Der Vorhang fällt

Unterdrückung und Täuschung sind zu globalen Phänomenen geworden. Was daran Hoffnung macht, ist jedoch, dass auch der Umsturz ein globaler sein wird. Exklusivabdruck aus „Truman Show“.

Peter Weirs berühmter Film „Truman Show“ zeigt eine Welt, die zur Gänze auf Täuschung beruht. Nicht nur der eine oder andere Aspekt im Leben des Titelhelden ist eine Inszenierung, der Regisseur der „Show“ hat alles, was Truman widerfährt, komplett manipuliert. Der Film zeigt aber auch, dass es einen Ausweg aus der vorgetäuschten Welt gibt. Es braucht dazu den Mut, seiner eigenen Intuition zu vertrauen, die einem sagt: „Etwas stimmt hier nicht.“ Und es braucht den Mut, den Ausgang aus der Kulissenwelt zu suchen, selbst auf die Gefahr hin, dass man nicht weiß, was hinter der Tür in die Freiheit auf einen wartet. Es ist deshalb höchst interessant, dass Tom-Oliver Regenauer gerade „Truman Show“ als Titel seines neuen Buches gewählt hat. Im hier veröffentlichten Vorwort erklärt er, warum die globale Show, in der wir gefangen sind, unaufhaltsam ihrem Ende entgegengeht. Zum Schluss versuchen die Profiteure der Täuschung diejenigen, die sich aus ihrem Machtbereich zu entfernen versuchen, noch einmal massiv mit Angst zu manipulieren. Doch dies ist nur ein letztes, verzweifeltes Aufbäumen. Regenauer hat eine ermutigende Botschaft für uns alle: Das System besitzt nur so viel Macht, wie wir ihm zugestehen.

Als ich vor gut fünfzehn Jahren meinen Part für den mit rustikaler Aufnahmetechnik konservierten Song „Weltkrieg V3.0“ schrieb (siehe Seite 502), trug sich ein Teil von mir immer noch mit der Hoffnung, dass all die in dem Musikstück skizzierten Visionen einer dunklen Zukunft nie Realität werden würden. Dass sich die in den auf Band gebannten Versen beschriebenen Gräuel der Vergangenheit nicht wiederholen und stattdessen als dunkle Flecken der Mahnung ins kollektive Gedächtnis einbrennen mögen. Ich hoffte, dass die organisierte Kriminalität am oberen Ende der Hackordnung vielleicht doch nicht dermaßen machttrunken war, wie meine Lektüre nahelegte. Dass es nicht auf das Worst-Case-Szenario hinauslaufen würde.

Ich hoffte trotz aller gegenteiligen Indizien noch inständig, dass die historisch wiedergängigen Handlungsmuster mafiöser Parasitärherrschaft, die ich in den Untiefen kritischer Literatur zu erkennen glaubte, nicht strukturell angelegt waren, meine pessimistischen Annahmen in Bezug auf die Zukunft nur paranoide Schwarzmalerei. Spätestens die zurückliegenden vier Jahre haben diese Hoffnung allerdings endgültig begraben. Es ist eingetreten, was ein anderer Teil von mir nach dem Studium unzähliger Bücher befürchtet und Anfang 2008 für besagtes Lied in Reimform gebracht hatte: der Anfang vom Ende.

2023 führte uns das erneut unmissverständlich vor Augen.

Wir sind Zeugen eines Untergangs. Einer Havarie. Die Tage des korporatistischen Neofeudalismus sind gezählt. Das System ist am Ende. Und zwar nicht nur partiell. Denn dieses Mal steht nicht nur ein Königreich, ein Land oder eine Region zur Disposition, sondern die ganze Welt.

War es früher die Schreckensherrschaft eines einzelnen Despoten, derer sich ein aufgebrachtes Staatsvolk durch zivilen Ungehorsam oder Rebellion entledigte, sieht heute die gesamte global operierende „Super Class“ (David Rothkopf, 2008) diesem Schicksal entgegen.

Das erkannte auch der US-Milliardär Nick Hanauer. Vor gut zehn Jahren schrieb er einen offenen Brief an seine wohlhabenden Freunde und Kollegen, in dem er erklärte:

„Wenn wir nicht bald etwas tun, um die eklatanten Ungerechtigkeiten (…) zu beheben, werden die Mistgabeln kommen. Keine Gesellschaft kann diese Art von wachsender Ungerechtigkeit dauerhaft aufrechterhalten. Es gibt in der Tat kein einziges Beispiel in der Geschichte der Menschheit, wo Reichtümer wie diese angesammelt wurden und nicht irgendwann die Mistgabeln gekommen sind. Am Anfang ist es ein Polizeistaat, dann kommen die Aufstände.“

Diese Warnung formulierte Amazon-Mitgründer Nick Hanauer drei Jahre nach den Occupy-Wall-Street-Protesten, die am 17. September 2011 in New York (USA) begannen und ein gerechteres Wirtschafts- und Finanzsystem forderten. „Wir sind die 99,9 Prozent“, skandierten Demonstranten in Amerika, Großbritannien, Deutschland, Italien, Österreich oder der Schweiz damals. Doch die Protestwelle verebbte genauso rasch, wie sie über die Komfortzone der wertewestlichen Bankenhegemonie hereingeschwappt war. Konkret erreicht wurde nichts.

Trotzdem muss die intensive Insubordination in den Straßenschluchten der Metropolen einen gewissen Eindruck in den Chefetagen der Hochfinanz hinterlassen haben. Einige Vertreter der Prädatorenkaste schienen damals zu realisieren, dass ihr dysfunktionales Herrschaftsvehikel — der Raubtierkapitalismus — seit der Finanzkrise des Jahres 2008 auf sehr dünnem Eis manövrierte und der Lynchmob möglicherweise nur noch einen Bankencrash entfernt war.

Da klang Warren Buffet im Jahr 2011 noch deutlich siegessicherer, als er bei CNN verlauten ließ: „Die letzten zwanzig Jahre gab es einen Klassenkampf. Und meine Klasse hat gewonnen.“ Zwischenzeitlich stimmt man in den Elfenbeintürmen der Macht deutlich leisere Töne an, will Vertrauen zurückgewinnen. Siehe WEF-Meeting 2024. Motto: „Rebuilding Trust“.

Schaffen es die parasitären Herrschaftszirkel nicht, die Alternativlosigkeit von Herrschaft durch neue Begründungen zu rechtfertigen, durch „neue Geschichten“, wie sie es nennen, besteht die reale Chance, dass die Herrschaft der wenigen über die vielen in naher Zukunft endet. Denn die zwecks Verhaltenskontrolle lancierten Nudging-Narrative, Spaltpilze und Strohmänner verfangen nicht mehr. Viren-Wahn, Weltuntergangskult, Kriegsgeläut und Ad-hominem-Attacken erzielen kaum noch die gewünschten Effekte. Zwei Drittel der Social-Media-Beiträge zum Thema Klimawandel sind schon jetzt skeptischer bis offen ablehnender Natur.

Und als „Nazi“ gilt mittlerweile ohnehin jeder, der den Kurs der Regierung nicht vollumfänglich unterstützt. Die Lügen sind zu plump, die hilflosen Umdeutungen des Offensichtlichen stümperhaft.

Die neue Ordnung funktioniert nicht. Ein wachsender Anteil der Bevölkerung hat die leitmedial vermittelte Version von Realität als das erkannt, was sie ist — eine widersinnige, ideologisch aufgeladene Simulation. Eine „Truman Show“.

So hat die im algorithmisierten Stechschritt eingeführte digital-zensorische Gleichschaltung der „Neuen Normalität“ auch ihr Gutes. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist sich die gesamte Spezies zur gleichen Zeit und auf dem ganzen Globus darüber im Klaren — oder hat zumindest die historisch einmalige Chance dazu —, dass sie von transgenerational konspirierenden Kriminellen kontrolliert wird. Von einer nimmersatten Parasitärkaste. Denn für nichts anderes steht der antidemokratische Stakeholder-Kapitalismus der Public Private Partnerships, die „Global Governance“. Wie bei jeder Form von „-ismus“, von welchem politischen Spektrum er auch ausgehen mag, dreht es sich auch jetzt wieder um Konsolidierung, Kollektivismus und Kontrolle. Das realisiert so langsam jeder. Auch die Konformisten, Opportunisten und Duckmäuser.

Das gesichtslose Monster supranationaler Notstandsbürokratie schlägt also im Rahmen seiner finalen Atemzüge nicht nur wild um sich, um mittels Polykrise und Biosicherheitsdoktrin die nächste Ausbaustufe des Überwachungskapitalismus zu installieren — es schlägt um sich, weil es um seine Vulnerabilität weiß. Um sein nahendes Ende.

Die Achillesferse des Systems ist der Glaube einer Mehrheit an seine Legitimation. Es hat nur so viel Macht, wie wir ihm zugestehen.

Doch wie bei den institutionellen Kirchen wird die Herde hypnotisierter Schäfchen seit Jahrzehnten konstant kleiner. Vor diesem Hintergrund zieht das marode System nun alle Register. Lässt die Propaganda-Posaunen mit einer Wucht ertönen, als wetterten sie gegen die Mauern Jerichos. Und wenn die konzertierte Angst-Agitation via Konzernmedien und Frontlinienpersonal nicht genügt, um Gehorsam zu erzwingen und Massen um die Flagge zu scharen, passen die Drehbuchautoren der Demokratiesimulation das Skript der Show ein wenig an, bringen neue Bösewichte, Helden oder Katastrophen auf den Plan — oder strahlen eine sedierende Episode „Hopium“ aus. Zeitigen selektive Berichterstattung und manipulative Kommunikation nicht die gewünschten Effekte, generiert das dialektische Empörungsmanagement nicht das erwartete Momentum, kommt die künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz.

Diesbezüglich hat das Jahr 2023 vor allem gezeigt, dass es ab sofort eben nicht mehr nur simple Lügengebilde, wacklige Narrative, mutwillig unterschlagene Informationen und die üblichen Krisenprofiteure sind, mit denen man sich als kritischer Chronist der Zeit auseinandersetzen muss, sondern — diesem Arbeitsschritt vorangehend — vor allem die Frage: Was ist eigentlich real? Was ist wirklich geschehen? Und ist es überhaupt geschehen? Dank des Roll-outs von KI-Anwendungen lässt sich gefühlte Realität heutzutage von jedermann mit ein paar Klicks am Heimcomputer erschaffen. Events müssen nicht mehr stattgefunden haben, um zur Tatsache zu werden. Ein emotionalisierendes Bildermeer, das schon ob seines Umfangs jeder Falsifizierbarkeit entbehrt und ein ohrenbetäubendes Hintergrundrauschen erzeugt, überlagert die Evaluation überprüfbarer Argumente. Diskurskontamination verengt den Meinungskorridor. Es ist ein Trommelfeuer visueller Eindrücke, das unser sensorisches Ökosystem attackiert. Die Feder hat ihre liebe Mühe, gegen die anschwellende Flut illusorischer Impressionen anzuschreiben.

Aus dem Informationskrieg, der seit Dekaden an Intensität gewinnt, ist ein Krieg um unsere Lebensrealität geworden. Um Schein oder Sein. Aus einem erbitterten Gefecht um Wahrheit wurde eine skrupellose Schlacht um Wahrnehmung.

Ein existenzieller Kampf um das eigene Ich — welches sich in seinem Habitat nur dann zu erkennen und entfalten vermag, wenn es in direkte Wechselbeziehung mit seiner analogen Umwelt treten kann. Das ist auch den Sozialingenieuren der einflussreichen Transatlantik-Thinktanks bewusst. Deshalb steht dort seit Beginn des 20. Jahrhunderts psychologische Kriegsführung im Zentrum des Interesses. Unterstützt von den technologischen Errungenschaften unserer Zeit spielen die Strippenzieher der Macht heute mit den Emotionsamplituden der Massen wie auf einer Klaviatur.

Sie implementieren virtuelle Welten, plädieren für digitales Geld, Plattform-Monopolismus, empathielose Online-Kommunikation und gläserne Bürger, die als Datenmine fungieren. Ziel ist die Entfremdung des Menschen vom Kern seines Wesens. Somit sind die zunehmend invalide Interaktion des Homo demens mit seiner Umwelt und die mentale Beugehaft in einer von Maschinen kreierten, morphenden Echokammer nicht als Zufall zu verstehen, sondern als 5G-Kriegsführung. Kriegsführung der fünften Generation (Eng.: „Fifth Generation Warfare“). Ein modular geführter Krieg auf fünf Ebenen. Ein Weltkrieg autoritärer Oppressoren gegen die Bevölkerung.

Management-Präsentationen des 2023 pensionierten NASA-Chefwissenschaftlers Dennis M. Bushnell, der dem militärisch-industriellen Komplex der USA 60 Jahre lang in leitender Funktion diente, stellten schon im Juli 2001 in Aussicht, dass sich die Kriegsführung der amerikanischen Streitkräfte ab dem Jahr 2020 auf „Bio/NANO-Technologie, gesteuerte Evolution, Schallwaffen, Informationskrieg, genetisches Design, Bewusstseinskontrolle, künstliche Intelligenz“ und „speziesübergreifende Molekularentwicklung“ fokussieren werde. Und ab 2025 auf „Bots und Borgs“. Bei Bushnells verstörenden Vorträgen zu „zukünftigen strategischen Fragen der Kriegsführung ab circa 2025“ stand erstaunlicherweise kaum jemals ein externer Gegner als Feind im Mittelpunkt, sondern stets die eigene Bevölkerung. Bushnell konnte sich vermutlich — wie Hanauer — ausmalen, welche Reaktionen die Exzesse seiner Kaste dereinst heraufbeschwören würden.

Die honorigen Herren lagen nicht allzu falsch, wie der Status quo mit seiner zunehmend übergriffigen Führungsebene impliziert.

Volksvertreter vertreten Partikularinteressen, Gerichte beugen Recht, Universitäten zerstören Bildung, Kirchen den Glauben und Friedensaktivisten die Friedensbewegung.

Die Inklusionsagenda exkludiert, die „Green Economy“ ist eine umweltschädliche Vernichtungsindustrie, Bioethik nur Eugenik 2.0 und postmoderner Humanismus eine Depopulationsstrategie. Pharmaprodukte machen krank, Medien Propaganda und Banken arm. Deutlicher als mit derartigen Auswüchsen kann man sein baldiges Ableben als Herrschaftskonstrukt nicht ankündigen.

Wir wohnen dem letzten Aufbäumen eines moribunden Machtapparates bei. Einer Phase, in der das kollabierende System traditionell mit frappierender Arroganz agiert.

Dekoriert mit dem Blendwerk imaginärer Unbezwinglichkeit. Charakterisiert von zunehmender Gewalt. Denn „alle Tyranneien herrschen durch Betrug und Gewalt, aber sobald der Betrug aufgedeckt ist, müssen sie sich ausschließlich auf Gewalt verlassen“ (George Orwell). Exakt an diesem Punkt im Koordinatensystem zivilisatorischer Evolutionsprozesse scheinen wir uns derzeit — wieder einmal — zu befinden. Ein Kataklysmus steht ins Haus. Er war vorhersehbar. Passiert mit Ansage. Der herrschaftspolitische Extremismus unserer Epoche kulminiert in einem sozioökonomischen Supergau. Hoffen wir, dass er unblutig vonstattengeht. Man muss nur die Strategie- und Positionspapiere von „RAND-Corporation“, „Council on Foreign Relations“, „Tavistock Institute“ oder der „Rockefeller Foundation“ lesen, um erahnen zu können, was kommt. Die zivilisationshistorischen Vektoren gleichen sich seit dem Mittelalter. „Teile und herrsche“ – und danach „Ordnung aus dem Chaos“.

Einem „Reset“ folgen Phasen des Aufatmens und Aufbaus, der Prosperität, Freiheit und Zuversicht. Sobald das neue System etabliert ist, bläht es sich auf und erweitert zunehmend enthemmt seine Befugnisse, reißt kontinuierlich mehr Macht an sich. Ist sein Zenit überschritten, erzeugt das erste Widerstände in intellektuellen Milieus. Darauf reagiert das System mit dem Einfordern bedingungsloser Solidarität. Es beginnt, die Rechte des Kollektivs über die Rechte des Einzelnen zu stellen. Aus Etatismus wird Totalitarismus. Das amplifiziert den Widerstand, der sich schlussendlich auf weite Teile der Bevölkerung ausdehnt und das Kartenhaus zum Einsturz bringt. Dann beginnt das Spiel von vorn.

Kluge Köpfe haben zeitlebens vor solch evolutionären Mustern gewarnt. Lange bevor ich als Jugendlicher mit Hermann Hesse die Literatur für mich entdeckte, mahnten George Orwell, Hannah Arendt, Henry L. Mencken, Bertolt Brecht, Friedrich Nietzsche, Erich Fromm, Antonio Gramsci, John Lennon und viele weitere kritische Kapazitäten aller Couleur zur Vorsicht. Denn sie hatten unabhängig von ihrer politischen Gesinnung erkannt, „dass die Geschichte die Menschen lehrt, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt“ (Mahatma Gandhi). Dass Herrschaft auf der Unfähigkeit des Einzelnen besteht, sich selbst zu beherrschen. Einer Unfähigkeit, die antrainiert ist — und deshalb auch wieder überwunden werden kann. Offenbar wurden diese Warnungen von zu wenigen Menschen verstanden. Oder von zu vielen missverstanden. Denn es passiert schon wieder. Und wie bereits Umberto Eco prophezeite, wird man den neuen Faschismus nicht sagen hören „Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus“.

So sitze ich nun kurz nach Anbruch des neuen Jahres an meinem Schreibtisch, einen Steinwurf entfernt von der Casa Camuzzi, Hermann Hesses ehemaliger Wirkungsstätte, jenem extravaganten Gemäuer, in dem „Siddhartha“, „Der Steppenwolf“ oder „Narziss und Goldmund“ entstanden, und bin dankbar für den Umstand, dass ich mich gewappnet fühlen darf. Angstfrei. Bereit für den oktroyierten Rückschritt in die Zukunft. Die zahlreichen Texte, Bücher, Strategiepapiere, Studien, Listen und Zusammenhänge, all die Songs, Bilder, Filme und Vorträge, die ich mich seit Mitte der 1990er angeschickt habe zu analysieren, mögen ein Grund sein, warum mich die Entwicklungen der vergangenen vier Jahre weniger schockiert als fasziniert haben. Denn Geschichte verläuft in vergleichbaren Zyklen. Sie wird von den Gewinnern geschrieben. Und es war schon lange klar, dass sie sich zu oft wiederholt hat — dass es an der Zeit ist, sie zu ändern.

Als die „Neue Normalität“ im Windschatten der Coronakrise ausgerollt wurde, kam es mir vor, als würde ein Theaterstück, dessen Drehbuch ich schon ein Dutzend Mal gelesen habe, das ich schon kenne, aber noch nie live mitverfolgen durfte, endlich aufgeführt.

Als säße ich in der ersten Reihe, um dem, was ich mir schon viele Male vorgestellt hatte, persönlich beizuwohnen. Es fühlte sich an, als wäre der Zeitpunkt gekommen, auf den mich meine Neugier seit gut drei Dekaden vorbereiten wollte. Als wäre es das Wissen um die Vergangenheit, das vor Angriffen der Zukunft auf das freie Denken feit.

Der Zweck geistiger Defensivarbeit besteht ja nicht nur darin, die Inhalte von Propaganda als solche zu erkennen und die Lügner Lügen zu strafen, sondern vor allem darin, sich von den perfiden Methoden psychologischer Kriegsführung nicht in die Resignation treiben zu lassen. Denn exakt diese Koordinaten zwischen Apathie und Agonie sieht 5G-Sozialarchitektonik für jene vor, die sich ein holistisches Bild von der Lage machen und den Betrug erkennen. Sie sollen sich ob der agitativen Übermacht multimedialer Flächenbombardements handlungsunfähig, überwältigt, intellektuell vergewaltigt und isoliert fühlen. Umso dankbarer bin ich jenen Autoren und Künstlern, die nicht mit ihrer Meinung hinterm Berg hielten, die intellektuellen Inzest vermieden. Den Individuen, die den Mut hatten, klare Kante zu zeigen, die Courage, unpopuläre Positionen zu vertreten. Weitsichtigen Geistern, die einen Blick hinter die Fassaden der Potemkinschen Dörfer wagten, Kontextualisierung für die Ereignisse ihrer Ära lieferten und schonungslose Ausblicke in die Zukunft nicht scheuten.

Ohne John Lennon hätte ich als Fünfjähriger nicht die Musik für mich entdeckt. Ohne Hesse nicht die Welt der Bücher. Und ohne Umberto Ecos „Foucaultsches Pendel“ hätte sich mit sechzehn kaum mein Interesse an Hintergrundrecherchen in puncto Geheimgesellschaften und Schattenpolitik entwickelt. Ohne die intellektuelle Rückendeckung unbeugsamer, freisinniger, kühner und reflektierter Autoren säße ich an diesem milden Tessiner Winterabend nicht hier und schriebe den vorliegenden Text. Ihre Werke halfen mir, die Seifenoper, in der wir verdrießlich vor uns hin vegetieren sollen, nicht ernst zu nehmen. Sie waren wichtig, um die Gegenwart einzuordnen, um falsche Autoritäten als solche entlarven zu können. Ihren Anstrengungen habe ich zu verdanken, dass ich als Komparse der postmodernen „Truman Show“ zwar in einer Lüge, aber nicht die Lüge leben muss. Wenn ich mit den hier zusammengetragenen Texten nur den Bruchteil eines solchen informativen Widerhalls erzeugen, einer einzigen Person ähnliche Dienste leisten kann und ein wenig mentale Schützenhilfe für den ein oder anderen zu bieten vermag, haben sich die vielen hundert Stunden Arbeit, die im vorliegenden Projekt stecken, mehr als gelohnt. Ich veröffentliche es, damit die Gegenwart — als Vergangenheit der Zukunft — ein weiteres nicht zensierbares Artefakt mit auf ihre Reise durch die Zeit nehmen kann.

„Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance“ (Victor Hugo).


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