Die Schatten-Welt

Geheimdienste begehen im Auftrag der Machteliten politische Morde, die in aller Regel niemals aufgeklärt werden. Exklusivabdruck aus „Im Spinnennetz der Geheimdienste“. Teil 1/2.

Olof Palme, Uwe Barschel oder der US-amerikanische Regierungsbeamte William Colby — viele werden sich noch an diese Todesfälle erinnern, um die sich einige Rätsel ranken. Wirklich schlüssig aufgeklärt wurden sie nie. Das ist merkwürdig, weil bei den meisten historischen Todesfällen — etwa Walter Rathenau — heute die Mörder bekannt sind. Patrick Baab und Robert E. Harkavy stellen in ihrem jetzt neu aufgelegten Buch eine gewagte These auf: „Tote können nicht mehr sprechen. Das ist in allen drei Fällen der Grund, warum sie sterben mussten.” Sie beleuchten mögliche Hintergründe dieser und anderer politischer Morde und kommen zu einem erschreckenden Ergebnis: Mitten unter uns und doch von Normalbürgern unbemerkt existiert eine Schattenwelt, in der Recht und Gesetz nicht gelten und unliebsame Personen beliebig „verschwinden” können, ohne dass Sühne und Aufklärung möglich wären.

Vorwort

Dieses Buch trifft beim akademischen Mainstream weithin auf demonstrative Ignoranz. Geschadet hat es ihm nicht. Das Interesse der Leserinnen und Leser hält an. Deshalb haben die Autoren die Ehre und das Vergnügen, eine vierte, ergänzte und überarbeitete Auflage zu präsentieren. Seit Veröffentlichung der ersten Auflage 2017 hat der Gegenstand dieser Studie — politische Morde und ihre Vertuschung — nichts von seiner Bedeutung verloren. Ganz im Gegenteil: Selten war dieses Thema so aktuell wie heute.

Das zeigen die Ermordung des Journalisten Jamal Kashoggi — dessen Onkel Adnan Kashoggi auch eine Schlüsselrolle in unserer Recherche zukommt — am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul, die Polonium-Vergiftung des ehemaligen FSB-Agenten und späteren Mitarbeiters des MI6, Alexander Litwinenko, am 1. November 2006 in London oder der Giftgasanschlag am 4. März 2018 in Salisbury auf Sergej Skripal, den früheren Offizier des russischen Militärgeheimdienstes GRU und Doppelagenten, der beim MI6 vom späteren Chef des Unternehmens „Orbis Business Intelligence Ltd.” Christopher Steele, geführt wurde.

Vieles an diesen Fällen ist bis heute ungeklärt. Das zeigt:

Vertuschungsmaßnahmen und interessengeleitete Irreführung der Öffentlichkeit sind Teil des Spiels. Im Hintergrund treffen aber in allen drei Fällen politische Interessen, Machtspiele und geheimdienstliche Intrigen aufeinander.

Die spätere Wissenschaftlerin am Stockholm Peace Research Institute Connie Wall fragte als junges Mädchen ihren Vater, den hochrangigen CIA-Offizier Robert Bullock, warum der Dienst Menschen umbringe. Seine Antwort war: „Das machen alle!“ (1).

Bei zahlreichen Lesungen, Diskussionen und Interviews haben wir die Ergebnisse dieses Buches vorgestellt: Nicht nur im Fall Palme, sondern auch beim Tod von Uwe Barschel und William Colby handelt es sich um Mord. In allen drei Fällen waren keine Einzeltäter unterwegs, sondern Killerteams. Es handelt sich also um organisierte Kriminalität. In allen drei Fällen sind Geheimdienste verwickelt. Die Befehlsketten enden jeweils in der Politik. Es handelt sich also nicht nur um organisierte Kriminalität, sondern um politische Verbrechen — um Staatskriminalität. Alle drei Fälle hängen miteinander zusammen, sind eingebettet in denselben historischen Kontext — die Iran-Contra-Affäre. In allen drei Fällen haben wir es in der Folge weniger mit einer Ermittlung als vielmehr mit einer Vertuschung zu tun (2).

Bislang sehen wir keinen Anlass, daran etwas zu korrigieren. Vielmehr werden unsere Überlegungen durch weitere Recherchen und neuere Ermittlungsergebnisse bestätigt. So fand der amtierende schwedische Generalstaatsanwalt Krister Petersson, seit Februar 2017 auch Voruntersuchungsleiter der Palme-Ermittlungen, heraus, dass der nach dem Mord an Olof Palme am 28. Februar 1986 beschuldigte angebliche Einzeltäter Christer Pettersson gar nicht am Tatort war, Belastungszeugen von Polizeibeamten bestochen und zahlreiche Spuren nicht verfolgt worden waren. Christer Pettersson könne also nicht der Mörder gewesen sein. Der schwedische Chefermittler sieht eine militärische Elitegruppe hinter dem Mord (3). Damit bricht die Einzeltätertheorie — erstmals auch amtlich bestätigt — in sich zusammen.

Wie nicht anders zu erwarten, sind auch wir Autoren in die Nähe von „Verschwörungstheoretikern“ gerückt worden. Davon betroffen war Robert E. Harkavy schon vor Jahren, als er im sogenannten „Leopold-Report“ als „Desinformant, der die Palme-Ermittlungen sabotieren wolle” (4) bezeichnet wurde. Die „intellektuelle Konfektionsindustrie“ (5) kann wohl nicht anders, als alles auszuscheiden, was über die herrschende Meinung hinausweist. Genau das Gegenteil ist richtig, wie auch im Falle des Waffenhändlers William Hermann (6). Was Robert E. Harkavy betrifft, so weiß es der schwedische Generalstaatsanwalt Krister Petersson besser:

„In den Ermittlungsakten wird Harkavy als Nachrichtenfälscher bezeichnet. Aber ich fälle mein eigenes Urteil. Anders als der offizielle Ermittlungsbericht gehe ich nicht davon aus, dass Harkavy ein CIA-Agent ist“ (7).

Den Kritikern halten wir entgegen: Das meiste, was wir hier zusammengetragen haben, ist längst bekannt, wenn auch einem breiteren Publikum bislang schwer zugänglich, und unter Fachleuten keineswegs umstritten. Dies zeigt die Fülle der zitierten Studien und Belege. Lediglich an einigen entscheidenden Schnittstellen konnten wir neue Dokumente oder Zeitzeugen einführen. Die Erschließung dieser Quellen ist nicht dem Anklicken von Suchmaschinen, sondern gründlicher Vor-Ort-Recherche an einer Vielzahl von Schauplätzen geschuldet.

Für diese mehrjährige Suche haben sich zwei Autoren zusammengetan, die manches unterscheidet. Der eine, Robert E. Harkavy, ordnet sich politisch dem konservativen, republikanischen Lager zu. Der andere, Patrik Baab, sieht sich im politischen Spektrum der Vereinigten Staaten eher auf der demokratischen Seite. So war dem Autorenteam die Möglichkeit zur permanenten Gegenrecherche gegeben — und damit die Chance, Politisch-Tendenziöses zu vermeiden. Was uns über die Grenzen der politischen Standpunkte hinweg eint, ist das Wissen, dass russische, polnische, britische, französische, kanadische und amerikanische Soldaten mit ihrem Blut Deutschland Hitlers Willkürherrschaft entrissen haben — ein Beispiel für einen gelungenen Regime-Wechsel. Auch steht für beide Autoren das Existenzrecht des Staates Israel außerhalb jeder Diskussion.

Anders als der frühere Fraktionsgeschäftsführer der CDU im schleswig-holsteinischen Landtag, Günther Potschien, der insbesondere Beobachtungen aus gelebter Zeitgenossenschaft schildert und versucht, aus den charakterlichen Schwächen von Uwe Barschel dessen Freitod abzuleiten, führen wir unsere in zahlreiche Organisationen reichenden Netzwerke zusammen und bemühen uns um eine multiperspektivische Darstellung, die eine Vielzahl von Zeitzeugen und geheimdienstlichen Dokumenten einbezieht.

Dies erlaubt es, auch jene Dimensionen des historischen Geschehens zu beleuchten, die sich dem Auge des zeitgenössischen Betrachters entzogen haben.

Für uns ist deshalb die Mordtheorie kein Versuch, von Barschels Fehlverhalten abzulenken. Ganz im Gegenteil: Sein brennender Ehrgeiz und seine Skrupellosigkeit erscheinen uns als Voraussetzungen seiner geheimdienstlichen Verstrickung und seines Doppellebens, in dem die Motive für seinen gewaltsamen Tod zu suchen sind (8).

Dem schwedischen Journalisten Jan Stocklassa fällt das Verdienst zu, zum Mordfall Olof Palme erstmals den Nachlass des Autors Stieg Larsson ausgewertet zu haben. Darüber hinaus stützt er sich auf persönliche Recherchen und eine Reihe von Zeitzeugen vor allem in Schweden und Südafrika (9). Seinen Überlegungen zur Identifizierung eines neuen, bislang nicht berücksichtigten Einzeltäters folgen wir nicht. Vielmehr scheinen uns geheimdienstliche Dokumente zu belegen, dass der schwedische Ministerpräsident einer von höchster Stelle befohlenen geheimdienstlichen Operation zum Opfer fiel.

Natürlich ist uns bewusst, dass der Verweis auf eine Vielzahl von Zeitzeugen mit durchaus gegensätzlichen Einschätzungen und auf Belege aus mehreren Geheimdiensten die Kritiker nicht zufriedenstellen wird. Wenn in akademischen Zirkeln, in der Presse oder im Umfeld der Bundesregierung von „Verschwörungstheorien” gesprochen wird (10) dann geht es meist um etwas Anderes: strategische Kommunikation. Dabei spielen immer auch persönliche Interessen eine Rolle. Diese verbinden sich meist mit einem materiellen Hintergrund, wie der Suche nach Bündnispartnern für die Gewinnung von Drittmitteln, mit politischen Loyalitäten oder transatlantischen Seilschaften.

Immer geht es auch um ein „Wording”, von dem man sich einen Schub für die eigene Karriere verspricht. Selbstverständlich werden diese Parolen von keinem „verschwörerischen Zentralkomitee”, so Guillaume Paoli, gesteuert: „Die Antwort ist (…) womöglich schlimmer: Es liegt an dem gleich formatierten Denkrahmen“ (11). So entsteht das Meinungskartell einer recherchefernen Konsenskultur, das sich nicht scheut, unliebsame Positionen auszugrenzen — vorauseilender Gehorsam im Zuge der Selbst-Gleichschaltung.

So entsteht ein Ausgrenzungsdiskurs mit dem Ziel, eine informelle Kontaktsperre gegen jene zu verhängen, die unliebsame Rechercheergebnisse vorlegen oder dabei helfen, sie in die Öffentlichkeit zu tragen. In solchen Szenarien der Kontaktvermeidung nimmt die fachliche und politische Auseinandersetzung einen viralen Charakter an. Sie wird in den Kategorien von Ansteckung und Kontamination geführt. Alle, die im Mainstream nicht mitziehen, werden in eine Art Sippenhaft genommen für die tatsächlichen oder angeblichen Verfehlungen anderer.

Deshalb all jenen, die mit falsifikatorischem Killerinstinkt zur Jagd auf vermeintliche „Verschwörungstheorien“ blasen, zum Geleit: Der Begriff „Verschwörungstheorie“ wurde 1948 von dem Philosophen Karl Popper in die akademische Diskussion eingebracht — für ihn ein Beispiel für irrationale Gesellschaftstheorien. Er verstand darunter die Vorstellung, einflussreiche Machtgruppen seien für gesellschaftliche Missstände wie Weltwirtschaftskrisen verantwortlich (12). Damit ist Poppers Ansatz geeignet, alle sozialen Kausalketten zu vernebeln, die nicht in sein eigenes Weltbild passen.

1967 wurde der Begriff „Verschwörungstheorie“ im Zusammenhang mit dem Mord an John F. Kennedy in die politische Diskussion eingeführt — von der CIA. Der Geheimdienst verfolgte damit das Ziel, in der Öffentlichkeit Hinweisen entgegenzuwirken, der beschuldigte Lee Harvey Oswald könne nicht als Einzeltäter gehandelt haben. Vielmehr seien Mitarbeiter der CIA selbst in den Mord verwickelt gewesen (13). Ein Befund, der Jahre später durch die Studie von Lamar Waldron bestätigt wurde (14). Es handelt sich also — wie schon bei Popper — um einen politischen Kampfbegriff. Seine analytische Reichweite ist dabei gering. Denn es wird nicht gesagt, wer sich mit wem gegen was zu welchem Zweck verschworen haben soll.

Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist analytisch unscharf und eignet sich daher nicht zur erkennungsdienstlichen Behandlung der Wirklichkeit. Versteht man aber unter einer Verschwörungstheorie die Vorstellung, dass eine unsichtbare Hand im Hintergrund das Geschehen im sozialen Raum lenkt, ohne dass die Akteure dies merken, dann bleibt dieses Buch davon unberührt. Denn die Autoren nennen Handlungsträger, Befehlsketten, Hintermänner und ihre Interessen.

Die Qualität einer Theorie misst sich für uns daran, wie genau sie die Realität beschreibt. Man darf also unterscheiden zwischen einer Verschwörungstheorie und einer realen Verschwörung. Die Iran-Contra-Affäre — um die es hier im weiteren Sinne geht — ist eine reale Verschwörung gewesen. Dies hat eine Untersuchungskommission des US-Parlaments klar belegt (15). Im Kern beschreibt die Iran-Contra-Affäre eine komplexe politische Intrige zur Umgehung von Parlamentsbeschlüssen und internationalem Recht. Ihr Ziel war es, in Teheran festgehaltene amerikanische Geiseln dadurch frei zu bekommen, dass umfangreiche Waffenlieferungen, insbesondere Panzerabwehrraketen vom Typ TOW, gemeinsam mit Israel an die Islamische Republik Iran durchgeführt wurden.

Der Iran befand sich zu dieser Zeit im Krieg gegen den Irak. Dies geschah verdeckt, denn die Vereinten Nationen hatten ein Waffenembargo gegen Teheran verhängt. Die Einnahmen aus den geheimen Waffenverkäufen an den Iran wurden an die rechtsgerichteten Contra-Rebellen in Nicaragua weitergeleitet, um sie im Kampf gegen die sandinistische Regierung zu unterstützen. Diese Waffengeschäfte liefen zu Tarnungszwecken zum großen Teil über Drittländer. Dazu gehörten Südafrika sowie eine Reihe europäischer Staaten, darunter auch Schweden und die beiden deutschen Staaten. Der historische Kontext selbst liefert also den Stoff für eine Verschwörung. Einer „Verschwörungstheorie” bedarf es hier nicht (16).

Vielleicht mag auch der weiterführende Hinweis hilfreich sein, dass es in der Welt der Geheimdienste nicht nur um Spionage geht. Die meisten Dienste haben einen umfassenden Kampfauftrag. Für den Mossad ist dieser umfassende Kampfauftrag quasi Gründungsvoraussetzung (17). Für die CIA bildet sich dieser Auftrag in den Direktiven des Nationalen Sicherheitsrates NSC 4/A (Dezember 1947), NSC 10/2 und 10/5 (Juni 1948 und Oktober 1951), NSC 158 (Juni 1953) und NSC 5412 (März 1954) gleich nach der Gründung des Geheimdienstes ab. Dem umfassenden Geheimdienstkrieg kam im letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges noch einmal besondere Bedeutung zu (18).

Zu einem Gesamtbild gehört aber auch: Selbst die gezielten Tötungen dieser Geheimdienste können nicht verglichen werden mit dem stalinistischen Terror (19) und dem industrialisierten Massenmord der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie (20). Die Opfer des sowjetischen Innenministeriums NKWD gehen in die Millionen (21) und werden nur noch überragt von den Massenmorden unter Beteiligung von Reichssicherheitshauptamt, SS und SD (22). Wenn heute irgendwo auf der Welt Geheimdienste kontrolliert werden, dann in den Vereinigten Staaten. Insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland gibt es nichts Vergleichbares zum Bericht des US-Senats über die Folterpraktiken der CIA (23).

Bei unseren Betrachtungen berücksichtigen wir durchgehend alternative Erklärungsmodelle. Wir greifen auf Dokumente und Zeitzeugen aus einer ganzen Reihe von Geheimdiensten zurück. Ermittlungsakten aus mehreren Ländern kommen dazu. Zusammen wird so ein Blick in die Schattenwelt der Geheimdienste möglich. Doch das Gesamtbild bleibt unklar und verschwommen.

Seit Veröffentlichung der ersten Auflage haben sich weitere Quellen gemeldet, kritische Leserinnen und Leser gaben wichtige Hinweise. Die Autoren selbst haben weiter recherchiert und versucht, den veränderten Forschungsstand vor allem in Europa und den USA zu berücksichtigen. Wir bitten alle, die der vierten Auflage ihr Interesse entgegenbringen, um weitere Informationen. Denn wenn fast alle Beteiligten ein Interesse an einer Vertuschung haben, werden wichtige Zusammenhänge von der Geschichte meist totgeschwiegen.

Einleitung

Dieses Buch erzählt von Schattenkriegern und ihren Opfern. Es führt den Leser in jene verbotene Zone der Geheimdienste, in der nicht nur diskret spioniert, sondern die Drecksarbeit erledigt wird. Wir öffnen ein kleines Fenster in den Maschinenraum des Kalten Krieges und blicken dahin, wo er zu einem heißen, schmutzigen Krieg geworden war. Für Journalisten, Politikwissenschaftler und die Öffentlichkeit sind die CIA, der Mossad, der Bundesnachrichtendienst, das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, der tschechoslowakische STB, die schwedischen Geheimdienste, der frühere KGB (heute FSB) oder der sowjetische Militärgeheimdienst GRU eine solche verbotene Zone.

Dies gilt in besonderer Weise für ihre verdeckten Operationen. Alle diese Machenschaften sind streng geheim. Die Namen jener Schattenkrieger, die sie ausführen, bleiben weitgehend unbekannt. Nur in seltenen Fällen gelangen die Akteure solcher Geheimaktionen ans Licht der Öffentlichkeit, und das meist nur durch dummen Zufall. Selbst dann wird selten mehr als ein kleiner Teil des wirklichen Geschehens enthüllt.

Wir lenken den Blick auf drei ungeklärte Todesfälle in der Endphase des Kalten Krieges: auf einen Mord, der nie aufgeklärt wurde; einen angeblichen Suizid, der schwerlich einer gewesen sein kann; einen mysteriösen Unfall, der sich so nicht zugetragen haben kann. Diese drei Beispiele — Olof Palme, Uwe Barschel, William Colby — zeichnen wir nach vor dem Hintergrund einer weltweiten Verschwörung, die nie ganz aufgeklärt wurde: der Iran-Contra-Affäre.

In dieser Schattenwelt sieht der Leser keine James-Bond-Figuren, die mit der Waffe in der Hand den Kommunismus bekämpfen. Er schaut auf Männer in Schlips und Kragen und Frauen im Kostüm, die hinterm Schreibtisch über Leben und Tod anderer entscheiden.

Es sind jene Geheimdienstbürokraten, die Falschinformationen streuen, Briefkastenfirmen gründen, Drogengelder waschen, Kriegswaffen schmuggeln, die Ziele von Marschflugkörpern auswählen, Staatsstreiche planen, Mordaufträge erteilen — und die manchmal selbst dabei absahnen. Wir begeben uns tief in die menschlichen Niederungen von Machthunger und Gier, von Skrupellosigkeit und Zynismus. Alle Staaten dieser Welt werden nicht müde zu beteuern, dass ihre Dienste sich an Recht und Gesetz halten. Und doch gibt es diese verbotene Zone nicht nur da, wo der Mossad ein Mordkommando hinschickt.

Politische Morde — das sind Morde, die von politisch Verantwortlichen in Auftrag gegeben werden. Es sind Morde aus politischen Motiven. Und oft sind andere politisch Verantwortliche das Ziel. Es sind Täter, die zu Opfern werden. Und manchmal werden auch Opfer zu Tätern. Die Opfer verstricken sich — oft aus politischer Überzeugung, manchmal aus Gewinnsucht und Eitelkeit, aus dem Bedürfnis nach Macht oder Machterhalt. Und manchmal ist es auch die Versuchung des Intellektuellen, im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Auch unsere drei Protagonisten — Palme, Barschel, Colby — waren überzeugt, einer guten Sache zu dienen.

Am 28. Februar 1986 wurde Olof Palme erschossen. Es geschah kurz vor Mitternacht am Sveavägen, einer Hauptstraße im Zentrum von Stockholm, als er mit seiner Frau aus dem Kino kam und nach Hause ging. Unbegleitet von Sicherheitskräften hatten sich Olof und Lisbet Palme zusammen mit ihrem Sohn und dessen Freundin einen Film angesehen. Der Mörder war aus dem Eingang einer Kunstwarenhandlung getreten. Nach der Tat floh er zu Fuß durch eine schmale Gasse und über einen langen Treppenaufgang in die Seitenstraßen.

Es ist unklar, ob dort ein Fluchtfahrzeug auf ihn wartete. Manche wollen dicht am Tatort Männer mit Funkgeräten — Handys gab es noch nicht — gesehen haben. Aber auch das ist ungeklärt. Etliche Passanten wurden Zeuge des Mordes, doch ihre späteren Beschreibungen des Täters blieben unscharf und wichen stark voneinander ab. Trotz intensiver Suche wurden am verschneiten Tatort erst mit großer Verspätung zwei Kugeln entdeckt. Möglicherweise waren sie dort erst nach dem Mord abgelegt worden. Und die Tatwaffe blieb verschwunden.

Später wurden diverse Theorien über Hintergrund und Motiv des Mordes präsentiert. Es ist gut möglich, dass der Mörder nur am Ende einer langen Kette von Mittelsmännern stand und gar nicht wusste, für wen er arbeitete. Möglicherweise hat er Helfer gehabt. Als Drahtzieher im Hintergrund wurden die unterschiedlichsten Kräfte ins Spiel gebracht, darunter die CIA, der Mossad, das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, der russische Geheimdienst KGB, Südafrika, Iran, Irak, der chilenische Diktator General Pinochet, Kroaten, die militante Kurdische Arbeiterpartei PKK, Anhänger des rechten US-amerikanischen Politaktivisten Lyndon LaRouche, rechtsextremistische Polizisten aus Stockholm, Auftragskiller des schwedischen Rüstungskonzerns Bofors, belgische und französische Waffenhändler oder auch ein psychisch gestörter Einzeltäter. Buchstäblich alle diese Kräfte gerieten zeitweise in den Fokus polizeilicher Ermittlungen. Sie dauern seit 30 Jahren an — ohne Ergebnis.

1988 wurde Christer Pettersson, ein psychisch gestörter, alkohol- und drogenabhängiger Straßengangster, dessen Strafregister auch Körperverletzung und eine vorsätzliche Tötung umfasste, festgenommen. 1989 wurde er vor Gericht gestellt und verurteilt. Manche Beobachter sahen darin ein abgekartetes Spiel verzweifelter Ermittlungsbehörden, andere nur einen Ausdruck von Frust und Stümperei. Denn in zweiter Instanz wurde er freigesprochen. 1997 ging die Staatsanwaltschaft in Berufung. Doch das Hohe Gericht lehnte eine neue Verhandlung ab, da keine neuen Beweise vorlagen.

Die ganze Affäre wurde in Schweden zum Gegenstand beinharter Auseinandersetzungen und sorgte noch jahrelang für Schlagzeilen. Eine Theorie, ein Gerücht, ein Beweisstück folgte dem anderen. Und allmählich wurden die Schweden des Falles überdrüssig. Dennoch bleiben bis heute ernste Zweifel, ob es vielleicht doch eine vom Regierungsapparat gesteuerte Vertuschungsaktion gegeben hat — mit dem Ziel, die Ermittlungen massiv zu behindern.

Uwe Barschel war der kometenhafte Aufsteiger der CDU in Schleswig-Holstein. Manche sahen den jungen Ministerpräsidenten auf bestem Weg ins Kanzleramt. Aber er verstrickte sich während des Landtagswahlkampfs 1987, in dem es um seine Wiederwahl ging, in einen schmutzigen Politskandal. Die Barschel-Pfeiffer-Affäre sorgte für das vorzeitige Ende seiner politischen Karriere. Am 2. Oktober trat er von seinem Amt zurück. Danach flüchtete er zusammen mit seiner Frau zu einem Kurzurlaub auf Gran Canaria, wo er seinen Auftritt vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Kiel vorbereiten wollte. Von Gran Canaria flog er allein weiter nach Genf.

Am 11. Oktober 1987 wurde er in Zimmer 317 des noblen Hotels Beau Rivage tot in der Badewanne gefunden — neunzehn Monate nach dem Mord an Olof Palme. Sehr bald schon ging die Genfer Polizei von Selbstmord aus, vermutlich auch unter dem Druck bundesdeutscher und amerikanischer Stellen, die offenbar ein nachdrückliches Interesse an dieser Darstellung gehabt haben. Möglicherweise hatten sie allen Grund zu befürchten, Uwe Barschel könnte reden über jene geheimen und rätselhaften Aktivitäten, an denen er teilhatte, insbesondere über seine Rolle als Kontaktmann zwischen dem Bundesnachrichtendienst und der CIA auf der einen Seite und dem Staatssicherheitsdienst der DDR und dem tschechoslowakischen STB auf der anderen Seite bei geheimen Waffengeschäften hinter dem Eisernen Vorhang und dem illegalen Transfer von U-Boot-Technologie in den Apartheidstaat Südafrika, gegen den die Vereinten Nationen ein Embargo verhängt hatten.

Zahlreiche heimliche Reisen über die schwer bewachte Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, insbesondere nach Rostock-Warnemünde, aber auch nach Jena und ins Heilbad Piešt’any in der damaligen SSR sind bekannt geworden. Augenzeugen berichten, dass er in Rostock unter anderem mit Vertretern des Ministeriums für Staatssicherheit verhandelte, das im nahegelegenen Kavelstorf ein großes Waffenlager unterhielt. So bizarr, wie das alles erscheint — manches spricht dafür, dass es sich um klandestine Operationen der CIA gehandelt hat, von denen auch das Bundeskanzleramt wusste.

Klar ist eines: Barschel führte ein ausgeprägtes Doppelleben. Er war in geheimdienstliche Operationen verstrickt und spielte eine Rolle im illegalen Waffenhandel. Wir werden darauf zurückkommen und dann versuchen, hierzu neue Rechercheergebnisse anzubieten und teilweise zu einer Neuinterpretation im internationalen Zusammenhang zu gelangen.

Der Fall Barschel und seine Langzeitwirkung stellen ohne Frage einen der größten Politskandale in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands dar. Der mysteriöse Tod hat — genauso wie der unaufgeklärte Mord an Olof Palme — eine unübersehbare Fülle kontroverser Debatten ausgelöst.

Auch diese Theorien werden wir vergleichend analysieren. Presseberichte, Filme und Bücher drehen sich vor allem um die Frage, ob es sich beim Tod in Genf um Selbstmord oder um Mord gehandelt hat. Die meisten Autoren, die dem Fall nachgegangen sind, gehen mittlerweile davon aus, dass Barschel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermordet wurde.

Offen bleibt auch hier die Frage: von wem und warum? Als mögliche Auftraggeber wurden auch hier abwechselnd die CIA, der Mossad, die Stasi und der Iran verdächtigt — allesamt Kräfte, die in den Iran-Contra-Waffenhandel verwickelt waren. Und dem BND wurde unterstellt, voll im Bilde gewesen zu sein und bei der Vertuschung geholfen, wenn nicht sogar bei dem Mord sekundiert zu haben. Aber die offizielle Version, beim Tod von Uwe Barschel habe es sich um Selbstmord gehandelt, wurde niemals ganz aufgegeben.

Manches spricht dafür, dass ein dritter Mord im April 1996 mit jenem an Olof Palme und dem Tod von Uwe Barschel in Verbindung steht. Es handelt sich um das mysteriöse Ende des früheren CIA-Chefs William Colby. Auch hier schossen zahlreiche Spekulationen, Kontroversen und unterschiedliche Theorien ins Kraut. Auch hier wurden weder Mörder noch Mordwaffe gefunden. Und hier besteht nicht einmal Klarheit darüber, wie Colby umgebracht worden ist. Er kann vergiftet, erdrosselt oder zu Tode gefoltert worden sein.

Zwanzig Jahre zuvor war Colby auf Druck des damaligen US-Außenministers Henry Kissinger von Präsident Gerald Ford als CIA-Direktor gefeuert worden. Seither lebte der inzwischen 76-Jährige ruhig und zurückgezogen in einem schlichten Wochenendhaus, einer alten Austernfischerhütte in Rock Point im US-Bundesstaat Maryland, gelegen am Potomac kurz vor dessen Mündung in die Chesapeake Bay, die ihm als Zweitwohnsitz diente. An jenem 27. April 1996 hielt sich Colby dort alleine auf. Seine Frau, eine leitende Mitarbeiterin des Außenministeriums, besuchte gerade ihre Mutter in Houston. Der offiziellen Version zufolge brach Colby in der Dämmerung zu einer Paddeltour mit seinem Kanu auf, ließ eine angebrochene Mahlzeit und ein halbleeres Glas Wein auf dem Tisch stehen und ebenso den eingeschalteten Computer zurück — ein seltsames Verhalten für einen Mann, der als ordentlich und penibel galt.

Einige Tage später wurde sein Kanu am Strand ganz in der Nähe seines Hauses gefunden. Trotz eines Großeinsatzes rund um die Uhr mit Booten, Hubschraubern und Suchtrupps tauchte seine Leiche erst acht Tage danach auf, nur 40 Meter von der Stelle entfernt, an der das Boot angetrieben worden war. Die Polizei vor Ort und die zuständige Gerichtsmedizin sprachen von einem Bootsunglück. Colby habe einen Herzinfarkt erlitten und sei aus dem Kanu gestürzt. Weder die Bundespolizei FBI noch die CIA wollten eigene Ermittlungen aufnehmen.

Erst einige Zeit später gelang mehreren Journalisten trotz der amtlichen Nebelkerzen der Nachweis, dass es sich um einen Mord gehandelt haben muss. Denn Colbys Kanu war mit Sand gefüllt, damit es nicht auf See hinaustreiben konnte. Seine Leiche wurde acht Tage später an einem Platz gefunden, der bereits mehrfach abgesucht worden war, und er konnte offensichtlich nicht die ganze Zeit über im Wasser gelegen haben. Rettungsweste und Paddel blieben verschwunden, und ein rätselhaftes Abschleppseil war noch am Kanu befestigt. Aber auch hier bleibt die Frage offen, wer der Mörder war und welches Motiv er gehabt haben mag.

Colby war alles andere als ein unbescholtener Mann. In seiner aktiven Zeit fungierte er als Leiter der berüchtigten Operation Phoenix in Vietnam, bei der — je nach Quelle — zwischen 20.000 und 50.000 angebliche Vietcong-Anhänger, Dorfälteste und andere Funktionäre ermordet worden waren. Er selbst gestand mindestens 20.000 Morde ein und hielt dies für bedauerlich, aber in einem schmutzigen Krieg für unvermeidlich (24).

Möglicherweise ist das Mordmotiv darin zu suchen, dass er sich in der CIA unbeliebt gemacht hatte, als er eine ganze Reihe von Agenten feuerte und bei seinen Auftritten vor mehreren Untersuchungsausschüssen des Kongresses die Abgeordneten über verdeckte Operationen der Agency informierte: Bestechung ausländischer Politiker (25), Mordkommandos, die Mitwirkung bei politischen Umstürzen, und so weiter.

Vielleicht sollte man bei der Suche nach Motiven und Gründen jedoch eher Colbys Spätphase genauer unter die Lupe nehmen, jene Jahre nach seinem Ausscheiden aus der CIA, in denen er sich in ein angeblich ruhiges, anonymes Leben als Rechtsanwalt zurückgezogen hatte. Denn so ruhig dürfte dieses Leben gar nicht gewesen sein. Colby war tätig als generalbevollmächtigter Rechtsanwalt der berüchtigten australischen Nugan Hand Bank. Als sie 1980 zusammenbrach, wurde einer der beiden Geschäftsführer in Australien ermordet, während der andere spurlos verschwand und erst 2015 unter falschem Namen in Idaho wieder auftauchte.

Viele der Figuren, die später in die Iran-Contra-Affäre verwickelt waren, wie der legendäre CIA-Mann Ted Shackley — auch er tief verstrickt in das Phoenix-Programm in Vietnam —, hatten in unterschiedlicher Weise Verbindungen zur Nugan Hand Bank. Durch seine Position als generalbevollmächtigter Anwalt konnte Colby tiefe Einblicke in die Waffen- und Drogengeschäfte der Bank gewinnen. Er machte auch Deals mit dem früheren KGB-General Oleg Kalugin, genauso wie Vincent Cannistraro, der Oliver North und anderen Beteiligten an der Iran-Contra-Affäre nahestand (26). Alles deutet darauf hin, dass es bei Colbys Tod — ähnlich wie im Falle Barschel — darum ging, jemanden zum Schweigen zu bringen, von dem zu befürchten war, er könne — aus Gewissensgründen oder aus Kalkül — etwas ausplaudern.

Auf den ersten Blick scheinen die drei Todesfälle nichts miteinander zu tun zu haben. Sie wurden in verschiedenen Ländern begangen, zwischen dem ersten und dem letzten liegt ein Zeitraum von zehn Jahren. Dennoch gibt es bestechende, spannende Verbindungslinien. Tatsächlich sind in den ersten beiden Fällen mögliche Zusammenhänge schon ansatzweise beschrieben worden. Was die vorhandenen kausalen Zusammenhänge verbindet, ist der Iran-Contra-Skandal. Am US-Kongress vorbei wurden Iran in einem komplizierten Geflecht politischer Geheimoperationen Waffen verkauft und die Erlöse genutzt, um die antisandinistischen Contra-Rebellen in Nicaragua mit Waffen zu versorgen, während gleichzeitig US-Geiseln in der Hand der Hisbollah im Libanon freigelassen werden sollten. Diese Geschäfte wurden zu Geheimhaltungszwecken meist über Drittländer abgewickelt. Die Forschung dazu ist kaum noch übersehbar, und doch bleiben weite Teile der Verschwörung bis heute im Dunkeln.

Welche besondere Rolle haben die drei Akteure Palme, Barschel und Colby im Rahmen der Iran-Contra-Affäre gespielt? War William Colby gar zentrales Glied einer Befehlskette in Washington, an deren anderem Ende Uwe Barschel und Teile seines Umfelds in Kiel, aber auch höchste Regierungskreise in Stockholm standen? Und war, wie der US-Journalist Kenneth R. Timmerman behauptet, ihr Tod die Blutspur einer weltweiten „Säuberungsaktion“, mit der unliebsame Zeugen und abtrünnige Helfer einer politischen Verschwörung aus dem Weg geräumt werden sollten, weil ihre Enthüllungen die politische Zukunft von US-Präsident Ronald Reagan und vor allem die seines Vizepräsidenten George H.W. Bush hätten gefährden können?

Im Fokus steht hier der Zusammenhang des Mordes an Olof Palme mit dem Tod von Uwe Barschel in Genf und der Rolle von William Colby. Dennoch zog die Affäre weitere Kreise, die nicht ausgeblendet werden sollten. Natürlich gibt es in weiten Teilen der Literatur und der Internet-Blogs über „Verschwörungstheorien“ die Tendenz, unendlich viele wirre Zusammenhänge herzustellen, bis buchstäblich alles mit allem irgendwie zusammenhängt.

Manchmal jedoch mag es sich lohnen, Entlegenes und Disparates miteinander zu kombinieren. So stellt die Literatur zum Mord an John F. Kennedy Verbindungen her zum Vietnamkrieg, zum Schweinebucht-Desaster, zu den Anschlagsversuchen auf Fidel Castro, zu geheimdienstlichen Intrigen im Kalten Krieg, Machtkämpfen innerhalb der Mafia, der Rolle des organisierten Verbrechens in Hollywood und Las Vegas sowie zu seiner Affäre mit Marilyn Monroe. Dies trifft auch auf den Palme-Barschel-Colby-Nexus zu. Soweit es Belege für diese Spuren gibt, werden wir dem nachgehen; dagegen lassen wir aus, was offensichtlich an den Haaren herbeigezogen erscheint.

Es gibt auch Hinweise, dass in den Jahren nach dem Mord an Palme und Barschels Tod in Genf eine Reihe von Personen in deren Umfeld auf mysteriöse oder überraschende Weise ums Leben kam. Das ist durchaus eine Parallele zum Kennedy-Mord. Auch hier wurden in der Folgezeit fünfzehn bis zwanzig Personen ermordet oder zumindest sehr wahrscheinlich ermordet. Teilweise kamen sie durch Schusswaffen, andere bei Unfällen, durch Herzinfarkte, Krebserkrankungen oder bei angeblichen Suiziden ums Leben.

Einer davon könnte möglicherweise auch William Colby gewesen sein. In keinem einzigen Fall wurde jemand angeklagt oder verurteilt. Ähnlich liegen die Dinge im Fall Barschel. Hier sei nur der Schweizer Detektiv Jean-Jacques Griessen erwähnt, der nach eigenen Angaben kurz davor war, den Tod des ehemaligen Ministerpräsidenten aufzuklären. Er erlitt angeblich einen Herzinfarkt im Zimmer einer Zürcher Prostituierten, eine Version, die kaum ein Kenner von Griessen glaubt.

Der Filmemacher Allan Francovich, der in einer bemerkenswerten Dokumentation die Rolle der CIA beim Lockerbie-Attentat beleuchtete und einen weiteren Dokumentarfilm über den Palme-Mord plante, starb an der Gepäckausgabe des Flughafens von Houston/Texas. Angebliche Todesursache war auch hier eine Herzattacke. Die schwedische Journalistin Cats Falck, die den Waffengeschäften Schwedens mit der DDR und damit der Nord-Süd-Pipeline auf der Spur war, wurde zusammen mit einer Freundin in ihrem Wagen aus dem Stockholmer Hammarby-Kanal gezogen. Auch hier deutet einiges eher auf einen Mord als einen Unfall hin.

Bei unseren drei Fällen handelt es sich um drei der wichtigsten politischen Morde (dazu zählen auch die Anschläge auf die Kennedy-Brüder John F. und Robert sowie der auf Martin Luther King) in der westlichen Welt im vergangenen Jahrhundert. Alle drei — darin dem Mord an John F. Kennedy vergleichbar — sind bis heute nicht aufgeklärt. Wie wir zeigen werden, folgten ihnen massive Vertuschungsaktionen von Seiten der jeweiligen Regierungen, in unseren Fällen insbesondere der Regierungen Schwedens, Westdeutschlands und der Vereinigten Staaten. Sie mögen losgelöst voneinander und unverbunden erscheinen, aber es gibt gute Gründe anzunehmen, dass sie allesamt zu den Ausläufern der Iran-Contra-Affäre gehören. Insoweit existiert ein innerer Zusammenhang zwischen ihnen: Sie sind Teil einer einzigen Geschichte.

In allen anderen politischen Mordfällen in der westlichen Welt des vergangenen Jahrhunderts — wir nehmen hier einmal Staatsstreiche und Putschversuche aus — ist etwas über die Mörder und ihre politischen Motive im Hintergrund bekannt.

Dies trifft beispielsweise auf den Mord am deutschen Außenminister Walter Rathenau 1922 in Berlin zu, aber auch auf Reinhard Heydrich, der 1942 in Prag von tschechischen Partisanen ermordet wurde, auf den Anschlag auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand 1914 in Sarajewo, auf Leo Trotzki, den Stalin 1940 in Mexiko mit einem Eispickel erschlagen ließ, oder auf den Chilenen Orlando Letelier und dessen Freundin Ronni Karpen Moffitt, die die Geheimpolizei des Diktators Pinochet 1976 in Washington ermordet hat.

Mit Blick auf die Dritte Welt wären die Mordanschläge auf Anwar as-Sadat 1981 in Ägypten, auf König Abdullah von Jordanien 1951 in Jerusalem, auf Jitzchak Rabin 1995 in Tel Aviv, auf Indira und Rajiv Ghandi 1984 in Neu-Delhi und 1991 bei Madras, auf Benazir Bhutto 2007 in Rawalpindi, auf den irakischen König Faisal II. und seinen Premierminister Nuri-as Said 1958 in Bagdad sowie die Flut von Attentaten auf höchster Regierungs- und Militärebene in Japan vor Beginn des Zweiten Weltkrieges zu erwähnen. In allen diesen Fällen konnten die Täter ausfindig gemacht und die politischen Motive geklärt werden.

In Afrika fanden zahlreiche Staatsstreiche statt, die mit Mordanschlägen in Verbindung standen. Aber die drei von uns ausgewählten Fälle ragen heraus. Denn so wie beim Attentat auf John F. Kennedy konnten hier die Täter nie ausfindig gemacht, kein Schuldiger zur Verantwortung gezogen, die politischen Motive hinter den Morden nie ganz geklärt werden. Sie waren nicht einmal Gegenstand ernsthafter Debatten. Dies soll sich mit diesem Buch ändern.

Tote können nicht mehr sprechen. Das ist in allen drei Fällen der Grund, warum sie sterben mussten.

So bleiben als Quellen Dokumente, Zeitzeugen und Weggefährten. Wir haben streng vertrauliche Dokumente mehrerer Geheimdienste herangezogen und ausgewertet. Wir haben mit Geheimdienstlern, Ex-Spionen und Geheimdienstkontrolleuren aus sieben verschiedenen Staaten gesprochen. Kaum einer war bereit, vor Mikrofon und Kamera Auskunft zu geben.

Die meisten wollten anonym bleiben, manche nicht einmal indirekt zitiert werden. Ihre Hinweise und Informationen gehen in dieses Buch auch da ein, wo eine Quellenangabe fehlen muss. Wenn auch die Herkunft als geheim gestempelter Dokumente rückverfolgbar ist, so kann ihre Echtheit letztendlich nicht überprüft werden. Dies ist das Dilemma einer Studie über die Schattenwelt der Geheimdienste. Aus vielen kleinen Teilen und Versatzstücken setzt sich ein Puzzle zusammen, und wir glauben, ein Gesamtbild zu erkennen. Aber der Leser sollte immer im Auge behalten, dass noch viele Teile fehlen und uns verborgen bleiben. Wir wissen nicht, welche und was sie zeigen. Das Bild als Ganzes — es existiert noch nicht.



Quellen und Anmerkungen:

(1) Gesprächsnotiz Connie Wall, 28. November 2018
(2) Vgl. Baab, Patrik und Robert E. Harkavy 2018
(3) Gesprächsnotiz Krister Petersson, August 2018; vgl. auch Jan Stocklassa: Stieg Larssons Erbe, Berlin 2018, S. 14
(4) Anderson, John, Tony Widing, Anders Leopold
(5) Der Begriff stammt von Guillaume Paoli; 2017, S. 7
(6) William Hermann hasste die CIA, obwohl er mit ihr zusammen arbeitete, und zwar aus gutem Grund: Als er in Großbritannien wegen Waffenschmuggels verhaftet wurde, lehnte es die CIA ab, ihm zu helfen.
(7) Gesprächsnotiz Krister Petersson, 31. August 2018
(8) S. Potschien, Günther u. Gabriele Schreib 2018 und die Besprechung von Norbert F. Pötzl, 7. August 2018
(9) S. Stocklassa 2018 und Peter Walker, 25. Februar 2014
(10) Gesprächsnotiz Quelle W.D., Dezember 2018; Mail Robert E. Harkavy, 24. Dezember 2018
(11) Paoli 2017, a.a.O., S. 38
(12) S. Popper, Karl R. 1962, S. 123; www.rosenfels.org/Popper.pdf
(13) S. CIA Document 1035-960 „Concerning Criticism of the Warren Report”, 1. April 1967; www.jfklancer.com/CIA.html
(14) S. Waldron, Lamar u. Thom Hartmann 2009
(15) S. u.a. Walsh, Lawrence D., Norton 1998
(16) S. Draper, Theodore: “A Very Thin Line. The Iran-Contra Affairs”, New York 1992
(17) S. Bergman, Ronen 2018, S. 20
(18) S. Stöver, BerndBeck 2017, S. 11
(19) S. z.B. Schlögel, Karl 2008
(20) S. z.B. Goldhagen, Daniel Jonah 1998
(21) S. Hedeler, Wladislaw (Hg.) 2002 und Jakowlew, Alexander 2004
(22) S. Wildt, Michael (Hg.) 2003 und Rürup, Reinhard (Hg.) 1991
(23) S. Neskovic, Wolfgang (Hg.), Frankfurt am Main 2015, S. 9
(24) Woods, Randall B.: Shadow Warrior. William Egan Colby and the CIA, New
York 2011, besonders in den Kapiteln 14 und 15.
(25) In E-Mails an Robert Harkavy widerrief Grant seine Position in diesem Punkt und legte den Verdacht nahe, das Motiv für den Mord an Colby könnte auch mit seinen Aktivitäten nach dem Ausscheiden aus der CIA im Zusammenhang stehen.
(26) Colby stellte seine Erfahrung und seinen Sachverstand zur Verfügung, so Kalugin, Oleg: Spycraft. The Great Game. https://en.wikipedia.org/wiki/William_Colby. Vgl. auch Melton 1996 sowie Interviews Robert Harkavy mit Vincent Cannistraro, 1990 und 1991.