Die Selberdenkerinnen

Die Konferenz „Heroica“ stärkt Frauenrechte in einer Zeit, in der diese sowohl von konservativer als auch von „woker“ Seite einigen Angriffen ausgesetzt sind.

In Zeiten, in denen Gendersternchen groß-, aber echte Frauenrechte kleingeschrieben werden, etabliert sich eine neue Frauenrechtsbewegung rund um die Gruppe der Frauenheldinnen. Sie haben sich die schwierige Aufgabe vorgenommen, Frauen der unterschiedlichsten Couleur an einen Tisch und miteinander ins Gespräch zu bringen, solange sie sich zumindest in einem Punkt einig sind: in ihrem Wunsch, die Würde und Freiheit von Frauen und Mädchen zu stärken. Ein Bericht über eine spannende Konferenz mit großer Vielfalt und streckenweise dünnem Eis.

Die Konferenz für widerständige Frauen nennt sich „Heroica“ und fand dieses Jahr zum zweiten Mal statt. 170 Frauen trafen sich für drei Tage, um über die wichtigsten Themen der Frauenbewegung zu reden und darum zu ringen. Das ist ein spannendes Projekt, denn was sie alle eint, ist nicht nur ihre Forderung nach Frauenrechten. Sie sind allesamt streitbare Idealistinnen, die sich engagieren wollen für eine bessere Welt, und nicht eine von ihnen ist eine brave Jasagerin — ausschließlich Frauen, die gerne selbst denken und diese Ansichten dann auch durchfechten wollen. Mit sehr verschiedenen konkreten Einzelpositionen. Eine interessante Gemengelage also.

Um ein Bild zu schaffen, seien hier die fünf völlig verschiedenen Frauen porträtiert, denen jeweils ein Preis der Frauenheldinnen 2025 verliehen wurde. Denn dieser große Bogen sagt viel über die Gruppierung und ihre Mission aus.

Beginnen wir mit Birgit Kelle, die für ihr Buch zu Leihmutterschaft „Ich kauf mir ein Kind“ ausgezeichnet wurde. Sie ist verheiratet, Mutter von vier Kindern, streitbar, konservativ, familienpolitisch ausgerichtet und kann mit den herkömmlichen Forderungen der Frauenbewegung eher wenig anfangen. Wenn es aber um die Politik der Leihmutterschaft, der Frage der Transgesetzgebung oder der Sicherheit von Frauen und Mädchen im öffentlichen Raum geht, da wird Birgit Kelle leidenschaftlich, und das laut und deutlich.

Für ihr Projekt „Was ist eine Frau“ erhielt Rona Duwe den Preis für die beste Kampagne. Sie ist eine Radikalfeministin mit Leidenschaft. Vielleicht tue ich ihr da unrecht, aber ich habe von ihr noch nicht viel Versöhnliches in Richtung Männer gehört. Patriarchale Strukturen erkennen, benennen und bekämpfen, das tut sie kompromisslos und mit viel Expertise. Eine junge Alice Schwarzer. Außer in dem einen Punkt, dass es ihr ziemlich egal zu sein scheint, was andere über sie denken. Wer mit ihr nicht klarkommt, muss halt noch an sich arbeiten. Ihre Texte, ihre Energie und ihr Substack sind für viele Frauen eine Inspiration. Ein Leuchtturm.

Noch bunter wird der Strauß, wenn man Anabel Schunke, die den Preis als beste Journalistin gewonnen hat, dazunimmt. Mit 600.000 Followern schreibt sie vor allem für sehr konservative Journale, gelegentlich aber auch für die Emma. Sie liebt Chanel, kurze Röcke, perfektes Make-up und sticht da schon ein wenig gegenüber den meisten Frauenbewegten heraus, die hinter Stöckelschuhen tendenziell doch eine Unterwerfung unters Patriarchat vermuten. Ihre Thesen sind sehr klar, vor allem wenn es um Zuwanderung geht. Sie kämpft mit Überzeugung für Meinungsfreiheit, Frauenrechte und gegen Islamismus und ist damit tatsächlich eine wichtige Stimme innerhalb der neuen Frauenbewegung geworden.

Egal was auf der Welt passiert, man kann sich ziemlich sicher sein, dass man Anabel Schunke auf der Seite der Frauen und Mädchen wiederfindet.

Den Preis für das beste Medium haben die beiden Macherinnen des Formats „Die Podcastin“ gewonnen. Isabel Rohner und Regula Stämpfli sind beide Geisteswissenschaftlerinnen, promoviert; die eine ist Expertin für die Philosophin Hanna Arendt, die andere für die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm. Gemeinsam haben sie über 200 Podcasts mit „feministischen Wochenrückblicken“ entwickelt, denen immer erstmal ein literarisches Zitat vorweggestellt wird.

Alle diese Frauen haben sich ohne Zweifel für die Würde und Freiheit von Frauen eingesetzt und dabei vieles erreicht. Abgesehen davon könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Eine Familienmutter, eine Radikalfeministin, eine pointiert politische Journalistin und zwei Wissenschaftlerinnen. Es wäre sicherlich interessantes Reality-TV, die fünf gemeinsam auf einer einsamen Berghütte auszusetzen und zu gucken, was passiert. Unter dem Schirm der Heroica wird jeder von ihnen die Möglichkeit gegeben, ihre Sichtweise zu vertreten. Das macht die Veranstaltung sehr viel spannender, als wenn immer die Gleichen immer das Gleiche wiederholen. Aber natürlich auch viel zerbrechlicher. Und das betrifft erstmal nur die Frauenthemen. Von Gaza, Russland und dem Klimawandel braucht man gar nicht anzufangen, wenn man schlussendlich auf einen gemeinsamen Nenner kommen will.

In den letzten Jahren haben sich viele Widerstandsbewegungen, die mit großen Idealen angetreten sind, selbst zerlegt. Zu schnell kamen die Egos ins Spiel und damit der Streit. Die Frauenheldinnen versuchen gar nicht erst, die eine Wahrheit festzulegen. Ihr Ziel ist es von vornherein, Widersprüche auszuhalten.

Und vielleicht funktionieren Konzepte ja besser, wenn man gar nicht antritt mit der Idee, alle in allem zu einen. Vielleicht hat man eine bessere Chance, wenn man anerkennt, dass die Ansichten sehr verschieden sind. Und dass es um eine Koalition in nur einen einzigen Punkt geht: einzutreten für Mädchen und Frauen.

Unter diesem Vorzeichen hat die Vorsitzende Eva Engelken eine große Gruppe an Expertinnen auf die Konferenz bekommen, altgediente wie Alice Schwarzer, ausländische Vertreterinnen aus Spanien und England, viele aktive Frauen zu unterschiedlichen kontroversen Themen wie Islamismus, Selbstbestimmungsgesetz, Pornografie in Schulen und vielem, vielem mehr. Tagsüber wurde diskutiert, abends gefeiert. Und die Stimmung war gut.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Konzept weiter aufgeht. Für die Frauenheldinnen, die mit solcher Energie an der Heroica arbeiten. Vor allem aber für die Frauen und Mädchen, die in den letzten Jahren viel verloren haben in diesem Land.