Die Fassadenrenovierung

Mit einer realitätsfernen Großkampagne versucht die EU notdürftig, ihren immer weiter bröckelnden Rückhalt in der Bevölkerung abzufedern.

Die Europäische Union fühlt sich momentan ihrem aufklärerischen Auftrag und ihrer stolzen Tradition verpflichtet und veranstaltet eine wundersame, informative Kampagne zu den europäischen Werten. Es ist eine grandiose Vision für den noch taumelnden, aber künftig neu zu gestaltenden Kontinent. Dies alles unter dem Slogan „You are EU“. Grafisch ist dies teilweise in den gelb-blauen Farben eines Nicht-EU-Landes gestaltet, worauf in der Kampagne explizit Bezug genommen wird. Gewarnt wird vor dem unmöglichen Nachbarn, sprich Russland. Die schönen, sanft-eindringlichen, diversen und allesamt inklusiven Plakate sind auch in Wien zu genießen.

Auf ausgewählten Litfass-Säulen sowie in ausgewählten Bushaltestellen (und wenn man die provokanten Belanglosigkeiten übersehen haben sollte, siehe hier), gehen sie teilweise in Konkurrenz mit Informationsmaterial, was wohl mit der ehemaligen Partei SPÖ zu tun hat. Man hat spät, aber richtig, erkannt, dass es den EU-Bürgern einfach an Aufgeklärtheit fehlt, dass die Zustimmung zum großen Projekt hier und da ernsthaft bröckelt und setzt endlich dagegen. Im Ernst: Wer nimmt von solchen Dingern Notiz? Entfalten sie langfristig und unterschwellig eine Wirkung?

Wir lernen viel über Energie und Energieversorgung („Energie, Sicherheit und erneuerbare Energien“, „Freiheit, Frieden, Energieunabhängigkeit“, „Menschenrechte, Solidarität, saubere Energie“), wo man doch dachte, dass der demokratisch durchgesetzte Umstieg auf teures und umweltschädliches LNG, der Abschied vom Verbrennungsmotor und die Energiewende längst Realitäten wären.

Wir lernen über Umwelt, nee, zu altmodisch, besser gesagt Klima („Demokratie, Vielfalt, Klimaschutz“), über Menschenrechte, die ja in den letzten drei Jahren besonders hochgehalten wurden durch flächendeckende Behandlungszwang und -Nötigung, über Freiheit, verteidigt durch Lockdowns und Shutups, und über Frieden, den man am besten absichert mit gemeinsamen Munitions- und Waffenlieferungen an ein Nicht-EU-Land am Rande von Europa, in engster Abstimmung mit der anderen friedenssichernden Organisation in Europa, allen voran die Kommissionspräsidentin selber, die niemand in Europa gewählt hat und sich wohl nur die wenigsten ernsthaft wünschen.

Ungefragt, und ohne greifbare Inhalte, wen kümmert’s, werden „wir“ von „wir“, solidarisch, zu unserem Besten informiert und umsorgt. Es sind schwierige Zustände, auch für die offensichtlich sich selber auflösende Union. Ach, Europa …


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Die Aufklärung“ bei Kein Zustand.