Der gespaltene Spalter

Mainstream-Redakteuren wie Imre Grimm fehlt zwar nicht der Intellekt, aber das Einfühlungsvermögen, um die katastrophale Corona-Politik einzuschätzen.

Sie werden als Edelfedern bezeichnet und verstehen sich meist auch selbst so: Viele etablierte Journalisten in den Massenmedien haben inzwischen jeglichen Kontakt zur Realität in Deutschland verloren. Sie vermögen nicht über simples Schwarz-Weiß-Denken hinaus zu reflektieren. Vertretern der Zunft wie Imre Grimm, der unlängst seiner hässlichen, ja bösartig gefärbten Empörung über die Künstleraktion #allesdichtmachen freien Lauf ließ, mangelt es an der Fähigkeit zur Kritik und Selbstkritik. Wer sich so verhält, ist oft innerlich gespalten, weil sein Ego leicht zu verletzen ist. In der Folge spaltet er dann auch im Außen.

Imre Grimm ist intelligent und wissend, wortgewandt und mit einem recht starken Hang zur Satire ausgestattet (1). Er ist in Hannover geboren und dort hat sich offenbar seine gesamte weitere Biografie abgespielt. Er hat einige Jahre Germanistik und Geschichte an der Leibnitz Universität in Hannover studiert. Ein akademischer Abschluss blieb ihm versagt, ist aber kein Gradmesser. Sein erster Arbeitgeber war die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), die größte Tageszeitung in Niedersachsen. Ein Jahr lang volontierte Grimm bei dem Blatt, um danach 15 Jahre als Redakteur für die HAZ zu arbeiten. Dabei avancierte er im Jahre 2005 zum Leiter des Medienressorts (2).

Im Jahr 2013 wechselte Imre Grimm zum Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). HAZ wie RND haben ihren Sitz in der niedersächsischen Landeshauptstadt. An dieser Stelle können wir festhalten, dass Grimm nach seinem Studienabbruch eine ziemlich geschmeidige Karriere hingelegt hat, in der er sich gut aufgehoben fühlte. Dies erweckt auch nicht den Eindruck, dass er beruflich jemals besonders experimentierfreudig gewesen wäre. Er hatte und hat ein sicheres Auskommen (2i). Das ist wahrlich nicht zu verurteilen. Schließlich ist das Bedürfnis nach Sicherheit mehr oder weniger stark in allen von uns ausgeprägt. Das lässt sich jedoch leider auch ausnutzen.

Wie gesagt, meint der Redakteur Imre Grimm, einen Faible für Satire zu besitzen. Seine Satire trifft jedoch nicht wirklich die brennenden Probleme unserer Gesellschaft. Wenn es jedoch darum geht, die zu veröffentlichende Meinung — ja, Meinung, nicht Information — unters Volk zu bringen, dann ist der Mann zur Stelle — und zwar ohne, dass ihn der Auftraggeber dafür instruieren müsste. Die Instruktionen sind nämlich bereits verankert, in Grimms Weltbild, das sich nach den Prinzipien des Overton-Fensters verschiebt und somit immer das im Sinne der Meinungsherrschaft Richtige verinnerlicht und ausdrückt.

Imre Grimm hat ja im Jahre 2013 — als er von der HAZ zum RND wechselte — nicht wirklich etwas Neues gewagt. Er blieb eingebettet, bezahlt von ein und demselben Arbeitgeber. Schließlich gehören HAZ wie RND zur Madsack Mediengruppe. Das ist der immerhin viertgrößte deutsche Medienkonzern. Nicht nur in Niedersachsen laufen viele Blätter unter seiner Flagge, auch eine ganze Reihe weiterer Traditionsblätter anderswo sind in den Konzern eingegliedert worden — in Nachwendezeiten teils unter freundlicher Mithilfe der Treuhand (3).

Grimms Wechsel zum RND fiel mit der Gründung des Netzwerkes zusammen. Madsack-Konzernsprecher Thomas Düffert argumentierte damals, auf diese Weise„überregionale Inhalte in einer besseren Qualität bieten (zu können), als eine einzelne Regionalzeitung sie allein liefern könnte“ (4).

Wenn heute ein Leser der HAZ bei überregionalen Themen feststellt, dass in der Leipziger Volkszeitung oder in den Dresdner Neuesten Nachrichten oder in der Märkischen Allgemeinen oder oder oder ... das Gleiche steht wie in seinem Hausblatt, dann hat er unbewusst mehrere Dinge erfasst. Nicht nur werden Informationen der gleichen Art auf die Blätter verteilt, sondern auch — und das ist viel entscheidender — Meinungen, Stimmungen, Emotionen.

Als Imre Grimm den lukrativen Posten beim RND bekam, fiel er praktisch nach oben. Wie wir heute sehen, waren es ganz offensichtlich nicht nur seine redaktionellen Fähigkeiten, die ihn interessant für seinen Arbeitgeber machten. Wie übrigens auch die dpa (Deutsche Presse Agentur), beschränkt sich das RND eben nicht auf die zentrale Sammlung von Informationen, um diese dann an die Blätter von Madsack zu verteilen. Das Netzwerk verbreitet vor allem Meinungen. Es vermischt gezielt ausgewählte Informationen und Meinungen — und genau an dieser Stelle kommt die wichtige Rolle des Imre Grimm ins Spiel.

Weil man halt geeignete Menschen benötigt, um Stimmungen zu erzeugen und zu verbreiten.

Diese Persönlichkeiten leben in sehr starken Überzeugungen, haben sich Weltsichten zugelegt, die stark auf Glauben und weniger auf Hinterfragen ausgerichtet sind. Damit sind Feindbildern in den Köpfen der Betroffenen Tür und Tor geöffnet.

Und wenn der Feind vor der Tür steht, jener der das Gefühl aufkommen lässt, in der eigenen Existenz bedroht zu sein — und wenn diese auch nur die des eigenen Egos verkörpert — dann sind alle Mittel gerechtfertigt. Dann darf beleidigt, diffamiert, ausgegrenzt, lächerlich gemacht, ja offener Hass ausgelebt werden.

Also: Bühne frei für eine bemerkenswerte Selbstspiegelung. Das hier soll Journalismus sein?

„Katastrophe für die Solidargemeinschaft Deutschland (...) es ist eine Unverschämtheit (...) lästern die Damen und Herren zu leiser Klaviermusik über die Angst vor dem Virus. Sie raunen Wirres. (...) die sich da in überraschend schlecht geschriebenen Texten am Corona-Alltag abarbeiten (...) Sie erzählen schlicht dummes Zeug. Sie ätzen gegen die Medien, sie unterfüttern munter den saublöden Irrtum, es sei unmöglich in diesem Land, eine eigene Meinung zu entwickeln“ (5).

Wer nicht informiert ist, um wen es Imre Grimm eigentlich geht, und nun den Drang verspürt, auf die Suche zu gehen, dem möchte ich sagen: Es ist völlig egal, um wen es hier geht. Zu erkennen gilt, dass diese Art und Weise der Auseinandersetzung mit anderen Meinungen ein Unding ist. Richtiger gesagt, stellt sich Grimm ja auch gar nicht anderen Meinungen, sondern greift direkt die Menschen an, welche, nun ja, schlicht nicht seiner Meinung sind.

Das RND hat sich selbst einen Persilschein ausgehändigt und den Beitrag des Imre Grimm als Kommentar gekennzeichnet. An der verhängnisvollen Wirkung auf die Leser ändert das rein gar nichts. In der Regel fällt diesen der Unterschied zwischen Meinung und Nachricht nicht auf, Grimm wohl auch nicht. Was der Mann tut, lässt sich ein einem Wort zusammenfassen und das heißt Hetzen:

„Kurz: Sie bedienen vollständig und vorsätzlich das Narrativ all der Schwurbler und Verschwörungstheoretiker, die die Tatsache, dass sie ihren Egoismus kurz mal beiseiteschieben sollen, mit einer Grundrechtsverletzung von epischem Ausmaß verwechseln. (...) ventiliert die uralte Mär von den gleichgeschalteten Medien (...) raunt er in bestem Wutbürgerparlando (...) die alten, öden Vorurteile von ‚Diktatur!‘-Schreihälsen“ (5i).

Hetzen ist eines der wichtigsten Merkmale von Propaganda, eine ganz gezielte emotionale Ausrichtung von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen, die durch die ihr innewohnende Wirkkraft jeden rationalen Inhalt überstimmt.

Imre Grimm sieht sich in der Rolle eines Redakteurs und gleichzeitig in der des Satirikers (1i). Das Problem dabei ist, dass der Satire beiwohnende Geschmack von Sarkasmus und auch Zynismus uns in Selbstgefälligkeit und Überhebung abgleiten lassen kann. Rasch entfernt man sich von der eigentlichen Sache und einer gebotenen Achtsamkeit auch gegenüber den eigenen Ergüssen. Parallel dazu wälzt man moralische Floskeln, um unüberlesbar klar zu machen, dass man auf der Seite der Guten steht. Wehe aber, wenn es die anderen sind, die mit satirischer Überhöhung Kritik an Missständen üben.

Der Weg zur Lüge ist dann nicht mehr weit. Eine Form der Lüge ist die Verleumdung, die Unterstellung niederer Motive, die man aber mitnichten begründen kann. Imre Grimm, immerhin Leiter des Teams Gesellschaft beim RND (6), verleumdet, watend in der eigenen Wohlgefälligkeit, Kritiker der staatlicherseits betriebenen Grundrechteeinschränkungen und medizinisch unsinniger Maßnahmen der nichtpharmazeutischen Intervention. Damit lügt er auch seine Leser an und trägt Verantwortung zur immer weiter betriebenen Spaltung der Gesellschaft, wie zum Beispiel so:

„Sie machen sich lustig über Menschen, die vor Erschöpfung am Gitterbett ihres Kindes hängen und weinen“ (5ii).

Belegen kann Grimm das nicht. Ja klar, es ist ja „nur“ eine Meinungsäußerung. Nein, das ist es nicht, es ist das Aufhetzen von Menschen gegen andere Menschen. Auch wenn viele Zeitgenossen noch immer abwehrend die Hände heben, wenn man mit solchen Vergleichen kommt, sollten wir die immer offensichtlicheren Parallelen zu dunklen Kapiteln der deutschen Vergangenheit nicht ignorieren:

Die jüdische Bevölkerung hat man im Dritten Reich mit genau diesen Mitteln — der Unterstellung moralisch niederträchtig und gewissermaßen unmenschlich zu sein — entmenschlicht.

Vor der physischen Misshandlung und schließlich Ermordung dieser Menschen hat man vor allem mit latenter Angstmache die Bereitschaft in den Köpfen ihrer Mitmenschen entwickelt, dass so etwas bei bestimmten Gruppen aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise legitim wäre. Enorm wirkmächtige, emotionale Aussagen wie Grimms Obige, haben dafür den Weg freigemacht.

Auch im folgenden Zitat verleumdet Imre Grimm, der sich so gern als Satiriker sieht, „echte“ Satire aber nur seinem Weltbild zugesteht:

„Sie mokieren sich voller Häme über jene, die die Maßnahmen gegen Corona möglicherweise auch nicht durchgehend logisch, verständlich, supertoll und wirkungsvoll finden, die aber immerhin bereit sind, ihr Ego für ein paar Monate zurückzustellen“ (5iii).

Nun, mit dem „Ego für ein paar Monate zurückstellen“: Anfangs waren es ein paar Wochen und bald könnten es ein paar Jahre sein.

Wer hier tatsächlich sein Ego nicht zurückstellt, ist schwer zu übersehen. Alles was Grimm da raus lässt, ist emotional höchst aufgeladen und vom Standpunkt der eigenen moralisch-ethischen Reinheit geprägt.

Auch die folgende Meinung umhüllt eine Verleumdung, freilich eine, die dem Imre Grimm selbst eher nicht bewusst geworden sein wird, auch nicht im Nachgang. Es wäre schön gewesen, wenn er es bei dem versprochenen einen Satz belassen hätte. Hier widerlegt er ein Narrativ. Allerdings haben dieses die von ihm „Kritisierten“ überhaupt nicht aufgestellt. Die attackierte Künstlergruppe weiß sehr wohl um kritische Berichte in den Medien, dort liegt aber nicht der Fokus ihrer Kritik:

„Dazu nur ein Satz: Wer so redet, offenbart lediglich, dass er offenbar seit Monaten darauf verzichtet, auch all die nachdenklichen, selbstkritischen und abwägenden Berichte in klügeren Blättern zur Kenntnis zu nehmen, die es zuhauf gegeben hat“ (5iv).

Was aber findet sich inhaltlich im Kommentar des RND-Arbeitnehmers? Was wirft er denn den Angefeindeten ganz konkret vor? Die Antwort ist verblüffend simpel: Er wirft ihnen konkret überhaupt nichts vor! Er ist nirgends konkret, kommt niemals zur Sache. Stattdessen — Entschuldigung Herr Grimm, dass ich eine Ihrer Lieblingskampfbegriffe mal aufnehme — schwurbelt er. Wenn ich mir versuche vorzustellen, was Schwurbeln sein soll, dann passt es ganz gut zu dem hier:

„Können sich verdiente Künstler so dermaßen in wattigen Gedankengebäuden verirren? Es gibt nur zwei Möglichkeiten, warum man als privilegierter Star den Applaus von Schwurblern und Spinnern in Kauf nimmt: Entweder, man ist gelangweilt, naiv und schlecht informiert. Oder man denkt genauso wie sie“ (5v).

Daraus schlussfolgert der Redakteur und Satiriker Imre Grimm:

„Beides wäre verheerend und ist dieser Teilelite der deutschen Schauspielzunft unwürdig“ (5vi).

Die Frage die sich da stellt, ist nur:

Wenn all sein Gemotze jeder Grundlage entbehrt und letztlich ausschließlich seiner schwer auszuhaltenden moralischen Überhebung geschuldet ist, welchen Wert hat seine Schlussfolgerung — keinen? Ganz im Gegenteil: Emotional ist der Wert leider gar nicht hoch genug einzuschätzen, denn die Rhetorik der Schlussfolgerung wird vom Lesenden als Wahrheit aufgenommen! Leute mit Medienkompetenz sind sich solcher Zusammenhänge sehr wohl bewusst.

Der Beginn dieser Meinungsäußerung des Imre Grimm war mit einem Versprechen verbunden. Aber auch dieses ist nur vorgetäuscht und auch solcher Mechanismen müssen sich medienkompetente Journalisten und Redakteure immer bewusst sein. Die Überschrift zum Kommentar lautete nämlich:

„Stars gegen den Lockdown: Warum die Aktion ‚Alles dichtmachen‘ eine Verhöhnung der Corona-Toten ist“ (5vii).

Diese wirklich bösartige Behauptung, die unverhüllt sucht, den Leser ins eigene Boot zu holen, wird im Kommentar selbst nicht ansatzweise, besser rein gar nicht bewiesen. Die emotional wirkende Unterstellung in der Überschrift wird vom Medienkonsumenten trotzdem als vermeintliche Wahrheit aufgenommen, sie wird geglaubt. Wenn Medien sich im Krieg sehen — natürlich nur und immer für das Gute — kann so etwas einfach nicht ausbleiben.

Zum Abschluss ein Zitat des Imre Grimm, dem ich gern zustimme:

„Corona ist eben auch eine Übung in Medienkompetenz. Um nicht zu sagen: in Klugheit“ (5viii).

Nun denn, Herr Grimm, das ist durchaus richtig. Doch haben Sie etwas vergessen, was der Erlangung von Medienkompetenz vorausgeht. Üben Sie sich zuerst in Mut, um von Ihren Feindbildern abzulassen. Sonst werden diese Ihnen auch weiterhin jeden Zugang zu echter Medienkompetenz verwehren. Aber Vorsicht: Das könnte Ihre bislang so geradlinig, geschmeidig verlaufene Karriere ernsthaft gefährden.

Wenn Sie sich ein Bild von jenen machen wollen, die ein RND-Redakteur geradezu hysterisch zu verunglimpfen sucht, vor allem aber, wenn Sie sich über das Anliegen der Angefeindeten informieren möchten, dann ist es sicher angebracht, deren Webseite zu besuchen: https://allesdichtmachen.de/

Liebe Leser, bitte bleiben Sie achtsam und fassen Sie Mut.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel erschien zuerst unter dem Titel „Ein Redakteur als Spalter“ auf Peds Ansichten und ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell — Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.


Quellen und Anmerkungen:

(1) 7. Dezember 2011; langeleine.de; „In jedem Zeitungsredakteur schlummert ein kleiner Satiriker, der ans Licht will und Quatsch machen“; http://www.langeleine.de/?p=11328
(2, 2i) Wikipedia; Imre Grimm; https://de.wikipedia.org/wiki/Imre_Grimm#Leben; abgerufen: 24. April 2021.
(3) Wikipedia; Madsack Verlagsgesellschaft, Geschichte; https://de.wikipedia.org/wiki/Verlagsgesellschaft_Madsack#Geschichte; abgerufen: 24. April 2021.
(4) Wikipedia; Madsack Verlagsgesellschaft, Konzernumbau 2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Verlagsgesellschaft_Madsack#Konzern-Umbau_Madsack_2018; abgerufen: 24. April 2021.
(5 bis 5iii) 23. April 2021; RND; Imre Grimm; Stars gegen den Lockdown: Warum die Aktion „Alles dichtmachen“ eine Verhöhnung der Corona-Toten ist; https://www.rnd.de/medien/stars-gegen-den-lockdown-warum-die-aktion-alles-dicht-machen-ein-verhohnung-der-coronatoten-ist-RKIJZZ5B45F77FSSJHASP7FF5M.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
(6) RND; Imre Grimm; https://www.rnd.de/autoren/imre-grimm/; abgerufen: 24. April 2021