Der Weg zum Fühlen

Der Gründer der Democracy App, Marius Krüger, spricht im Interview von seiner Vision einer besseren Gesellschaft.

Marius Krüger ist ein Mann der Taten und nicht nur ein Kritiker. Er verließ den sicheren Weg einer Karriere im Wirtschaftsbereich, um sich auf den unsicheren Pfad einer sinnvollen Tätigkeit zu begeben und erschuf mit seinen Mitstreitern die App „Democracy“, die derzeit immer mehr die Aufmerksamkeit der Medien und der Bevölkerung auf sich zieht. In diesem persönlichen Interview spricht Marius Krüger über Enttäuschung, Sinn und seinen Traum vom selbstbestimmten Bürger.

Elisa Gratias: Als ich vor ein paar Tagen dein Interview mit Ken Jebsen entdeckte, hast du mich mit deiner aufrichtigen Art sehr berührt, die perfekt zu einem Mut machenden Artikel für unsere Aufwind-Redaktion passt. Vor allem der Satz: „Ich ackerte wie ein Wilder an meiner Karriere, aber ich war nicht glücklich“, brachte mich zum Nachdenken. Daraufhin schrieb ich dir eine Interviewanfrage.

Nun bin ich etwas aus dem Konzept. Mir gegenüber sitzt auf einmal ein anderer Mensch, als der, den ich erwartet hatte. Du siehst völlig anders aus als in dem Interview. Da wirktest du so geschäftsmäßig und ernst — und nun siehst du eher aus wie eine Mischung aus rumänischem Popsänger mit blondierten Haaren, bärtigem Hipster und Hippie. Deshalb spontan gefragt : Was ist passiert? Woher dieser Wandel?

Marius Krüger: Ich überrasche die Leute gern. Jedes Konzept ist da, um es als Illusion zu erkennen. Als Person bin ich überhaupt nicht kohärent. Ich habe einen riesigen Spaß daran, trojanische Pferde zu bauen. Der seriöse junge Mann aus dem KenFM-Interview ist nur eine Facette von mir. Ich lasse mich nicht gern in Schubladen stecken, fordere die Menschen gern heraus, die versuchen, mich irgendwo einzuordnen — das amüsiert mich.

Das Äußere ist eben auch immer ein Ausdruck des Inneren. Bei einem Menschen, der sich ein bisschen mit sich selbst beschäftigt, ist das Aussehen dann nur der letzte Dominostein, der fällt. Seit diesem Interview passierte extrem viel.

Vier Jahre hatte ich Ken stark idolisiert. Er und seine Gäste waren für mich die Aufklärer, die Licht in mein Leben brachten — Licht im gesellschaftskritischen Sinne, spirituell eher nicht. Das war für mich schon krass, dort auf einmal selbst am Tisch zu sitzen, um mit Ken auf Augenhöhe seine und meine Ideen — ja, sogar über etwas, was ich schon umgesetzt hatte — zu diskutieren.

Gleichzeitig musste ich feststellen, dass man seine Stars nur treffen sollte, wenn man bereit ist, sie vom Sockel zu nehmen.

Und hast du das bei Ken geschafft?

Da war natürlich dieser Moment, in dem ich verstand, dass wir nicht einhundertprozentig den gleichen Spirit teilen, dass ich irgendwie anders schwinge als derjenige, der mich so sehr inspiriert hatte. Ken ist viel aktivistischer als ich. Er ist so auf dieser Ebene: „Ich zeig‘s denen, den Mainstream-Medien“. Deshalb berührt er ja auch so viele Menschen, weil er genau auf der Ebene schwingt wie der Großteil der Gesamtgesellschaft.

Ken trifft ziemlich gut den Nerv der Zeit, sich über etwas aufzuregen und dagegen zu sein. Das ist vielleicht auch der Grund, warum er so erfolgreich ist. Jeder Erfolg hat irgendwie damit zu tun, auf welcher Ebene man schwingt und auf welcher Ebene das Publikum, der Rezipient.

Ich bin sehr froh, Ken mittlerweile auch persönlich und von einer anderen Seite zu kennen, vielleicht sind wir sogar so etwas wie Freunde geworden. Seine Power inspiriert mich auf jeden Fall immer noch.

Und auf welcher Ebene schwingst du nun?

Das müssen andere beurteilen (lacht). Das ist — glaube ich — der Fehler: Also, wenn ich jetzt selber sage, auf der oder der Ebene, dann macht das mein Ego. Deshalb kann ich das nicht sagen.

Aber du hast selbst etwas gemacht, um die Verhältnisse zu ändern. Du hast die Democracy-App entwickelt. Bist du Aktivist?

Aktivisten argumentieren oft normativ, indem sie sagen: „Das darf doch nicht sein.“, „Das müsste doch ...“, „Wie könnt ihr nur so blind sein?“. Sie akzeptieren den gegenwärtigen Zustand nicht — sind dagegen — und das mag ich insofern, als das es Problembewusstsein schafft.

Persönlich bevorzuge ich dann aber doch das nächsthöhere Energielevel — das Konstruktive. Für mich heißt das, Lösungen zu kreieren, die den Leuten Spaß machen. Aus meiner Perspektive hat es noch nie etwas gebracht, andere Menschen in die moralische Pflicht zu nehmen: „Du müsstest ja ...“. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass ich jemals so einem Rat gefolgt wäre.

Aus dieser Selbsterkenntnis heraus beschäftige ich mich mit Lösungen, die vielleicht andere Menschen auf die eine oder andere Art und Weise dazu motivieren, sich mit etwas — in diesem Fall dem Politischen — zu beschäftigen.

Aber, um deine eigentliche Frage zu beantworten: Von meinem Freund Simon habe ich das Wort Kreaktivist gelernt — vielleicht bin ich Kreaktivist.

Denkst du, jeder könnte Kreaktivist sein und seinen Traum leben?

Selbstverständlich! Ich halte das sogar für unsere einzige Aufgabe.

Was hält die Menschen davon ab?

Das ist eine schwierige Frage, weil es sowohl persönlich als auch systematisch ist — das greift ineinander. Du kommst auf diesen Planeten, und die größten Potenzialvergeuder sind erstmal deine Eltern, weil sie dir in aller Regel die Flügel stutzen, um sich durch dich zu verwirklichen.

Da wird das natürliche Streben, sich selbst zu verwirklichen, bereits beschnitten. Dir werden gewisse Eigenschaften zugeschrieben: „Das kannst du gut, darin bist du nicht gut.“ Dann kommst du in die Schule und stellst fest, du kannst gut rechnen, aber deine Handschrift ist eine absolute Klaue. Diese Zuschreibungen — das was andere über dich äußern —, die Labels, mit denen sie dich bekleben — irgendwann fängst du an, das in dir aufzunehmen und dich damit zu identifizieren. Aus Zuschreibungen wird Identifikation — und irgendwann bist du dann selbst derjenige, der dich limitiert.

Für jeden Erwachsenen gilt insofern, dass er sich selbst davon abhält: Auch wenn er sagt, dass es die Gesellschaft ist, die ihn abhält, ist es nur das Introjekt der gesellschaftlichen Sanktion, das er in sich hineingelegt hat, was ihn abhält. Vielleicht können wir mehr Erwachsene daran erinnern, dass die unberührte Essenz ihrer Seele frei ist. Kinder wissen das noch!

Also glaubst du, dass man die Gesellschaft eher verändern kann, indem man nicht solch eine aktivistische, kämpferische Haltung einnimmt?

Ja, wir kriegen langfristig gesellschaftliche Veränderung nur dann hin, wenn wir etwas schaffen, was die Bedürfnisse zehnmal besser befriedigt als das jetzige System. Das muss sich ganz natürlich entwickeln. Der Umstieg auf das Modell, das wir dann vorschlagen, darf nicht so sein, dass Leute das aus ideellem Grund machen, andere überreden und sagen: „Guck mal, nur du fehlst noch“, sondern es muss ganz natürlich geschehen.

Aus einer Software-Denke heraus gesprochen: die Usability muss einfach viel geiler werden. Was du damit machen kannst, muss zehnmal besser sein, dann musst du nämlich niemanden überzeugen, denn er macht es von selbst. Das ist so der grundsätzliche Ansatz. Der ist — glaube ich — smarter, als zu sagen: „Wir müssten jetzt, wir sollten oder da müsste mal einer“.

Man macht einfach ein Produkt, das das Problem, das wir haben, so klug löst, dass jeder das Produkt nutzen will — und plötzlich sichtbar und denkbar wird: „Ah, das könnten wir ja auch so machen“ — damit haben wir ja gleichzeitig die Lösung schon umgesetzt. Im Endeffekt will ich Lösungen schaffen, für die keine Akzeptanz da sein muss, aber die automatisch da ist, weil sie einfach besser sind.

Da ist also der Unterschied: Anstatt, dass du etwas von den Leuten verlangst — was Menschen, die die Welt verbessern wollen, oft tun, nämlich die anderen aufzufordern, etwas zu machen — gibst du den Leuten etwas, so dass sie — indem sie dein Angebot freiwillig und gern nutzen — etwas ändern, ohne, dass du es überhaupt fordern musst. Du verlangst nicht, sondern gibst.

Genau. Dieser Ansatz ist anders, denn er ist sehr nutzerzentriert. Die Software-Entwicklung ist da sehr weit, denn die fragen immer, was wird im Alltag gebraucht, damit sich irgendetwas verbessert. Dann entwickeln die die Software nicht in dem Modus: „Ich sitze hier und denke mir aus, was die Gesellschaft brauchen könnte.“, sondern sie fragen die Nutzer, was sie konkret brauchen.

Ich musste das auch erst lernen und dachte lange, ich hätte die Dinge besser verstanden. Aber im Endeffekt ist immer die Frage: Was braucht der Durchschnittsnutzer?

Die Usability unserer Demokratie ist zum Beispiel beschissen (lacht). Wir könnten die auf jeden Fall geiler machen. Das war der neue nutzerorientierte Ansatz, der zur Democracy App führte.

Glaubst du, dass sich — falls unser Land dank der App demokratischer werden würde — vieles ändert? Dass die Menschen glücklicher wären? Denn gerade in Deutschland strahlen die Gesichter ja oft nicht unbedingt Lebensfreude aus. Daraufhin stellt sich die Frage, welche Bedürfnisse die Menschen hier noch haben, und ob man dafür überhaupt Produkte schaffen könnte, um diese zu befriedigen.

Ich glaube, dass Demokratie für die Menschen sogar eines der weniger bedeutenden Bedürfnisse ist. Deshalb kümmert sich im Moment ja auch fast gar niemand darum, weil man eigene Probleme hat. Man muss eine Familie ernähren, auf dem Arbeitsmarkt irgendwie zurechtkommen, ist damit beschäftigt zu überleben — im weitesten Sinne. Dazu ist das System eben nicht unbedingt förderlich designt. Ein Kreis wird zum Quadrat gemacht. Man wird da so reingedrückt und hat den Eindruck, man kann gar nicht selber entscheiden. Ich glaube, das ist gerade das größte Problem.

Insofern ist es wichtig, dass man den Menschen aus dieser Abhängigkeit befreit. Das ist einer der Gründe, warum ich diese App gemacht habe:

Ich träume von einer Gesellschaft selbstbestimmter Individuen.

Und für eine Gesellschaft selbstbestimmter Individuen ist Demokratie die einzig logische Staatsform, die — wie Richard von Weizsäcker 1984 noch sagen konnte — den stets notwendigen Weg zum Wandel in Frieden finden lässt.

Und klar, die Selbstbestimmung der Individuen — ihre Mündigkeit — und die Demokratie bedingen sich. Eine interessante Frage ist also: Verhelfen wir dem Bürger zu mehr Mündigkeit, indem wir Demokratie einführen, oder brauchen wir den mündigen Bürger für Demokratie?

Ich denke, beides ein bisschen. Indem man Menschen die Möglichkeit gibt, demokratisch zu partizipieren und ihre Volksvertreter zu kontrollieren, ermächtigt man sie psychologisch. Gleichzeitig kann natürlich nur ein mündiger Bürger vernünftige Entscheidungen treffen. In einer Demokratie ist der mündige Bürger also gleichzeitig ein Axiom und ein angestrebter Zustand. Und das mag ich so sehr, weil es wertschätzend und gleichzeitig realistisch ist.

Wie siehst Du in diesem Zusammenhang direkte Demokratie?

Ich bin totaler Befürworter der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild. Allerdings: Von unserem gegebenen gesellschaftlichen Bewusstsein auszugehen und dann zu sagen, wir führen jetzt direkte Demokratie ein und alles wird besser, halte ich für unzureichend.

Gesellschaft ist bei aller Gruppendynamik auch immer ein Abbild des inneren Zustandes des Einzelnen. Und eine Veränderung im Außen wandelt nicht zwangsläufig den inneren Zustand des Einzelnen — seine Motivationen, Wünsche, Vorstellungen und Ängste. Insofern stimmt — bezogen auf die gesamte Gesellschaft — schon, dass jede Bevölkerung sich ihre Regierungsform selbst wählt. Und wir wählen eben die repräsentative Elitendemokratie.

Für viele Menschen bedeutet Wählen, alle vier Jahre ihren Exkulpationsschein auszufüllen, mit dem man dann die Berechtigung erwirbt, die Schuld dem gewählten Politiker zu geben. Auch in meiner Familie ist das sehr verbreitet, sich über Politik zu beschweren, aber dann Konsequenzen zu ziehen, die keine sind. Zur Wahl wird trotzdem gegangen, um wieder dieselben Nasen zu wählen. Ins Politische übersetzt sich das so, dass wir Politiker haben, die Dinge versprechen, die sie nicht einhalten.

Meinst Du, dass man dem Einzelnen die Verantwortung für die politischen Entscheidungen zurückgeben muss?

Ja, auf jeden Fall, um aus dieser kindlichen Abhängigkeit herauszukommen, jemand anderes müsse für einen die Gesellschaft ändern, damit man irgendwann einmal ein gutes Leben führen kann.

Ein politischer Erwachsener wartet nicht darauf, dass ihm diese Verantwortung zurückgegeben wird — er nimmt sie sich. Und genau das macht die App: Sie versetzt dich ganz praktisch ins Amt eines Bundestagsabgeordneten und stellt dich vor die Herausforderung: Wie würdest du entscheiden?

Was hat sich bei dir verändert, seit du begonnen hast, diesen Weg zu gehen, oder vielleicht sogar seit die App draußen ist?

Auf jeden Fall ist die Illusion gestorben, dass die Welt auf Knopfdruck besser wird, wenn es eine — also diese — App gibt (lacht). Aber fangen wir vorne an:

Ich studierte damals dual und war in einer Lebenssituation, in der ich alles besaß — außer Sinn. Ich beschäftigte mich mit komplexen Optimierungsproblemen, um eine Dienstleistung noch drei Cent günstiger produzieren zu können. Das forderte mich auf jeden Fall akademisch, aber befand sich im kompletten Widerspruch zu meiner Vorstellung, etwas mit übergeordnetem Sinn in meinem Leben zu tun.

Ich meine, Krabben von der Nordsee nach Ägypten zu transportieren, sie dort wegen des Lohnvorteils pulen zu lassen, um sie dann wieder zurückzubringen und an der Nordsee zu verkaufen, ist nicht nur unsinnig, sondern zerstört auch noch den Planeten. Zudem hatte ich in der Organisation viele Probleme: mit Hierarchie, mit Selbstbestimmung, mit unternehmenspolitischen Entscheidungen. Diese ganzen Erfahrungen haben mich dann dazu bewogen, es anders zu versuchen — in allem, was ich beruflich tue.

Umso passender war es da, dass mir kurz vor Ende meines Studiums die Vision von „Democracy“ begegnete, durch die ich dann die vergangenen zweieinhalb Jahre gelebt habe und die mein Lebensgefühl total verändert hat — bis wir die App herausgebracht haben.

Du sagst, bis ihr die App herausgebracht habt. Was ist dann passiert?

Der Weg, das Wie, diese zwei beziehungsweise das letzte gemeinsame Jahr, war für mich das Schönste in meinem Leben. Da sind wir im Team für etwas gegangen, das größer war als wir selbst.

Und dann kam der Zeitpunkt, als wir die App herausbrachten, und plötzlich war nichts mehr davon da. Das Ziel war erreicht. Es gab keine Orientierungsrichtung mehr — keinen Sinn. Auf einmal war alles weg. Und dazu kam die Erkenntnis, dass die Menschheit vielleicht doch nicht auf diese App gewartet hat. Manchmal fühlt es sich so an, als hätte ich alles daran gesetzt, die App herauszubringen, quasi mit dem Kopf durch die Wand, und dahinter kam nur Regen.

Also warst du enttäuscht?

Ja, im wahrsten Sinne des Wortes.

Daraufhin habe ich mich auch intensiver damit beschäftigt, weil mich die Gefühle sehr stark irritiert haben, und bin auf einen Vortrag von Dieter Lange gestoßen, wo er sagt, dass dies ein kleiner Reminder des Universums sei, der mich daran erinnern darf, dass man im Leben nicht ankommen kann.

In dem Vortrag beschreibt er auch, wie sich Reinhold Messner fühlte, nachdem er den Mount Everest bestiegen hatte, oder Boris Becker, nachdem er im Alter von 16 Jahren in Wimbledon gewann. Seine Philosophie von der Ergebnis- zur Erlebnisorientierung war für mich wie ein Treffer ins Schwarze.

Also wandert dein Fokus seitdem weg von der Demokratie … Womit beschäftigst du dich gerade? Was ist Dir jetzt wichtig?

Das Thema Demokratie hat mich jetzt lange beschäftigt, gerade befasse ich mich viel mehr mit der Macht der Sprache mit Selbstwahrnehmung, im weitesten Sinne mit Schwingung. Dass ich Menschen damit konfrontiere, dass wir in einer Fassadendemokratie leben — geschenkt! Mich interessiert dabei vielmehr, was Menschen empfinden, wenn sie diese Information erhalten.

Ist das nicht in gewissem Sinne eine Fortsetzung von dem ersten Schritt?

Ja, total.

Was fühlst du, wenn du damit konfrontiert bist?

Irgendetwas zwischen Apathie und Zorn — manchmal auch Vergebung und Mitgefühl.

Spürst du alle deine Gefühle?

Immer öfter. Nach dem „Democracy“-Release habe ich den Entschluss gefasst, mehr zu fühlen sowie meine Verdrängungen zu integrieren und war dann ziemlich überrumpelt von meinem Schmerz. Die Wächter unserer Gefühle scheinen schlechte Gefühle zu sein. Und obwohl diese sich so schlimm anfühlen, ist es für mich immer noch besser, als gar nichts zu empfinden. Mittlerweile habe ich sogar akzeptiert, dass mich vielleicht gerade diese negativen Gefühle ausmachen. Und oft ärgere ich mich sogar darüber, dass ich nichts — also nicht das, was ich will — fühle.

Ist dein Ins-Außen-gehen eine Flucht vor deinen Gefühlen?

Gewöhnlicher Aktivismus ist immer Vermeidung des Selbst. Mit „Democracy“ bin ich auf jeden Fall auch ins Außen gegangen, um das Innen zu vermeiden. Ich glaube aber trotzdem daran, dass es einen Aktivismus des Herzens gibt, der das Innen nicht vermeidet und trotzdem im Außen wirkt: Selbstliebe. Das äußere Ende des Sich-mit-sich-selbst-Beschäftigen ist Selbstlosigkeit.

Das klingt spirituell. Wie reagieren die Menschen auf diese spirituelle Seite von dir?

Zumeist irritiert, aber durchweg positiv. Es ist offensichtlich nicht so verbreitet, vom Tiefen Staat zu wissen und gleichzeitig Hoffnung zu haben.

Bist du trotz deiner unangenehmen Gefühle glücklich?

Mal mehr, mal weniger. In diesem Moment sehr, ich fühle mich gerade von dir gesehen!

Was passiert jetzt mit der App? Verbreitet sie sich von selbst?

Für mich ist das Thema „Democracy“ nach wie vor wichtig. Nur der negative Druck ist weg, dass wir diese App jetzt unbedingt öffentlichkeitswirksam verbreiten müssen. Visionäres setzt sich auf kurz oder lang durch.

Ich möchte den Leuten diese App nicht aufschwatzen oder gar künstlich Bedürfnisse erzeugen. Ist sie wirklich eine Verbesserung, nehmen die Leute sie an. Deshalb gebe ich auch keine weiteren Videointerviews mehr zu dem Thema, weil meinerseits dazu alles gesagt ist. Für eine innovative Verbreitungskampagne bin ich allerdings nach wie vor zu haben (lacht).

Und warum hast Du dieses Interview trotzdem gegeben?

Weil ich deine Zuschrift ziemlich beeindruckend fand. Normalerweise bekomme ich sehr formalistische Interviewanfragen mit viel Lob, aber deine war anders. Du hast mich gefragt, ob ich glücklich bin. Und während ich deine Mail las, habe ich gefühlt — Nein.


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