Dr. Gniffke liebt Rubikon

Selbst die Krisen-PR des Dr. Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, entlarvt: Doppelstandards und Ausflüchte gehören zum Alltagsgeschäft und werden nicht reflektiert.

Welche Sortier-Methoden Chefredakteur Dr. Kai Gniffke bei der Quellenauswahl für die Nachrichtenarbeit seiner Hauptabteilung ARD-aktuell anwendet oder anwenden lässt, ist nicht bekannt. Er macht allerdings kein Geheimnis daraus, dass er bestimmte Anbieter nicht für „seriös“ hält. Einige Namen auf seiner langen Verschissliste gibt er gelegentlich preis, seine Auswahlgründe allerdings nicht. Journalistische Erwägungen mögen eine Rolle spielen, sachfremde aber allemal auch. Die fatalen Konsequenzen dieser Redaktionspolitik für Tagesschau, Tagesthemen, tagesschau.de, Nachtmagazin, tagesschau24, Wochenspiegel usw. sind nicht zu übersehen. Um diese Folgen für das Programmangebot der ARD-aktuell geht es uns hier ausnahmsweise aber nicht.

Redaktionelle Vorbemerkung: Die beiden bisher erschienenen anderen Teile dieser Artikelserie lesen Sie unter "Die ARD liebt Rubikon" und "Der Deutschlandfunk liebt Rubikon".

Wir bleiben beim Erscheinungsbild des Chefredakteurs Dr. Gniffke, bei der Figur, die er als einer der Hauptverantwortlichen für die Information der Bürger macht.

Da ist zunächst das unprofessionelle Raster seiner Quellenauslese: Nur die westlichen (transatlantisch genormten) Nachrichtenagenturen AP (Associated Press, USA), Reuters (britisch), AFP (Agence France Presse) und dpa (Deutsche Presseagentur) sind ihm genehm, sie sind die Guten. Ihr Angebot fraglos verwendbar in den Sendungen der ARD-aktuell. Über andere, deren Informationen seine Redaktion nicht berücksichtigen könne und werde, schrieb Gniffke zum Beispiel:

„Den Vorwurf der Informationsunterschlagung weisen wir zurück, da die von Ihnen angeführten Quellen "rubikon.news", "deutsche-wirtschafts-nachrichten.de", "deutsch.rt.com" und "warisacrime.org" uns nicht als verlässliche Quellen gelten.“

Begründung? Keine.

Der Rubikon ließ seinerzeit nicht lange auf seine Antwort warten.

Für die Deutschen Wirtschafts-Nachrichten, (DWN), einen beachtlich informativen, im schwedischen Bonnier-Verlag erscheinenden Nachrichtendienst, verwahrte sich dessen Herausgeber Michael Maier gegen Gniffkes unlautere Diffamierung.

Die DWN stehen mit ihrem interessanten, durchaus nicht auf Wirtschaftsthemen begrenzten Informationsangebot im publizistischen Wettbewerb; sie können es selbstverständlich nicht hinnehmen, vom mit Zwangsgebühren alimentierten Branchenprimus geschmäht und abqualifiziert zu werden. Maier verlangte eine Erklärung.

Prompt kniff der Dr. Gniffke:

„Dass wir den Online-Dienst, Deutsche Wirtschafts Nachrichten‘ in der von Ihnen angesprochenen Antwort auf eine Zuschauerzuschrift in einem Atemzug mit anderen Medien als nicht verlässlich bezeichnen, ist tatsächlich missverständlich. Die ,Deutschen Wirtschafts Nachrichten‘ sind für ARD-aktuell durchaus eine ernstzunehmende und auch vertrauenswürdige Quelle, im Gegensatz zu anderen Medien, die beispielsweise staatlich finanziert sind. ,Deutsche Wirtschafts Nachrichten‘ rechtfertigen für uns jedoch keine Berichterstattung, wenn sie die alleinige Quelle sind. Dies gilt im Übrigen für alle externen Quellen, die in unsere Berichterstattung einfließen.“

So so, nur „missverständlich“? Dazu kommen wir noch. Erst einmal sei angemerkt, dass z.B. die Agence France Presse anteilig im Staatsbesitz ist und Gniffke sich, was sie betrifft, demnach selbst widerspricht. Staatliche Finanzierung einer Quelle schließt ohnehin nicht aus, dass sie bedeutende Informationen liefert.

Umgekehrt ist die kommerzielle Organisationsform einer Nachrichtenagentur noch keine Qualitätsgarantie für deren Informationsangebot. Nebenbei: Die gebührenfinanzierte Tagesschau sieht sich nicht von ungefähr in neuerer Zeit häufig dem Vorwurf ausgesetzt, „Staatsfunk“ zu sein, Sprachrohr der Regierung; ihr Chefredakteur gibt den Steinewerfer im Glashaus und merkt das nicht einmal.

Gniffke zielte mit dem dümmlichen Generalvorbehalt offenbar auf den staatlichen russischen Sender deutsch.rt.com – und schoss sich selbst ins Knie. Mit der Logik hat er es eben nicht, mit der Sprachkompetenz auch nicht. Aber da steht ein ARD-aktuell-Chefredakteur heutzutage ja drüber.

Dass Berichterstattung über Konfligentes sich bei nur singulärer Quellenlage selten rechtfertigt, ist eine Binsenweisheit. Dass ARD-aktuell das keinen Deut schert, ist nachweisbar (man denke nur an die längst üblich gewordenen, sachlich oft inkorrekten Äußerungen von Regierungsmitgliedern, die trotzdem im O-Ton gesendet und keineswegs immer von Fachkundigen an gleicher Stelle relativiert, von Oppositionssprechern gekontert geschweige denn redaktionell richtiggestellt werden).

Wie oft hat ARD-aktuell Nachrichten ins Publikum geblasen, ausschließlich gestützt auf Informationen der obskuren „Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ (SOHR)? Einer fallweise nicht nur singulären, sondern generell äußerst trüben Quelle: ein Klamottenhändler im britischen Coventry, mutmaßlich von Geheimdiensten geschmiert, im Grund also ebenfalls „staatlich finanziert“...

Gniffkes gravierende Argumentationsschwäche und logische Brüche beiseite. Begnügen wir uns mit der Anmerkung, dass die DWN – im Unterschied zur Tagesschau – in ihren Beiträgen regelmäßig mindestens eine weitere Quelle nennen. DWN-Herausgeber Michael Maier kann sich durchaus erfolgreich selbst gegen Gniffkes Unverfrorenheit wehren.

Das erscheint ratsam. Gniffke ist, was das Diffamieren von Quellen anbelangt, die nicht in sein pro-westliches, transatlantisches Weltbild passen und seinem propagandistischen Nachrichtenverständnis nicht dienlich erscheinen, Gewohnheitstäter.

Zu Jahresbeginn 2017 schrieb er in der Stellungnahme zu einer Programmbeschwerde über unvollständige und manipulative Berichterstattung der Tagesschau (Aleppo betreffend), dass der
"Online-Dienst 'Telepolis' für uns keine relevante seriöse Quelle darstellt“.

Und kniff auch dazumal den Schwanz ein, als der renommierte Heise Verlag, in dem das Online-Magazins Telepolis erscheint, sich das nicht gefallen ließ. Gniffke daraufhin:

"Die Formulierung, 'dass der Online-Dienst "Telepolis" für uns keine relevante, seriöse Quelle darstellt', ist tatsächlich missverständlich. Telepolis ist durchaus eine ernstzunehmende Quelle. In unserer Stellungnahme wollten wir deutlich machen, dass dieser Online-Dienst nur insoweit keine relevante und seriöse Quelle darstellt, als dass Telepolis als alleinige Quelle für uns eine Berichterstattung rechtfertigt, insbesondere nicht in so unübersichtlichen und schwer nachprüfbaren Regionen wie z.B. Syrien. Diese notwendige Erläuterung ist leider aufgrund der großen Auslastung aufgrund zahlreicher Eingaben unterblieben. Dieses Missverständnis möchten wir bitten zu entschuldigen und möchten ausdrücklich feststellen, dass wir Telepolis weder als unseriös noch als irrelevant einschätzen.“

Wer merkt hier nicht, dass der Chefredakteur der meistgesehenen TV-Nachrichtensendung der Republik sich stereotyp auf „missverständliche“ Formulierungen und auf „versehentliche" Unterlassung herauszureden versucht, wenn er sich wieder mal gründlich verstiegen hat? Reichen solche billigen Ausreden, ihn zu entlasten? (“Kleines Missverständnis“, sagte der Igel und stieg von der Klobürste). Ja, ja, man hat es nicht leicht, so viele Beschwerden, die Arbeitsüberlastung, Sie verstehen schon...

Mannhaft zu seinem Werturteil stehen oder es zu bedauern und seinen Journalismus zu bessern, ist Gniffke nicht gegeben. Er knickt ein, wenn es für ihn eng wird, aber nur formal. Muss er Beweis antreten und kann es nicht, macht er Kotau, z.B. vor mächtigen Verlagen. Gegenüber Beschwerde führenden Einzelpersonen hingegen zeigt er sich unnachgiebig. Und bei seiner tendenziösen Ablehnung zahlreicher Informationsquellen bleibt er sowieso.

Und wie verhält er sich gegenüber dem Rundfunkrat, dem seine „Stellungnahmen“ doch vorgelegt werden, wenn die Beschwerdeführer diese nicht als zufriedenstellend akzeptieren? Relativiert er auch vor diesem Kontrollgremium seine haltlosen Bewertungen kritischer Informationsdienste? Oder gibt er zu, dass er revozieren musste?

Danach haben ihn, soweit wir wissen, weder die Leute von Telepolis noch DWN-Chef Maier gefragt. Sollten sie aber. Auch beim Rundfunkrat sollten sie sich erkundigen, ob Gniffke dort die notwendigen Klarstellungen vornahm. Und sich auf unbefriedigende Antworten einstellen.

Zurück zu der vorgeblich “missverständlichen" Ausdrucksweise und den „Versehen“, die Dr. Gniffke gegenüber den Nachrichtenanbietern vorschützt, die er so vorschnell und unbedacht als „unseriös“ abqualifiziert hatte: Von unglücklichen Zufällen und fehlender Absicht kann keine Rede sein. Über die Deutsche Wirtschafts Nachrichten befand Dr. Gniffke schon am 2. Februar 2016, vor mehr als eineinhalb Jahren:

„Deshalb möchten wir auch in dieser Stellungnahme darauf hinweisen, dass wir das Nachrichtenportal Deutsche Wirtschaftsnachrichten [...] nicht für unabhängig und seriös halten.“

Nachlesbar auf der Seite der Ständigen Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V..

Diese frühere abfällige Bewertung hat er dem DWN-Herausgeber Maier kaum gebeichtet. In seiner oben zitierten Entschuldigung steht jedenfalls davon nichts. Entweder, weil’s ihm entfallen war (unwahrscheinlich) oder weil’s ihm an aufrichtigem Bekennermut mangelt.

Das kommt davon, wenn man sich verächtlich über Konkurrenten äußert und dann faule Ausreden braucht – „unabsichtlich missverständlich“ – um sich aus der Affäre zu schwindeln.

Der Chefredakteur der ARD-aktuell Dr. Gniffke gibt sich trotzdem seriös und unabhängig...