja Hingabe und dabei alle Grenzen überschreitend zu Markte trägt. Die Unwissenheit auf einem bestimmten Gebiet ist eine Prämisse, um zum Idioten hinabzusteigen. Doch das allein reicht nicht aus. Denn ein Unwissender ist deshalb noch lange kein Idiot. Ja, er muss nicht einmal dumm sein.

Der Unwissende zieht sich aus der Rolle des Wissenden zurück, wenn ihm bewusst wird, dass er diese Rolle nicht ausfüllen kann. Der Dumme dagegen hat keine Scheu, wie ein Wissender aufzutreten.

Erst recht dann, wenn er in ein soziales Umfeld integriert ist, das ähnlich unkritisch agiert wie er selbst. Im Gruppendenken, welches gerade bei labilen Persönlichkeiten besonders stark ausgeprägt ist, kann jede Dummheit gefeiert werden. So lange wie die Masse auch reichlich klatscht.

Dem Dummen genügt das Bad in der Menge Gleichgesinnter. Sein Antrieb, Wissen zum Thema zu erlangen, ist blockiert. Es ist ihm bequemer, sich in der Sonne zustimmender Aufmerksamkeit zu wärmen, als sein Ego mit kognitiver Dissonanz zu kränken. Ist der Dumme mit ausgeprägt narzisstischen Zügen behaftet, dann könnte er gerade deshalb dumm geworden sein, weil er eben ein Narzisst ist. Solche Leute besteigen jede Bühne, die ihr Wesen streichelt. Man kann sie auch gut führen. Wenn sie „das Richtige“ sagen und tun, werden sie auch weiterhin mit Aufmerksamkeit bedacht. Wenn nicht, dann droht Liebesentzug.

Daraus lässt sich schließen, dass Unwissenheit kein charakterliches Defizit darstellt, Dummheit und erst recht Idiotie umso mehr. Vorausgesetzt, die so Bezeichneten verfügen über ein Mindestmaß an geistigen Fähigkeiten. Und so scheint es mir auch, dass Dumme lieber glauben, statt Unwissenheit durch Wissensdrang zu reduzieren. Ersteres ist bequemer, und der Erfolg auf den eingerichteten Bühnen gibt dem Dummen recht.

Wenn Menschen es sich selbst verweigern, Wissen zu erlangen, wenn sie stattdessen lieber glauben und jede Bühne besteigen, die es ihnen erlaubt, sich in ihrem bequemen, beifallsverdächtigen Glauben zu betätigen und bestätigen zu lassen, dann droht allerdings Gefahr.

Wird ihr gestreicheltes Ego durch andere Menschen, ja selbst durch die harte Realität, gestört, dann können sie schnell aus einer rasch angenommenen Opferrolle heraus aggressiv werden. Dann sind sie endgültig in der Verfasstheit überhebenden Glaubens angelangt. Eine, die meint, selbst nur Gutes zu tun und dabei bereit ist, Böses über ihre Mitmenschen zu bringen.

Dazu hat Tom J. Wellbrock vor einiger Zeit einen lesenswerten Text verfasst, den ich dem Leser nicht vorenthalten möchte:

Von der Dummheit in der Politik

3. Oktober 2023, Von Tom J. Wellbrock; veröffentlicht bei RT DE.

„Dietrich Bonhoeffer war ein lutherischer Theologe, geboren am 4. Februar 1906 in Breslau, von den Nazis ermordet am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg. Er gehörte damit zu den letzten Widerständigen, die — in seinem Fall auf direkten Befehl Hitlers — getötet wurden. Der Theologe hat sich eine Menge Gedanken gemacht, unter anderem über die Dummheit.

Dummheit: Schlimmer als Bösartigkeit

Bonhoeffer war der Ansicht, dass man gegen die Bösartigkeit durchaus etwas unternehmen kann. Man kann sie kritisieren, man kann dagegen aufbegehren, notfalls mit Gewalt. Zudem wohne dem Bösartigen immer auch eine Neigung zur Selbstzersetzung inne. Zur Dummheit dagegen schrieb Bonhoeffer:

‚Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden — in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch —, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseite geschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.‘

An dieser Stelle sei kurz erläutert, was Bonhoeffer mit Dummheit meinte. Er ging nicht von einem intellektuellen Defizit aus, sondern eher von einem soziologischen Problem. Den Defekt der Dummheit, so Bonhoeffer, treffe man häufiger bei geselligen Menschen als bei Einzelgängern an. Er schloss daraus, dass weniger die psychologische als die soziologische Komponente die Dummheit prägt. Der Theologe schrieb, dass Intellektuelle durchaus dumm und nur mäßig Gebildete sehr klug sein können.

Bonhoeffer sah Dummheit dementsprechend auch nicht als angeborenes Problem, sondern definierte bestimmte Prämissen, die zur Dummheit führen. Eine der Voraussetzungen, die den Weg zur Dummheit ebnen, sah Bonhoeffer in einem ausgeprägten Machtzuwachs von Individuen. Dieser Machtzuwachs entwickelt sich in aller Regel nicht ohne fremde Hilfe. Man braucht Förderer, Unterstützer, Mentoren. Dies wiederum führt zu einer ansteigenden Macht eines Menschen auf der einen Seite, aber auch zu einer erheblichen Abhängigkeit von denen, die diese Macht ermöglichen, auf der anderen Seite. Daraus kann sich bei entsprechenden Persönlichkeiten ein regelrechter Zerfall der Autonomie der Persönlichkeit entwickeln, die mit Macht ausgestattet wird.

Der sture Dumme und das Böse

Bonhoeffer beschrieb auch Unterhaltungen mit dummen Menschen. Er bezeichnete sie als äußerst stur, resistent gegen Argumente und gegebenenfalls sehr aggressiv. Er fügte aber auch hinzu, dass man bei derlei Unterhaltungen sich nicht des Eindruckes erwehren könne, die Dummen sprächen gar nicht für sich selbst, sondern sagten Dinge, die ihnen aufgetragen wurden, und zwar von denen, die zuvor von ihnen Besitz ergriffen hatten.

Für Bonhoeffer liegt hier ein massiver Missbrauch vor, der beim inzwischen dumm Gewordenen zur vollständigen Aufgabe seiner Autonomie führt. Durch diese Selbstaufgabe ist der Dumme auch zu allem Bösen fähig, schlicht, weil er das Böse als solches nicht mehr identifizieren kann. Durch die Kombination aus äußerer Manipulation und der inneren Überzeugung, das Richtige zu tun, entsteht eine Bereitschaft, Dinge zu tun, die ein kluger Mensch niemals tun würde.

Belehrungen sind zwecklos

Bonhoeffer glaubte nicht daran, mit einem Dummen Gespräche zu führen, die zur Besserung oder gar Einsicht beitragen. Letztlich kann das nicht funktionieren, denn es setzt auf beiden Seiten der Gesprächspartner eine intellektuelle und sachliche Herangehensweise voraus. Doch da der dumme Mensch diese Ebenen längst verlassen hat, wird das Argumentieren zum Scheitern verurteilt sein.

Lediglich eine innere Befreiung, die einer äußeren Befreiung folgt, sieht Bonhoeffer als Möglichkeit, den Dummen zu einem Wandel zu bewegen. Solange diese äußere Befreiung nicht stattgefunden hat, empfiehlt der Theologe, alle Versuche aufzugeben, den dummen Menschen zu überzeugen. Man muss den Dummen also den Prämissen entreißen, die seine Dummheit ermöglicht und aufgebaut haben und die zum Missbrauch seiner Person als autonomes Wesen geführt haben. Nur so kann sich die Erkenntnis des Dummen über seine Dummheit durchsetzen.

Von Dummheit regiert?

Je nachdem, welchen Politiker man vor dem inneren Auge sieht, wenn man diesen Text liest, liegt Bonhoeffer mit seiner Interpretation über die Dummheit dichter oder etwas weniger dicht an der heutigen Wirklichkeit. Man muss bedenken, dass er seine Überlegungen unter dem Einfluss des Nationalsozialismus angestellt hatte. Doch die Gültigkeit seiner Grundannahmen ist auch heute noch erkennbar.

Sicher, man kann etwa Außenministerin Annalena Baerbock nicht mit Bauministerin Klara Geywitz vergleichen, Letztere bewegt sich auf einem intellektuell anderen Niveau als Baerbock. Doch wie wir gesehen haben, ist der Intellekt ja nicht die Triebfeder für die von Bonhoeffer beschriebene Dummheit. Es ist die Macht, und davon besitzt Baerbock deutlich mehr als Geywitz.

Zudem kommen bei den Politikern an der Spitze der Macht andere Faktoren hinzu, also etwa mögliche Neigungen zum Narzissmus oder zur Psychopathie. Eingebettet in diese Gegebenheiten sind selbstverständlich fachliche Defizite und wahrscheinlich auch das Prinzip der Mentoren, die ein Maximum an Inkompetenz für die Einflussmöglichkeiten auf die mit Macht ausgestatteten Politiker gut brauchen können.

Was sich relativ sicher sagen lässt, ist, dass Persönlichkeiten wie Baerbock, Olaf Scholz oder Robert Habeck nicht die Entscheider ihrer Politik sind. Sie werden geleitet, hin und wieder sprechen sie es sogar aus, beispielsweise, wenn Habeck sagt, er wolle ‚dienend führen‘. Die Entscheider sitzen also vornehmlich in den USA, und es ist anzunehmen, dass sie nicht von Washington aus die Fäden ziehen, sondern die Schaltstellen woanders sind.

Wer verfügt über das größte Maß an Macht? Es sind die, die über die größten Geldmengen verfügen. Hier bewegen sich insbesondere deutsche Politiker auf einer durchschnittlichen Ebene. Es ist schließlich kein Zufall, dass zum Beispiel die mächtige Automobilindustrie durch eigens herangeschaffte Anwälte Gesetze schreiben lässt, die dann von der Politik mehr oder weniger unwidersprochen beschlossen werden (Stichwort Diesel-Skandal).

Am Ende behält Bonhoeffer recht, wenn er schreibt, dass die Dummen missbraucht werden, dass sie nicht mehr Herr ihrer Sinne beziehungsweise Entscheidungen sind, dass sie so weit manipuliert werden, bis sie das offen Bösartige praktizieren, ohne sich dessen bewusst zu sein, mehr noch: es für das Gute halten.

Doch was schließt man aus all dem? Wenn es wirklich sinnlos ist, mit Dummen zu diskutieren, weil man sie faktisch nicht erreichen kann, weder mit guten Argumenten noch mit Formen des Drucks, was ist dann zu tun?

Es ist eine deprimierende Erkenntnis, nicht zu denen vorzudringen, die die Macht übertragen bekommen haben, um den Interessen derer zu dienen, die im Hintergrund die Politik dominieren. Und so bleibt nur der Widerstand, mit Worten, Taten und dem Aufzeigen des destruktiven Prinzips, dem wir ausgeliefert sind. Man wird die, die verantwortlich sind, nicht erreichen, aber man kann die erreichen, die deren Opfer sind, selbst wenn sie sich (noch) nicht als Opfer fühlen.

Die Distanz zwischen Politik und Bevölkerung war wahrscheinlich seit Ende des Zweiten Weltkrieges nie so groß wie in der heutigen Zeit. Umso wichtiger ist die Nähe derer zueinander, die unter der Abschottung ihrer Volksvertreter leiden. Die Schnittmengen des Volkes sind groß, auch weil der Kampf gegen die Dummheit kein intellektueller, sondern ein gesellschaftlicher ist“ (2).

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.


Danke Tom, bleiben Sie bitte auch weiterhin schön aufmerksam, liebe Leser.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Unwissenheit ist nicht gleich Dummheit“ bei Peds Ansichten. Der im Beitrag in Gänze zitierte Text von Tom J. Wellbrock erschien zuerst unter dem Titel „Von der Dummheit in der Politik“ bei RT DE.