Die Poesienoten

Neben den Protestnoten und den Friedensnoten bedarf es in dieser Zeit auch einer neuen Rubrik für widerständige Lyrik.

Es gibt rebellische Stimmen, die in den Krisen der letzten Jahre — Virushysterie, Kriegshetze und Verarmungspolitik — laut wurden. Und es gibt eine Kulturszene. Leider begegnen sich diese beiden Welten aber nur selten. Literatur und Poesie wirken zahnlos, beschränken sich meist auf die Bereiche des Ästhetischen, oft sogar Belanglosen. Auf der anderen Seite fehlt es dem Widerstandsjournalismus oft an sprachlicher Kraft und Schönheit, der Fähigkeit zur Ver-Dichtung eines Themas. Das schwer verständliche Schweigen der Künstler ist eine der großen Enttäuschungen der Corona-Jahre gewesen. Jens Fischer Rodrian und Alexa Rodrian haben mit ihren Liedern und Texten sowie dem Projekt „Protestnoten“ dagegen aufbegehrt. Auch rief Fischer Rodrian mit Marcus Klöckner die Artikelreihe „Friedensnoten“ ins Leben, pazifistische Song-Empfehlungen für Verstand und Seele. Nun kommen die Poesienoten hinzu, Gedichte und Songtexte, die zeigen, dass politisches Engagement und literarische Qualität einander nicht ausschließen müssen. Das poetische Wort bricht Denk- und Formulierungsgewohnheiten auf und rebelliert durch sein bloßes Dasein gegen Worthülsen und Propagandaphrasen. Es spricht nicht nur „kluge Köpfe“ an, sondern auch Seele und Emotionen, also alles, was uns im Zeitalter des Transhumanismus als Menschen ausmacht. Die Flügel der Poesie verleihen einem Gedanken zum Zeitgeschehen mehr Tiefe und weiten den Blick, sodass die größeren Zusammenhänge erkennbar werden.

Es ist viel geschrieben worden in den letzten drei Jahren. Es wird eigentlich immer viel geschrieben. Aber irgendwie scheint das Angebot an Texten, Essays, Kommentaren und wissenschaftlichen Abhandlungen größer geworden zu sein. Vielleicht habe auch nur ich mehr Stimmen wahrgenommen, weil ich auf viele neue Quellen gestoßen bin. Es war nicht leicht, sich über all das, was geschrieben wurde, öffentlich auszutauschen, da es aus der Sicht von so manchem Gesprächspartner schon zur Kontaktschuld kam, wenn man sich auf einen Artikel berief, der nicht aus dem Spektrum der Alt-Medien kam.

Es sind viele neue Plattformen entstanden, neue Autoren und Autorinnen kamen dazu. Auch Menschen, die eigentlich in anderen Berufssparten zu Hause sind, griffen zum Stift und äußerten sich. Es wurden neue Foren geschaffen, in denen man sich ernsthaft und besorgt mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzt und um Aufklärung bemüht ist. Doch der Großteil der Kulturschaffenden blieb erstaunlicherweise still. Vieles ist im Umbruch — privat, beruflich, politisch sowieso. Die Gesellschaft ist gespalten. Eigentlich ein gefundenes Fressen für Poeten, Liedermacher und kritische Bands. Aber ausgerechnet jetzt, wo es auch im „Wertewesten“ richtig brennt, wo Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Gefahr sind, wo Zensur auf allen mögliche Kanälen lauert, umhüllt uns das große Schweigen derer, die sonst den Finger in die Wunde gelegt haben. Gerade jetzt würde man von Künstlern erwarten, dass sie aufbegehren, dass sie sich empören

Wir wollen mit den Poesienoten genau die Künstler zu Wort kommen lassen, die nicht geschwiegen haben. Es geht primär um widerständische, kritische Inhalte, aber nicht nur — auch poetische Dissidenten schreiben über Hoffnung, Liebe und eine bessere Zukunft.

Wenn kritische Kunst verschwindet, stirbt die Seele einer freien Gesellschaft.

Dass die westlichen Demokratien auf sehr wackeligen Füßen stehen, haben wir in den letzten drei Jahren schmerzlich erfahren müssen. Meinungsfreiheit ist keine Selbstverständlichkeit mehr, Pressefreiheit auch nicht. Kaum jemand steht so für die Einschränkung der freien Berichterstattung wie Julian Assange. Er sitzt seit Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in England fest, weil er sich mit den Falschen angelegt hat und Kriegsverbrechen veröffentlichte. Er ist in Einzelhaft und wurde aus dem Leben gerissen. Seine Söhne wachsen ohne Ihren Vater auf.

Zweimal im Jahr organisieren wir in Berlin eine Solidaritätskonzert und stellen die Einnahmen seiner Frau, Stella Assange zur Verfügung, die ihren Mann juristisch vertritt. Unser Dank gilt allen Künstlern, die auf Ihre Gage verzichten und dadurch das Projekt am Laufen halten.

Assange! (Jens Fischer Rodrian)

Was haben wir getan?
Was haben wir unterlassen?
Wann wird Schweigen zur Qual?
Wann haben wir keine andere Wahl?

Was treibt die Menschen an?
Was lässt sie verstummen?
Wann gehören wir zu den Guten?
Und wann zu den Dummen?

Wann verschließen wir die Augen
Wann wollen wir nichts mehr hören?
Wann werden wir laut?
Wann wollen wir niemanden stören?

Er hat alles riskiert
Eine Weltmacht blamiert
Doch die Vasallen sind geschmiert
Schaut wie der Rest von uns reagiert - SHAME ON US!

Wann mischen wir uns ein?
Wann sagen wir - es reicht!
Ist unser Mitgefühl nur Schein?
Ist Gleichgültigkeit so leicht?

Wann stehen Menschen auf ?
Wann bleiben sie liegen?
Wann nimmt das Leben seinen Lauf?
Wann wird Gerechtigkeit siegen?

Wann blutet unser Herz?
Wann spüren wir seinen Schmerz?
Lassen wir uns erpressen?
Haben wir wieder vergessen?

Er hat alles riskiert
Eine Weltmacht blamiert
Doch die Vasallen sind geschmiert
Schaut wie der Rest von uns reagiert - SHAME ON US!

Deniz Yücel kriegt Applaus
Assange fällt aus dem Leben raus
Er hat sich mit den Falschen angelegt

Wird vom Verdrängen weg gefegt

Sie zelebrieren Ihre Macht

Und ziehen in Ihre nächste Schlacht
Wird es die Letzte sein?

Es liegt an uns - allein


Jens Fischer Rodrian - ASSANGE! (official video)