Die Stimme des Friedens
Am 13. September 2019 veröffentlichte der Rapper Kilez More seine neue EP „Voice of Peace“.
Zwei Jahre nach dem überaus erfolgreichen „Alchemisten“-Album, erschien jetzt im September die neue Kilez-More-EP „Voice of Peace“. Da davon auszugehen ist, dass auch VoP, wie damals das „Alchemist“-Album — trotz starker Chart-Platzierung —, von den (HipHop)-Medien totgeschwiegen, von Formaten wie RapSlap und Konsorten in Ermangelung genretypischer Skandale unbeachtet und von dem Zappelphilipp mit der bunten Maske unerwähnt bleiben wird, muss sich wohl Rubikon als politisches Magazin der Aufgabe einer Rezension annehmen. Die zu erwartende Arbeitsverweigerung der HipHop-Medien ist bedauernswert. Denn der Österreicher zeigt im Jahr 2019 — frei mit den Worten von PTK —, was HipHop mal war: etwas mit Message!
„Ich bin Back!“ Kaum eine Phrase dürfte im deutschen Rap so ausgelutscht sein wie die, dass man als Rapper nun „back“, also zurück sei. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass dieser Ausruf häufig von Rappern ins Mic „gespittet“ wird, die nie wirklich da gewesen sind. Insofern wäre es von Kilez More wenig einfallsreich, seine groß angekündigte EP mit ausschließlich diesen Worten einzuleiten. So greift er diese Phrase auf, ändert aber den Ankunftsort seiner Rückkehr ab. Kilez ist nicht back im Rap-Game, welches er sich anschickt — wie vermeintlich viele andere vor ihm auch — zu „zerficken“, auch ist er nicht back in irgendeiner Hood, in welcher er Street-Präsenz zeigen möchte, sondern er ist back ... bei sich selber. Er ist bei sich, in seiner eigenen Mitte angekommen.
Dieser Umstand stellt den Leitfaden der „Voice of Peace“-EP dar. Die Platte geht in eine gänzlich andere Richtung als das „Alchemist“-Album von 2017. Wer sich hier nun wieder ein Faktengewitter über Geopolitik, finstere Machenschaften in den Hinterzimmern infamer Think Tanks und Geheimorganisationen erhofft, so wie bei den Tracks „NWO“ oder „Leben und Tod des Imperialismus“, dürfte von der neuen Platte schwer enttäuscht werden.
Der Feind im Außen wird – wenn überhaupt – nur am Rande angeschnitten. Der Fokus liegt hier klar und deutlich auf den Konflikten, Kriegen und letztlich dem Feind im Inneren, dargestellt am autobiographischen Beispiel von Kilez More himself.
Das Album-Cover zu „Voice of Peace“
Zum Verständnis der Namensgebung und des Covers der EP bedarf es eines gewissen Hintergrundwissens. Das auf dem Cover abgebildete Dampfschiff, welches durch das tosende Wellenmeer manövriert, ist eine Darstellung des Schiffes des israelischen Friedensaktivisten Abie Nathan. Dieser betrieb auf eben so einem Schiff in den internationalen Gewässern des Mittelmeers einen Piratensender, der für diese EP namensgebend war: „Voice of Peace“. Von dort aus sendete Nathan Friedenssongs in alle Himmelsrichtungen, an alle Menschen, ganz gleich, hinter welcher Front sie (im Nahostkonflikt) standen.
So bewegt sich auch Kilez More in einem tosenden Wellengang. Während die Mehrzahl der deutschen Rapper mit gewalt- und drogenverherrlichenden Inhalten (Stichwort: „Kokaina“, „Gib mir Tilidin“ et cetera) scheinbar gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert sind – was im Sinne der künstlerischen Freiheit auch gerechtfertigt sein mag – muss man sich als Rapper, der sich für den Frieden einsetzt, warm anziehen.
Googeln besorgte Mütter den Truthrapper, um zu erfahren, was ihre Kinder da für Musik hören, lesen sie gleich in der ersten Zeile bei Wikipedia, dass es sich bei Kilez um einen „verschwörungsideologischen“ Rapper handle. Wenn dieser in Walddorfschulen auftritt, schlagen Bundeszentralen für politische Bildung Alarm, während man kein Problem damit hat, Panzer der Bundeswehr auf Schulhöfen zu parken, und Jungoffiziere gewähren lässt, wenn sie baldigen Schulabgängern ein Dasein als Kanonenfutter schmackhaft machen.
Eine verrohende, inhaltsleere, mit Autotune-Pest überzogene „HipHop-Kultur“, die sich ausschließlich um Para, Schmuck, Bitches und Drogen dreht auf der einen Seite – und eine sich sukzessiv in der Zivilgesellschaft breitmachende Militarisierung auf der anderen. Da treibt ein Kilez More mit seiner friedensstiftenden EP wahrlich allein in einem tiefen, schwarzen Meer. Betrachten wir im Nachfolgenden die EP in einer Track-by-Track-Analyse.
Back | Zurück bei mir
Die EP beginnt auf einem wirklich fresh-fröhlichen Beat mit der oben bereits erwähnten Einleitung, dass Kilez nun back bei sich selber sei. Der Flow ist äußerst energiegeladen. Die Parts beinhalten ein paar schöne Referenzen an das Vorgängeralbum „Alchemist“ und ein paar freche, aber nicht hasserfüllte Seitenhiebe an die Kommerzialisierung der Deutschrap-Kultur durch Klickkäufe, die Kenner der Szene zum Schmunzeln bringen dürften.
Zwar ist es naheliegend, den ersten Track einer EP mit dem Namen „Voice of Peace“ mit einer Gesangshook zu versehen, um die Stimme in den Vordergrund zu rücken. Nur klingt diese leider etwas arg schief. Hier wäre es vielleicht sogar sinnvoll gewesen, Autotune einzusetzen, um den Friedensgedanken in den stilistischen Zeitgeist einzuflößen. Die anschließenden Crowd-Shots vom Pax-Terra Musica – „Kilez More! Kilez More!“ – implizieren einen Personenkult, der in der Friedensbewegung eigentlich so nicht existieren sollte. Auch wenn die EP laut dem Booklet „ein(en) musikalischen Einblick in (die) Seele (von Kilez More)“ liefern soll, ist diese Hook dann doch etwas zu viel des Guten.
Somit beginnt die EP etwas holprig, aber mit dem zweiten Track werden anfängliche Schwächen gleich ausgebügelt ...
Friedensbewegung
Nach dem Intro geht es mit der ersten Single-Auskopplung „Friedensbewegung“ weiter, zu der ein simples, doch geiles Video gedreht wurde.
Auf einem sehr euphonischen, kraftspendenden Piano-Beat rappt Kilez über die Paradoxie, dass man sich heute für den Einsatz für echten, positiven Frieden im Sinne der Aufklärung mehr rechtfertigen muss, als wenn man ein Land mit Krieg überzieht. Während heute die als „verantwortungslos“, als Weichei oder gar als grob fahrlässig gelten, die nicht bereit sind, die Privilegien des Westens, die vermeintliche Demokratie mit militärischen Mitteln zu verteidigen, werden jene hofiert, die sich über das Völkerrecht hinwegsetzen und unter dem Vorwand, humanitäre Hilfe leisten zu wollen, Länder überfallen, wobei doch eigentlich fast jeder mittlerweile weiß, dass es um nur um Rohstoffe geht.
Diese Wut darüber verpackt Kilez in starke Parts, die dann in einer sehr energetischen Hook kulminieren. Diese lässt den Kilez-Kritikern, Psiram-Rambos und anderen Schreibtischtätern wenig Angriffsfläche:
„Ihr wollt einen Satz zum Zitieren? /
der erste Weltfrieden ist das Ziel einer Friedensbewegung“.
Kein Phönix ohne Asche
Der wunderschöne Geigen-Beat dürfte all jenen bekannt vorkommen, die die letzten Single-Auskopplungen bis zum Ende angehört haben. Dieser Beat wurde bereits in den Outros hinter den Musikvideos unterlegt. Der Wunsch, den sicher viele Kilez-Hörer hegten, dass dieser Beat nicht einfach nur ein Abfallprodukt aus dem Produktionsprozess darstellte, ging hiermit in Erfüllung.
„Kein Phönix ohne Asche“ ist ein klassischer „Steh-wieder-auf-Track“, der stellenweise ins Pathetische abdriftet, es aber über weite Teile vermag, mit starker Lyrik zu überzeugen. Der Track dürfte nicht nur für die vielen zahlreichen Hörer und Hörerinnen in zerrüttenden Lebenskrisen ein enormer Trostspender sein.
Gleichzeitig stellt er ein Hochhalten und Glorifizieren bestimmter Werte dar; eine klare Verurteilung von wettbewerbsorientiertem Ellenbogendenken, in dessen Rausch man selbst seinen Liebsten in den Rücken fällt, um auf opportunistische Art und Weise nach oben zu kommen. Eine explizite Warnung, „oben“ angelangt nicht in Hybris zu verfallen, da der tiefe Fall häufig nur einen kleinen Schritt entfernt ist. Und dass man sich auch nicht dazu verleiten lassen solle, auf die Menschen, die gerade unten sind, herabzublicken, sondern sich in diesen zu erkennen, da man selber vor nicht allzu langer Zeit an ihrer Stelle stand.
Mit den Schattenseiten des eigenen Charakters geht es zugleich im Nachfolgetrack „Mosaik“ weiter.
Mosaik
Mosaik ist das absolute Highlight dieser Platte! Mehr noch! Thematisch dürfte es einer der wichtigsten Tracks sein, die jemals im deutschen Rap recorded wurden! Ob nun die nach HipHop-Beef lechzende Deutsch-Rap-Boulevard-Presse, die Rüstungskonzern-Presse, die Kriege und damit verbundene Feindbilder herbeischreiben, oder die Truther, die das Böse immerzu nur in der NATO, den Bilderbergern, den Illuminaten oder gar in Greta Thunberg sehen – es geht immer nur um den Feind im Außen, niemals um den Feind im Inneren.
Bei all den Rufen nach Frieden innerhalb der Friedensbewegung wird selten die Frage gestellt, wie friedlich man eigentlich selber ist. Wie häufig steht das Trennende, das Ego, der Drang, es besser und richtiger wissen zu wollen als der andere, vor dem Verbindenden? So friedlich, wie sich viele Friedensaktivisten nach außen hin geben, sind sie am Ende dann doch nicht. Häufig spiegeln sich in ihren Worten und Taten unverarbeitete Trauma-Strukturen.
Frieden kann erst entstehen, wenn er im Inneren des Menschen Einzug erhält. Das ist etwas, was gerade zu vielen Linken noch nicht durchgedrungen ist und von selbigen häufig als esoterische Spinnerei abgetan wird. So notwendig der Einsatz für den Frieden im Außen ist – beispielsweise durch die Schließung von Ramstein und der Atomwaffen-Basis Büchel oder die Verbannung der Bundeswehr aus den Schulen –, so ist er letztlich nur die halbe Miete, wenn der Mensch sich in seinem Inneren nicht befriedet. Ein alleiniger Einsatz für den Frieden im Äußeren ist letztlich nur eine Projektion, die den eigenen kriegerischen Anteil im Inneren ausklammert. Diese eröffnet nun mal tiefe Abgründe, in die zu blicken sich nur wenige getrauen.
Was Kilez More auf „Mosaik“ macht: Er startet einen Beef mit dem Abgründen seines Inneren. Und das ist unfassbar stark! Die unerschrockene, kompromisslose Konfrontation mit dem eigenen „bösen Zwilling“ ist eine der wichtigsten Messages unserer heutigen Zeit. Mosaik hört sich an, als hätte man fünfzehn KenFM-Tagesdosen von Rüdiger Lenz zu einer vierminütigen, gewaltigen Überdosis zusammengestampft. Auch gibt Kilez dem Hörer klar zu verstehen, was Daniele Ganser neuerdings auch stets in seinen Vorträgen den Zuhörern mitgibt:
Wir sind nicht unsere Gedanken, sondern lediglich das Bewusstsein, in welchem unsere Gedanken entstehen!
So rappt Kilez:
“finde dich /
wir sind nicht unsere Gedanken /
sondern die Stille dazwischen /
Bewusstsein ohne Schranken“
Am Ende bildet den Höhepunkt der Platte keine Aufeinanderstapelung häufig gehörter Phrasen, sondern eine lyrisch meisterhaft verpackte Botschaft, die eindeutig viel mehr Beachtung finden muss. Solche Botschaften braucht es gerade in der heutigen Zeit dringender denn je, in denen Familien zunehmend erodieren und die Rap-Landschaft von (traumatisierten) Rappern dominiert wird, die einzig und allein die Anhäufung nicht benötigter, lediglich der nach außen projizierten Selbstdarstellung dienlicher Prestigeobjekte glorifizieren und ruchloses, egoistisches und unmoralisches Handeln vorleben.
Neben der lyrischen Glanzleistung lebt auch dieser Track von einem wunderbaren Geigenbeat, dessen Samples aus den Federn von Morgaine stammen, die uns im weiteren Verlauf der EP noch mit ihrem Gesang bereichern wird. Das bedrückende, düstere Musikvideo zu „Mosaik“ ist ebenfalls ein Meisterwerk, welches der musikalisch-lyrischen Qualität des Tracks vollkommen Rechnung trägt!
Erinnerungen | pt. 1
„Erinnerungen“ ist ein äußerst autobiographischer Track auf einem wieder mal wunderschönen Beat mit gelungen Vocal-Samples. Diesen Track widmet Kilez seinem — sofern man die Zeilen richtig deutet — älteren Stiefbruder.
Kilez lässt seine Kindheit Revue passieren, rappt Lobeshymnen auf Oldschool-Hiphop, die Nintendo-Ästhetik und auf die In-der-Kindheit-war-alles-besser-Nostalgie. Die Schattenseiten werden nicht ausgespart, und so scheut sich Kilez — sofern man auch hier die Zeilen richtig deutet — nicht, obgleich er mit der Voice of Peace rappt, seinen gewalttätigen und gefühllosen Stiefvater namentlich auf dieser Platte auf ewig als „Hurensohn“ zu brandmarken.
Zu den mannigfaltigen Emotionen, die in uns hausen, gehört eben auch die Wut bis hin zu blankem Hass, und Kilez macht hierbei keinen Hehl daraus, dass diese Emotionen auch in ihm vorhanden sind. So heißt es im Booklet ebenfalls:
„Ich entdecke täglich neue Stücke (in mir — Anmerkung des Verfassers), helle und dunkle. Keines möchte ich missen.“
Die Lyrik ist sehr spezifisch auf das Leben des Wiener Rappers maßgeschneidert. Für all jene Hörer, die entweder nicht aus dem direkten Umfeld von Kilez kommen oder diesem nicht gerade als Hardcore-Fans Stan-mäßig nacheifern, nutzt sich der Text auf dem schönen Beat sehr schnell ab. Es ist natürlich ein interessanter Einblick in das Leben von Kilez More, aber nach zwei-, dreimal anhören kennt man die Geschichte und verspürt auch nicht das Bedürfnis, sich diese zum x-ten Mal anzuhören. Da wäre eine Zusatz-CD mit den Instrumentals durchaus sinnvoll gewesen.
Wir könn(t)en
Mit „Wir könnten“ liefert Kilez kurz vor Ende ein weiteres Schmankerl der Platte ab. Als Feature-Gäste hat er sich zwei der üblichen Verdächtigen aus dem Kilez-Umkreis dazu geholt. Äon liefert hier einen sehr starken Part ab. Morgaine verleiht mit ihrer unbeschreiblich schönen Stimme (des Friedens) dem Track eine Hook, die dafür sorgt, dass sich der Song ins Gedächtnis des Hörers einprägt.
Der Inhalt ergibt sich bereits aus dem Namen: Es wäre ein Leichtes, so viele Ideen aus utopischen Gedankenkonstrukten Realität werden zu lassen, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Viel zu oft seien wir der Illusion erlegen, dies und jenes sei nicht möglich und wir als einzelnes Individuum seien sowieso total machtlos.
Dieser Song ist ein Appell zur Selbstermächtigung. Keine Parole für egomanisches Handeln á la „Das ist Alpha“, sondern ein Aufruf, kooperativ und im Einklang mit der Natur auf eine bessere Welt hinzuarbeiten.
Das Musikvideo dazu ist ebenfalls sehr einfallsreich: Zahlreiche Menschen von Jung bis Alt vor einer Backsteinmauer rappen/singen den Song mehr oder weniger lippensynchron mit. Ob der wichtigen Message sieht man darüber schmunzelnd hinweg, dass dies aufgrund der Diskrepanz zwischen optischen und akustischen Reizen stellenweise etwas unfreiwillig komisch aussieht.
Voice Of Peace
Zum Ende folgt der gleichnamige Track der „Voice of Peace“-EP. Nach Original-Einspielungen von Abie Nathan mit daruntergelegtem Meeresrauschen wehen kurze Piano-Klänge, gefolgt von einem beruhigenden E-Gitarren-Beat mit der Sanftheit einer Massage in das Gehör, in dem Kilez mit einer ebenso ruhigen, behutsamen Stimme seine Friedensbotschaft zementiert. Am Ende gibt es dann für Abie-Nathan-Fans ein verstecktes Easteregg, wenn er rappt:
“und wenn ich nicht triumphiere /
soll auf meinem Grabstein stehen /
dass ich es zumindest probierte.“
Denn auf Abie Nathans Grabstein steht „Nissiti“, hebräisch für „Ich habe es versucht.“
Friedens-Rap-Monopol in einem Trap-Autotune-Polypol
Zwar ist VoP für eine EP relativ lang, aber im direkten Vergleich zu „Alchemist“ – bei welchem insbesondere der 13-minütige Track „Leben und Tod des Imperialismus“ die Platte deutlich in die Länge gezogen hat – natürlich sehr kurz. Dieser Umstand hinterlässt den Rap-Hörer mit einem gewissen Problem. Nachdem er von dieser EP mit friedlichen Vibes nur so betört wurde, hat er danach keine Lust mehr auf materiell-egomanische Selbstbeweihräucherungen, übertriebenes Waffengelaber oder Shisha-Bar-Musik.
Schon nach dem ersten Hören stellt man schnell fest, dass diese wenigen Tracks süchtig machen.
Und von da an realisiert man, wie eklatant diese Marktlücke im deutschen Rap klafft: Politisch-spiritueller Rap ist derzeit äußerst rar! Kilez More ist in dieser Sparte und auf diesem technischen Niveau im Deutsch-Rap leider allein auf weiter Flur.
Da ist es fast ein bisschen schade, dass Kilez uns hier keinen Trap-Song mit politischem oder spirituellen Inhalt liefert. Trap geht mit seinen wuchtigen Bässen und experimentellen Spielereien sehr gut ins Ohr, wodurch man die Inhalte dem Zeitgeist hätte injizieren und somit die politisch/spirituelle Message auf einem Trap-Beat wunderbar als trojanisches Pferd in die Clubs und Shisha-Bars hätte schmuggeln können.
Fazit
In einer Rap-Review darf natürlich die Beurteilung der Box nicht fehlen. Bei „Alchemist“ hatte das mit der Box doch ein gewisses Geschmäckle, da man diese über die Verbrecherplattform Amazon erwerben musste.
Bei VoP ist die Box ganz underground und im Sinne der Realness ausschließlich im Kilez-More-Online-Shop erhältlich und damit unter Ausschluss einer Gewinnbeteiligung durch Jeff Bezos. Und wenn das nicht schon schön genug wäre, ist der gesamte Inhalt gänzlich frei von Plastikverpackungen. Das exklusive VoP-Shirt ist Fairtrade und ökologisch nachhaltig produziert. Es gibt zudem eine riesige Menge an Aufklebern, sowohl von Kilez More als auch von allen großen Alternativmedien, mit denen man Laptop und Handy bestücken und sich mit dieser Außendarstellung gegen eine „seriöse“ Karriere immunisieren kann.
Dass die Tracks so gut ins Ohr gehen, liegt ganz klar auch an der erstklassigen Beat-Produktion, die eine klare Steigerung gegenüber dem ohnehin schon sehr starken „Alchemist“-Album darstellt. Von daher gebührt den Produzenten Allrounda, Dansonn, Naze, Magestick, Epistra, Veysigz und Myrd Schenk ganz großes Lob!
Kilez More hat sich in den zwei Jahren nach „Alchemist“ deutlich weiterentwickelt. Diese Entwicklung lässt er nicht nur in der Lyrik durchblitzen. Auch optisch versucht er dem Anschein nach, diese Entwicklung visuell nach außen zum Ausdruck zu bringen. Auch mag dies daran liegen, dass Kevin Mohr voriges Jahr in der Schaffenspause 30 Jahre alt geworden ist. War der junge Wiener schon immer mit einer sehr jugendlichen Erscheinungsform gesegnet, hat er nun eine für sich gefunden, die einen Reifegrad und ein Erwachsensein — nicht im spießbürgerlichem Sinne(!) — impliziert.
Die gegelten Haare, der Drei-Tage-Bart, die schwarze, schusssichere Weste mit der weißen Friedenstaube auf weißem Shirt geben dem Friedensrapper eine gänzlich neue physische Präsenz. Mit dem eben beschriebenen Outfit bedient er sich derselben visuellen Zeichensprache des Albumcovers von „Jung, brutal, gutaussehend 3“, aber abgeändert in „Jung, friedlich, gutaussehend“.
Schlussfolgernd ist die „Voice of Peace“-EP ein kurzer, aber langlebiger Player, der wohl noch auf vielen Demos und Friedenscamps in der Dauerschleife laufen wird. Die sieben Songs eignen sich wunderbar zum Aufhellen finsterer Stunden, zum Aufraffen für politischen Widerstand oder nachts als akustischer Geschmacksverstärker für die schönste Friedensbewegung in inniger Zweisamkeit.