Der Rüstungs-Rekord

Die weltweiten Rüstungausgaben haben ein neues Rekordhoch erreicht.

Die weltweite Aufrüstung hat eine neue schreckenserregende Dimension erreicht. Die neuesten Zahlen des Friedensforschungsinstitutes SIPRI geben reichlich Anlass zur Besorgnis.

Das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) meldet für 2018 ein neues Allzeithoch bei den Welt-Militärausgaben: 1.822 Milliarden US-Dollar (1). Das entspricht einem Rüstungs-Aufwuchs gegenüber 2017 um 46 Milliarden Dollar, das heißt real um 2,6 Prozent. Allein der Zuwachs ist so groß wie der Rüstungsetat einer Militärmacht wie Japan: 46,6 Milliarden Dollar. Auf die USA entfielen mit 27 Milliarden Dollar 59 Prozent des Zuwachses, auf China mit 12 Milliarden 26 Prozent. Die globalen Rüstungsausgaben hatten einen Anteil von 2,1 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts. Pro Erdenbürger betrugen die Kosten für Wehr und Waffen 239 Dollar beziehungsweise 214 Euro.

Rüstungs-Ranking der Länder

SIPRI 15 Staaten mit den höchsten Militärausgaben 2018

Die Top 15 Staaten gaben fast 1,5 Billionen Dollar fürs Militär aus, 81 Prozent der Welt-Militärausgaben. Die USA mit 4 Prozent der Weltbevölkerung hatten einen Anteil von 36 Prozent der Weltrüstung (649 Milliarden Dollar). Russland ist nicht mehr unter den Top 5; es ist von Platz 4 auf 6 hinter Frankreich gerutscht. Deutschland ist von Rang 9 auf 8 vorgerückt.

NATO-Rüstung

Unter den Top 15 befinden sich 7 NATO-Staaten: USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland Italien, Kanada und die Türkei. Sie bringen es auf fast die Hälfte, 48,6 Prozent, der weltweiten Militärausgaben.

Alle 29 NATO-Mitglieder zusammen verpulvern 54 Prozent der Welt-Rüstungsausgaben: 963 Milliarden Dollar. Mit den NATO-Kooperations-Staaten – unter anderem Japan, Australien, Südkorea, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) und die Ukraine – sind es 70 Prozent.

Die von der NATO als „Rivalen“ klassifizierten Staaten – Russland und China – stehen für 17,4 Prozent.

Deutschland hat in den vergangenen Jahren den Rüstungsetat stark erhöht: 2019 steigt er gegenüber 2014 um 25 Prozent, von 32,45 auf 43,2 Milliarden Euro. In der Projektion soll der Rüstungshaushalt bis 2024 mindestens 1,5 Prozent des BIP erreichen, das heißt etwa 58 bis 60 Milliarden Euro. Die NATO-Vorgabe von 2 Prozent des BIP wird weiter als Ziel angestrebt.

„Bedrohungs“-Szenario in Europa

Die NATO fühlt sich in Europa von Russland bedroht – obwohl Russland seinen Wehretat gesenkt hat.

Nach SIPRI gibt Westeuropa 266 Milliarden Dollar für Wehr und Waffen aus – Russland 61,4 Milliarden Dollar, das heißt weniger als ein Viertel des westeuropäischen Werts. Dazu kommt auf Seiten Westeuropas noch eine erhebliche US-Militärpräsenz auf zahlreichen US- und NATO-Militärstützpunkten in und um Europa herum und die 6. US-Flotte im Mittelmeer plus US-Atomwaffen.

Am stärksten steigerten in Europa Lettland, Litauen, Bulgarien und die Ukraine ihre Militär-Etats.

Pulverfass Nahost

Sechs der zehn Länder mit den relativ höchsten Militärausgaben – bezogen auf das BIP – sind in Nahost: Saudi-Arabien mit 8,8 Prozent des BIP, Oman mit 8,2 Prozent, Kuwait mit 5,1, Libanon mit 5,0, Jordanien mit 4,7 und Israel mit 4,3 Prozent.

In Nahost besteht die Gefahr, dass es durch einen Krieg gegen den Iran zum Flächenbrand kommt. Die Iran-Gegner könnten durch ihre haushohe militärische Überlegenheit dazu verleitet werden.

Die arabische Anti-Iran-Koalition besteht aus den Ländern Saudi-Arabien (67,6 Milliarden Dollar Militär-Ausgaben), VAE (22,8), Oman (6,7), Ägypten (3,1), Kuwait (7,3), Jordanien (1,9) und Bahrein (1,4). Sie bringt es zusammen auf 110,8 Milliarden Dollar Militärbudget – Iran auf 13,2 Milliarden bei 10 Prozent Rückgang zu 2017. Dies bedeutet für Iran 2,7 Prozent des BIP und damit Platz 18 der Gesamtliste.

Die Länder der arabischen Golf-Allianz, die den Angriffskrieg und das Massaker in Jemen zu verantworten haben, sind die Hauptzielländer der Waffenexporte aus NATO-Ländern.

Iran-Gegner Israel: der Militär-Etat beträgt 15,9 Milliarden Dollar (Platz 17) und ist damit 20 Prozent größer als der Irans. Dazu kommen noch US- Militärhilfen. Israel hat die modernste und schlagkräftigste Armee in Nahost und ist Atommacht.

Weitere Militär-Budgets in Nahost: Die Türkei gibt 19,0 Milliarden Dollar aus (Platz 15), Irak 6,3 und Libanon 2,6 Milliarden. Für Syrien gibt es keine Angaben.

SIPRI-Projektleiter Nan Tian kommentiert: „Die Türkei gibt immer mehr Geld aus, um ein sehr schnelles Waffenlieferungsprogramm zu finanzieren. Sie kaufen sehr viele Waffen. Die Türkei weitet außerdem die Militäroffensive gegen kurdische Gruppen in Syrien aus. Das kostet auch eine Menge Geld“ (4).

Krisen- und Spannungsregion Pazifik und Südost-Asien

Seit Barack Obamas und Hillary Clintons „Pivot to Asia“ – etwa: Dreh- und Angelpunkt, Schwenk nach Asien – der US-Politik haben die Konflikte in der Region und die Konfrontation mit China zugenommen.

Auch die militärische Aufrüstung und die Spannungen nehmen zu: Die USA haben das Hauptkontingent ihrer Übersee(!) -Streitmacht in den indo-pazifischen Raum verlegt; sie stationierten Truppen in Japan, Südkorea, Guam und anderswo. China wurde mit einem Ring von 20 großen US-Militärstützpunkten eingekreist (5). Im Westpazifik/Südchinesischen Meer operiert die 7. US-Flotte, im Ost-Pazifik die 4. US-Flotte, im Indischen Ozean die 5. US-Flotte unter einheitlichem Oberkommando und zusammen mit 6 bis 8 Flugzeugträgern mit insgesamt bis zu 5.000 Mann Besatzung und bis zu 90 Kampfflugzeugen.

China versucht, durch erhöhte Aufrüstung den Einkreisungsring zu neutralisieren beziehungsweise zu sprengen und insbesondere die Handelsrouten nach Europa und Nahost, speziell für chinesische Öl-Importe, und die maritime Seidenstraße abzusichern. Hauptgefahr wäre die Schließung der Straße von Malakka durch die US-Navy.

Bei einer Beurteilung der Spannungen in der Region muss man China zugutehalten, dass es seit 40 Jahren keinen Krieg geführt hat und das Prinzip der Nichteinmischung in andere Staaten praktiziert. SIPRI schätzt den Rüstungsetat der VR China auf 250 Milliarden Dollar. Seine Zunahme 2018 betrug 5 Prozent; er nimmt jeweils in Anlehnung an die BIP-Entwicklung zu.

Die Hauptverbündeten der USA in der Region weisen ebenfalls gewichtige Rüstungsausgaben aus. Ihre Militär-Budgets:

  • Japan 46,6 Milliarden Dollar (Platz 9)
  • Süd-Korea 43,1 (10)
  • Australien 26,7 (13)
  • Singapur 10,8 (22)
  • Taiwan 10,7 (23)
  • Thailand 6,8 (29)
  • Neuseeland 2,5
  • US-Verbündete zusammen: 147,2 Milliarden Dollar.

Weitere wichtige Player in der Region:

  • Indien 66,5 Milliarden Dollar (Platz 4)
  • Pakistan 11,4 (20)
  • Indonesien 7,4 (26)
  • Vietnam 5,5 (35)
  • Philippinen 4
  • Malaysia 4
  • Nord-Korea: keine Angabe

Neue Waffenprogramme treiben Rüstungskosten

SIPRI-Projektleiter Nan Tian im Gespräch mit der Deutschen Welle (6) zum Anstieg der US-Militärausgaben:

„Die USA setzen ein umfassendes Modernisierungsprogramm des gesamten Militärs um und fangen jetzt damit an. Wir reden hier von einer Summe von 1,8 Billionen Dollar über die kommenden 20 Jahre, die sowohl für konventionelle als auch für nukleare Waffen ausgegeben werden soll“.

Und auch in der europäischen NATO stehen neue, sündteure Waffenprogramme an: Deutschland und Frankreich wollen einen neuen Kampfpanzer (MBT) entwickeln und bauen. Die Kosten werden bereits jetzt mit über 100 Milliarden Euro prognostiziert (7).

Ebenfalls in deutsch-französischer Kooperation soll das neue Kampfflugzeugsystem FCAS entwickelt und produziert werden: Dieser Auftrag soll ein Volumen von 500 Milliarden Euro haben.

SIPRI wird so auch in den nächsten Jahren neue Welt-Rüstungsrekorde melden.

Rüstung runter!

239 Dollar betrugen im Vorjahr pro Erdenbürger die Kosten für Militär und Waffen. Ob Kind, Frau, Mann, ob arm oder reich. Über 700 Millionen Menschen auf der Welt leben in extremer Armut, das heißt von weniger als 1,90 Dollar pro Tag. Für sie bedeuten die 239 Dollar mehr als ein Drittel ihres Jahreseinkommens.

Hunger: Seit 2016 nimmt der Hunger in der Welt wieder zu. Laut dem Welternährungsprogramm der UNO litten 2017 rund 821 Millionen Menschen weltweit an Hunger. Jedes Jahr verhungern etwa 9 Millionen Menschen, darunter 3,1 Millionen Kinder – alle drei Sekunden stirbt ein Mensch. Um den Hunger auf der Welt bis 2030 auszurotten, müssten nach einer UN-Studie (8) ab 2016 jährlich 280 Milliarden Dollar zusätzlich investiert werden: etwa 15 Prozent der jährlichen Militärausgaben (Stand 2018).

Entwicklungshilfe: Während die Welt-Militärausgaben 2018 um 2,6 Prozent anstiegen, ging die Welt-Entwicklungshilfe um 2,7 Prozent zurück, besonders an die Länder, die sie am nötigsten haben (9). Sie betrug 153 Milliarden Dollar – 8,4 Prozent der globalen Militärausgaben. Wobei zu beachten ist, dass selbst diese Almosen – im Vergleich zur Rüstung – zum Teil nur als Kredite gegeben werden, die von diesen Ländern häufig für den Schuldendienst verwendet werden müssen.

Jean Ziegler, lange Jahre Sonderbotschafter der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO: „Es kommt nicht darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen“.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel erschien zuerst beim Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Fact Sheet April 2019
(2) Schätzung SIPRI
(3) Schätzung SIPRI
(4) Nan Tiam im Gespräch mit der Deutschen Welle, 28.04.2019
(5) siehe isw-grafikinfo, Sept. 2016, S. 6
(6) Nan Tian im Gespräch mit der Deutschen Welle 28.04.2019
(7) vgl. F. Schmid: Rheinmetall plant Fusion mit Krauss-Maffei-Wegmann + Nexter; isw, 18.04.2019
(8) UN (FAO, IFAD,WFP): The State of Food Insecurity in the World, 2015
(9) Development aid drops in 2018, OECD (10.4.19)