Die Waffenstillstand-Lüge

Trumps „Friedensplan“ ist zum Scheitern verurteilt. Noch nie hat sich ein Volk mit dauerhafter Knechtschaft und Unterdrückung abgefunden. Die Palästinenser werden da keine Ausnahme bilden.

Jetzt ist ja alles gut, oder? Als Folge des umsichtigen Wirkens von Donald Trump kam es — so scheint es — zu einem Waffenstillstand zwischen der Hamas und der israelischen Armee. Der Gaza-Krieg ist vorbei, der Wiederaufbau kann beginnen, eine Epoche des Friedens dämmert herauf. An ein solch geschöntes Bild möchte der britische Journalist Jonathan Cook jedoch nicht so einfach glauben. Sein erster Einwand: Der „Gaza-Krieg“ ist überhaupt kein Krieg. Das Gemetzel eines haushoch überlegenen Aggressors an der hilflosen Bevölkerung eines „feindlichen“ Landes kann man kaum so bezeichnen. Und eben diese Überlegenheit könnte Israel zu der Schlussfolgerung führen: „Warum sollten wir aufhören, wenn es gerade so gut läuft?“ Der Friedensoptimismus verkennt die längerfristigen strategischen Pläne der Regierung Netanjahu. Er verkennt außerdem die Tatsache, dass sich die tiefen Wunden der Palästinenser nicht einfach dadurch schließen lassen, dass man vorübergehend damit aufhört, auf sie einzustechen. Das Image des „Friedenspräsidenten Trump“war von Anfang an ein Fake, der vor der Geschichte keinen Bestand haben wird.

Ein Waffenstillstand hält, wenn beide Kriegsparteien einen militärischen Patt erreicht haben oder wenn die Anreize für das Niederlegen der Waffen bei beiden Seiten größer sind als für die Fortsetzung des Blutvergießens.

Nichts davon trifft auf Gaza zu.

Die letzten zwei Jahre in der Enklave waren vieles; eines waren sie jedoch nicht: ein Krieg — was auch immer westliche Politiker und Medien uns glauben machen wollen.

Demzufolge ist das derzeitige Narrativ eines „Waffenstillstands“ ebenso eine Lüge wie die vorherige Erzählung eines „Gaza-Krieges“.

Der Waffenstillstand ist nicht „fragil“, wie man uns immer wieder sagt. Er existiert gar nicht, wie Israels anhaltende Verstöße beweisen, von seinen Soldaten, die weiterhin palästinensische Zivilisten erschießen, bis hin zur Blockade der versprochenen Hilfslieferungen.

Was also geht hier wirklich vor?

Um den „Waffenstillstand“ sowie den noch illusorischeren 20-Punkte-„Friedensplan“ von US-Präsident Donald Trump zu verstehen, müssen wir erst herausfinden, was die frühere „Kriegs“-Rhetorik verschleiern sollte.

Während der letzten 24 Monate erlebten wir etwas zutiefst Unheilvolles. Wr sahen Israel, einem regionalen militärischen Goliath, der vom globalen militärischen Goliath der Vereinigten Staaten unterstützt und bewaffnet wird, beim wahllosen Niedermetzeln einer überwiegend zivilen Bevölkerung zu, die bereits seit 17 Jahren belagert wurde.

Wir sahen bei der Zerstörung fast jedes einzelnen Wohnhauses im Gazastreifen zu, der bereits zuvor einem Konzentrationslager für seine Bewohner glich.

Wie schon vor Jahrzehnten, als sie mit Waffengewalt aus ihrem Land, das nun Israel ist, vertrieben wurden, wurden Familien in provisorische Zelte gezwängt. Diesmal jedoch setzte man sie einem giftigen Gemisch aus dem Schuttstaub ihrer ehemaligen Häuser und den Rückständen von Bomben aus, die auf die Enklave abgeworfen wurden und einem Vielfachen der Sprengkraft der Hiroshima-Bomben entsprechen.

Wir sahen zu, wie eine gefangen genommene Bevölkerung monatelang ausgehungert wurde, was, nach wohlwollender Einschätzung, einer unverhüllten Politik der Kollektivstrafe gleichkam — ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für das der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu vom Internationalen Strafgerichtshof verfolgt wird.

Hunderttausende Kinder haben, neben ihren psychischen Traumata, durch eine Mangelernährung, die ihre DNA verändert hat, körperliche Schäden davongetragen — Schäden, die sie höchstwahrscheinlich an künftige Generationen weitergeben werden.

Wir sahen zu, wie die Krankenhäuser in Gaza, eines nach dem anderen, systematisch zerstört wurden, bis der gesamte Gesundheitssektor ausgehöhlt war und weder die Flut der Verwundeten noch die wachsende Anzahl unterernährter Kinder bewältigen konnte.

Wir sahen bei den groß angelegten Aktionen ethnischer Säuberungen zu, in denen Familien — oder, die, die davon übrig waren — aus „Todeszonen“ in Gebiete vertrieben wurden, die Israel als „Sicherheitszonen“ bezeichnete, die jedoch schnell und ohne Ankündigungen in neue Todeszonen verwandelt wurden.

Und als Trump den Druck für einen „Waffenstillstand“ erhöhte, sahen wir dabei zu, wie Israel eine Orgie der Gewalt entfesselte und dabei so viel wie möglich von Gaza City zerstörte, bevor die Frist (für den Beginn des Waffenstillstands) ablief.

Die Rhetorik eines „Gaza-Kriegs“

Nichts davon kann oder sollte als Krieg bezeichnet werden.

Die Vereinten Nationen, alle großen Menschenrechtsorganisationen weltweit, darunter Israels B´Tselem und die weltweit führenden Genozid-Wissenschaftler sind sich darin einig, dass die Geschehnisse in Gaza einem Völkermord entsprechen, wie er in der von Israel, den USA, Großbritannien und der EU ratifizierten Völkermordkonvention der UN definiert wurde.

Dennoch war die Rhetorik Israels und des Westens über den „Krieg“ entscheidend dafür, der westlichen Öffentlichkeit eine Rhetorik über einen „Waffenstillstand“ zu verkaufen, die ebenso verlogen war wie die Hoffnung auf „Frieden“.

Die Lüge über den aktuellen Waffenstillstand ist das Gegenstück zu der Lüge über den „Krieg in Gaza“, die uns in den letzten beiden Jahren erzählt wurde. Das Framing dient genau demselben Zweck: Israels größere Ziele zu verschleiern.

Am Dienstag (Der Artikel stammt vom 17. Oktober 2025, also ist anzunehmen, dass der 14. Oktober gemeint ist; Anmerkung der Übersetzerin) tötete Israel weitere Palästinenser, mitten im „Waffenstillstand“ und während die Leichname der Israelis und Palästinenser ausgetauscht wurden. Unter anderen Medien war es die Financial Times, die berichtete, dass israelische Soldaten an diesem Tag „mehrere“ Palästinenser getötet hatten.

Zuvor hatten israelische Soldaten Videos veröffentlicht, in denen sie bei ihrem Abzug aus Gaza City Wohnhäuser, Lebensmittelvorräte und eine wichtige Kläranlage in Brand gesetzt hatten. In anderen Worten: Israel hatte nie die Absicht, die Angriffe einzustellen. Das ist ein bekanntes Muster.

Während eines von Trump ausgehandelten früheren „Waffenstillstands“ im Januar (2025) tötete Israel mindestens 170 Palästinenser und beendete diesen Waffenstillstand Wochen später einseitig, um den Völkermord fortzusetzen.

Und im Libanon, wo seit einem Jahr ein von den Vereinigten Staaten und Frankreich überwachter Waffenstillstand in Kraft sein soll, hat Israel dessen Bedingungen nachweislich mehr als 4.500 Mal verletzt.

Dem früheren britischen Botschafter Craig Murray zufolge hat Israel während der Waffenruhe „Hunderte von Menschen, darunter auch Babys, getötet, Zehntausende von Wohnhäusern zerstört und fünf Gebiete im Libanon annektiert“.

Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass es dem Gazastreifen, einem winzigen Gebiet ohne Armee oder Staatsattribute, während eines israelischen Waffenstillstands besser ergehen wird als dem Libanon?

Waffenstillstands-Scharade

Der Waffenstillstand mag eine vorübergehende Pause in Israels völkermörderischen Angriff seit zwei Jahren auf Gaza sein, er trägt jedoch nicht dazu bei, Israels jahrzehntelange Besetzung der palästinensischen Gebiete — den eigentlichen Grund für den „Krieg“ — zu beenden.

Die Besetzung geht weiter.

Er trägt auch nicht dazu bei, Israels System der Apartheidherrschaft über die Palästinenser zu beenden, das im vergangenen Jahr vom höchsten Gericht der Welt für illegal erklärt wurde. Damals forderte der Internationale Gerichtshof (IGH) den unverzüglichen Rückzug Israels aus den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Gaza, und den entsprechenden Druck anderer Staaten auf Israel.

Die UN-Generalversammlung räumte Israel eine Frist bis letzten Monat ein, um dem Urteil des IGH nachzukommen. Israel hat diese Frist nicht nur ignoriert — selbst während des derzeitigen „Waffenstillstands“ sind israelische Soldaten weiterhin in mehr als der Hälfte des Gazastreifens stationiert.

Zudem kontrolliert Israel natürlich noch immer das gesamte Gebiet des Gazastreifens aus der Ferne — durch seine Spionage- und Abwehrdrohnen, Kampfflugzeuge, Überwachungstechnologie sowie Land- und Seeblockaden.

Eigentlich ist es eine Binsenweisheit, dass ein Staat, der auf einen Völkermord aus ist, keinen Grund hat, diesen Völkermord zu beenden, es sei denn, er wird von einer stärkeren Macht dazu gezwungen.

Trump ist auf die Weltbühne stolziert und hat so getan, als würde er genau dies tun, indem er Israel und die Hamas unter Druck setzt. Aber nur die Leichtgläubigen — und die westliche Politiker- und Medienkaste fallen auf diese Scharade herein.

Der „Waffenstillstand“ ist nicht „fragil“. Er war von Anfang an nicht dazu bestimmt, Frieden zu bringen, sondern zu scheitern. Sein wahrer Zweck bestand darin, Israel eine neue Vollmacht für die Fortsetzung des Völkermords zu verschaffen.

Entmenschlichte Gefangene

Seit Jahrzehnten werden Palästinenser in eine ausweglose Situation gezwungen: Sie sind verdammt — ob sie etwas tun oder nicht.

Jeder Widerstand gegen ihre brutale Besetzung führt zu einem Gemetzel — oder zum „Rasenmähen“, wie Israel es nennt — sowie zu ihrer Einstufung als „Terroristen“. Eine Politik des Nichtwiderstands jedoch, wie sie die gefügige Palästinensische Autonomiebehörde unter Mahmoud Abbas verfolgt, lässt die Palästinenser im Stich — sie leben als ständige, entmenschlichte Gefangene unter israelischer Herrschaft, die in immer kleiner werdende Reservate getrieben werden, während jüdische Milizen die Erlaubnis erhalten, Siedlungen auf palästinensischem Land zu errichten.

Dem aktuellen Waffenstillstand wohnt dieselbe Art vorgetäuschter „Wahlfreiheit“ inne. Die Hamas hat einen Geiselaustausch erreicht — nachdem Tausende Palästinenser auf offener Straße festgenommen worden waren (und weitere Tausende bald festgenommen werden, um diese zu ersetzen) —, während die Menschen in Gaza eine kurze Verschnaufpause von Israels völkermörderischer Hungersnotoffensive erhalten. Nach diesem Schema wurde die Hamas in die Enge getrieben und zur Zustimmung zu einem Waffenstillstandsabkommen, von dem sie nur zu gut weiß, dass es mit Fallstricken gespickt ist.

Der offensichtlichste davon ist die Auflage der Hamas, die letzten in Gaza gefangen gehaltenen Israelis, darunter 28 Leichname, im Austausch für etwa 2.000 palästinensische Geiseln aus israelischen Gefängnissen freizulassen. Im Abkommen ist dafür eine Frist von 72 Stunden vorgesehen.

Für die Hamas ist es schwieriger, die Toten zu lokalisieren. Bis jetzt haben sie zehn zurückgegeben, wobei einer davon kein Israeli zu sein scheint.

Das Trümmerfeld, das Gaza heute ist, verfügt über nur wenige Orientierungshilfen zur Identifikation der Lage der ursprünglichen Grabstätten. Und die Trümmerberge, unter denen die Leichen der Israelis liegen — verursacht durch die von den USA gelieferten und von den Israelis abgeworfenen bunkerbrechenden Bomben, die höchstwahrscheinlich zum Tod der gefangenen Israelis geführt haben — sind ohne schweres Gerät, an dem es in Gaza so schmerzlich mangelt, fast unmöglich zu beseitigen.

Selbst wenn die Orte gefunden und die Trümmer beseitigt werden können, könnte die Hamas feststellen, dass die Leichen verschwunden sind, dass sie, zusammen mit palästinensischen Opfern, durch israelische Bomben atomisiert wurden. Und natürlich gibt es ein weiteres voraussichtliches Problem: Manche Leichen befinden sich möglicherweise in dem Teil von Gaza, der mehr als die Hälfte seiner Fläche ausmacht und der noch immer von Israel besetzt und somit für die Hamas nicht zugänglich ist.

Wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, die höchste neutrale Instanz, eingeräumt hat, wird die Bergung der Leichen unter diesen Umständen eine „enorme Herausforderung” sein.

Eine weitere ausweglose Situation

Bemerkenswert ist ebenfalls, dass die westlichen Medien zwar gerne die israelischen Behauptungen über die bösen Absichten der Hamas hinsichtlich der Rückgabe der Leichen sowie über das Leid der wartenden israelischen Familien verbreiten, jedoch vergleichsweise wenig über den Zustand der palästinensischen Leichen berichten, die Israel freigegeben hat.

Die gekühlten Leichen erreichten das Nasser-Krankenhaus ohne jede Form der Identifikation; zudem war das Personal dort aufgrund der von Israel zugefügten Zerstörungen der Einrichtungen nicht in der Lage, DNA-Tests durchzuführen. Familien werden keine Ahnung haben, welches ihre Angehörigen sind, es sei denn, sie versuchen, sie persönlich zu identifizieren.

Dies wird eine grauenhafte und verstörende Aufgabe sein. Ärzte stellten fest, dass die zurückgegebenen Leichen sich noch immer in Handschellen und mit verbundenen Augen befanden, hingerichtet mit Kopfschüssen und deutlichen Anzeichen von Folterungen vor und nach ihrem Tod.

Währenddessen nutzte Israel, noch vor Ablauf der 72-Stunden-Frist für den Austausch, die Verzögerung aus, um durch die (erneute) Einschränkung der Hilfslieferungen zur Bekämpfung der Hungersnot in Gaza diese zu verlängern, die sie selbst zu verantworten hat.

Noch verhängnisvoller ist, dass israelischen Medienberichten zufolge die USA einer „Geheimklausel“ mit Israel zugestimmt haben, die es Israel erlaubt, seinen völkermörderischen „Krieg“ fortzuführen, sollte die Hamas innerhalb der Dreitagesfrist nicht alle Leichen ausliefern können.

Zwickmühle

Sollte die Hamas diesen Fallstrick umgehen können, ist da noch die Forderung an diese Gruppe, die Waffen niederzulegen. Dies wird als Vorbedingung für einen „Frieden“ dargestellt. Es ist jedoch eines sicher: Selbst wenn die Hamas ihre Waffen niederlegen würde, würde dies nicht zum Frieden führen.

Diese Woche sprach Trump in seiner üblichen Art unbestimmte Drohungen aus. „Wenn sie (die Hamas) ihre Waffen nicht niederlegen”, sagte er, „werden wir sie entwaffnen.“ Er fügte hinzu, dass dies im Falle einer Beteiligung der USA „schnell und vielleicht gewaltsam geschehen wird. Aber sie werden ihre Waffen niederlegen“.

Dies bringt die Hamas und andere, die bewaffneten Widerstand gegen die Besetzung durch Israel leisten, — ein im Völkerrecht anerkanntes Recht — absichtlich in eine Zwickmühle.

Erstens wird eine entwaffnete Bevölkerung in Gaza angesichts israelischer Angriffe noch wehrloser sein.

Sei die Militärstrategie der Hamas nun richtig oder falsch — es lässt sich schwer ignorieren, dass der anhaltende Preis für die Kämpfe auf Seiten der israelischen Soldaten hinsichtlich psychologischer Traumata und Todesopfer eine Art Gegendruck bildet.

Eine große Zahl Israelis ist auf die Straße gegangen, um gegen Netanjahus Vorgehen in Gaza zu protestieren — Umfragen zufolge jedoch nicht, weil den meisten von ihnen die Hunderttausende getöteter und verstümmelter Palästinenser am Herzen lägen.

Vielmehr waren ihre Proteste von der Sorge um das Leid der gefangenen Israelis in Gaza und den Preis, den israelische Soldaten zahlen, getrieben.

Die Hamas und ein Großteil der Bevölkerung in Gaza befürchten, dass eine Entwaffnung (der Hamas) die Kosten-Nutzen-Analyse der Israelis noch weiter in Richtung eines fortgesetzten Völkermords verschieben würde, was die Gefahr weiteren Blutvergießens durch Israel bergen, aber keinen Frieden bringen würde.

Ein Dilemma, bei dem beide Seiten verlieren

Zweitens wird die Hamas sich nicht auf eine Entwaffnung einlassen, solange sich kriminelle Clans — von Israel bewaffnet und unterstützt sowie teilweise mit dem Islamischen Staat verbunden — in Gazas Straßen herumtreiben.

Palästinenser habe schon lange erkannt, dass es Israel darum geht, die großen palästinensischen nationalen Befreiungsorganisationen — ob Hamas oder Fatah — zu schwächen, indem es stattdessen feudale Warlords fördert.

Vor 14 Jahren warnte mich (bereits) ein palästinensischer Analyst vor den Gefahren dessen, was er als Israels Plan für die „Afghanistanisierung“ von Gaza und des Westjordanlands bezeichnete.

Israels ultimative „Teile-und-herrsche“-Strategie würde darin bestehen, rivalisierende Clanführer zu fördern, deren Hauptaugenmerk darauf liegt, ihre eigenen kleinen Herrschaftsgebiete zu schützen und sich gegenseitig zu bekämpfen, anstatt gegen die illegale Besetzung Widerstand zu leisten und einen vereinigten palästinensischen Staat anzustreben.

Auf dem Höhepunkt des Genozids bewiesen die Clans, wie gefährlich eine solche Entwicklung für normale Palästinenser sein kann. Mithilfe Israels und während die Hamas in ihren Tunnels festsaß, plünderten diese Clans LKWs mit Hilfsgütern, stahlen sie schwächeren Familien, nahmen diese Lebensmittel für ihre eigenen Familien und verkauften den Rest zu Wucherpreisen, die sich nur wenige leisten konnten. Alle anderen (ver)hungerten.

Sollte die Hamas ihre Waffen niederlegen, werden diese Clans, unterstützt von Israel, freie Hand haben. Weder die Hamas noch die meisten Menschen in Gaza wollen das erneut erleben. Dies ist kein Pfad zum Frieden, sondern die Fortsetzung der brutalen israelischen Besetzung, die teilweise an lokale Warlords ausgelagert wird.

Verwirrenderweise scheint Trump dies zum Teil zu durchblicken. Am Dienstag sagte er, die Hamas habe „ein paar sehr schlimme Gangs ausgeschaltet … sie töteten eine Reihe von Bandenmitgliedern. Um ehrlich zu sein — das hat mich nicht sonderlich gestört. Das ist in Ordnung“.

Was also glaubt Trump, wird passieren, wenn die Hamas — wie von ihm und Israel verlangt — ihre Waffen niederlegt? Werden dann diese „sehr schlimmen“ Gangs nicht wieder auftauchen?

In genau dieses Dilemma, in dem beide Seiten verlieren, möchte Israel die Hamas und Gaza stürzen.

Verwirrung stiften

Am Mittwoch stiftete Trump erneut Verwirrung, als er drohte, Israel nähme seine Angriffe gegen Gaza wieder auf, „sobald ich grünes Licht dazu gebe“, wenn die Hamas die Waffen nicht niederlege.

Am nächsten Tag ging er noch weiter und schlug vor, die USA selbst sollten in Gaza aktiv werden. Auf Truth Social schrieb er: „Sollte die Hamas weiterhin Menschen in Gaza ermorden, was nicht Teil der Abmachung war, werden wir keine Wahl haben, als einzumarschieren und sie zu töten.“ Was soll also das Vakuum füllen, das in dem doppelt unwahrscheinlichen Fall entsteht, dass die Hamas sich auflöst und Israel sich vollständig aus Gaza zurückzieht?

Israel besteht noch immer darauf, dass es keine palästinensische Regierung in der Enklave gibt, auch nicht das Vichy-Regime von Abbas im Westjordanland. Israel weigert sich nach wie vor, Marwan Barghouti freizulassen, den seit Langem inhaftierten Fatah-Anführer, der die einzige einigende Figur in der Politik Palästinas ist und oft als palästinensischer Nelson Mandela bezeichnet wird.

Wäre Israel wirklich an der Beendigung der Besetzung und an „Frieden“ interessiert, wäre Barghouti der naheliegende Ansprechpartner. Stattdessen gibt es Berichte, dass er von israelischen Gefängniswärtern erneut brutal geschlagen wird, wodurch sein Leben in Gefahr ist.

Trumps Vision für die nächsten Jahre bietet nur sein berüchtigtes „Friedensgremium“ — eine unverhohlen kolonialistische Verwaltung, die von Vizekönig Tony Blair geleitet werden soll. Vor zwei Jahrzehnten unterstützte der frühere britische Premierminister die USA dabei, den Irak zu zerstören, was zum völligen Zusammenbruch der dortigen Institutionen und zum Massensterben seiner Bevölkerung führte.

Trumps „Friedensgremium“ wird vermutlich im nahen Ägypten und nicht in Gaza tagen. Vor Ort plant Trump eine ausländische „Stabilisierungstruppe“. Sollten deren Truppen jemals tatsächlich erscheinen, werden sie gegen israelische Angriffe wahrscheinlich nicht effektiver vorgehen können als ihr Gegenstück — die Friedenstruppen, die sich seit Jahrzehnten im Libanon aufhalten.

Israel hat wiederholt UN-Friedenstruppen im Süden Libanons angegriffen, während die Anwesenheit von UN-Truppen nichts gegen Israels fortwährende „Waffenstillstands“-Verstöße unternommen hat.

Eine Stabilierungstruppe wird nur wenig unternehmen können, um Israel davon abzuhalten, sich durch Drohnenattentate, Importeinschränkungen von Beton, Lebensmitteln und medizinischen Gütern sowie eine Seeblockade der Hoheitsgewässer der Enklave direkt in Gaza einzumischen.

Trumps „Friedens“-Vision besteht darin, dass die Palästinenser in den Trümmern Gazas — von der Gnade der ständig wachsamen Drohnen Israels abhängig — ein Existenzminimum zusammenkratzen.

Ramy Abdu, Vorsitzender des Euro-Mediterranean Human Rights Monitor, erklärte diese Woche gegenüber The Intercept, dass das wahrscheinlichste Szenario in den kommenden Wochen und Monaten jenes sein wird, dass Israel sich von einem mutwilligen Völkermord hin zu einem, wie er sagt, mehr „organisierten Völkermord, einer kontrollierten Zwangsumsiedlung“ bewegen wird.

Israel wird sich nun zurücklehnen und den Wiederaufbau der Enklave behindern können und dabei einer notleidenden Bevölkerung die deutliche Botschaft vermitteln, dass sie in Gaza niemals Erlösung finden wird.

Auch die Zukunft des Westjordanlands wird nicht friedlich sein, sondern in der Verstärkung der Gräueltaten Israels bestehen, das aus den kleinen Stadtreservaten, in die die Palästinenser nach und nach getrieben wurden, Mini-Gazas erschafft.

Der palästinensische Widerstand wird unter solchen Umständen nicht enden. Noch nie hat sich ein Volk mit dauerhafter Knechtschaft und Unterdrückung abgefunden. Die Palästinenser werden da keine Ausnahme bilden.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „It was never a Gaza 'war'. The 'ceasefire' is a lie cut from the same cloth“ auf dem Blog von Jonathan Cook. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.