Entkernte Gotteshäuser
Der Kirchentag 2025 in Hannover offenbarte, dass der Institution die letzten Reste ihrer Substanz abhandengekommen sind und damit auch jede Nähe zur Lebensrealität der Menschen.
Man soll die Kirche im Dorf lassen. Sinnbildlich sind nämlich genau dort die Menschen. 2025 befindet sich die Kirche weiß Gott wo — doch ganz gewiss nicht mehr dort, wo die Menschen im Leben der Schuh drückt. Auf dem Kirchentag 2025 in Hannover wurde dies überdeutlich. Salbungsvolle Worte gab es reichlich. Doch die blieben am Ende auch nur das: Worte. Worte, hinter denen nichts steht, keine Handlung, keine Entsprechung in der Realität. Die unrühmliche Rolle der Kirche in den letzten Jahren, die zum christlichen Glauben nicht konträrer hätte sein können, wurde mit keiner Silbe reflektiert. Polemisch und mit einem Hauch von Zynismus resümiert der Pfarrer Jürgen Fliege den Tag der Kirche, der selbiger nicht gerecht wurde.
Ich war nicht da, beim Kirchentag 2025 in Hannover. Ich las nur darüber, was da so in den sogenannten Leitmedien stand und was das Fernsehen brachte. Es war wohl, um an Jesu Weisheit zu erinnern, der „dümmste“ Kirchentag aller Zeiten. „Dumm“, wie Salz eben dumm ist, wenn man zwar eine Menge davon hat, es aber über lange Zeit hat liegen und verkommen lassen. Keine Schärfe mehr, kein Gewürz mehr. Nix! Nur noch ein riesiger Haufen aus Worten und Worten und Worten. Einfach dumm! Dumm gelaufen! Dumm, wenn man mit Jesu Wort Millionen von „Menschen draußen im Land“ keinen Geschmack mehr am Leben und Sterben vermitteln kann. Dumm gelaufen! Kein Wunder, dass immer mehr vom Tisch des Herrn aufstehen und gehen. Das Wort wirkt nicht mehr. Man hat es verkackt. Stattdessen: Konfetti und rote Schals für alle! Halleluja!
Der Kirchentag ist verdummt und damit ein Verrat an der Schärfe von Wort und Leben des Meisters. Eine konturenlose, salzlose Christenschar, die sich selbst genug ist! Statt Nazarener Jubel-Naeser! Halleluja!
Ich liebte Kirchentage. Ich war schon in den Sechziger- (1967 in Hannover) und Siebzigerjahren dabei. Ich habe dafür unzählige neue geistliche Lieder gedichtet und Texte entworfen. Ich habe Großveranstaltungen wie „Beatmessen“ mit zigtausend Besuchern geleitet und genauso in absoluter Stille von riesigen Messehallen voller Menschen Zen-Meditationen vorgestellt. Kirchentag war mein Leben. Ich verdanke dem Kirchentag auch die öffentliche Wahrnehmung meiner Talente, die mich ins Fernsehen brachte. Das war meine Kreativität bei den riesigen Kinderkirchentagen genauso wie die Freiheit meiner Rede bei dem zentralen, sehr, sehr umstrittenen Kirchentagseröffnungsvortrag. Wieder bei einem Kirchentag in Hannover.
Ich war auch dabei, als in den Siebzigerjahren das Präsidium des Kirchentags darüber zu entscheiden hatte, ob homosexuell begabte Männer — Frauen waren damals kein Thema — einen Infostand auf dem sogenannten Markt der Möglichkeiten haben sollten. Wurde damals knapp angenommen. Und so, offenbar vom Eise des ewigen Verschweigens befreit, war ich ein paar Stunden später genauso ungefragt wie erschrocken vorübergehend nicht mehr allein in meinem Bett in einer christlichen Anstalt. Ich kenne Kirchentage also vor und hinter den Kulissen, oberhalb und unterhalb von Podien und Bettdecken. Kirchentage, mein Leben!
Aber seit meinen TV-Zeiten gab es dann keine Einladungen mehr. Das war die Zeit, wo der Siegeszug der Frauen in kirchlichen Ämtern langsam an Fahrt aufnahm, der jetzt so weit ist, dass Frauen das öffentlich wahrnehmbare Bild der Evangelischen Kirche bestimmen. In Hannover 2025 war die Chefin der Synode der Evangelischen Kirche eine Frau, die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche eine Frau, die Präsidentin des Kirchentags eine Frau, die Geschäftsführerin des Kirchentags wohl auch.
Das scheint nur gerecht, wenn 500 Jahre Patriarchat abgelöst werden. Der notwendige Pendelschlag hat aber das Problem mit sich gebracht, dass das weibliche, alles bergende, alles verstehende, alles verzeihende mütterliche Element unserer Spiritualität nicht mehr dialektisch reflektiert, dass das männlich konnotierte spirituelle Element des Rufes, der Berufung, der einsamen Konfrontation mit dem Namenlosen und der Nachfolge zu neuen Ufern verloren gegangen ist. Also ebenso fromme wie mutige Männer mit gesalzenen Eiern. Der Kirchentag als Verein mit dummem Salz, dem die Eier verloren gingen.
Wie soll das denn wirken, wenn die Stars der drei tollen Tage von Hannover 25 nicht mehr Theologinnen wie Dorothee Sölle und Theologen wie weiland Jürgen Moltmann, Eugen Drewermann oder Eberhard Jüngel sind, sondern in gegenseitigem Misstrauen abgekochte Politiker, die von uns allen in Coronazeiten, wie sie da waren und immer noch sind, forderten, Jesu Wort unter keinen Umständen mehr zu folgen und unsere Nächsten nicht mehr zu lieben!
Sie schickten uns ihre Polizei auf den Hals und in die Gotteshäuser und nachtschlafend ins Haus. Ist das alles vergessen, was da die Herren Ministerpräsident Weil, Bundespräsident Steinmeier, Altminister Spahn, Kanzler Scholz und auch die Altkanzlerin der Herzen Merkel gesagt, angeordnet und angerichtet haben? Hohn und Spott, Kübel voll geistigem Teer und edler Feder haben sie über uns geschüttet. Und wollen es nicht gewesen sein. Gibt es keine mit dem Evangelium gesalzenen Ethiker mehr, die den Augiasstall, jene von den Regierungen eingesetzten schönen Ethikräte, welche uns die Impfung reindrücken wollten wie Kanonen in die Ukraine, endlich versuchen auszumisten? Alles vergessen? Schnee von gestern? All die einsam Verstorbenen, all die leidenden Kinder, all the lonely people, were do they all come from? Alles vergessen? Davon las ich nichts. Dumm gelaufen in Hannover.
Wo waren die Stimmen der Menschenopfer von Impfkampagnen und Kriegstüchtigkeit in Hannover? Wenn sie schon tot sind, wer gab ihnen seine Stimme? Oder wächst über ihren Gräbern längst das mit Pfizer-Produkten gedüngte Gras wie über den Gräbern der Gefallenen? Waren die da in Hannover? Irgendwo am Rand?
Aber warum weiß ich das nicht? Warum las ich es nicht? Ich verlasse mich doch auf die Qualitätsmedien. War es wirklich der wohl dümmste Kirchentag aller Zeiten oder wurde nur falsch berichtet, Lückenpresse als Lügenpresse? Wen riss es vom Sitz, vom Hocker oder vom berühmten Kirchentagskartonwürfel, wenn unsere Politiker — „was geht mich mein Geschwätz von gestern an?“ — planen, freien Meinungsäußerungen einen amtlich maßgeschneiderten Maulkorb mit Sensor anzulegen?
Lügen ist nicht durch Meinungsfreiheit gedeckt. Bitte, was? Eine quasistaatliche Behörde — das Orwell’sche Wahrheitsministerium — schaut in Zukunft nach den Rechten? Sind das vielleicht auch „Fake News“, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, weil man da die Faktenchecker von Correctiv drauf angesetzt hat? Und die da eine wissenschaftliche Sicht für alle erarbeitet haben? Was sagen die Omas gegen rechts dazu, dass wir Christen geborene Untergrundgläubige sind, die jeder Form von Macht misstrauen, ob sie nun von rechts, links oder von den Omas selbst aus der Mitte der Gesellschaft kommen? Erkennen die leitenden Frauen des Kirchentags, dass die Präsidentin des Bundestags, Frau Klöckner, mit ihrer Kritik an der Kirche den Splitter zeigt, von dessen Holz sie selbst einen Balken vor sich herträgt?
Was hat das zudem zu bedeuten, dass die altvordere Bischöfin Margot Käßmann mit ihrem gut besetzten Friedensforum zeit- und ortsgleich quasi außerparlamentarisch als Kirchentagsopposition in Hannover tagte — oder tagen musste? — und von dort aus darauf hinwies, dass der heute verspottete und verhöhnte Pazifismus eine wichtige Wurzel unseres Glaubens war und ist, die durch künstliche Intelligenz (KI) in unseren Herzen überschrieben werden muss? Quäker, Amischen, Kriegsdienstverweigerung im Grundgesetz — alles muss raus. Unsere höchsten Gerichte arbeiten schon daran. Es ist Friedensschlussverkauf!
Wo ist der Aufschrei? Wo ist das Salz unseres Glaubens, das unser Leben haltbar machte? Dumm ist es geworden! Dumm geworden unter den ständigen Angstkampagnen der Regierungen. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, Boris Fischer alias Pistorius — lateinisch hört es sich einfach besser an — hat die Welt am Marschsee in Hannover überwunden. Folgt ihm in seiner Angst-Propaganda in die neue Kriegstüchtigkeit für Jung und Alt. „Kriegstüchtigkeit“, das neue Wort, dass das alte Wort vom Sportpalast-Goebbels ablöst.
Das alles hätte sich im TV fast versendet, zu Fischeinpackpapier verwandelt, was auch immer aus dem Gestern wird. Und die Christenschar hätte ebenso verdummt wie beseelt mit Kreuzesfahnen die Heimreise angetreten, wenn da nicht die Altministerin Faeser gewesen wäre. Das ist die mit dem Mann im Bademantel um sechs oder die, der ein freier Mann mit Satire nicht kommen kann, weil sonst der Staat zusammenbricht. Es sei denn, der Satiriker liebt es, für Majestätsbeleidigung ein paar Monate auf Kost und Logis des Staates eine Auszeit zu nehmen. Diese ebenso wenig begabte wie zurückgepfiffene Innenministerin von gestern also, diese Frau Nancy Faeser, seligen Ministerangedenkens, die riss der dummen Schar von Hannover diese dumpfe Friede-Freude-Eierkuchen-Verpackung, dieses Eiapopeia vom Himmel, in Sekundenbruchteilen von den Seelen. Und dafür gebührt ihr jeder Dank.
Liebe Frau Faeser,
ich hab Ihnen ja schon mal geschrieben. Ich weiß bis heute nicht so genau, ob Sie wirklich auf Männer in Bademänteln stehen. Manches spricht dafür, und ich habe meinen vorsorglich reinigen lassen. Aber dann haben Richter Sie gestoppt. Heute will ich Ihnen nicht zu nahe treten, sondern Vollzug melden. Ohne dass ich auf der eigentlichen Payroll meines evangelischen Mitbruders mit Schlapphut, Thomas Haldenwang, stehe.
Aber was Ihnen da quasi mit der letzten Patrone im Amt in Sachen AfD gelungen ist, also: Chapeau! Die Christen aller Altersgruppen beim Kirchentag waren begeistert. Die Teufel in Blau würden bald ihr blaues Wunder erleben und einfach verboten sein. Man kann die oder den Teufel einfach verbieten! Warum ist bisher kein Bischof darauf gekommen? Oder Jesus selbst? Frau Ministerin, unter uns, die Beseelten vom Kirchentag hatten zwar alle keine Ahnung, warum und wieso Sie quasi im Alleingang jeden vierten von uns Bürgern für demokratieunmündig erklären. Muss man ja auch nicht. Bürokratieabbau ist angesagt. Gründe müssen doch eh geheim bleiben! Über zehn Millionen von uns werden einfach über Höcke und Co. betrogen — zehn Millionen! Macht aber nix. Wen kümmern beim dümmsten Kirchentag in Hannover die Hintergründe, dass eine weisungsgebundene Behörde der SPD der Opposition das Recht auf Leben abspricht! Die Omas und Enkelinnen gegen rechts jedenfalls sind ebenso dumm wie begeistert. Es ist ihnen egal, dass Sie Ihr Urteil nicht begründen, es ist ihnen egal, warum und wieso Sie es am letzten Tag Ihrer Amtszeit als Bombe ins Volk werfen. Egal! Egal! Es ist eine ebenso tiefe wie dumme Lust, zu richten! Die Lust zu denken ist allemal kleiner. Das wirksame Salz an dieser Stelle steht in der Bergpredigt des Meisters.
Aber nur gut, dass Sie selbst nicht vor Ort waren. Gut, dass Sie nicht selbst zu den Massen gesprochen haben. Es kommt einfach nicht gut, wenn man solche Leute fragt, ob sie den totalen Krieg gegen die AfD wollen. Sie hätten sich weiß Gott ihre roten Schals vom Hals gerissen und gejubelt und „Ja“ geschrien. Vom letzten Pfadfinder bis zur Bischöfin ganz oben. Dass uns das erspart geblieben ist, liebe Frau Ministerin, für Ihre vornehme Zurückhaltung also gilt Ihnen mein Dank.
Die Reihen der dummen Christinnen und Christen stehen also Gewehr bei Fuß, liebe Frau Ministerin Faeser. Ich danke Ihnen für diese geniale Klarstellung in der Sache: Wo steht der Evangelische Kirchentag in Deutschland? Unterm Kreuz oder unterm Adler?
Derweil empfehle ich Ihnen im gut verdienten Ruhestand die Lektüre Ihres hessischen Landsmannes Pfarrer Martin Niemöller „Vom U-Boot zur Kanzel“. Oder war es umgekehrt? Ich weiß nicht. Ich weiß es nicht mehr. Die Zeitenwende macht mich fertig.