Die Grundrechtsverächter

Rechtsanwälte und Aktivisten klagen über massive Polizeigewalt und Rechtsbrüche bei der Großdemo am 29. August 2020 in Berlin.

Ist das noch Demokratie? Der Berliner Senat hatte versucht, die Großdemo am 29. August im Vorfeld zu verbieten. Als das nicht klappte, blockierte die Polizei den Demonstrationszug und verursachte so ein Gedränge, welches ihr dann wiederum als Vorwand diente, die Veranstaltung aufzulösen. Noch am selben Tag lief die Diffamierungsmaschinerie auf Hochtouren. Fast ausschließlich war vom vielleicht inszenierten „Sturm auf den Reichstag“ durch Rechtsextreme die Rede. In der Nacht von Samstag auf Sonntag gab es massive Polizeigewalt. Dabei war es — wie viele Augenzeugen berichten — überwiegend ein schönes, ein friedliches und ein beglückendes Fest, dem Robert Kennedy Jr. bescheinigte, ihm sei dort „das Gegenteil von Nazismus“ begegnet. Das Verhalten der Polizei und der Stadtpolitik von Berlin war nicht nur „gefühlt“ illegitim, sondern ein offener Rechtsbruch durch diejenigen, die zum Schutz der Rechtsordnung in besonderem Maße verpflichtet sind. Anwälte, Aktivistinnen und Aktivisten berichten von teilweise verstörenden Erfahrungen in Berlin und kündigen massive juristische Gegenwehr an.

Das ging nicht mehr mit rechtlichen Dingen zu. Was wir in Berlin vor wenigen Tagen erlebt haben, nähert sich bedrohlich faschistischen Zuständen, davon sind Juristen wie Markus Haintz überzeugt, der mit der Querdenken-Aktivistin Friederike Pfeiffer-de Bruin und Anselm Lenz, Begründer der Hygienedemos, gegenüber Rubikon-Interviewer Jens Lehrich Auskunft gibt.

Lenz sieht in den Vorgängen rund um Corona den gefährlichsten Angriff auf die Grundrechte seit 1945. Trotzdem sind die Aktivisten optimistisch, dass es gelingen wird, das Verhalten der Staatsmacht im Nachgang juristisch zu delegitimieren und die dahinterstehende zutiefst grundrechtsfeindliche Mentalität bloßzulegen. Damit wären beste Voraussetzung für eine künftig ungestörtere Entfaltung der Corona-Widerstandsbewegung gegeben, die noch wachsen dürfte — wie die Unzufriedenheit von Millionen Bürgern.

Das zweite Videointerview mit dem Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier, Mitglied der Vereinigung „Anwälte für Aufklärung“, zeigt: Auch andere sind bemüht, mit den Waffen des Gesetzes gegen eine Exekutive vorzugehen, die sich von jeder Bindung an Gesetze und Gerichtsurteile losgelöst hat und willkürlich auf der Basis einer fragwürdigen politischen Agenda handelt.

Sattelmaier bezeugt, dass die Demonstrierenden im Wesentlichen versucht haben, die Mindestabstände einzuhalten. Er setzte sich bei der großen Kundgebung vor allem für die Verständigung mit der Polizei ein und spricht von teilweise vernünftigen Gesprächen mit Ordnungshütern.

Beim Versuch, an der Siegessäule eine Spontankundgebung per Megafon anzumelden, wurde er jedoch von Polizisten unter Anwendung brutaler körperlicher Gewalt abgeführt und ihm anschließend Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Sattelmaier vermutet, dass die Polizei Befehl hatte, die Situation zu eskalieren, um Bilder zu erzeugen, die die Bewegung der Maßnahmenkritiker in ein schlechtes Licht rücken sollen. Polizisten hätten agiert wie „Roboter“, so der Anwalt. Eine an Menschenrechten orientierte Demokratie sieht anders aus.