Die Schein-Debatte

Die Europäische Zentralbank stellt sich gegen die Bevorzugung des digitalen Euros gegenüber dem Bargeld durch die EU-Kommission.

Die EZB, Europas Notenbank, fordert in einem Schreiben von Brüssel, die Akzeptanz von Banknoten und Münzen im Einzelhandel sicherzustellen. Immer mehr Geschäfte lehnen Bargeld mittlerweile ab. Doch einen strikten Annahmezwang sah Brüssel bislang nur für den digitalen Euro vor. Mittlerweile gibt es in verschiedenen europäischen Ländern Bestrebungen, das Recht auf Barzahlung gegen übereifrige Digitalisierungsbemühungen zu verteidigen.

Am 28. Juni 2023 stellte die EU-Kommission zwei Gesetzesentwürfe vor: Es ging um die Einführung des elektronischen Euros und die Rolle von Bargeld in der Zukunft. Die Digitalwährung wurde von Brüssel bevorzugt behandelt. Denn von kleinen Betrieben abgesehen soll künftig jedes Geschäft elektronische Euros annehmen müssen. Wer sich nicht daran hält, dem droht eine Strafe.

Anders beim Bargeld: Hier müssten die Mitgliedstaaten lediglich beobachten, ob die Akzeptanz von Bargeld unter eine kritische Marke fällt. Wann das der Fall ist, wurde nicht genau definiert. In den Vorbemerkungen zur Verordnung findet sich jedoch ein Hinweis: Als wirksame und verhältnismäßige Gegenmaßnahme käme zum Beispiel infrage, „Postämter, Supermärkte, Apotheken oder das Gesundheitswesen“ auf die Annahme von Banknoten und Münzen zu verpflichten. Folglich wäre nicht gewährleistet, dass Bargeld auch in Zukunft allgemeine Akzeptanz besitzt.

Widerstand aus Frankfurt

In einem Schreiben vom 13. Oktober 2023 stellt sich die Europäische Zentralbank (EZB) nun „entschieden gegen die von der Kommission beabsichtigte Benachteiligung von Münzen und Scheinen als Zahlungsmittel“, wie Norbert Häring schreibt. Der bekannte Wirtschaftsjournalist ging bis zum Europäischen Gerichtshof, um ein Urteil zu erwirken, das staatliche Stellen gezwungen hätte, das gesetzliche Zahlungsmittel Bargeld zu akzeptieren — ohne Erfolg. Norbert Häring hat Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Einzelhändler können Banknoten und Münzen ablehnen. Sie brauchen nur mit einem Schild an der Ladentür darauf hinzuweisen. Daran übt die EZB Kritik.

In den Verordnungsvorschlag solle eine neue Bestimmung aufgenommen werden, aus der klar hervorgehe, dass Läden die Annahme von Bargeld nicht generell ausschließen dürfen.

Die Mitgliedstaaten hätten besser „die Einhaltung des Verordnungsvorschlags durchzusetzen, indem sie auch Strafen festlegen und Strafen gegen den Ausschluss von Euro-Bargeld verhängen, anstatt zu überwachen, wie verbreitet dieser rechtswidrige Zustand in ihrem Hoheitsgebiet ist“.

Händler lehnen Bargeld ab

Zuletzt forderte Österreichs Nationalbankchef Holzmann eine Annahmepflicht für Banknoten und Münzen. Im Interview mit der Kronen-Zeitung sagte er am 14. August 2023: „In den Niederlanden nehmen zwölf Prozent der Apotheken kein Bargeld mehr an.“ Auch in rund 22 Prozent der Kinos gehe Barzahlung nicht mehr. „‚Wehret den Anfängen‘, kann ich da nur sagen.“

Seit Januar 2023 lehnt eine deutsche Elektronikkette mit 40 Filialen Bargeld ab. Selbst an so mancher Bäckerei geht der Trend nicht vorbei. Gleichzeitig existieren gegenläufige Entwicklungen: Ein Gasthof in Sachsen gibt Barzahlern 3,5 Prozent Rabatt. In Spanien ist der Einzelhandel seit Mai 2022 verpflichtet, Banknoten und Münzen anzunehmen.

Laut Europäischer Zentralbank bleibt die Bargeldakzeptanz an physischen Verkaufsorten rückläufig. Gemessen an der Anzahl der Zahlungsvorgänge soll sie in Finnland und Lettland zwischen 2019 und 2022 um neun Prozentpunkte zurückgegangen sein, in Belgien um sechs Prozentpunkte und in Malta, Irland und Estland um fünf Prozentpunkte. In Deutschland akzeptieren 98 Prozent der Unternehmen in Sektoren mit hohem Anteil an Privatkunden Banknoten oder Münzen.

Österreichs Bundeskanzler startete im August 2023 eine Initiative mit dem Ziel, die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld für die Zukunft sicherzustellen. Das bezweckt auch die Schweizer Volksinitiative „Ich zahle bar“. Damit alle Eidgenossen darüber abstimmen können, ob die Barzahlung Verfassungsrang erhält, müssen bis September 2024 weitere 90.000 Unterschriften zusammenkommen.