Des Kanzlers Kammerjäger
Friedrich Merz lobte Israel dafür, im Namen des ganzen Westens „die Drecksarbeit“ getan zu haben — damit verlieh er Mord und Völkerrechtsbruch die höchsten politischen Weihen.
Eigentlich waren deutsche Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg dafür bekannt gewesen, Juden mit besonderer Achtsamkeit zu behandeln. Die Alarmglocke, wenn etwas nach Antisemitismus klang, schrillte früh. Wie kann es dann sein, dass Bundeskanzler Friedrich Merz die Soldaten Israels mit seinem „Drecksarbeit“-Diktum quasi zu Handlangern einer blutigen Agenda erniedrigen konnte? Hatten die Militärs nicht bei ihren Angriffen auf den Iran ihr Leben riskiert und ihr Gewissen schwer belastet, während die europäischen „Nutznießer“ dieser Gewalttaten ihre Hände in Unschuld zu waschen versuchten? Und wäre es nicht Aufgabe des mächtigsten Mannes in Deutschland, das Recht zu achten — auch international — und ein Vorbild zu sein, was ethische Standards betrifft? Stattdessen erteilte er Mord — auch an iranischen Zivilisten — und Völkerrechtsbruch nun seinen höchst amtlichen Segen. Wie der Autor in diesem Beitrag ausführt, handelt es sich bei Merz‘ „Drecksarbeit“-Skandal nicht nur um ein Beispiel für die fortschreitende Verwilderung der politischen Sitten — die Glaubwürdigkeit Deutschlands als einer kultivierten, am Recht orientierten Nation nimmt schweren Schaden.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht im israelischen Angriff auf den Iran einen Dienst für die westlichen Verbündeten. „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle“, sagte Merz am Rande des G7-Gipfels in Kanada in einem Interview mit dem ZDF. „Größten Respekt“ habe er, dass „die israelische Armee, die israelische Staatsführung, den Mut dazu gehabt hat, das zu machen“.
Mehr nationales und internationales Recht kann man in einem Satz nicht brechen. Die Unterstützung und Billigung eines Angriffskriegs verstößt gegen deutsches Recht (Art. 26 des Grundgesetzes).
Ein anderes Land anzugreifen, ist ein Staatsverbrechen nach internationalem Recht. Hinzu kommt, dass die Ermordungen von Zivilisten, von iranischen Atomwissenschaftlern, die Angriffe auf Atomanlagen nationale und internationale Gerichte völlig auslasten würden — wenn sie ihre Arbeit täten.
Während Friedrich Merz bestenfalls für seine ruppige Wortwahl kritisiert wird, wurde Nina Maleika zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt, weil sie gefährliche Parolen und Symbole bei ihrem Protest gegen den Völkermord in Gaza verwendet hat. Dazu gehört unter anderem die Parole: „From the river to the see, palestine will be free.“
Nicht in Nordkorea, sondern in Deutschland.
Rana Issazadeh, deren Eltern aus dem Iran stammen, hat dazu zwei Anmerkungen gemacht, die weit über darüber hinausgehen:
„1. Diese Aussagen des deutschen Bundeskanzlers stellen eine Straftat dar. Warum er derartige Äußerungen nichtsdestotrotz tätigt? Er kann sich voll und ganz auf die deutsche Staatsanwaltschaft verlassen, er weiß, dass ihm nichts passieren wird.
2. Auch Politiker:innen sind ab und an ehrlich. Ich kann die Empörung über diese Aussage von Merz verstehen, nur: Merz war ehrlich, denn genau das ist die Rolle Israels innerhalb des imperialistischen westlichen Blocks, nämlich ‚die Drecksarbeit zu leisten’. Israel testet Waffensysteme an der palästinensischen Bevölkerung, die andere Staaten wie Indien, Brasilien und die USA zur Unterdrückung ihrer eigenen Bevölkerung benötigen. Die illegale israelische Besatzung palästinensischer Gebiete ist eben äußerst lukrativ für Israel. Aufgrund der sich weltweit verschärfenden Krise des Kapitalismus ist die Rolle Israels wichtiger als je zuvor.“
Tatsächlich kann man das als die letzte Phase des US-dominierten Imperialismus begreifen: Er erzählt uns nichts mehr vom Frieden, vom Brunnen bauen, von Menschen-, Frauenrechten und Freiheit, sondern macht seine „Drecksarbeit“.
Es ist die Phase des Imperialismus „sans phrase“: Sie reden von „totaler Kapitulation“, so Trump gegenüber dem Iran, von der Bereitschaft, Teheran dem Erdboden gleichzumachen, die Morde bis nach ganz oben fortzusetzen und eine neue alte Regierung ins Land zu bomben. Der Sohn des Schahs steht schon bereit. Zurück zur Diktatur des Folterregimes Iran.
Es gibt einige SPD- und Grüne Politiker, die ähnlich denken, aber es noch nicht sagen wollen. Und das obwohl der neue SPD-Boss Lars Klingbeil schon Jahre zuvor erklärt hatte, dass die „80-jährige Zurückhaltung“ Deutschlands vorbei sei.
Auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, denkt sich ins Zurück — mit Blick auf eine Familienaufstellung für Merz:
„Das sagt ein Nachkomme der Nazis, dessen Großvater Josef Paul Sauvigny zu den Zeiten des Dritten Reichs im Amt des Bürgermeisters von Brilon Straßen zu Ehren von Hitler und Goebbels umbenannt hat.“
„Wir mussten die Drecksarbeit machen“
Cathrin Karras, die jetzt in Vietnam lebt, in dem erst die Imperialmacht Frankreich, dann die USA die „Freiheit“ verteidigt hatten und Verwüstungen, Napalm und Millionen von Ermordeten hinterlassen hatten, schreibt dazu:
„Wir mussten die Drecksarbeit machen“, sagte SS-Obersturmführer August Häfner 1968 vor Gericht über das Massaker von Babi Jar, bei dem Nazi-Einsatztruppen innerhalb von 36 Stunden fast 34.000 Menschen töteten.
Die aktuelle Formulierung von Merz reiht sich ein in ein wohlbekanntes Muster und belegt, dass Nazisprache im ‚besten Deutschland aller Zeiten‘ wieder salonfähig geworden ist. Ich denke da zum Beispiel an den aktuellen Kriegsminister von der SPD, der — wie einst ein gewisser Josef Goebbels — von der deutschen Bevölkerung ‚Kriegstüchtigkeit’ einfordert.
Oder an den aktuellen Außenminister von der CDU, der sich — wie schon seine Vorgängerin von den Olivgrünen — als ein zweiter Kriegsminister gebärdet und Russland zum ewigen Feind erklärt.
Das Töten von Menschen als ‚Drecksarbeit‘ — als lästige, aber notwendige Aufgabe. Mit der Entmenschlichung der Sprache beginnt jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
Wenn sich dieser Tage etwas entschleiert, dann dieser Imperialismus.
Wo bleibt der schrille Aufruf, Leute, die Juden für die Drecksarbeit einsetzen, als furchtbare Antisemiten zu brandmarken?
Wo bleiben sie alle: Die Jüdische Allgemeine, die jüdischen Gemeinden, die Antisemitismus-Beauftragten in Stadt und Land? Wo bleibt der Ruf nach Sanktionen, nach Strafanzeigen, Festnahmen, nach einem Rücktritt für diese Entgleisung?
An dieser Anti-Antisemitismusfront herrscht hingegen totale Ruhe. Das fällt auf. Das müsste auffallen! Wie kann ein deutscher Bundeskanzler, Juden mit der Drecksarbeit beauftragen und im Zweifelsfall in den Tod schicken?
Ist das nicht die ultimative Steigerung des „eliminatorischen Antisemitismus“? Wie kann man den kriegswilligen Juden nur so in den Rücken fallen, indem man ihr ewiges Selbstverteidigungsrecht als das bezeichnet, was es ist: Drecksarbeit … für ein neokolonialistisches System, für die Aufrechterhaltung der US-dominierten Weltordnung?
Nun, ihr lautes Schweigen über Kanzler Merz hat einen guten und durchaus erhellenden Grund. In diesem Krieg gegen Gaza, gegen den Iran, wie in den Kriegen davor, auf dem Boden Palästinas, geht es um sehr viel: Um eine imperiale Weltordnung, die Länder schafft und Länder vernichtet, wie es ihr passt. Es geht um ein koloniales Bewusstsein, für das Apartheid und Rassismus selbstverständlich und konstitutiv zugleich sind. Es geht um einen Staat Israel, der schon sehr früh als imperialer Vorposten des Westens verstanden wurde, mit Milliarden US-Dollar jährlich am Leben gehalten wird und der sich zu bedanken hat, indem er die „Drecksarbeit“ im Nahen/Mittleren Osten erledigt.
All das spielt in diesen Kriegen eine treibende Rolle. Nichts, aber auch gar nichts davon hat mit den Juden zu tun. Wären es Moslems, Agnostiker oder Heiden, würde man diese auch nehmen.
Das wissen die ganzen Heerscharen von Anti-Antisemitismus-Beauftragten. Sie alle wissen, dass der Bundeskanzler Merz nur etwas auf den Punkt gebracht hat, weil sich die Erzählungen vom David gegen Goliath, vom Selbstverteidigungsrecht (für Israel), von Golem und die Gerechten längst verschlissen haben.
Die „Juden“, der jüdische Staat steht nicht für eine Bedrohung der kapitalistischen, imperialen Ordnung, wie der Antisemitismus zu suggerieren versuchte, sondern für die blutige Aufrechterhaltung dieser Weltordnung, die noch nie so ins Wanken geraten ist wie heute.
Es geht um die Verteidigung eines jüdischen Staates, den Moshe Zuckermann seit der Regierungsübernahme 2023 so beschreibt: Eine Regierungskoalition, „deren Hauptführer kahanistisch-faschistischen, ungeschminkt rassistischen, fundamental-klerikalen und theokratisch-chauvinistischen ‚Werten‘ das Wort reden — angeführt von einem Premier, der der Korruption, des Betrugs und der Veruntreuung angeklagt ist, mithin alles bereit ist hinzunehmen, um mit dieser ihn am Kragen packenden Koalitions-Bande seinem Prozess zu entgehen.“
Kann es also sein, dass einige führende Mitglieder dieser „Bande“ vielmehr alle Kriterien eines Faschisten erfüllen, als das, was man sich unter Jüdisch-sein vorzustellen hat?
Wenn das stimmt, dann gibt es einen Grund mehr für die deutsche Politik, sie zu lieben.
Die Drecksarbeit im Inneren
Immerhin berichtete ntv am 19. Juni 2025 ganz kurz darüber:
„Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O'Flaherty, hat sich besorgt über das Vorgehen der deutschen Behörden bei Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg geäußert. In einem Brief an Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte er Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit bei Protesten. Berichten zufolge sei es zu ‚exzessiver Gewalt‘ der Polizei gegen Demonstranten gekommen, darunter auch gegen Minderjährige, schrieb O'Flaherty. Auch habe es Verletzte gegeben. Einzelne Teilnehmer seien angeblich einer übermäßigen Online- und Präsenzüberwachung sowie willkürlichen Polizeikontrollen ausgesetzt gewesen.
O'Flaherty forderte die deutsche Regierung auf, von jeglichen Maßnahmen abzusehen, die Menschen aufgrund ihrer politischen Meinung, Religion, Nationalität oder ihres Migrationsstatus diskriminieren. Konkret bezog sich der Ire mit seiner Kritik etwa auf Demonstrationen in Berlin. In einigen Fällen wie bei einer Versammlung am 15. Mai dieses Jahres hätten die Behörden Proteste auf stationäre Versammlungen eingeschränkt. Seines Wissens werde zudem seit Februar 2025 die Verwendung der arabischen Sprache und kultureller Symbole bei Demos eingeschränkt.“
Und noch etwas betonte der Menschenrechtskommissar des Europarats:
„O'Flaherty warnte zudem vor dem Missbrauch der Antisemitismus-Definition, ‚um Meinungsfreiheit und legitime Kritik zu unterdrücken, einschließlich solche am Staat Israel‘. Einschränkungen politischer Debatten dürften laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte nur in engen Grenzen erfolgen.“
Letzteres ging im Schneideraum der Tagesschau „verloren“, für alles andere hatte man ein paar Sätze übrig.
Umso ausführlicher kam der Pressesprecher der Bundesregierung zu Wort, um klarzustellen, dass sie sich nicht von einer gänzlich unbewaffneten EU-Menschenrechtskommission beeindrucken lässt. Man verfolge unbeirrt Gewalt … so ähnlich wie die Atomwaffen, die Iran gar nicht besitzt.
Wenn Komiker nicht mehr witzig sein können und wollen
Viele, gerade die etwas Älteren kennen Dieter Hallervorden als gern gesehenen Witzbold in deutschen TV-Programmen. Recht große Popularität im deutschsprachigen Raum erlangte er Mitte der 1970er Jahre mit der Slapstick-Reihe Nonstop Nonsens und seiner Figur Didi. Dann wurde er ernster, in Filmrollen zum Beispiel, dann ruhiger und jetzt wünschen sich die Laufstallmedien Dieter Hallervorden zum Teufel. Er meldet sich mit anderen zu Wort. Gegen den israelischen Vernichtungskrieg in Gaza. Seitdem hat sich der kuschelige Applaus in ein deutsches Sturmgewehr verwandelt, dass mit Antisemitismus-Vorwürfen auf Hallervorden ballert.
Er und etwa zwanzig andere antworten nun mit einer gemeinsamen Strafanzeige gegen den Bundeskanzler Friedrich Merz. Unmittelbarer Anlass sind Merz Aussage, dass Israel im Angriffskrieg gegen den Iran „die Drecksarbeit macht für uns alle“: Die Berliner Zeitung vom 20. Juni 2025 zitiert daraus:
„So begründe das Strafgesetzbuch in Paragraf 80a das ‚Aufstacheln zu einem Angriffskrieg‘ mit ‚gesteigerten, auf die Gefühle des Adressaten gemünzten propagandistischen Anreizen‘, heißt es. ‚Das dürfte — sowohl in Bezug auf die deutsche Öffentlichkeit als auch die leidende Bevölkerung im Iran, im Libanon und in Gaza — insbesondere bei einem Bundeskanzler in hervorgehobener Wirkung — gesehen werden.“ Durch den Zusatz „für uns alle“ bei der sogenannten Drecksarbeit sei „der Verstoß auch in enger juristischer Auslegung gegeben“.