Die Kraft der beiden Pole

Für gesellschaftliche Veränderung brauchen wir sowohl das weibliche als auch das männliche Prinzip.

Das neue Jahr ist da. Nicht von allen wurde es freudig erwartet. Viele blicken mit Sorge in Richtung 2026 und das nicht zu Unrecht, denn so manche Prognose ist düster. Doch wo viel Dunkelheit ist, da gibt es auch viel Licht. Das ist so in einer dualen Welt. Es gibt nichts ohne sein Gegenteil. Licht und Dunkel, Krieg und Frieden, Frauen und Männer. Gerade die letzten beiden könnten den Anfang machen und den Reigen beginnen, der die Welt in ein neues Gleichgewicht führt. Hierzu müssen sich die Frauen aus dem Schatten herauswagen und die Männer ihnen Glauben schenken.

Am Anfang war die Einheit. Mensch und Kosmos waren noch ungeschieden. Der Mensch lebte im Einklang mit dem Ganzen. In der kabbalistischen Numerologie wird er Adam gerufen. Mit der Zwei trat das weibliche Prinzip hervor. Es bedeutet gleichzeitig Trennung und Komplementarität (1). Die darauf folgende Zivilisation hat sich für die Trennung entschieden. In der alttestamentarischen Mythologie folgte auf die freie und gleichberechtigte Lilith, die erste Frau Adams, die unterdrückte Gestalt der Eva (2).

Mit dem Christentum verschwand die sinnliche, erotische Frau, die dem Manne gleichberechtigt gegenüberstand und mit ihm zusammen Spaß hatte.

Die unbefleckte Empfängnis machte eine einzige Frau zur Heiligen und die anderen zu potenziellen Huren und Hexen. Neben Maria, der jungfräulichen Mutter Gottes, wurde Maria Magdalena zur Dienerin abgewertet, zur fußwaschenden Sünderin, zur Prostituierten, manchmal zur Geliebten Jesus. Damit war der Grundstein gelegt für eine Erniedrigung, die bis heute anhält.

Nachdem die ersten Christen verfolgt und in den Arenen Roms den Löwen zum Fraß vorgeworfen worden waren, kehrte sich mit der konstantinischen Wende alles um. Ab 380 wurde das Christentum Staatsreligion und die Verfolgten wurden zu Verfolgern. Erbarmungslos, gewalttätig und extrem intolerant versuchten die frühen Christen, Andersgläubige zu bekehren. Sie zertrümmerten Tempel und Kultgegenstände, verbrannten Bücher, jagten Philosophen aus den Städten und verfolgten diejenigen, die weiter den alten Göttern opferten (3).

Verdrängt

Eine komplett männlich dominierte Religion setzte sich durch und erfasste nach und nach den größten Teil der Welt. Die Hälfte der Menschheit wurde dadurch per se benachteiligt, die Kinder nicht mit eingerechnet. Viele Menschen wurden vertrieben, verfolgt, versklavt und ermordet, sodass nur noch eine relativ kleine Anzahl männlicher Privilegierter übrigblieb, die alle anderen dominierte.

Die Frau war dem Manne untertan und ist es bis heute (4). Daran ändern auch Quotenregelungen, die Pille und das Recht, ohne die Erlaubnis des Mannes arbeiten und ein Bankkonto eröffnen zu dürfen, wenig. Ja, in manchen Paarkonstellationen hat die Frau die Hosen an. Ja, es gibt Paare, die gleichberechtigt und harmonisch zusammenleben, manche sogar ein Leben lang. Doch nein, das ist nicht die Normalität.

Es kann nicht oft genug gesagt werden: Frauen verdienen für denselben Job oft deutlich weniger als Männer. An die wirklich wichtigen Posten kommen sie meist erst gar nicht heran, und öffentlich zu Wort melden sich die wenigsten (5). Alleinerziehend und entsprechend wirtschaftlich benachteiligt sind vor allem Frauen. Sie sind die totgeschwiegenen Opfer vor allem männlicher Gewalt (6). In einer in Deutschland prosperierenden Pornoindustrie werden sie zu Sexobjekten degradiert und auf ein paar Löcher im Körper reduziert (7). Das Schlimmste: Die meisten, Männer und Frauen, schauen weg.

Sonne, Mond und Sterne

Das Weibliche wird in vielen Kulturen mit dem Dunklen verbunden. In Überlieferungen aus Astrologie, Alchemie, Mythologie, Gnosis und Hermetik wird die Frau mit dem Mond in Verbindung gebracht, während das Männliche mit der Sonne assoziiert wird. Im Yin und Yang der chinesischen Philosophie stehen männlich und weiblich für polar einander entgegengesetzte und gleichzeitig aufeinander bezogene Prinzipien, die sich gegenseitig ergänzen. Das männliche Yang ist dem Licht zugeordnet. Es gilt als hell, fein, hoch, hart, positiv, aktiv, leicht, bewegt und stark, während das weibliche Yin der Dunkelheit zugeordnet ist und mit den Adjektiven weich, feucht, kalt, negativ, tot, passiv, schwer, grob und ruhig beschrieben wird.

Für ein ausgeglichenes Leben braucht es beide Seiten. Doch das Weibliche kommt bei derartigen Beschreibungen nicht besonders gut weg. Es muss sozusagen erst von dem Männlichen beleuchtet werden, um überhaupt sichtbar zu sein. Während das Männliche für das pralle Leben steht, haftet dem Weiblichen etwas Suspektes an, etwas Verschlagenes, Todbringendes gar.

Die Sonne ist in den meisten westlichen Ikonografien wie auch in den Kulturen der Inka und Azteken männlich und der Mond weiblich. Im alten Ägypten galt Ra als männliche Sonnengottheit. Die Verehrung der Sonne lässt sich bis in die dritte Dynastie zurückverfolgen, bis etwa 2700 vor Christus. Als eine der wichtigsten Gottheiten galt Ra als Erhalter und Beherrscher der geschaffenen Welt. Die Pharaonen waren seine Söhne. Er selbst jedoch wurde von Nut geboren, der Göttin des Himmels und Mutter der Gestirne. Doch ihr Name ist in Vergessenheit geraten.

Kein Thema

Nicht in allen Kulturen ist die Sonne männlich und der Mond weiblich. In der deutschen zum Beispiel. In der germanischen, baltischen und keltischen Mythologie ist die Sonne weiblich und der Mond männlich. Japanische Herrscherhäuser leiten ihre Abstammung von einer weiblichen Sonnengottheit ab. Auch bei den alten Arabern war die Sonne eine Göttin, und im Hinduismus wird die Sonne als große Mutter angebetet (8).

Weltweit jedoch stehen die Männer im Licht, während die Frauen auf den Schattenplätzen sitzen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht der Torero in seinem Sonnenkostüm und fordert immer wieder aufs Neue das Blut des Stieres, der ungebändigten Kraft der Mutter Natur. Um sie zu besiegen und seine Stärke zu zeigen, wurden die Nackensehnen des Tieres von den Picadores mit gezielten Stichen durchstochen. Es hat so gut wie keine Chance zu überleben.

Auch die Chance der Frauen, ebenbürtig und gleichberechtigt neben den Männern zu stehen, so, wie es einmal war, bevor das Himmelsgewölbe in Vergessenheit geriet und eine männliche Gottheit die Alleinherrschaft übernahm, ist gering. So gering wie die Bereitschaft, sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen. Doch eigentlich sollte es kein wichtigeres geben. Denn davon, ob Frauen und Männer auf Augenhöhe zusammenkommen, hängt die weitere Geschichte der Menschheit ab.

Vermännlicht

Alle unsere Lebensbereiche sind von dem Ungleichgewicht zwischen Männlichem und Weiblichem betroffen. Wenn es kein harmonisches Ineinandergreifen beider Kräfte gibt, entstehen Krankheit, Leid und Krieg. Dauerhafte und nachhaltige Heilung kann es nicht geben, seit die Frauen von den männlichen Inquisitoren aufs Peinlichste untersucht und gefoltert wurden, auf dem Scheiterhaufen das alte Heilwissen verbrannte und mit ihm die Geburtskunde und alles, was den Frauen an Einfluss noch geblieben war.

Dem herangezüchteten Aberglauben wurde mit einer Männermedizin ein Ende gemacht, die die Körper der Menschen regelrecht an sich riss. Mit groben Händen griffen die Ärzte in Prozesse ein, von denen sie keine Ahnung hatten. So wundert es nicht, dass die Mütter- und Säuglingssterblichkeit rapide anstieg, bis sie im späten 19. Jahrhundert wieder gesenkt wurde, als die Ärzte begannen, sich zwischen Leichenhalle und Geburtssaal die Hände zu waschen.

Die Frauen verschwanden weitestgehend aus dem öffentlichen Raum, beschränkten ihr Leben auf die drei großen K – Kinder, Küche, Kirche – und hatten allein als Bewahrerinnen der männlichen Ahnenlinie Bedeutung. Ansonsten waren sie vor allem eines: still (9).

Wurden sie zu auffällig, weil sie etwa Zugang zu mehr Bildung forderten, galten sie schnell als hysterisch oder pervers und riskierten, sich der Entfernung der Gebärmutter oder der Klitoris unterziehen zu müssen – oder in eine Irrenanstalt eingeliefert zu werden.

Heute sorgt die Transbewegung dafür, die Frauen zum Schweigen zu bringen. Wer Transmänner kritisiert, gilt als TERF: trans-ausschließende Radikalfeministin. Frauen verlieren ihre Schutzräume, ziehen im Berufsleben und in Wettkämpfen den Kürzeren oder werden als Gebärmaschinen ausgenutzt. Zwar sind auf deutschem Boden Eizellenspende und Leihmutterschaft verboten. Doch Angebote dafür können eifrig beworben und vermittelt werden (10).

Künstliche Geburt

Mütterlichkeit gilt als reaktionär oder gleich als rechtsextrem, und Weiblichkeit verkommt zur Grimasse, zu einem Outfit, das man jederzeit wechseln kann. Niemand soll sich mehr sicher sein, welchem Geschlecht er oder sie eigentlich angehört. Mit dem „Comprehensive Sexuality Education“-Programm der WHO werden bereits Säuglinge sexualisiert (11). Kindergärten bekommen Besuch von Drag-Queens oder richten besondere Räume ein, in denen Kinder sich mit oder ohne Anleitung sexuell erkunden sollen oder im Original Play mit fremden Männern herumtollen.

Mit der wachsenden Verwirrung geht die Fruchtbarkeit zurück. Vor allem in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist sie rapide gesunken. Immer weniger Kinder werden geboren. Und immer weniger von ihnen kommen auf natürliche Weise zur Welt. Im Trend liegt die sogenannte Kaisergeburt. Da man festgestellt hat, wie wichtig der erste Kontakt zwischen Mutter und Kind nach der Geburt ist, bekommen Mütter, die sich von vorneherein für eine Kaiserschnittgeburt entscheiden, das Kind einen Moment lang hinter den Vorhang gereicht (12).

Schwangerschaften werden wie Krankheiten behandelt und Geburten finden gemeinhin in Krankenhäusern statt. Nicht das Kind bestimmt den Zeitpunkt, wann es auf die Welt kommen will, sondern Dienstplan und Profit. Eine wirkliche Privatsphäre gibt es nicht. Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf Mutter und Kind. Viele Mütter fühlen sich von dem Erlebnis der Geburt regelrecht traumatisiert, und Kinder bekommen nicht ausreichend, was ihr gesamtes zukünftiges Leben beeinflussen wird: Bindung.

Die Fähigkeit des Menschen, echte und ehrliche Beziehungen einzugehen und friedliche Gemeinschaften zu bilden, wird von Anfang an blockiert. Geburten werden immer stärker technologisiert, und den Hebammen wird ihre Arbeit so sehr erschwert, dass viele ihren Beruf aufgeben müssen (13). Damit hat die Männermedizin endgültig die Hand über die Geburten – und die Kontrolle über die Weltbevölkerung.

Darum geht es. Es geht darum, das natürliche Leben durch künstliches zu ersetzen und das zu Ende zu führen, was in der Genesis bereits angelegt ist: die künstliche Erschaffung des Menschen und die Erlangung der Herrschaft über das gesamte Leben.

Im Kreis

Ein Welt- und Menschenbild, in dem wir als schlecht, überflüssig oder gefährlich gelten, hält ein Narrativ am Laufen, das Eugenik und Bevölkerungsreduktion Tür und Tor öffnet. Über Umweltgifte, Verstrahlung, Impfkampagnen, industrielle Ernährung, Technologisierung, Isolation, Einschüchterung, Angstmache, Hetze und Verwirrung werden die Menschen gesundheitlich und moralisch geschwächt. Nützlichkeitsdenken, Schuldzuweisungen, Gleichmacherei und Sinnlosigkeit halten sie klein, Krankheiten, Hungerkatastrophen und Kriege geben ihnen den Rest. Übrig bleiben die, die es braucht, um wie eh und je einer kleinen männlichen Elite dienlich zu sein.

Sich dieser Bewegung entgegenzustellen, ist aussichtlos. Doch unsere Lage ist es nicht. Wir können eine andere Bewegung erschaffen. Diese Bewegung braucht die Stärke beider Pole, um sich nicht immer wieder im Kreis zu drehen: männlich und weiblich. Wenn wir uns aus der kranken, zerstörerischen Matrix befreien wollen, braucht es unser beider vereinte Kraft.

Die Genderbewegung konfrontiert uns mit der Frage, was das ist, weiblich und männlich. Doch hier geht es nicht darum, in Äußerlichkeiten stecken zu bleiben, Verkleidungen zu erfinden oder an seinem Körper herumschneiden zu lassen. Es geht nicht um Manipulation, sondern um ein Bewusstwerden der Eigenschaften, die wir, Frauen und Männer, in verschiedener Ausprägung in uns tragen und in die Gemeinschaft einbringen.

Dem Männlichen wird gemeinhin Durchsetzungskraft, körperliche Stärke und die Bereitschaft, Konflikte auszutragen, zugeordnet. Das haben wir zur Genüge erfahren. Nun ist das Weibliche dran. Qualitäten wie Kooperationsbereitschaft, Einfühlungsvermögen und Nachgiebigkeit dürfen zum Zuge kommen. Männer und Frauen haben sie.

Es geht nicht darum, die einen wichtiger als die anderen zu setzen. Wir brauchen beide Seiten, um aus dem orientierungslosen Schlingerkurs herauszukommen.

Aufgedeckt

An dieser Stelle kommen uns die alten Mythen zur Hilfe. Lilith, die Unbeherrschte, zog nicht in den Kampf, als Adam sie zu unterdrücken suchte. Sie ging. Sie scherte sich nicht darum, welche Beleidigungen er ihr hinterherwarf und dass er sie erniedrigte und verteufelte. Der Weg Liliths führt durch die Wüste und setzt die Bereitschaft voraus, Schattenarbeit zu leisten und auch das Innere von der Sonne beleuchten zu lassen.

Wir sind alle verletzt worden. Wir alle tragen Wunden in uns, Schwächen, traumatisierte Anteile. Nach der Geschichte, die wir hinter uns haben, gibt es niemanden, der unversehrt ist. Es braucht die Ehrlichkeit, das anzuerkennen, und den Mut, es anzuschauen. Vielleicht sind wir als Kind nicht geliebt worden, oder nicht so geliebt, wie wir sind. Vielleicht war unsere Mutter selbst zu verletzt, vielleicht war unser Vater nicht da, um uns zu beschützen. Und vielleicht haben wir bisher nicht gemerkt, was das mit uns gemacht hat.

Männer, so der Psychotherapeut Hans-Joachim Maaz, die sich von ihren Vätern nicht anerkannt fühlten, neigen dazu, aus der Abhängigkeit vom Mütterlichen nicht herauszukommen und verachten als Folge daraus das Weibliche. Frauen bleiben in der Selbstentwertung stecken, und beide – Frauen und Männer – in kindlicher Bedürftigkeit und Verantwortungslosigkeit. Sie haben es nicht gelernt, mit ihren Aggressionen umzugehen und Angst und Frustration auszuhalten.

Anstatt zu akzeptieren, dass sie in anderen Menschen Ablehnung auslösen können, rechtfertigen sie sich selbst und beschuldigen andere, um von dem, was als eigenes Versagen empfunden wird, abzulenken. Viele Menschen können es nicht ertragen, zurückgewiesen zu werden, denn das würde ja bedeuten, dass die abweisende Mutter oder der abwesende Vater recht hatten und man selbst nicht liebenswert genug war. Sie pflegen nur das Sonntagsbild, das sie von sich geben wollen, und werden scheinheilig, selbstgerecht und unnahbar (14).

Zwischen Ego und Selbst

Die Kriege, auf die wir uns immer wieder einlassen, obwohl wir sie eigentlich nicht wollen, sind nur möglich, weil wir uns selbst gegenüber nicht ehrlich sind. Wir sehen den Fehler beim anderen und nicht bei uns selbst. Das ist der Fluch, der auf uns lastet, seit wir dem Paradies den Rücken gekehrt und die ursprüngliche Einheit verlassen haben. Die Zwei, das weibliche Prinzip, ist nicht integriert worden. Wir arbeiten uns am anderen ab und sehen nicht, dass es in Wirklichkeit immer nur um uns selbst geht.

Das zu erkennen, hat nichts mit Egoismus zu tun. Ego und Selbst sind nicht das Gleiche. Das Ego will der Stärkste sein, der Beste, der Schnellste. Es will gewinnen, will recht haben und gibt den anderen die Schuld. Es ist wie ein Beschlag auf der Scheibe, der uns nicht klarsehen lässt, wie ein Auto, das keine Reifen mehr hat und auf den Felgen weiterfährt, dessen Fahrer aber so tut, als sei das normal. Das Ego ist eitel und sieht im Spiegel der anderen nur das Bild, das er von sich selbst geben möchte. Wird es beschädigt, dann werden aus vorgeblichen Engeln wilde Teufel, bereit, alles in Schutt und Asche zu legen, um das, was sie Gerechtigkeit nennen, wiederherzustellen.

Das Selbst hingegen bezieht sich auf das Wesentliche und gilt als das Zentrum der menschlichen Persönlichkeit. Während sich das Ego an den Rändern verliert, steht das Selbst in der Mitte; während das Ego aufgeregt überall hinläuft und alles haben will, ruht das Selbst in sich, und während das Ego ohne Orientierung ist, ist das Selbst zwischen Erde und Himmel verankert und lässt sich nicht umwerfen. Es verbindet Verstand und Intuition, Intellekt und Gefühl, Unternehmungslust und Ruhe.

Überwindung von Dominanz und Manipulation

Es gibt eine Ebene in uns, in der die Widersprüche aufgehoben sind und das Männliche und das Weibliche sich miteinander verbinden. Der Impuls hierfür kommt von dem Teil in uns, der auf Kommunikation aus ist, auf Verständnis und Versöhnung, einem Teil, zu dem das Weibliche in der Regel einen leichteren Zugang hat. Auch deshalb ist es wichtig, mehr weibliche Stimmen in die aufgebrachte Öffentlichkeit zu bringen.

Einigung kann es nicht geben, wenn der eine sagt, er habe alles richtig gemacht, nur der andere habe ein Problem. Verständnis untereinander entsteht nicht, indem wir anderen gute Tipps geben. Es braucht die Bereitschaft beider Seiten, sich wirklich aufeinander einzulassen und sich auch in seiner Unsicherheit zu zeigen. Auf einem verhärteten Boden wächst nichts. Vertrauen kann nur entstehen, wenn sich keiner über den anderen erhebt.

Damit liegt eine große Aufgabe vor uns. Sie setzt die Bereitschaft voraus, die Kontrolle abzugeben und sich für Überraschungen zu öffnen. Männer hören auf, Frauen zu dominieren, und Frauen hören auf, Männer zu manipulieren, wenn sie beginnen, in sich hineinzuspüren: Wo sitzt die Angst vor Zurückweisung, die Angst, nicht gut genug zu sein? Wo sitzt die Eifersucht, die uns dazu treibt, den anderen besitzen zu wollen? Woher kommt der Trieb, alles kontrollieren zu wollen? Wo fühlen wir uns einsam und allein, wo holt die Traurigkeit uns ein, die Wut, der Hass?

Die Trauung

Wenn wir diese Energien in uns integrieren, braucht es keine Paraden, keine Selbstdarstellung, bei der wir möglichst gut wegkommen. Männer erreichen die Reife für eine wirkliche Männlichkeit, die sich vor der Weiblichkeit verbeugt. Frauen werden reif für eine wirkliche Weiblichkeit, die sich den Männern wieder hingeben kann. Die Heilige und die Hure werden eins. Nicht als Eroberer und Vergewaltiger dringt der Mann in die Frau, sondern als ein Diener des Lebens.

So tritt die Frau in einer Größe in Erscheinung, die ihr vor tausenden von Jahren abgesprochen wurde. Maria Magdalena wird als diejenige anerkannt, die mit ihrer Weisheit und ihrer Intuition als Einzige die christliche Mysterienlehre verstanden hat. So steht es in der Pistis Sophia beschrieben, den uralten Schriften, die nach dem Zweiten Weltkrieg im ägyptischen Nag Hammadi gefunden wurden (15). In der Offenbarung des Johannes erscheint Maria als Sonnengöttin.

Und wir? Wir können uns daranmachen, mit unseren Männern und unseren Frauen, mit unseren Partnern und Partnerinnen, Freunden und Freundinnen zu reden: Wie siehst du das? Wie siehst du die Beziehung zwischen Frau und Mann? Was fehlt dir? Was braucht es für dich, um eine lebendige Beziehung zu leben? Was wünschst du dir? Trauen wir uns noch einmal. Trauen wir uns, ehrlich miteinander zu sein. Denn die Lüge hat in dem neuen Zeitalter, in das wir gehen, keinen Platz mehr.