Die erpresste Nation
Der zweite Teil von Whitney Webbs umfangreichem Werk ist nun auch auf Deutsch verfügbar.
Die Welt, wie sie ist, wirkt, als würde sie von einem Verbrecherkartell regiert, und genau das ist der Fall. In ihrem zweiteiligen Werk „A Nation Under Blackmail“ legt die US-amerikanische Journalistin Whitney Webb das umfangreiche Netzwerk des organisierten Verbrechens offen, das die USA und über diese faktisch die Welt regiert. Diese Betrachtung führt uns zurück zum Anfang des 20. Jahrhunderts und in die kriminellen Milieus der USA. Von dort aus zeichnet Webb eine Linie bis heute. Dabei spielt die Erpressung von Politikern, Unternehmern und anderen einflussreichen Persönlichkeiten eine Rolle, für die Jeffrey Epstein beispielhaft steht. In dem nun auf Deutsch erschienenen zweiten Teil mit dem Titel „Eine Nation unter Erpressung — Teil 2“ wird die Linie des ersten Teils fortgesetzt.
Im zweiten Teil von „Eine Nation unter Erpressung“ führt uns Whitney Webb zunächst in die Geschichte von Jeffrey Epstein, jenem 2018 auf mysteriöse Art und Weise gestorbenen Finanzberater und Organisator eines Kinderhandels- und Missbrauchsrings, der ohne formelle Qualifikation vom Mathelehrer zum Finanzberater bei Bear Stearns wurde, später sogar Vorstandsvorsitzender. Diesen Posten musste er allerdings aus unerfindlichen Gründen — Whitney Webb vermutet Ermittlungen wegen Insiderhandels — später verlassen. Schon zu Beginn seiner Karriere stand er im Ruch, sich gerne mit jungen Frauen zu umgeben und zu versuchen, sich ihnen anzunähern, selbst den Schülerinnen, die er unterrichtete. Whitney Webb zegt minutiös auf, wie Epstein sein weit verzweigtes Netzwerk Stück für Stück aufbauen und sich in eine vorteilhafte Position bringen konnte.
Über seine Finanz- und Waffengeschäfte kam er in Verbindung mit Adnan Kashoggi, einem saudischen Waffenhändler mit Kontakten zum saudischen Geheimdienst, der ihn möglicherweise auf die Idee eines Sexhandels- und Erpressungsgeschäfts brachte. Mit ihm verbinden ihn auch seine Verwicklungen in die Iran-Contra-Affäre. Er lernte Robert Maxwell kennen, der für mindestens einen Geheimdienst gearbeitet hat und der Vater von Epsteins späterer rechter Hand, Ghislaine Maxwell, war. Über Leslie Wexner und die Familie Gouletas stieg Epstein ins Immobiliengeschäft ein, was ihm Zugriff auf diverse Wohnungen und Häuser verschaffte, in denen er Minderjährige aus allen Teilen der Welt unterbrachte und die er zum Teil für die Aufzeichnungen seines Erpressermaterials nutzte.
Über seine Immobiliengeschäfte bekam Epstein auch enge Verbindungen zu Donald Trump, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. Auch zur Familie Musk soll er Kontakte gehabt haben und zeitweise sogar Berater von Tesla gewesen sein. Sein Netzwerk erstreckte sich über Geheimdienste, das organisierte Verbrechen, Immobilien- und Finanzkonzerne bis hin in das britische Königshaus.
Auch pflegte er Beziehungen zu Institutionen des US-amerikanischen Staats, war Mitglied im Council on Foreign Relations und mietete zeitweise eine Wohnung im Besitz des US-amerikanischen Außenministeriums.
Tief eingebunden war er auch in die Netzwerke des Großunternehmers Leslie Wexner. Dieser hatte durch seine L Brands Corporation ein großes Vermögen gemacht und schnell in politischen Einfluss verwandelt. Über Unternehmensnetzwerke und seine Stiftungen förderte er unter dem Deckmantel der „Philanthropie“ politische Ideologien. Allem voran verschrieb er sich der Unterstützung des Staates Israel sowie der Förderung des Zionismus in den USA. So brachte er über eigens ins Leben gerufene Bildungsprogramme an der Harvard-Universität insbesondere jüdische und zionistische Persönlichkeiten zusammen und schwor sie auf eine gemeinsame Ideologie ein.
Er rechtfertigte diese gezielte Förderung damit, dass die Juden mehr „Führung“ benötigten. Durch seinen Einfluss gelangten viele Israelis und Zionisten in bedeutende öffentliche und privatwirtschaftliche Positionen nicht nur in Israel. So steht ein großer Teil der US-amerikanischen, zionistischen Lobbyorganisation AIPAC in enger Verbindung mit Leslie Wexner. Sein Förderprogramm wurde später mit dem „Young Global Leaders“-Programm des Weltwirtschaftsforums (WEF) zusammengelegt. Doch seine Verbindungen reichen auch weit in das organisierte Verbrechen, in den Handel mit Drogen, Menschen und Waffen hinein.
Ghislaine Maxwell, die später die engste Vertraute Epsteins wurde, war stark von ihrem Vater Robert Maxwell geprägt. Dieser Medienunternehmer und Geheimdienstmitarbeiter wurde von der Motivation geleitet, eine Familiendynastie aufzubauen, und brachte seine Tochter bewusst mit bedeutenden, einflussreichen Menschen in den USA in Verbindung in der Hoffnung, sie in eine der großen Familien verheiraten zu können. So hatte Ghislaine zeitweise enge Verbindungen zur Kennedyfamilie; aus einer Heirat mit einem Kennedy wurde jedoch nichts. Maxwell hatte Ghislaine ursprünglich aus Großbritannien in die USA geschickt, da sie dort seine „Statthalterin“ werden sollte. Beauftragt durch die Familie Rothschild, die ihre politische und ökonomische Macht in den USA auszubauen anstrebte, übernahm Maxwell dort einen großen Verlag.
Nach seinem Tod führten Ghislaine und ihre Geschwister seine unzähligen verschachtelten und illegalen Geschäfte fort. Ghislaine wurde zu einer Internet-Unternehmerin, die eng mit großen Konzernen wie Microsoft zusammenarbeitete. Kurz nach dem Tod ihres Vaters begann sie zudem, für Jeffrey Epstein zu arbeiten, und baute mit ihm zusammen einen Ring für sexuelle Erpressung von einflussreichen Persönlichkeiten auf.
Webb beschreibt ausführlich, wie Epstein und Maxwell über Modelagenturen und Leslie Wexners Unterwäschemarke Victorias Secret junge Mädchen, meist aus armen Verhältnissen, anwarben und sie mit dem Versprechen einer Karriere als Model mit reichen Männern zusammenbrachten, denen sie dann zu Diensten sein mussten. Auf ähnliche Weise warb Maxwell auch junge Künstlerinnen insbesondere auf Veranstaltungen im Auktionshaus Sothebys an, denen sie eine Förderung ihrer Karriere versprach. Dabei spielte Maxwell die gute, interessierte und besorgte Freundin der jungen Mädchen und brachte sie mit der Aussicht auf Förderung mit Epstein zusammen, der sie missbrauchte und auch an andere weitergab. Dieser Sexhandelsring beschränkte sich dabei nicht auf die US-Elite, sondern Epstein belieferte auch die Eliten anderer Länder, so etwa den Sultan von Brunei, mit Mädchen für ausschweifende Partys.
Bei beinahe allen Begegnungen der jungen Mädchen mit anderen Männern fertigte Epstein dabei Videomaterial an, um sicherzustellen, dass er für die Zukunft Material zur Erpressung zur Verfügung hatte. Auf diese Weise sicherte sich das Netzwerk um Epstein großen Einfluss auf die Politik und die Wirtschaft.
In diesem Netzwerk spielten auch zwei Fluggesellschaften eine Rolle, die enge Verbindungen zur CIA hatten und in die Iran-Contra-Affäre verwickelt waren. Sie nutzten dafür einen Flughafen, der in der Nähe von Wexners Firmensitz angesiedelt war und starteten von dort aus Flüge nach Südamerika. Der Verdacht liegt nahe, dass über diese Route junge Mädchen aus anderen Ländern in die USA „importiert“ und dem Netzwerk Epsteins zugeführt wurden.
Gegenüber ihren Mitverschwörern äußerte sich insbesondere Maxwell ganz offen, dass sie die jungen Mädchen für „wertlos“ hielt. Die versprochene Förderung durch Epstein kam daher auch nur den wenigsten zuteil. Intern unterschieden Maxwell und Epstein zwei Klassen von Mädchen: Die einen waren für sie reine Ware, die sie in ihrem Handelsring an andere Männer vermieteten; die anderen, nur einige wenige, lohnten das Investment der Förderung. Diese wurden aufgebaut, um Ehefrauen und Geliebte wohlhabender und einflussreicher Männer zu werden.
Epstein hatte auch gute Verbindungen zur „Philanthropie“ der Clintons, deren Stiftung er aufzubauen half. Er begleitete Bill Clinton auf Auslandsreisen und war während dessen Amtszeit unzählige Male Gast im Weißen Haus. Doch ihre Zusammenarbeit vertiefte sich erst nach Clintons Amtszeit als US-Präsident, als die Clinton-Stiftung in Afrika und Asien aktiv wurde, um sich dort vorgeblich für die Förderung der Gesundheit einzusetzen. Denn, so äußerte es ein Vertrauter der Clintons, Afrika sei ein gutes Labor für Experimente.
Wenn von internationaler Gesundheitsförderung die Rede ist, dann ist auch Bill Gates nicht weit. Und tatsächlich gibt es auch hier Verflechtungen: Nicht nur hatte Epstein über die Familie Maxwell enge Verbindungen zum Microsoft-Netzwerk (MSN), sondern auch direkten Kontakt zu Bill Gates und seiner „philantropischen“ Stiftung.
Diese Philanthropie, die manche als „Philanthropie 2.0“ bezeichnen, erfüllt dabei keinen anderen Zweck, als Investments für politische Einflussnahme und zukünftige Profite zu tätigen, ohne dabei allzu viele Steuern zahlen zu müssen. Das ist der Grund, aus dem die Clintons, aber auch Bill Gates, sich für diesen Weg entschieden hatten. Gates benötigte von Epstein allerdings nicht nur Unterstützung zum Aufbau seines Imperiums, sondern war auch persönlich eng mit ihm verbunden und mehrfach in seinem Privatjet sowie auf seiner Insel zu Gast. Das mag der Grund sein, aus dem sich seine Frau Melinda schließlich von ihm getrennt hat.
Whitney Webb zeichnet in ihren beiden Büchern detailliert das Netzwerk nach, das die USA und über diese große Teile der Welt auf kriminelle Art und Weise beherrscht. Hier war Epstein zwar eine wichtige Figur, jedoch nur eine von vielen. Die Verbindungen reichen aus der Unterwelt bis zu den großen Namen wie Rockefeller, Rothschild, Bush, Clinton, Trump und Bill Gates. Die Kontakte laufen dabei oft über Konzerne, Anwaltskanzleien und nur vermeintlich gemeinnützige Stiftungen von Mogulen wie Leslie Wexner, den Clintons oder Bill Gates.
Webb führt in ihrem Buch so viele Namen und Verwicklungen auf, dass es schwer fällt, den Überblick zu behalten. Hinter jedem Fakt lauert der Abgrund zahlreicher Details und Verwicklungen, die bis ins Letzte nachzuzeichnen und nachzuvollziehen unmöglich ist. Whitney Webb liefert hier einen tiefgehenden, aber sicherlich nicht erschöpfenden Einblick. Was bleibt, ist der Eindruck, einem gigantischen Apparat aus Geheimdiensten, staatlichen Stellen, privaten Investoren und Mafia gegenüberzustehen, welche die Geschicke der Welt bestimmen und diese entlang ihrer eigenen, finanziellen Interessen ausrichten. Webb entzaubert dabei das Märchen von Demokratie und Rechtsstaat und offenbart, dass auf dieser Welt tatsächlich nichts so ist, wie die meisten Menschen glauben.
Die Entzauberung der Wirklichkeit ist damit die eigentliche Leistung Webbs.
Die beiden Bücher zu lesen lohnt daher auf jeden Fall. Wer verstehen will, welche Interessen, Gruppen und Einzelpersonen die Geschicke der USA, aber auch der Welt lenken, der kommt an Whitney Webb nicht vorbei. Die Lektüre der beiden Bücher hilft, die Wirklichkeit, in der wir uns tatsächlich befinden, zu verstehen.
Hier können Sie das Buch bestellen: „Eine Nation unter Erpressung - Blackmail Band 2: Jeffrey Epstein, die Geheimdienste und das organisierte Verbrechen. Bd 2. Erstmals auf Deutsch! “
