Die große Entwurzelung

Viele Menschen sind orientierungslos, weil es ihnen an längerfristigen Grundüberzeugungen und dem Gefühl der Zugehörigkeit fehlt.

Die Orientierungslosigkeit der Menschen macht sie beherrsch- und steuerbar. Die Pseudopandemie, der angeblich menschengemachte Klimawandel, die Russophobie und der Gender-Irrsinn bestätigen das jeden Tag aufs Neue. Orientierungslose Massen lassen sich durch Ideologien und Medienpropaganda in jede beliebige Richtung bewegen und sind daher genau das, was sich Herrschende wünschen. Ein Grund für die Orientierungslosigkeit ist die Entwurzelung der Menschen, die schon seit Jahrhunderten stattfindet.

Wenn man sich die Menschen in Deutschland so anschaut, kann man feststellen, dass sich viele von einem Trend zum nächsten treiben lassen, Politikern und ihren Ideen folgen oder die von den Medien verkündeten Weltanschauungen ziemlich schnell als ihre eigenen übernehmen. Wie kleine Kinder folgen sie den Anweisungen des Staates, die zu hinterfragen für sie Ketzerei gleichkommt. Geschicktes Marketing macht ihnen jeden neuen Trend schmackhaft, dem sie dann folgen, ohne näher darüber nachzudenken. Ob Urlaub im neuesten Trendland, Kreuzfahrten, Netflix-Serien, eine bestimmte Musikrichtung – die Massenmedien formen die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen und liefern gleich die passende Erfüllung mit.

So war auch die Coronapolitik ein Trend, der mit ganz gewöhnlichen Marketing-Strategien verkauft wurde und dem die Menschen zu einem großen Teil hinterhergelaufen sind. Sie haben sich die Maßnahmen, obwohl offenkundig sinnbefreit und gesundheitsschädlich, als neues, identitätsstiftendes Merkmal verkaufen lassen. Der Impfstatus machte plötzlich den eigenen, individuellen Wert aus. Denn das ist es, worum es geht: um eine Suche nach Identität. Der Mensch als soziales Wesen braucht Zugehörigkeit, aber auch ein Verständnis von sich selbst. Beides konnten die Coronamaßnahmen stiften. Plötzlich wusste man, wer man war: Man war Geimpfter, und damit gehörte man eben auch der Gruppe der Geimpften an.

Dieses Zusammenspiel aus Identität und Zugehörigkeit macht das menschliche Leben aus, und schon immer ist der Mensch auf der Suche nach Halt gebenden Identitäten und Gemeinschaften.

Lange Zeit war die Religion dieses Merkmal. Die Menschen sahen sich als Angehörige der einen oder anderen Konfession und fanden darin ihre Zugehörigkeit. Damit war klar: „Ich bin Katholik und gehöre zu den Katholiken.“ Oder: „Ich bin Protestant und gehöre zu den Protestanten.“ Diese Zugehörigkeit war notwendig, weil sie eine Kontinuität stiftete — auch in Zeiten großer Umbrüche wie beispielsweise der Landflucht oder der Industrialisierung. Doch die Bedeutung der Religion nimmt schon seit Beginn der Aufklärung kontinuierlich ab, und neue Identitäten mussten her. Nach den Umwegen über „Klasse“ und „Nation“, die sich beide in ihren Extremen als fatal erwiesen haben, erleben sich viele Menschen heute ohne eine größere, sinnstiftende Erzählung der eigenen Identität und Zugehörigkeit.

Damit geht Orientierungslosigkeit einher, in welcher sie nach Zugehörigkeit und Identität suchen. Sie finden sie in immer kleineren Subkulturen, in Randgruppen, in denen sich ebenso orientierungslose Menschen sammeln und sich gemeinsam eine neue Identität vermitteln. Diese Subkulturen können sich an beliebigen Faktoren orientieren und haben ihren Ursprung oft im Konsum. Die Gothic-, Punk-, Metal-, oder Hip-Hop-Szene sind solche identitätsstiftenden Gruppen, die sich am Musikgeschmack orientieren und ihrerseits in Tausende Untergruppen zerfallen.

Eine andere Orientierung bieten politische Richtungen. Ob „rechts“ oder „links“ — beide Richtungen haben eine identitätsstiftende Funktion, wahlweise als Nationalist oder vermeintlicher Angehöriger einer überlegenen Rasse, oder eben als sogenannter Antifaschist, Kommunist, Sozialist, oder was es dort sonst noch für Bezeichnungen gibt. Auch die LGBT-Szene ist eine solche Gruppe, die Identität stiftet und Zugehörigkeit vermittelt. Hier speist sich die Identität aus einem vermeintlichen „Anderssein“, einem Gefühl, nicht akzeptiert zu werden, nicht dazuzugehören. Dabei handelt es sich in der Regel jedoch um ein Gefühl, das nicht der Wirklichkeit entspricht, aber einen Egoismus bedient, der sich darauf stützt, in irgendeiner Form „besonders“ und „einzigartig“ zu sein. In diesem Bestreben der Einzigartigkeit gerinnen all diese vermeintlichen Individuen zu einer konformen und homogenen Masse.

In all diesen Gruppen werden Identitätsprobleme verhandelt und individuell und kollektiv zu lösen versucht. Dies gelingt jedoch nicht, weshalb die Gruppen sich immer wieder zerstreiten und in neue Untergruppen zerfallen. Deshalb müssen auch immer neue Buchstaben zum LGBT hinzugefügt werden. Bei dieser Gruppe handelt es sich zudem um eine Szene, die aktuell sehr im Trend ist. Da sie politisch instrumentalisiert wird, ist sie medial und politisch sehr präsent, was den Eindruck vermittelt, es handele sich um eine echte, eine vielversprechende Identität, die dort zu finden sei. Daher wächst die Szene auch beständig, und Veranstaltungen wie der „Christopher Street Day“ arten zu Massenveranstaltungen aus.

Besonders anfällig für identitätsstiftende Strukturen sind junge Menschen, die auf ihrem Weg ins Erwachsen-Werden beinahe immer eine Identitätskrise durchmachen oder zumindest auf der Suche nach ihrer Identität sind. Das kann zu Verwirrungen und Unklarheiten führen, die sie dann auf die eine oder andere Weise zu lösen versuchen; sei es, weil sie ihre Identität in Geschlecht und Sexualität zu finden meinen, oder in der „richtigen“ politischen Anschauung. Sie schließen sich mit mehr oder weniger gleich orientierungslosen Menschen zusammen und bilden — basierend auf einer Vorstellung oder Ideologie – eine relativ geschlossene und homogene Gruppe. Diese Homogenität jedoch muss immer wieder neu hergestellt werden, was zu immer weiterer Spaltung führt.

Geschlossene Gruppen, deren Inhalte mit der eigenen Identität verknüpft sind, werden schnell ideologisch und totalitär. Denn immerhin glaubt man, die Wahrheit für sich gefunden zu haben, ist sie doch Teil der eigenen Identität geworden, und muss diese gegen Einflüsse von außen verteidigen oder missionarisch verbreiten.

Ein Angriff auf die Inhalte oder Symbole der Gruppe, Kritik an ihnen oder die schlichte Ablehnung kommt dann einem Angriff auf die eigene Person gleich, weil die Gruppe untrennbar mit der eigenen Identität verknüpft ist. Die Folgen sind oftmals Engstirnigkeit, Intoleranz und Gewalt, und das nicht nur bei jenen, die als „Neonazis“ gelten. In Intoleranz und Gewaltbereitschaft stehen die sogenannte Antifa und LGBT-Szene, zwischen denen es auch Überschneidungen gibt, den Neonazis in nichts nach.

Der einzige Unterschied ist das Ziel der Gewalt. Wenden sich Neonazis in der Regel gegen Ausländer, greifen selbsternannte Antifaschisten gerne jene an, die sie als vermeintlich „rechts“ identifiziert haben. Während man auf der einen Seite meint, Deutschland und das deutsche Volk vor Überfremdung und Vernichtung schützen zu müssen, glaubt man auf der anderen Seite, es sei unbedingt nötig, Diversität gegenüber der bösen Außenwelt zu verteidigen. Beides legitimiert Gewalt. Von daher ist es auch ziemlich gleichgültig und hängt überwiegend vom Zufall ab, in welcher Gruppe orientierungslose Menschen landen.

Dass die Identitätssuche in homogenen Gruppen zu Gewalt führt, ist aber auch in vollkommen apolitischen Bereichen zu beobachten. Ob Hooligans, die sich über ihre Fußballmannschaft identifizieren, ob religiöse Gruppen, die Gewalt gegeneinander verüben, ob in der Deutsch-Rap-Szene, in der sich verschiedene Banden bekämpfen — die Scheinlösung für die Identitätsfrage in homogenen, geschlossenen Gruppen ist einer der Auslöser für Gewalt, der — auf eine größere, staatliche Ebene übertragen — nach innen zum Totalitarismus und nach außen zum Krieg führt.

Dieses Phänomen kann man derzeit in Deutschland und Europa in Echtzeit beobachten. Hier übernimmt die Politik die Identitätskrisen und ihre Scheinlösungen, und instrumentalisiert sie zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Sei es das „Klima“, sei es „Corona“ oder der Genderwahn: Nach innen hin wird ein rigides Zwangssystem etabliert, das auf totalitäre Kontrolle hinausläuft. Nach außen hin wird ein „Wir“ konstruiert, das gegen den „bösen Russen“ die „Demokratie“ verteidigt. Eine Demokratie, von der im Inneren, in diesem besten Deutschland aller Zeiten, schon längst nichts mehr übriggeblieben ist.

Entwurzelung

Man hat den Eindruck, dass diese Orientierungslosigkeit seit einigen Jahren ins Extrem zugenommen hat. Dabei wird die Gesellschaft immer gespaltener, und der Ton öffentlicher Debatten immer schriller, ideologischer und alternativloser. Statt politischer Debatten, die auf das bestmögliche Ergebnis hinauslaufen sollen, werden alle, die von der verordneten Wahrheit abweichen, beschimpft, zensiert, verfolgt und mundtot gemacht. Statt einem „Leben und leben lassen“ soll jeder dem Zwang der Geschlechterideologie und des Gesundheitstotalitarismus unterworfen werden.

Die Identitätskrise wird auf politischer Ebene ausagiert und allen anderen Menschen gleichsam übergestülpt. Das ist eine Entwicklung, die sich katastrophal auswirken kann; sei es, weil durch „Klimamaßnahmen“ die Lebensgrundlage der Menschen zerstört wird, sei es, weil der Russland-Ukraine-Konflikt zu einem nuklearen Desaster führt. Wollen wir diese Katastrophe verhindern, müssen wir die Ursache dieser ausgelebten Krise angehen. Was ist nun also der Grund für diese Identitätskrise?

Sicherlich gibt es mehrere Gründe. Einer der Gründe könnte jedoch eine zunehmende Entwurzelung der Menschen sein. Die Menschen wachsen nicht mehr in einem Gefühl der Zugehörigkeit auf, nach der sie ihre Identität bestimmen, sondern in einem Klima ständiger Unsicherheit. Das ist eine Entwicklung, die schon vor Jahrhunderten begonnen hat.

Die Landflucht, bei der die Armut viele Menschen in die Städte zwang, hat diese vollkommen entwurzelt. Sie mussten ihre angestammte Heimat verlassen, um in den Fabriken Arbeit zu finden. Damals gab es allerdings noch recht verbreitet die Religion als Rettungsanker. Diese verlor in der Folgezeit mehr und mehr an Bedeutung, als weltliche Aspekte im westlichen Denken überwogen.

Spätestens mit dem Ersten Weltkrieg fiel dann auch die Familie als Wurzel weg. Denn Millionen von Männern starben in den Schützengräben an der Front; diejenigen, die zurückkehrten, waren schwer traumatisiert und für ihre Kinder wiederum nicht zugänglich. In der Erziehung der Kinder war die „schwarze Pädagogik“ allgegenwärtig, die Erziehungsmittel wie Gewalt, Einschüchterung und Erniedrigung verwendete.

Gefühlskalte Mütter und abwesende Väter verursachten konstante Unsicherheit und sicherlich kein Umfeld, dem man sich zugehörig fühlen konnte. Dieses boten dafür die Jugendorganisationen der Nazis, ebenso wie SA, SS und die Wehrmacht. Hier war auch eine Flucht in den Nationalismus ein wichtiger Faktor, der durch die nationalsozialistischen Gruppierungen Identität und Zugehörigkeit stiftete. Ein zweiter, zerstörerischer Krieg legte große Teile Deutschlands in Schutt und Asche und trieb Millionen von Menschen in die Flucht. Wieder verloren sie ihre lokalen Wurzeln, aber diesmal auch ihre nationalen.

Denn nun war Nationalismus in Deutschland verpönt und gilt auch heute noch als Vorstufe zum Neonazi. Das westliche Nachkriegsdeutschland baute seine Identität über die Wirtschaft auf. Wohlstand machte sich breit und schuf eine große Klasse des Mittelstandes, der relativ abgesichert leben konnte. Geld und Eigentum bieten aber keine wirkliche Identität und Zugehörigkeit und bilden als einzige bestimmende Faktoren des Lebens keine verlässliche Wurzel, zumal die Familien im Nachkriegsdeutschland zerrüttet und von Gewalt bestimmt waren. Im Nachkriegsdeutschland wiederholte sich das Drama des ersten Weltkrieges durch die vielfachen Traumata, die auch die Form von Gewalt gegenüber den eigenen Kindern zum Ausdruck kam, ebenso, wie in emotionaler oder tatsächlicher Abwesenheit. Die Praxis der Kinderverschickung, bei der Familien ihre Kinder teilweise für viele Wochen in Kuranstalten oder Jugendherbergen schickten, in denen dieselben Erziehungsmethoden herrschten, welche die Nazis propagiert hatten, führte zu schwerwiegenden Traumata für die Kinder. Alles zusammen verhindert bis heute eine Verwurzelung der Familien.

Auf die Spitze getrieben wird das Ganze von der aktuellen LGBT-Welle, die Familien vollkommen umdefinieren und selbst das Geschlecht der Beliebigkeit und dem ständigen Wandel unterwerfen will. Nachdem schon zuvor Männer unter Beschuss standen, einfach weil sie Männer sind, und damit angeblich gewalttätige Unterdrücker, wird nun auch Frauen der letzte Rückzugsraum, der letzte Ankerpunkt einer Identität genommen.

Frauen sollen nun nicht mehr Kinder bekommen und aufziehen, und wenn sie gerne Aktivitäten nachgehen, die man Frauen allgemein zuspricht, gelten sie als konservativ und überholt; wenn sie die Trans-Ideologie ablehnen, sogar als konterrevolutionär und damit menschenfeindlich. Frauen sollen jetzt auch Männer sein, die sich als Frauen verstehen, ebenso wie Männer auch Frauen sein können, die lieber Männer wären. Damit wird die Orientierungslosigkeit für die jungen Generationen in den absoluten Wahnsinn überführt, der es ermöglicht, sie noch leichter zu manipulieren und zu instrumentalisieren. Dass dies funktioniert, hat man an der hohen Bereitschaft zur Folgsamkeit bei der Corona-Inszenierung gesehen, ebenso wie an der Welle des Hasses gegen Russland oder der Unterstützung für die zerstörerische Klimapolitik.

Doch auch regionale und lokale Verwurzelungen waren und sind immer weniger möglich. Der Kapitalismus zentralisiert weiterhin seine Produktion in den Städten und führt zu einer neuen Landflucht. Auf der Suche nach Arbeit ziehen die Menschen fort, das Land verfällt und wird zunehmend von Investoren aufgekauft. Gleichzeitig ist ein Arbeitsplatz heute nicht mehr zwangsläufig von Bestand. Dieser kann mehrfach im Leben wechseln, was nicht selten auch mit einem Umzug verbunden ist.

In dem Bestreben der bestmöglichen Ausgangsposition für das spätere Arbeitsleben zieht es immer mehr junge Menschen an Universitäten fern von ihrem Heimatort, um anschließend in möglichst guten Jobs zu landen, die sich oftmals auf die Großstädte beschränken. So ziehen gerade junge Menschen durch das ganze Land beziehungsweise die ganze Welt, ohne irgendwo tatsächlich heimisch werden und Wurzeln schlagen zu können. Eine Identität und Zugehörigkeit über den Wohnort oder die Herkunft ist damit auch nicht mehr möglich.

Im Osten Deutschlands ist es teilweise anders. Hier war der Widerstand gegen die Coronamaßnahmen am größten, und hier ist auch die Unzufriedenheit mit der Politik am höchsten. Grund dafür könnte die gemeinsame Wurzel in der DDR sein, die nicht nur für Propaganda und die Absurdität des Systems sensibilisiert, sondern auch ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl und — durch gemeinsame Erfahrungen — eine Identität gestiftet hat. Denn die Ostdeutschen waren seit der Wende die Opfer neokolonialer Ausbeutung und kapitalistischer Misswirtschaft. Man hat ihnen ihr Lebenswerk und ihren Humus, in dem sie verwurzelt waren, mit Gewalt genommen. Diese Erfahrungen stifteten ein Zusammengehörigkeitsgefühl sowie zumindest Teile einer Identität als Ostdeutsche, die der westdeutschen Übergriffigkeit ausgeliefert und durch das sozialistische DDR-System geprägt waren.

An diese Gemeinsamkeiten knüpft auch die AfD an und stößt damit auf Zustimmung. Natürlich ist auch diese Partei nur eine unzureichende Lösung für die Identitätskrise und instrumentalisiert diese nur für ihre eigenen politischen Ziele. Doch sie wird mehr und mehr ein Anker für die orientierungslosen Menschen, die sich nicht auf die Inhalte der anderen Parteien einlassen wollen. Sie suchen Halt und besinnen sich dabei auf Dinge, die — ob vermeintlich oder tatsächlich — in der Vergangenheit einmal Verwurzelung versprochen haben. So wird der Begriff der Heimat ideologisch aufgeladen und von Parteien instrumentalisiert, während er von sogenannten Linken als neuer Hassbegriff bekämpft wird.

Doch auch daraus erwächst nur Gewalt und Hass. Dieser richtet sich in diesem Fall gegen die Flüchtlinge, die vermehrt nach Deutschland kommen, weil die Lebensumstände in ihrem eigenen Heimatland unzumutbar sind. Auch bei diesen Menschen handelt es sich um Entwurzelte, die ihre Konflikte und Identitätskrisen mit hierher bringen und sie teilweise mit Gewalt ausleben. Dahinter stehen Traumata durch Krieg, Vertreibung, Unterdrückung und Folter — und wer weiß, was diese Menschen noch alles erlebt haben. Nicht selten werden auch sie instrumentalisiert, als politisches Druckmittel verwendet oder bewusst zur Zerstörung der Gesellschaft eingesetzt. Dennoch sind Flüchtlinge Opfer; und diejenigen, die sie zur Flucht treiben und sie instrumentalisieren, Täter.

Wenn wir also Gewalt, Unterdrückung und ideologischen Wahn beenden wollen, müssen wir an der Frage der Verwurzelung ansetzen.

Der Mensch als soziales Lebewesen braucht dringend Wurzeln, um ein Gefühl der Zugehörigkeit zu spüren. Daraus kann eine gesunde Identität entstehen. Dazu müssen diese Wurzeln jedoch tragfähig und gesund sein. Eine Identitätssuche in einem Nationalismus, der die eigene Überlegenheit gegenüber anderen Völkern suggeriert, ist keine solche gesunde Wurzel.

Ein Verständnis als Deutscher — oder noch lokaler: als Baden-Württemberger, Münchner, Hamburger oder Klein-Kleckerfelder — hingegen ist möglich, wenn daraus ein fester Stand in der Welt entsteht, der nicht auf Überheblichkeit gegenüber anderen beruht. Identität kann nicht über politische Gruppierungen entstehen, und auch nicht, indem alle Kategorien und Kriterien der vollkommenen Beliebigkeit geopfert werden. Sie benötigt einen festen Stand, das Wissen um die eigene Herkunft und ein Zugehörigkeitsgefühl. Das sind die Wurzeln, aus denen dann die Blüte der Individualität und Identität gebildet werden könnte.

Wie das in einer immer verrückteren Welt der Beliebigkeit möglich sein soll, muss jedoch jeder für sich selbst herausfinden.