Eingepreiste Opfer
Die negativen Folgen der Lockdowns für Kinder waren von Anfang an abzusehen — man hat sich bewusst dazu entschieden, sie in Kauf zu nehmen.
Seit September 2025 arbeitet in Deutschland eine Enquetekommission an der Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Von den 14 Bundestagsabgeordneten, die ihr angehören, sind 11 Mitglieder von Parteien, die während der Coronajahre an der Regierung und damit verantwortlich für die Maßnahmen waren, die sie nun aufarbeiten. Kein Wunder, dass heute über fünf Jahre nach Beginn des ersten Lockdowns eine eher zögerliche Aufarbeitungsstimmung herrscht, die zwar anerkennt, dass Fehler gemacht wurden, allerdings nur, weil das Virus neu war und man es damals nicht besser wissen konnte. Aber stimmt das wirklich? Für eine Pandemie, ihre Eindämmung und auch die Minimierung der Kollateralschäden gibt es Pläne. Im Fall von Corona wurden diese jedoch über Bord und stattdessen wild mit immer neuen Maßnahmen um sich geworfen.
Im Rückblick ist man bekanntlich immer klüger, auch wenn nicht alle in Gesellschaft und Politik gleichzeitig bereit wären, daraus dieselben oder überhaupt Schlüsse für ein potenzielles nächstes Mal zu ziehen. Bis heute hält sich zur Rechtfertigung von politischen Fehlentscheidungen gerade auch im Hinblick auf Schulschließungen und beschränkende Maßnahmen für Kinder der Mythos, man habe es immer nur gut gemeint und anhand der damaligen Datenlage nicht besser wissen können. Doch, das konnte man. Bereits nach dem ersten Lockdown im März und April 2020 befassten sich nicht nur in Deutschland, sondern auch international zahlreiche Wissenschaftler und Institutionen eingehend mit den Folgen und Erkenntnissen aus diesen Wochen einer weggeschlossenen Gesellschaft.
Man hätte also zum einen aus diesen rasch gewonnenen, ersten Erkenntnissen mit teils bereits dramatischen Befunden gerade auch für die psychische Gesundheit von Kindern sofort Rückschlüsse ziehen können, weitere Untersuchungen und auch Studien staatlich anordnen müssen, um größere Kollateralschäden vor allem bei Kindern zu vermeiden, aber auch, um die drohenden Schäden bei der Abwägung kommender Entscheidungen mit einzubeziehen.
Es gab nie eine Risikofolgenabschätzung
Erkenntnisse aus dem Ausland, das teilweise mit ganz anderen Konzepten in Bezug auf Kinder und Schulen arbeitete, hätten mit den eigenen Erfahrungen abgeglichen werden können, um daraus zu lernen und Risiken besser einzuschätzen oder auch auszuschließen.
Genau genommen hätte es aber bereits vor einer Stilllegung des kompletten Schulbetriebes für Millionen von Kindern einer Risikofolgeabschätzung bedurft, die die potenziellen Gefahren durch Bildungsausfall, soziale Isolation und Einschränkung der Mobilität mit den Risiken durch die Corona-Erkrankung bei Kindern in einer Kosten-Nutzen-Rechnung nebeneinanderstellte.
Jedes banale Gesetzgebungsverfahren im Bundestag kennt diese Folgekostenabschätzung, aber die größten Einschränkungsmaßnahmen seit Gründung der Bundesrepublik wurden ohne solche Analysen beschlossen – zulasten der Kinder.
Nun gibt es auch für Seuchenausbrüche präventiv ausgearbeitete Standardverfahren, die Behörden sind vorbereitet – damit enden bereits die guten Nachrichten. Sehr schön haben die beiden hochdekorierten Virologen Klaus Stöhr und Detlev Krüger in einem Beitrag für die Berliner Zeitung die standardisierten, wissenschaftlichen Regeln bei Seuchenausbrüchen zusammengefasst und kamen nicht nur zu dem Fazit, dass diese Regeln bei Corona gebrochen, sondern auch, dass Kollateralschäden für die Gesellschaft durch unnötige oder gar schädliche Maßnahmen billigend in Kauf genommen worden waren. (110)
Grundsätzlich gilt demnach bei der Bekämpfung neu auftretender Infektionskrankheiten ein „abgestufter Prozess mit den drei Kernelementen:
- Containment (Eindämmung),
- Protection (Schutz der Vulnerablen),
- Mitigation (Folgenminderung)“.
Bis zum Schluss blieb man in Deutschland bei Punkt 1, der Eindämmung stehen, das „Dauer-Containment“ der allgemeinen Lockdowns war laut Stöhr und Krüger nicht nur sinnlos, sondern führte im Winter 2020/2021 zu noch stärkeren Winterpeaks. Statt die vulnerablen Gruppen wie etwa Vorerkrankte oder ältere Menschen abzusondern und vor Ansteckung zu bewahren, habe man diese Regeln des Seuchenschutzes „nicht akzeptiert“.
(…)
Wenn jedoch die vielfältigen Folgeschäden durch Schulschließungen und Lockdowns für Kinder größer sind als die Gefahren der Erkrankung selbst, sind Maßnahmen nicht zu ihrem Nutzen, sondern zu ihrem Schaden.
Diese Abwägung ist in Deutschland unterblieben, gleichzeitig verwies die Politik aber immer auf wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis ihrer Entscheidungen. Erkenntnisse, die es in Wahrheit nie gab; gegensätzlich ausfallende Erkenntnisse gab es sehr wohl, die wurden aber ignoriert.
Hier können Sie das Buch bestellen: Buchkomplizen