Ein Hoch auf Elke

Wo der Weg hinführt, wenn wir Menschlichkeit durch eine pseudohumanistische Ideologie ersetzen.

Die Kurzgeschichte „Ein Hoch auf Elke“ überführt die Ideologie, die hinter der weltweiten „Vakzinationssolidarität“ stand und steht, in eine Szenerie, um die Bedeutung dessen, was alles auf dem finalen Spiel steht, plastisch greifbar zu machen. Vielleicht sind nicht wenige systemtreue Menschen durch diese Textform eher zu einem Nachdenken zu bewegen als über logische Analysen und Zahlen.

Vorbemerkung

Als Philosoph und Aufklärer hat Gunnar Kaiser mit Dutzenden interessanten Menschen Interviews geführt. Er brachte seine Denkweise in die Gespräche ein und versuchte, die Sicht seiner Interviewpartner zu verstehen. Während der Corona-Krise stand dabei oft die Frage im Mittelpunkt, wie es so weit hatte kommen können. Worin lag der Grund, dass sich die meisten Menschen der Erzählung vom lebensgefährlichen Virus beugten, obwohl diese Erzählung offensichtlich im Kontrast zur Realität stand? Diese Frage stellte er nicht nur seinen prominenten Interviewpartnern, sondern er schrieb Ende 2020 zum Thema auch einen Essaywettbewerb aus: „Wie konnte es nur so weit kommen?“ Die aus Gunnars Sicht besten Texte veröffentlichte er im Jahr 2021 in einem Buch unter demselben Titel (1).

Auf meinen Vorschlag hin initiierte er am 7. September 2021 einen zweiten Wettbewerb (2). Dieses Mal sollte es darum gehen, wohin die Entwicklung führen würde, wenn sie so weiterginge wie im Jahr der Ausschreibung: „Wo kämen wir da hin?“ war das Thema. Gefragt waren also nicht unbedingt philosophische Texte, sondern auch Dystopien in Form von Kurzgeschichten. Kurz darauf erhielt Gunnar seine Krebs-Diagnose, und der Wettbewerb verlief im Sande. Inzwischen hat mindestens einer der damaligen Wettbewerbsteilnehmer auf YouTube seine Idee veröffentlicht (3). Im Gedenken an den Tod von Gunnar Kaiser möchte ich an dieser Stelle dasselbe tun und meinen damaligen Wettbewerbsbeitrag einem größeren Publikum zugänglich machen.

Ein Hoch auf Elke

Meine Eltern wirken angespannt. Mutter steht wie versteinert neben mir. Sie schaut mit glasigen Augen ins Leere. Ein Luftzug streicht durch den Raum und wirbelt den Odem von Sankt-Tropan auf. Einer der Celebraten neben Medizinalrat Daumwängler schwenkt den Initiationskelch achterförmig, damit das Desinfektionsmittel beim Aufräuchern die vorgeschriebenen Kringel bildet. Die Rauchkringel verheißen uns Vakzinanten Glück und ein langes Leben. Durch das Oberlicht des Saals bricht ein Lichtstrahl und lässt die goldenen Verzierungen am Henkel des Kelchs aufleuchten. Mit jedem Richtungswechsel ändert der Rauch seine Farbe — hellblau, rosa, gelb — hellblau, rosa, gelb. Die Farben stehen für die Geschlechter der Reformgesellschaft.

Nach und nach wabern die Rauchschwaden uns entgegen. Ihre Konturen erinnern an eine gestaltlose Kreatur, die mit ihren Händen nach unseren Lungen greift. Als ich die ersten Desinfektionspartikel einatme, übermannt mich das Gefühl, ich müsse gleich loshusten. Vorsichtig riskiere ich einen Blick zu Vater. Das ist strikt verboten, weil das Ritual absolute Aufmerksamkeit erfordert. Medizinalrat Daumwängler hat es uns tausendfach eingebläut: Konzentration ist alles. Konzentration. Konzentration. Konzentration.

Ich gewahre meinen Fehler, richte meine Wirbelsäule gerade, sammle mich. Offenbar hat Vater bemerkt, dass ich nicht ganz bei der Sache war. Er verschränkt seine Arme vor der Brust und wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Etwas Verschwörerisches liegt darin, daneben: ein stiller Vorwurf. Mit einem Nicken wendet er sich wieder dem Medizinalrat auf der Bühne zu. In einer Fensterscheibe hinter dem Zeremonienmeister reflektiert sich Vaters abschätziger Blick. Herr Daumwängler wäre nicht erfreut, wenn er Vaters Gesichtsausdruck sähe. Obwohl der Meister wie eine Statue aus den Rauchschwaden ragt, schaut Vater auf ihn herab, als wäre er ein Wurm, den er gerne zertreten würde. Ich schäme mich.

Herr Daumwängler predigt von den Vorzügen der Solidaritas. Seine strengen Blicke schweifen wie ein Omen durchs Vakzinarium. Wir Familien unter ihm stehen beisammen, als wären wir in einem Netz gefangen.

Wir bilden selbst die Knoten dieses Netzes. Ich blicke hinab auf den antiseptischen Fliesenboden und gewahre, wie Elkes Schatten meine Fußspitze berührt. Sie steht mit ihren Erzeugern in dem Quadrat direkt vor uns. Wie wir, haben auch sie ihren Platz innerhalb der dafür vorgesehenen Markierung eingenommen.

Einen Moment lang frage ich mich, weshalb Schatten sich berühren dürfen und Menschen nicht. Da sehe ich aus dem Augenwinkel, wie Elkes Vater mit seinem Fuß versehentlich die rote Grenzlinie neben sich streift. Der Raum ist zu eng für einen so fülligen Mann. Er bemerkt seine Verfehlung und zieht den Fuß zurück ins Feld. Medizinalrat Daumwängler lächelt. Für übergewichtige Menschen wie Herrn Lohmüller hat er Verständnis. Im Vakzinationsunterricht sagte er immer, Gehorsam sei wichtiger als Disziplin. Schließlich verbleibt ja auch noch ein Meter Abstand von der Grenzlinie bis zum nächsten Quadrat.

Außer Herrn Daumwänglers Worten ist im Saal nichts zu hören. Die Stille zwischen den Silben erschwert mir die Konzentration. Um mich abzulenken, denke ich an Elke. Im Vakzinationsunterricht saß sie immer in der Plexiglasbox gegenüber. Gerade streicht sie sich mit der Hand ihr Haar zurecht. Wie eine goldene Welle fallen ihr die Locken über die Schultern.

Alles an Elke ist schön. Die Art, wie sie sich bewegt, die Art, wie sie redet, ihre Taille, ihre Hände — einfach alles. In ihrer Nähe spüre ich, wie das Blut in meinen Adern pulsiert. Ich hoffe, sie hat mich auf ihre Wunschliste gesetzt. Wenn ich bedenke, wie wir uns im Unterricht manchmal angeschaut haben, könnte das sogar sein. Aber natürlich liegt unser Glück vor allem in den Händen des Medizinalrats. Er bewertet unsere Gentests und entscheidet, ob wir als Kontaktpersonen zueinander passen – nach dem Ritual, versteht sich. Und natürlich nur, wenn Elke in sich ihre Weiblichkeit erkennt.

Sabine, Gerd und mein heimlicher Schwarm werden heute die ersten sein, die von der Gemeinschaft das große Geschenk empfangen. Sie steigen nebeneinander die Treppe zur Bühne hoch. Ihre Schritte stehen symbolisch für unseren Aufstieg in der Reformgesellschaft. Während sie die Stufen beschreiten, treten zwei Celebraten vor den Medizinalrat. Sie begrüßen ihn, indem sie ihre Hände an einer imaginären Linie durch den Raum führen, als würden sie einen unsichtbaren Vorhang lüften. Schließlich tritt der eine Celebrat zurück und gibt dem anderen ein Zeichen. Dieser verbeugt sich und streckt dem Doktor die Ritualmaske entgegen.

Als er sieht, was auf der Bühne abläuft, zischt Vater vernehmbar Luft durch die Zähne. Der Doktor horcht auf, und die Blicke der beiden Männer prallen gegeneinander. Herrn Daumwänglers Augen blitzen. Schließlich reißt er dem Celebraten die Ritualmaske aus den Händen und streift sie sich über. Indessen treten die drei Vakzinant*innen an den Vakzinationsaltar. Zwischen ihnen und dem Doktor prangen mit rotem Samt bespannte Schemel. Elke und ihre beiden Mitimpflinge fallen im Samt auf die Knie, während der zweite Celebrat den Zeremonien-Schutzanzug mit sorgsam einstudierten Bewegungen entfaltet. Herr Daumwängler gleitet mit Hilfe des Celebraten in den Anzug und streift sich Gummihandschuhe bis über die Ellbogen. In der Stille knistert das Plastik der Zeremonienkleidung wie ein Obstbeutel. „Schauen wir zur Tafel der Heroisierten“, befiehlt der Doktor mit bebender Stimme.

Alle Familien folgen seiner Anweisung. Sogar Vater und Mutter wenden ihren Blick der Heroisiertentafel zu. Ein etwa zwei auf vier Meter großes Brett aus Kirschbaumholz schwebt an Ketten über dem Medizinalrat. Darauf befinden sich die gerahmten Bilder von etwa hundert Heroisierten. Die Porträts dürfen nie länger als zehn Jahre an der Ehrentafel hängen. Danach kommen sie ins Archiv und sind bloß noch für Historiker zugänglich. Die Namen der Held*innen bleiben der Nachwelt dennoch erhalten, weil sie der Zeremonienmeister ins Chronikbuch einträgt. So überdauert die Ehre Generationen, und die Nachfahren derer, die sich hingegeben durften, können sich für alle Zeiten am Opfer ihrer Verwandten erfreuen. Medizinalrat Daumwängler schaut mit weit ausgebreiteten Armen nach oben.

Nach einer langen Minute des Schweigens zieht er die erste Spritze auf, während Gerd seinen Vakzinationsspruch rezitiert. Die Menge lauscht schweigend. Gerd bedient mit seinem Zeigefinger den Knopf am Desinfektionsmittelbehälter. Ein blaues Gel tropft aus dem Dosierspender. Er befeuchtet seine Hände damit und reibt sich dieselben gemäß dem Ritual der Solidaritas ein. Gleichzeitig präsentiert der Doktor uns Zuschauern die Spritze, indem er sie wie eine Siegtrophäe hochhält. Die Geste steht für den Sieg der alten Heroen über die große Pandemie vor zwanzig Jahren. Als Gerds Hände vor Sauberkeit beinahe glänzen, wendet sich Herr Daumwängler ihm zu und sticht ihm das Vakzin in den linken Oberarm. Nach einer kurzen Verbeugung ist das Ritual vollbracht und der Medizinalrat schreitet zum nächsten Schemel. Ein Celebrat klebt Gerd lächelnd ein Pflaster auf die Einstichstelle. Er streichelt ihm über den Hinterkopf.

Ich bin noch in Gedanken, da höre ich Elke sagen: „Das Leben gehört den Gehorsamen, der Tod den Leugnern.“ Im selben Moment durchdringt die Nadel auch schon ihre Haut.

Eine Welle der Vorfreude brandet in mir auf, denn schon bald werden Elke und ich Halbfreie sein und zusammengehören — die Genmarker, Elkes Geschlechtsempfinden und ihre Wunschliste werden schon passen.

Einer der Celebraten reicht Herrn Daumwängler indessen die nächste Ampulle, die der Doktor feierlich durchsticht. Er zieht das Vakzin in der Spritze auf und lächelt. Alles ist gut. Das Ritual läuft ab, wie es sich für eine ordentliche Vakzinationsfeier gehört. Wenn ich daran denke, wie primitiv die Impfstoffe vor zwanzig Jahren noch gewesen sind, wird mir heiß und kalt. Inzwischen müssen die Experten von Solidaritaspharm schon Hochkonzentrationsdosen unter die Chargen mischen, damit überhaupt noch jemand heroisiert wird. Was wäre unsere Kultur ohne jene, die ihr Leben für die Gemeinschaft opfern? „Wir alle brauchen die Chance, uns hinzugeben“, sagte Herr Daumwängler immer im Unterricht. Nun ja: Ohne diese Chance wäre es mir wohler. Doch das verrate ich natürlich keinem.

Elke ergraut. Sie fängt plötzlich an zu zittern und zu krampfen. Innerhalb weniger Sekunden läuft ihre Haut feuerrot an, während ihre Backen sich aufblähen wie Pilzschirme. Sie schaut voller Panik in die Runde und möchte etwas sagen. Sie bringt jedoch keinen Ton heraus. Stattdessen gurgelt und stöhnt sie, als ob sich ihre Stimmbänder in Schaum auflösten. Tränen der Verzweiflung rinnen ihr über die Wangen. Sie möchte aufstehen, doch ihre Beine geben unter ihr nach. Sie versucht es abermals, da kippt sie nach vorn und reißt den Desinfektionsmittelständer mit sich zu Boden. Das Scheppern beim Aufprall ihres Körpers und des Ständers rauscht wie ein Donnerhall durchs Vakzinarium. Danach ist es einen Moment lang so still, als ob jeder im Raum den Atem anhielte.

Elke liegt mit verdrehten Gliedmaßen wie eine achtlos weggeworfene Puppe auf den Bühnenplanken. Von meinem Platz aus kann ich in ihr Gesicht schauen. Sie läuft blau an. Ihre geröteten Augen starren ins Leere, als ob ihr der Leibhaftige begegnet wäre. Noch hebt und senkt sich ihre Brust mit jedem Ein- und Ausatmen. Doktor Daumwängler sagt Verse aus dem Buch der Solidaritas vor sich hin. In der zunehmenden Unruhe der Vakzinationsfamilien geht sein Gemurmel beinahe unter. Schließlich reißt er beide Arme in die Höhe und ruft lauthals: „Ein Hoch auf Elke!“

Die Anwesenden wirken schockiert. Dann legt sich der Schock wieder und ihre Augen beginnen zu leuchten wie ein Schwarm Glühwürmchen. Herr und Frau Lohmüller umarmen sich. Eine Träne rinnt Frau Lohmüller über die Wange, man sieht nicht, ob sie Freude oder Traurigkeit ausdrückt. Arm in Arm wenden sich die Eheleute dem Publikum zu, wie es im großen Buch geschrieben steht. Wie ich aus dem Vakzinationsunterricht weiß, soll die Geste bedeuten, dass die beiden auch ohne ihre Tochter zusammenstehen. Herr und Frau Lohmüller ballen ihre freien Hände zu Fäusten, recken sie in die Höhe und rufen: „Ein Hoch auf Elke! Ein Hoch auf Elke!“

Die Menge stimmt ein und feiert Elke. Mir selbst erstickt die Stimme, als ich begreife, dass gerade meine Zukunftsträume unter dem Chor begraben werden. Die meisten im Raum wirken erleichtert, weil die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Hochdosisampulle in derselben Lieferung gering ist. Aber darf man wirklich so denken? Müssten wir nicht vielmehr auf Elke stolz sein?

Ich blicke nach links und rechts, weil ich Beistand bei meinen Eltern suche. Vater stürmt über die Treppen auf die Bühne. Er gibt Mutter ein Zeichen und brüllt: „Nicht zu mir! Hinaus zum Parkplatz! Hol meinen Koffer!“ Mutter, die Vater im Eiltempo hinterherspurtet, hält inne, wendet sich zum Ausgang, überlegt und winkt mich herbei. Unterdessen beugt sich Vater über Elke und tut, was Ärzte tun, solange es die Regeln zulassen. Ich stehe wie angewurzelt und beobachte ihn. Schon ist Mutter bei mir, packt mich am Oberarm und zischt: „Komm mit! Mir nach!“ Sie sagt das so bestimmend, dass ich gar nicht anders kann, als ihr zu gehorchen. Von Elkes Sturz bin ich noch wie benommen.

Wir eilen durch den Ausgang des Vakzinariums und rennen über den Parkplatz zu unserem E-Mobil. Mutter bedient den Kofferraumknopf, worauf die Heckklappe leise nach oben gleitet. Mutter reißt daran, damit sich der Kofferraum schneller öffnet. Anstatt nachzugeben, gerät der Motor dabei ins Stocken und bleibt mit einem scharrenden Geräusch stehen.

Die Zeit läuft uns davon. Wenn Vater Elke noch retten möchte, sollten wir eigentlich schon wieder im Vakzinarium sein. Doch darf er sie überhaupt retten? Egal! Mutter bückt sich und tastet mit der freien Hand im Stauraum nach Vaters Arztkoffer. Als sie gefunden hat, wonach sie sucht, zerrt sie an dem Koffer, der bleibt jedoch zwischen Heckklappe und Heckboden stecken. Ich komme ihr zur Hilfe, indem ich den Kofferraumknopf nochmal drücke. Erst senkt sich der Deckel, dann drücke ich ein zweites Mal, und der Elektromotor dreht die Klappe in die richtige Richtung. Geschafft!

Mutter spurtet los, ich ihr hinterher. Sie trägt natürlich Festkleidung, wie es sich für so einen Anlass gehört. Schon auf dem Weg zu unserem E-Mobil wäre sie daher mit ihren hochhackigen Schuhen beinahe gestolpert. Auf den Treppenstufen zum Vakzinariumsportal knickt sie plötzlich um und stürzt. Ein kurzer Schrei, dann hält sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Knöchel am linken Fuß. Der Arztkoffer ist neben ihr auf die Treppenstufen gepoltert. Sie bedeutet mir mit einem Kopfnicken, dass ich ihn aufheben und zu Vater bringen soll. „Ist mit dir alles in Ordnung?“, frage ich sie.

„Na los, mach schon!“, antwortet sie. Sie fuchtelt mit ihrem freien Arm in Richtung Portal. Dann stützt sie sich wieder ab, weil der Schmerz zu stark wird. Ich tue, was sie mir gesagt hat, und renne mit dem Koffer auf den Eingang zu. Die Zugangstür ist aus Metall, an der Schlossseite ist eine breite Stange zum Aufziehen angebracht. Als ich mit der freien Hand daran ziehe, gibt das Türblatt allmählich einen Blick ins Innere des Vakzinariums frei. Ich zögere, als ich die Menge drinnen „Leugner! Leugner!“ brüllen höre. Sie meinen Vater. Unsicher blicke ich zurück zu Mutter, die immer noch ihren Knöchel hält und mir zunickt. Auf der Bühne hat sich einer der Celebraten hingesetzt. Er umklammert mit beiden Armen seine Unterschenkel und wippt wie ein hospitalisiertes Kind hin und her. Seinen Kopf hat er seitlich auf die Knie gelegt, seinen Blick von Elke abgewandt.

Der andere Celebrat ist an den Rand der Bühne getreten. Die tosende Menge hat ihn aus den Augen verloren, weil sich das Hauptgeschehen nunmehr über Elkes leblosem Körper abspielt. Vater versucht sich an einer Herzdruckmassage, worauf ihn der Zeremonienmeister immer wieder vom Körper der Heroisierten loszureißen versucht. Als er damit keinen Erfolg hat, nimmt er Vater von hinten in den Schwitzkasten. Beide Männer stöhnen im Kampfe, ihre Gesichter laufen vor Anstrengung rot an. Schließlich stößt sich Vater mit seinen Füßen von den Bühnenplanken ab, worauf er und Herr Daumwängler gemeinsam aus dem Gleichgewicht geraten. Sie stürzen über die samtroten Schemel und reißen die zwei anderen Desinfektionsständer mit sich. Der Donnerhall ist dieses Mal nicht zu hören, weil die Menge immer aufgebrachter „Leugner! Leugner!“ brüllt.

Zwischenzeitlich stehe ich am Rande des Vakzinariums und zögere. Von der Menge geht keine Gefahr aus. Das weiß ich, denn sie haben gelernt, dass man sein rotes Quadrat nicht verlassen darf, ehe der Zeremonienmeister das Ende der Vakzination verkündet hat. Was also soll ich tun? Meine Gedanken drehen sich im Kreise. Die Tür zum Vakzinarium gleitet indessen gedämpft in ihren Rahmen zurück. Als der Eingang beinahe geschlossen ist, höre ich von weitem das Signal der blauen Flotte. Die Gesundheitspolizei rauscht mit wenigstens zwei Streifenwagen aufs Vakzinarium zu. Das Heulen der Sirenen überlagert sich wie im Kanon. Elke ist verloren.

„Was geschieht mit uns?“ ist mein letzter Gedanke, ehe ich ...