Die amerikanischen Pipeline-Sprenger

Der Investigativ-Journalist Seymour Hersh zündet eine Nachrichtenbombe, indem er ausführt, wie die USA Nord Stream 2 zerstört haben.

Seymour Hersh ist eine Legende. In der seit dem Mauerfall darniederliegenden Welt des obrigkeitskritischen Journalismus ist er zweifellos DER Vorzeige-Investigative. Gerade bei der Ausleuchtung schmutziger Kriege und verdeckter Operationen der US-Geheimdienste konnte man sich stets auf „Sy“ verlassen. 1969 klärte er während des Vietnamkriegs die Kriegsverbrechen der US-Armee im Massaker von Mỹ Lai auf, war 1972/73 führend an der Ausleuchtung des Watergate-Skandals beteiligt, enthüllte gleichzeitig die geheim gehaltene Bombardierung Kambodschas und die Beteiligung der CIA am Militärputsch in Chile sowie deren geheime Bespitzelungsprogramme innerhalb der Vereinigten Staaten. Die sich bis zur Jetztzeit fortsetzende Aufdeckungsliste ist zu lang, als dass man ihr in einem Artikel wie diesem auch nur stichpunktweise gerecht werden könnte. Seine jüngste Detektivleistung präsentierte der Altmeister vor wenigen Stunden. Sie trägt den Titel: „Wie Amerika die Nord-Stream-Pipeline aus dem Verkehr zog. Die New York Times nennt es ein ‚Rätsel‘. Fakt ist, dass die Vereinigten Staaten eine verdeckte Aktion zur See durchführten, die geheim gehalten werden konnte — bis jetzt.“ Der nachfolgend verlinkte Text lässt an Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig. Hersh wäre nicht Hersh, wenn er nicht in die Einzelheiten ginge, um seine Beweisführung schlüssig zu machen. Somit haben wir hier den am tiefsten in die Schuldfrage einsteigenden Beitrag zum Thema.

Er kommt nur vier Tage nachdem der Berliner Kurier mit Verweis auf Generalbundesanwalt Peter Frank schlagzeilte: „Deutsche Ermittler zu gesprengten Ostsee-Pipelines: Die Russen waren es nicht!“ Nathan J. Robinson, bis 2021 politischer Kolumnist für den Guardian und Chefredakteur des linksliberalen Magazins Current Affairs, kommentiert auf Twitter Hershs Großartikel wie folgt:

„Wenn sich Seymour Hershs Report bestätigt, wonach die USA die Nord-Stream-Pipeline gesprengt haben, dann ist das ein einschneidender Akt von internationalem Terrorismus — und das würde auch genau so benannt werden, wenn ‚die Russen‘ etwas Vergleichbares mit uns angestellt hätten.

Seine Ausführungen gehen sehr ins Einzelne, bis dahin, wie die Operation durchgeführt wurde. Die USA dementieren den Bericht hartnäckig. Ich hoffe, dass die großen Blätter jetzt zur Findung der Wahrheit zu jener Art investigativer Arbeit gezwungen sind, derer sie sich in auffallender Manier bislang verweigerten.

Hersh reüssiert souverän und detailgenau — er ist eine Legende auf diesem Gebiet.

Wer auch immer jetzt ‚Verschwörungstheorie‘ ruft, enthüllt damit seine Unkenntnis in Sachen amerikanischer Geschichte. Auf der internationalen Landkarte gehörten verdeckte Terroraktionen von Anfang an, seit ihrer Gründung, ins bevollmächtigte Portfolio der CIA. Eine weitere Konstante war und ist, über derartige Operationen anschließend zu lügen.

Dass Hershs Report die Wahrheit abbildet, ist noch nicht abschließend gesichert. Es wäre aber absolut plausibel, denn ein Staat, der für sich das Recht reklamiert, zur Beförderung seiner Interessen Regierungen zu stürzen, würde sicher nicht zweimal darüber nachdenken, eine ihm im Weg stehende Pipeline in die Luft zu jagen.“


Quellen und Anmerkungen:

https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream