Der verfügbare Bürger

Die Impfkampagne suggerierte, der Staat dürfe über die Körper seiner Bürger bestimmen — der Weg zur Wiedereinsetzung des Wehrdienstes ist damit geebnet.

Der „Shot“ soll verpflichtend werden. Vielleicht sogar im doppelten Sinne. Gemeint ist einerseits die als „Impfung“ bezeichnete Gen-Spritze, die vorgeblich vor einer Covid-19-Erkrankung schützen soll, andererseits das, was aus einer Waffe herauskommt. Über den Dienst an selbiger wird nun im leitmedialen Debattenraum angeregt diskutiert. Der völkerrechtswidrige Angriff Putins auf die Ukraine ließ das Thema Wiedereinsetzung der Wehrpflicht hochkochen. Medial wird bereits daran gearbeitet, die Wehrpflicht wieder salonfähig zu machen. In den zwei Jahren der neuen Normalität wurde der Weg dafür geebnet. Durch die penetrante Impfkampagne entstand eine neue Wahrnehmung, wonach es selbstverständlich sei, dass der Staat auf den eigenen Körper zugreifen dürfe. Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Kriegslage, die einen Verteidigungsfall für Deutschland immer wahrscheinlicher werden lässt, kommt „Mann“ nicht drum herum, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Doch wir sind nicht machtlos. Seit 2011 ist nicht nur die Wehrpflicht aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwunden, sondern auch die Möglichkeiten, sich dieser zu verweigern. Diese bestehen aber nach wie vor.

Die Deutschen wollen eine Rückkehr zur Wehrpflicht! Dieser Eindruck wird zumindest massenmedial vermittelt. Hierzu bedient man sich wieder einer der altbewährtesten, da immer noch funktionierenden Methoden der Meinungsmache: eine Umfrage. Demnach befürworten 47 Prozent eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht und nur 34 Prozent würden diese ablehnen.

Zu diesem Ergebnis kommt das AfD-nahe Insa-Meinungsforschungsinstitut. Im oben verlinkten Zeit-Artikel wird jedoch geflissentlich verschwiegen, wie diese Zahlen erhoben und wie viele und welche Personen befragt wurden. Und ebenso wird ausgelassen, welcher Partei das Insa-Meinungsforschungsinstitut nahesteht. Die AfD forderte seit eh und je die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, wie man zuletzt auf Seite 68 ihres jüngsten Wahlprogramms lesen konnte. Nimmt es da noch Wunder, dass Insa zu dem oben genannten Ergebnis kommt?

Ironischerweise verwies die Zeit 2019 selbst noch darauf, dass dieses „Meinungsforschungsinstitut im postfaktischen Umfeld“ im Branchenvergleich der Meinungsforschungsinstitute eher ein „Zwerg“ sei. Warum beruft man sich dann bei so einem empfindlichen Thema auf Insa, wenn dieses Institut sowieso nur bedingt relevant ist und dann ausgerechnet der Wehrpflicht-befürwortenden AfD nahesteht? Das alles sind natürlich rein rhetorische Fragen, denn es ist glasklar, dass hier ein Umfrageergebnis auf Bestellung geliefert wurde.

Es soll im öffentlichen Bewusstsein das entstehen, was in diesem Umfrage-Manipulationszusammenhang Albrecht Müller in „Glaube wenig; Hinterfrage alles; Denke selbst“ als „Bandwaggon-Effekt“, also den Mitzieheffekt bezeichnet. Wenn der Medienrezipient liest oder hört, dass eine vermeintliche Mehrheit für oder gegen etwas sei, evoziert das einen unterbewussten Konformitätsdruck, sodass man annimmt, eine Sache wäre richtig oder falsch, weil eine Mehrheit dafür beziehungsweise dagegen ist (1). Menschen entscheiden sich selbst dann für oder gegen eine Sache, wenn diese ihrer Intuition widerspricht, das Umfeld jedoch diese Sache befürwortet. Das wissen wir spätestens seit den Konformitätsxperimenten von Solomon Asch.

Wenn nun also in den öffentlichen Debattenraum die Behauptung mantramäßig wiederholt wird, wonach ein Großteil der Deutschen die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht befürwortet, werden höchstwahrscheinlich viele Leitmedien-Rezipienten ihre Meinung ändern und sich der Mehrheit anschließen. Man will ja schließlich dazugehören.

Dein Körper, meine Wahl

Der Weg zu einer Wiedereinführung der Wehrpflicht wird nicht erst durch die deutsche Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Einmarsch Putins in die Ukraine geebnet. Die vorangegangenen zwei Jahre haben das Verhältnis der Bürger zu ihrem Körper maßgeblich verändert. Galt bis 2020 noch der Grundsatz „Mein Körper, meine Wahl“, beispielsweise in den feministischen Diskursen, wird dem Bundesbürger nun das Recht abgesprochen, über das letzte eigene Hoheitsgebiet, den eigenen Körper, selbst zu bestimmen. Moderator Christian Ehring verspottete im zwangsgebührenfinanzierten, als „lustig“ intendierten Format „Extra 3“ Menschen, die auf ihr Selbstbestimmungsrecht pochen. Mit theatralischer Stimme und geschwollener Brust rief er in die Kamera: „Mein Köörper, mein Köörper, mein Körper... ist wichtiger als die Allgemeinheit“. Ergo seine Botschaft: Wer sein Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper wahrnimmt, der sei ein Egoist, der sich einen Dreck um das Allgemeinwohl scheren würde. Dass dieser Behauptung — entgegen Ehrings Proklamation — keinerlei wissenschaftliche Evidenz zugrunde liegt — geschenkt!

Wie es um die körperliche Selbstbestimmung hierzulande mittlerweile bestellt ist, machte auch der schlagfertige SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh deutlich, als er verkündete, die „individuelle körperliche Unversehrtheit ist eine vulgäre Vorstellung von Freiheit“. Dürfen sich zukünftige Gewaltstraftäter nun auf diese Aussage beziehen?

Kurzum: Der Staat, das kälteste aller Ungeheuer nach Nietzsche, verlangt nach den Körpern, der eingegliederten Bürger.

Immer deutlich sichtbarer wird die Biopolitik, die Herrschaftsform bei der das Leben, der Körper des Einzelnen in den Mittelpunkt des staatlichen Machtkalküls rückt (2). Mit Michel Foucault gelingt es uns, eine analytische Brücke zwischen der „Impf“-Pflicht und der Wehrpflicht zu schlagen, wenn er in „Überwachen und Strafen“ schreibt:

„In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist der Soldat etwas geworden, was man fabriziert. Aus einem formlosen Teig, aus einem untauglichen Körper macht man die Maschine, deren man bedarf; Schritt für Schritt hat man die Haltung zurechtgerichtet, bis ein kalkulierter Zwang jeden Körperteil durchzieht und bemeistert, den gesamten Körper zusammenhält und verfügbar macht und sich insgeheim bis in die Automatik der Gewohnheiten durchsetzt. (…) Im Laufe des klassischen Zeitalters spielte sich eine Entdeckung des Körpers als Gegenstand und Zielscheibe der Macht ab. Die Zeichen für jene große Aufmerksamkeit, die damals dem Körper geschenkt wurde, sind leicht zu finden. Die Aufmerksamkeit galt dem Körper, den man manipuliert, formiert und dressiert, der gehorcht, antwortet, gewandt wird und dessen Kräfte sich mehren.

(...)

So formiert sich eine Politik der Zwänge, die am Körper arbeiten, seine Elemente, seine Gesten, seine Verhaltensweisen kalkulieren und manipulieren. Der menschliche Körper geht in eine Machtmaschinerie ein, die ihn durchdringt, zergliedert und wieder zusammensetzt. Eine ‚politische Anatomie‘, die auch eine ‚Mechanik der Macht‘ ist, ist im Entstehen. Sie definiert, wie man die Körper der anderen in seine Gewalt bringen kann, nicht nur, um sie machen zu lassen, was man verlangt, sondern um sie so arbeiten zu lassen, wie man will: Mit Techniken, mit der Schnelligkeit, mit der Wirksamkeit, die man bestimmt. Die Disziplin fabriziert auf diese Weise unterworfene und geübte Körper, fügsame und gelehrige Körper. Die Disziplin steigert die Kräfte des Körpers (…) und schwächt die selben Kräfte (um sie politisch fügsam zu machen). Mit einem Wort: sie spaltet die Macht des Körpers, sie macht daraus einerseits eine ‚Fähigkeit‘, eine ‚Tauglichkeit‘, die sie zu steigern sucht; und andererseits polt sie die Energie, die Mächtigkeit, die daraus resultieren könnte, zu einem Verhältnis strikter Unterwerfung“ (3).

Es wird hierbei deutlich, wie sich die biopolitischen Teilbereiche der Wehr- und „Impf“-Pflicht gegenseitig die Klinke in die Hand geben. Die Körper sollen nutzbar gemacht werden, sowohl für den Dienst an der Waffe als auch für die Absichten hinter der „Impf“-Pflicht, die immer noch im Verborgenen sind. Der Staat trachtet in beiden Themenfeldern danach, den Körper der Einzelnen zu seinen Gunsten zu formen. Denken wir nur an die Gleichmachung, an die Vereinheitlichung der körperlichen Gesten und Beschaffenheiten in beiden Bereichen: Dem Soldaten werden die Haare kurz geschoren, Schritte, Handgriffe und Gesten muss er akribisch einüben, sodass etwa beim Parade-Marsch die einzelnen Menschen ein zu eins einander gleichen und zu einer Masse, einem Menschenblock verschmelzen.

Die „alte“ Form der Biopolitik — der staatliche Zugriff auf die Körper zu militärischen Zwecken — schlummerte seit der Aussetzung des verpflichtenden Grundwehrdienstes in den Jahren 2011 bis 2020 im Verborgenen wie ein stiller Vulkan. Rasant geriet in diesem schnelllebigen Jahrzehnt in Vergessenheit, wie in der Zeit vor 2011 der Staat auf die Körper seiner Bürger zugriff. Ein Aspekt sticht hierbei besonders hervor: In ihrem fünf jahrzehntelangen Bestehen der Wehrpflicht war die Musterung ein integraler Bestand. Sie galt für jeden, egal ob man den Wehrdienst verweigerte oder nicht. Jeder deutsche Mann war verpflichtet, zur Musterung zu gehen und seinen Körper und Geist auf die Tauglichkeit für den Wehrdienst überprüfen zu lassen.

Bei diesem Vorgang wurde der Zugriff des Staates auf den Körper am greifbarsten sichtbar. Männer mussten — ob sie wollten oder nicht — ihren Körper dem Staat in Gestalt des Musterungsarztes des Kreiswehrersatzamtes herzeigen, sich entblößen, erniedrigen und bewerten lassen.

Das war nicht nur eine eklatante Verletzung der individuellen Freiheit — die Freiheit nicht tun zu müssen, was man nicht möchte, so Rousseau —, sondern auch eine Form der Entmenschlichung. Die jungen Männer wurden nicht mehr als ganze Menschen gesehen, sondern in verschiedene Tauglichkeits-Klassen unterteilt, auf ihren Körper reduziert, und in der Summe als verfügbare, im Kampf verheizbare Verfügungsmasse betrachtet.

Während nun in den 2010er-Jahren die Biopolitik in den Hintergrund rückte, kam mit dem Corona-Regime die gierige Kralle des Staatswesens wieder zum Vorschein. In einer bislang ungekannten Weise kommt es in der neuen Normalität bis heute dazu, dass die Körper verändert werden, sodass „ein kalkulierter Zwang jeden Körperteil durchzieht“. So griff der Staat bereits zu Beginn der neuen Normalität in die Körperlichkeit der Bürger ein. Es wurde darüber verfügt, wo sich die Körper — nicht — aufzuhalten haben, welchen Abstand sie zu anderen halten müssen, neue Grußformeln entstanden, die Gesichter mussten maskiert sein und Pfeile sowie Abstand gebietende Markierungen am Boden regelten das Zu-Fuß-Gehen, als wären die Menschen Autos (4).

Mit der Zeit setzte ein körperlicher Automatismus ein, sodass bestimmte Gesten und Bewegungen in Fleisch und Blut übergingen. Beim Betreten von Innenräumen geht der Griff automatisch zur Maske, die Hände werden schnellstmöglich desinfiziert und so weiter. Und noch deutlicher wird dies bei der „Impfung“, die korrekterweise als Gen-Spritze bezeichnet werden muss, da sie die Genexpression manipuliert (5). Der Staat greift in diesem Falle nicht nur auf die Körper zu, sondern in sie ein, möchte sie von innen heraus verändern.

Wenn nun die Menschen in den vergangenen zwei Jahren darauf konditioniert wurden, dass der Staat wie selbstverständlich in das Innere ihrer Körper greifen darf, so ist es nicht mehr weit hin, dass die jungen Bürger es als ebenso selbstverständlich hinnehmen, dass der Staat auf ihre Körper im Rahmen der Wehrpflicht zugreift.

Wehrpflicht im Jahr 2022

Das Militärische, die Bundeswehr ist seit 2011 so fern und seit 2015 irgendwie fern und nah zugleich. Während im erstgenannten Zeitraum Camouflage beinahe vollständig aus dem öffentliche Raum — analog wie digital — verschwand, sprossen in der Medienlandschaft sowie im öffentlichen Raum ab Mitte der 2010er die mittlerweile unzähligen Bundeswehrkampagnen, die junge Menschen wieder für den Waffendienst begeistern sollten. Die Jugendredaktion berichtete sattsam hier sowie auch hier darüber. Seit 2020 können Soldaten kostenlos die Bahn nutzen, was dazu führt, dass die Fahrgastkabinen angesichts der zahlreichen Uniformierten in Zügen bei den anderen Fahrgästen den Eindruck erwecken, sie wären in einem Militärkonvoi gelandet. Analog wie digital dringt das Militärische immer aufdringlicher in das Bewusstsein der Bevölkerung vor.

Eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht — wie Annegret Kramp-Karrenbauer sie bereits im Sommer 2019 forderte — hat im öffentlichen Debattenraum im Zuge des illegalen Angriffs Russlands auf die Ukraine erschreckend viel Platz eingenommen. Ebenso erschreckend sind in der Debattenführung die Parallelen zur Diskussion über die „Impf“-Pflicht. Zu Beginn, im April 2020, wurde dieses Thema in den öffentlichen Diskursraum eingespeist. Jedoch lautete zu Beginn der Tenor, dass diese nicht kommen werde. Sogar jene, die die Pflicht heute am vehementesten verteidigen, schlossen sie kategorisch aus. Gleich klingend ist in der Debatte der Tenor, sowohl in den Leitmedien als auch beispielsweise auf Twitter. Die meisten Kommentatoren stehen dieser Pflicht ablehnend gegenüber, nur wenige Hardliner freuen sich darüber.

Bei der Debatte über die Pflicht zur „Impfung“ konnten wir beobachten, wie schnell sich eine 180-Grad-Wende vollziehen kann. Als Argument für den Wendehals wird dann ins Feld geführt, dass die Gegebenheiten sich geändert hätten und man damals, als man noch den gegenteiligen Standpunkt vertrat, es mit einer anderen Ausgangslage zu tun gehabt hätte. Doch da sich nun die Parameter verändert hätten, müsste man die alte Position über Bord werfen. Diese veränderten Parameter sind dann in der „Pandemie“ neue Virus-Mutationen. Und beim Ukraine-Krieg könnte man dann anführen, dass sich nun Russland in einer so anderen Weise verhalten würde, die eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht alternativlos werden lässt.

Die ersten 20 Artikel des Grundgesetzes, das die Demokratiebewegung in den letzten zwei Jahren gegen eine Aushöhlung verteidigte, enthalten — leider — die Grundlage für eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Wir entnehmen dem Artikel 12a:

„(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, (siehe hierzu auch Artikel 4, Absatz 3 des Grundgesetzes, Anmerkung Nicolas Riedl) kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.“

Das Wehrpflichtgesetz greift nach Paragraph 2 desselbigen im Spannungsfall sowie im Verteidigungsfall. Bei anhaltenden Waffenlieferungen aus Deutschland in die Ukraine und anderen Akten der Provokation in Osteuropa ist es nicht mehr weit, bis Moskau diese Handlungen als weniger indirekte denn als direkte Kriegserklärungen ansieht. Würde auch nur einer der — osteuropäischen — Nato-Bündnispartner angegriffen werden, würde dies den Bündnisfall nach sich ziehen, was nichts anderes bedeutet, als dass die restlichen NATO-Partner dem angegriffenen Mitglied zur „Hilfe“ eilen müssten. Deutschland als Muster-NATO-Mitglied befände sich dann ganz schnell entweder in einem Spannungs- oder einem Verteidigungsfall. Auf das Scheitern der Erreichung der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit, die es im Bundestag für die Ausrufung dieser Fälle bedürfte, braucht man angesichts dieses Parlamentes nicht zu hoffen. Kurzum muss man sich mit dem Fall auseinandersetzen, dass ‚Mann‘ zum Wehrdienst einberufen wird.

Meinen Körper geb ich nicht!

Dankenswerterweise regelt wie schon angedeutet der Artikel 4, Absatz 3 des Grundgesetzes, dass niemand gegen sein Gewissen zum Dienst an der Waffe gezwungen werden darf. Diese Unvereinbarkeit mit dem eigenen Gewissen kann selbsterklärend nicht einfach durch konkludentes Verhalten bescheinigt werden, etwa dadurch, dass man regelmäßig auf Friedensdemos geht oder noch sein altes Ticket vom Pax Terra Musica-Friedensfestival besitzt. Nein, hierzu bedarf es eines ausführlichen, das heißt mindestens vier Seiten langen Kriegsdienstverweigerungsantrags. In diesem muss jener, der sich verweigert, ausführlich und glaubhaft darlegen, warum es mit seinem Gewissen unvereinbar ist, in den Krieg zu ziehen und dort schlussfolgernd in Situationen zu geraten, in welchem es unvermeidbar ist, mit Waffen auf andere Mitmenschen zu schießen.

Es ist natürlich fraglich, wie sehr durch die dramatische Aufweichung des Grundgesetzes Artikel 4, Absatz 3 noch greift oder ob dieser nicht auch schon unlängst zur Makulatur verkommen ist. Doch rein formell ist man nicht gänzlich machtlos. Mit Kriegsdienstverweigerungsanträgen beschäftigt sich dieser Artikel ausführlich.

Hoffnung

Ausgerechnet der mental wie physisch beklagenswerte Zustand der jungen Generation kann einem in diesem Zusammenhang Hoffnung geben. Denn — um ganz ehrlich zu sein — dürfte gegenüber 2011 ein wesentlich größerer Teil der jungen Menschen überhaupt nicht diensttauglich sein. Verkürzte Aufmerksamkeitsspanne und Konzentrationsschwächen durch TikTok-Konsum, ungesunde Ernährung, der Hype um Designer-Drogen — die immer früher konsumiert werden — haben wohl ihr Übriges getan, sodass ein Großteil gar nicht mehr fähig ist, den Dienst an der Waffe zu verrichten. Hinzu kommt, dass gerade unter den woken Studenten die Bundeswehr sehr schlecht im Kurs steht. Kritisiert wird das Problem der Bundeswehr mit Rechtsextremismus und auch die patriarchalen Strukturen beim Bund. Da können die Gleichstellungskampagnen der Karrierecenter auch nicht sonderlich viel Abhilfe schaffen.

Darüber hinaus müsste für die ganzen Klimaaktivisten ein Militärdienst theoretisch ein No-Go sein. Schießen, Bomben und Panzerfahren ist schließlich nicht sehr CO2-neutral und das Militär bekanntlich der größte „Umweltsünder“ aller Zeiten. Nur leider sind Doppelstandards und kognitive Dissonanz stete Begleiterscheinungen der Klima-Jugend.

Nichtsdestotrotz ergibt sich aus dem Zustand der jetzigen Generation ein gewisser Puffer, der einer zeitnahen Generalmobilmachung im Wege steht. Selbstverständlich kann auch hier durch geschicktes Marketing — wie es die Bundeswehr seit fast 10 Jahren schon betreibt —, neue Kult-Normen und neue Narrative auf lange Sicht die Generation so umgepolt werden, dass ein Soldatendasein für sie erstrebenswert scheint. Gerade aus dem entstehenden Sinn-Vakuum der Lockdown-Zeit, welches viele verspüren, könnte ein neuer Drang nach Sinnhaftigkeit, einer Bestimmung, einer lebenssinngebenden Mission entstehen.

Schafft es vielleicht die Demokratie- und Friedensbewegung, dieses Vakuum mit einem Sinn zu füllen? Ein Sinn, der nicht länger das Nekrophile sondern das Biophile nährt?


Quellen und Anmerkungen:

(1) Müller, Albrecht: „Glaube wenig; Hinterfrage alles; Denke selbst“, Frankfurt am Main, 2019, Seite 46.
(2) Agamben, Giorgio: „Homo sacer — Die souveräne Macht und das nackte Leben“, Frankfurt am Main, 2019, Suhrkamp, Seite 127.
Lemke, Thomas: „Eine Analytik der Biopolitik. Überlegungen zu Geschichte und Gegenwart eines
umstrittenen Begriffs“, Behemoth, 2008. A Journal of Civilisation, Seite 79-82.
(3) Siehe Foucault, Michel: „Überwachen und Strafen“, Frankfurt am Main, 2021, Seite 173-177.
(4) Klein, Gabriele; Liebsch, Katharina: „Herden und Kontrolle: Körper in Corona-Zeiten“ in Keitel, Christian; Volkmer, Michael; Werner, Karin: „Die Corona-Gesellschaft: Analysen zur Lage und Perspektiven für die Zukunft“, Bielefeld, 2020, Seite 57 ff.
Alkenmeyer, Thomas; Bröskamp, Bernd: „Körper - Corona – Konstellation; Die Welt als (körper-)soziologisches Reallabor“, in derselben Seite 70 ff.
(5) https://www.mdpi.com/1467-3045/44/3/73
Arvay, Clemens G.: „Corona-Impfstoffe: Rettung oder Risiko? Wirkungsweise, Schutz und Nebenwirkungen der Hoffnungsträger“, Köln, 2021, Seite 47 ff.