Der Wille der Krim

Wer auf das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine pocht, sollte auch das der Krimbewohner respektieren.

2015 trennte sich die Halbinsel Krim in einem Referendum von der Ukraine und trat Russland bei. Die Bevölkerung der Krim konnte nach jahrzehntelangem Kampf um Unabhängigkeit ihren Willen geltend machen, zu Russland zu gehören. Westliche Politiker und Medien sprechen seitdem von einer Annexion, und die ukrainische Regierung hält weiterhin daran fest, die Krim zurückzuerlangen. Wer einen langfristigen Frieden in der Region anstrebt, kommt in keiner Richtung am Selbstbestimmungsrecht der Völker vorbei.

Die EU geht den Weg in eine Kriegswirtschaft. Russland ist der Gegner. Zahlen sollen es die Bürgerinnen und Bürger. In einer Demokratie sollte das aber ihre Entscheidung sein, und dafür müssen sie wahrheitsgemäß informiert werden. Deshalb hat Thomas Mayer sich auf die „Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg“ gemacht. In einem Kapitel seines Buches geht es um die Krim. Was dabei zutage tritt, könnte schockieren, zumindest erstaunen.

Mit der Loslösung der Krim aus der Ukraine im März 2014 begann der Bürgerkrieg in der Ostukraine, der im Februar 2022 zum Ukrainekrieg eskalierte. Das Ziel der Kiewer Regierung, die Krim und die Donbass-Regionen zu erobern und wieder in die Ukraine einzugliedern, ließ keinen Frieden zu und steht ihm auch jetzt im Wege. Wladimir Putin, so heißt es, dürfe für seine Aggression nicht auch noch mit Landgewinnen belohnt werden.

Doch was will eigentlich die Bevölkerung der Krim? Um diese zentrale Frage geht es in dem Kapitel des Hörbuchs „Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg“, das die Geschichte der Krim schildert.

Noch zu Sowjetzeiten, im Januar 1991, fand auf der Krim eine Volksabstimmung statt, bei der 93 Prozent der Abstimmenden sich dafür aussprachen, dass die Krim unabhängig von der Ukraine sein soll und als „Autonome Republik Krim“ an der neuen Union teilnimmt, die vom Präsidenten der Sowjetunion, Michael Gorbatschow, geplant war.

Dieses Ergebnis bedeutet eine klare Absage der Krim-Bevölkerung an die Ukraine und ist ein deutliches Plädoyer für die Union mit Russland.

Doch Kiew ignorierte das Abstimmungsergebnis und verweigerte der Krim ihr Recht auf Selbstbestimmung. Am 1. Dezember 1991 fand in der gesamten Ukraine ein Referendum statt, bei dem 92,3 Prozent der Ukrainer für die Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion votierten. Damit gründete sich die Ukraine als eigenständiger Staat. Die Sowjetunion zerfiel. Im Referendumsgesetz war aber vorgesehen, dass die Krim, die den Status eines autonomen Gebietes innerhalb der Ukraine hatte, unabhängig von der Gesamtukraine über ihre Zukunft entscheiden kann, ob also die Krim als eigenständige Republik der Union mit Russland beitreten oder weiter zur Ukraine gehören soll. Doch dieses gesetzliche Recht wurde der Krim verwehrt, und sie wurde so von der Ukraine vereinnahmt.

Im Mai 1992 erklärte das Krim-Parlament erneut die Krim für unabhängig von der Ukraine und kündigte ein neues Unabhängigkeitsreferendum an. Dieses wurde aber auf Druck von Kiew und aufgrund weitreichender Zugeständnisse Kiews an die Krim ausgesetzt. Doch 1994 griff die Mehrheitspartei „Der russische Block“ im Krim-Parlament unter dem Krim-Präsidenten Juri Meschkow das Vorhaben wieder auf.

Am 27. April 1994 stimmten 78,4 Prozent der Krimbewohner erneut für die Unabhängigkeit der Krim von der Ukraine. Kiew erklärte die Abstimmung für illegal, entzog der Krim ihre Sonderrechte, annullierte die Verfassung der Krim und enthob ihren Präsidenten unter Einsatz von militärischen Spezialeinheiten seines Amtes. Man kann es einen Militärputsch nennen.

Diese unstrittigen Fakten zeigen, wie die Bevölkerung der Krim bei dem Versuch zur Neubildung der Sowjetunion unter Gorbatschow und im Zuge der Auflösung der Sowjetunion entschieden dafür eintraten, unabhängig von der Ukraine zu werden und in einer Union mit Russland zu bleiben. Zur Ukraine gehörte die Krim ohnehin erst seit 1954. Der damalige Präsident der UdSSR, Nikita Chruschtschow, hatte sie willkürlich an die Ukrainische Sowjetrepublik verschenkt. Zuvor, das heißt seit 1774, gehörte sie zu Russland.

Dass die Volksabstimmung auf der Krim im März 2014, bei der 97,5 Prozent der Abstimmenden sich für den Beitritt der Krim zu Russland entschieden, ein „Scheinreferendum“ gewesen sei, wie es uns gesagt wurde, ist in Kenntnis der Vorgeschichte eine haltlose Behauptung. 135 Wahlbeobachter aus 23 Ländern bezeugten den korrekten Ablauf der Stimmabgaben und der Stimmauszählung, und spätere Umfragen von westlichen Meinungsforschungsinstituten auf der Krim bestätigten das Abstimmungsergebnis.

Was geschähe, würde die Krim von der Ukraine zurückerobert? Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes betonte in einem Interview, dass die Krimbewohner nicht nur Illoyale sein, sondern Menschen mit veränderter Psyche, deren gerechte Bestrafung bei einigen nur die physische Auslöschung sein könne. Eine Bestrafung der „Kollaborateure“ kündigte auch der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates in seinem 12-Punkte-Plan zur Beendigung der Okkupation der Krim an. Entrechtung, Vertreibung oder physische Auslöschung erwarten die Krimbevölkerung, wenn die Ukraine die Krim zurückerhält — für die Krimbevölkerung wäre es also eine Katastrophe. In den westlichen Medien wird aber so getan, als würden die Menschen dadurch aus russischer Zwangsbeherrschung befreit. Die Wahrheit wird dabei um 180 Grad verdreht.

Thomas Mayer geht in seinem Buch auch auf das Völkerrecht einwelches eine solche Sezession der Krim von der Ukraine und den Beitritt zu Russland ausdrücklich legitimiert. Das Gleiche gilt für die Donbass-Regionen. Waffen und Geld für die Ukraine ermöglichen den Krieg gegen die Selbstbestimmung der Völker. Wenn die Krim russisch bleibt, ist das keine Gefälligkeit gegenüber Putin, sondern die Anerkennung des Willens der dortigen Bevölkerung.


Hier können Sie das Hörbuch anhören:Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg: Um was es wirklich geht