Die Anti-Umwelt-Demagogie

Auch die alternativen Medien versagen in der Umwelt-Debatte.

Nachdem ich letzte Woche kurz angedeutet hatte, warum wir nicht weniger, sondern mehr Aktivisten vom Kaliber Greta Thunberg nötig haben – „Wir brauchen zwei, drei, viele Zopfgretels“ (1) – suchte mich ein Sturm der Entrüstung heim. Weil ich in dieser Beziehung aber einiges gewöhnt bin, nahm ich den Shitstorm – der KenFM-Podcast auf YouTube (2) zählte nach 24 Stunden schon 1.000 Kommentare – nicht wirklich übel, sondern eher als Zeichen, dass es bei diesem Thema mittlerweile knistert wie in einem Glaubenskrieg.

Passend dazu schickte mir mein klimaskeptischer Freund S. dann auch den Link zu einem Artikel mit dem Titel „Gerichtsurteil stürzt CO2-Papst vom Thron“ zu und merkte dazu an: „Deine ,Fakten‘ zum Klima sind nicht einmal gerichtsfest!“

In dem Artikel wird behauptet, ein kanadisches Gericht hätte die Daten des berühmten Hockeyschläger-Diagramms zur Erderwärmung des Klimatologen Michael Mann überprüft und verworfen.

Tatsächlich ging es bei diesem Verfahren gar nicht um die Daten, sondern um eine Beleidigungsklage, die Dr. Mann vor acht Jahren gegen den emeritierten Geographieprofessor Dr. Ball angestrengt hatte, weil dieser ihm in einem Interview Betrug unterstellt hatte.

Jetzt hatte Ball beim Gericht ein Gnadenersuch eingereicht – aus Gründen seines hohen Alters (80), schlechter Gesundheit (Herzinfarkt) sowie wegen der ohnehin geringen Glaubwürdigkeit, die seine Äußerungen in der wissenschaftlichen Community hätten.

Diesem Ersuchen hat das Gericht stattgegeben, eine schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. Sicher aber ist, dass es bei diesem Rechtsstreit gar nicht um den „Hockeyschläger“ geht, denn die zugrunde liegenden Daten – die seit langer Zeit öffentlich vorliegen – hat das Gericht gar nicht untersucht.

Michael Manns Anwalt schreibt dazu:

„Der BC Supreme Court hat keinerlei Befund dazu gemacht, weder direkt noch indirekt, dass versäumt wurde die Daten vorzuweisen. Die Entscheidung vom 22. August sagt zu dieser Sache nichts. Balls Antrag auf Beendigung des Verfahrens bezog sich hauptsächlich auf seinen angeblichen Gesundheitszustand (...) (sowie) auf das Argument, dass seine Anschuldigungen deine Reputation nicht beschädigt hätten.“

Letzteres trifft auf jeden Fall zu, denn die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit dieses Dr. Timothy Ball ist mehr als bescheiden: In einem Gerichtsverfahren 2018, das der Klimaforscher Andrew Weaver gegen seine Behauptungen angestrengt hatte, befand das Gericht, dass der „Skeptiker“ Dr. Ball trotz seines Doktortitels nicht ernst zu nehmen sei.

Ball zählt zu den sogenannten Kreationisten, die die Evolutionstheorie ablehnen, und saß im Vorstand des pseudo-wissenschaftlichen Think Tanks „Friends of Science“, der ... oops ... von der Öl-Industrie gesponsort wurde.

Dass es IMMER DIESELBEN sind - Big Oil - die hinter der „Klimaskepsis“ auftauchen, ist kein Wunder, sie fördern die Verbreitung der „Skepsis“ von Beginn an. Obwohl – beziehungsweise: weil – eine Studie von Exxon Mobile schon 1983 dieselbe Erderwärmung prognostizierte, wie sie 15 Jahre später das Hockey-Stick-Diagramm von Mann et. al. ermittelte und wie sie seitdem dutzendfach bestätigt wurde.

Das jetzige Gerichtsurteil stürzt also keineswegs einen „CO2-Papst vom Thron“, der Angeklagte Tim Ball hat das Verfahren weder „gewonnen“, noch wurde der „Hockey-Schläger“ vom Gericht für falsch oder ungültig erklärt, denn das Gericht hat sich mit dieser Frage überhaupt nicht befasst. Auch die Behauptung, dass Michael Mann nun die Anwaltskosten von Ball bezahlen muss, ist falsch.

Dass zu diesem Urteil nun ein linker Ex-Stasi-Mann wie Rainer Rupp auf KenFM dieselben triumphalistischen Fake News verbreitet wie die rechte „Achse des Guten“ und diese merkwürdige Querfront einen wissenschaftlichen Quacksalber als großen Sieger feiert, wirft ein bezeichnendes Licht darauf, wie stark die Debatte um die Erderwärmung aus dem Ruder gelaufen und zu einem Glaubenskrieg geworden ist.

Dass die Debatte um die Erderwärmung und wie man ihr am besten begegnen sollte, zu einem seltsamen Religionskrieg entartet ist, hat meines Erachtens damit zu tun, dass es ohne ein „Reset“, ohne eine revolutionäre Umwälzung einfach nicht geht, und eh man sich das vorstellt – und kognitive Dissonanz droht – hält man sich lieber an windige Fake News.

Und so kommt es dann zu diesen merkwürdigen „Skeptiker“-Querfronten, die einen eingestellten Beleidigungsprozess als Papst-Sturz und Offenbarung hochjubeln wie Katholiken eine leibhaftige Marienerscheinung.

Wobei letztere zumindest so ehrlich sind und sagen, dass man halt dran glauben muss, die „Skeptiker“ aber basteln aus Fake News „Fakten“ zusammen und wollen damit die „Päpste“ der „Klimakirche“ stürzen.

Ganz im Sinne der Erfinder der „Skepsis“, die einst der Bush-Regierung empfahlen, statt von „Erderwärmung“ oder „Treibhauseffekt“ nur noch von „Klimawandel“ zu sprechen:

„Die wissenschaftliche Debatte ist dabei, uns jeden Ausweg zu versperren (…). Wenn die Öffentlichkeit zu der Überzeugung gelangt, dass die wissenschaftlichen Probleme gelöst sind, wird sich auch ihre Einstellung gegenüber der globalen Erderwärmung ändern. Infolgedessen müssen Sie weiterhin das Fehlen wissenschaftlicher Gewissheit zum zentralen Argument machen.“

Diese Strategie funktioniert offensichtlich immer noch und es reicht völlig, einfach nur immer wieder Zweifel zu säen - Lösungen für die offensichtlichen Umwelt-und Klimaprobleme, Alternativen zum „Weiter so“ braucht es nicht, sie sind für die Förderer und Sponsoren der Skepsis unerwünscht, weil geschäftsschädigend.

Worum geht es?

Es geht um Öl, Gas, Kohle, Kahlschlag, Massentierhaltung, Bodenzerstörung, Meeresverseuchung, Artenvernichtung, es geht um das Verheizen und Vergiften des Planeten.

„CO2“ ist nur ein Aspekt des Ganzen. Weshalb ich außer der mit Hass und Häme überschütteten Greta noch viel mehr aktivistische „Zopfgretels“ gewünscht habe, die Aufmerksamkeit erzeugen.

Nicht nur für CO2, schon gar nicht für die Banker, die daraus Finanzprodukte, Emmissionszertifikate und Börsengewinne generieren wollen, sondern für all die anderen Aspekte menschengemachter Zerstörung.

Es geht nicht um „Klimawandel“, den gab es schon immer und den wird es immer geben, es geht auch nicht um „Klimaschutz“, denn wer sind wir Menschen, dass wir dieses sich ewig wandelnde Wesen „schützen“ könnten?

Wir können nur dafür sorgen, dass die Akteure, die dieses Klima seit Jahrmillionen Tag für Tag herstellen – die Bakterien, Pilze, Pflanzen und Tiere – weitermachen können, statt sie zu vergiften und zu vernichten.

Mit einer Ideologie des ewigen Wachstums, wie sie dem Kapitalismus und seinem Geldsystem eingeboren sind, wird ein solcher kooperativer Umgang mit dem Leben dieses Planeten und damit dem Klima aber schlechterdings unmöglich sein. Wer von Ökologie spricht, kann vom Kapitalismus nicht schweigen.

Das werden, so meine Hoffnung, auch die „Fridays for Future“-Kids checken, wenn sie weiter nachdenken und nicht in die „Klimafalle“ tappen und sich nur um CO2 kümmern. Denn das kann nur Mittel zum Zweck sein.

Das eigentliche Ziel – den Planeten friedlich bewohnbar zu halten – kann nur erreicht werden, wenn der kapitalistische Zwang zu ewigem Wachstum überwunden wird und damit auch der permanente Krieg um immer knapper werdende Ressourcen.

Ohne dieses „Reset“ bleibt auch eingespartes CO2 nur heiße Luft.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.rubikon.news/artikel/wir-brauchen-mehr-zopfgretels
(2) https://www.youtube.com/watch?v=ml-WI-clRh0