Die Geburt des Menschen

Im Rubikon-Mutmach-Gespräch erläutern der Philosoph Matthias Burchardt und die Geburtshelferin Raica Vermeegen, wie der Hebammen-Beruf ausgehöhlt wird und dass eine Rückbesinnung auf eine liebevolle Geburt für den Frieden essenziell ist.

Der erste Eindruck zählt. Wenig einladend ist dieser erste Eindruck für viele Säuglinge, wenn sie das Licht der Welt erblicken. Aus der warmen Behaglichkeit des Mutterleibs werden die Neugeborenen in die Welt hinausgedrückt. Diese bietet sich dem frisch geborenen Wesen in jeder Klinik als eine kalte Neonlicht-Hölle dar. Überall hektische, gestresste Menschen, nervös piepende Geräte und auf dem Bett eine Mutter, die nicht so recht weiß, wie ihr geschieht. In der modernen Gesellschaft wurde der Geburtsprozess — ein an sich hoch spirituelles, in seiner Schönheit kaum vergleichbares Geschehnis — in die kalte Logik eines industriellen Prozesses überführt. Säuglinge werden am Fließband so achtlos aus den Mütterleibern gepresst wie das Fleisch aus einer Leberwursthülle. Warme Emotionen sucht man auf Geburtsstationen vergebens. Dass eine Geburt nicht nur gänzlich liebevoll verlaufen kann, sondern dies im Interesse einer friedvollen Zukunft auch muss, erläutern im neuen Mutmach-Gespräch die Hebamme Raica Vermeegen und der Philosoph Matthias Burchardt.

Es beginnt schon mit einem Kategorienfehler — dass Mütter ihre Kinder in einem Krankenhaus zur Welt bringen, in dem sonst nur Kranke „versorgt“ werden, ist mittlerweile der Regelfall. Auch Kaiserschnitte — die früher lediglich die Ultima Ratio bei Komplikationen darstellten — kommen dort ob ihrer krankenhausökonomischen Effizienz immer häufiger zum Einsatz. Mit fatalen Folgen für Mutter und Kind.

Während in der westlichen Zivilisation die Geburt immer weiter pathologisiert und industrialisiert wird, gerät eine Berufsgruppe immer mehr ins Hintertreffen: die Hebammen. Deren Berufsverständnis steht der kalten, effizienten und messbaren Geburtsmedizin diametral gegenüber. Nicht erst seit den Auswüchsen der „neuen Normalität“ mit ihrer pervertierten Gesundheitslogik sind die Hebammen der Macht ein Dorn im Auge. Ihre Praxis wird von der modernen Medizin, da nicht eindeutig messbar und wissenschaftlich vollumfänglich greifbar, als parawissenschaftlich verunglimpft und verschmäht. Die Missbilligung dieses Berufsstandes reicht aber sogar bis in das Altertum zurück, wie Matthias Burchardt ausführt.

Daran zeigt sich exemplarisch, wie sehr das Thema Geburt — anders als es auf den ersten Blick anmutet — hochgradig politisch ist. Doch schließlich werden da, wo Menschen zur Welt kommen, die Grundsteine für die Welt von morgen gelegt. Da macht es einen — im Wortsinn — gewaltigen Unterschied, ob der Geburtsort ein OP-Saal oder ein behaglicher, warmer Platz ist. Das sind elementare Faktoren, die darüber entscheiden, ob ein Kind mit Liebe oder mit Angst in der Welt empfangen wird und wie dieses Kind im weiteren Verlauf seines Lebens eben diese Welt wahrnehmen und gestalten wird.


Friederike de Bruin im Gespräch mit Matthias Burchardt und Raica Vermeegen