Ferdinand Piëch: Hinter Gittern!

Abgeschottet, verbarrikadiert, hinter Mauern. Sie sind arm dran, diese Reichen.

Nicht „hinter Gitter“, wohl aber „hinter Gittern“ wohnen zahlreiche Millionäre am Wörthersee in prunkvollen Jugendstilvillen. Abgeschottet, verbarrikadiert, hinter Mauern. Sie sind arm dran, diese Reichen.

Piëchs Villa am Südufer des Kärntner Wörthersees ist gleich zweifach eingezäunt. Da gibt es zum einen eine zwei Meter hohe Betonmauer und da gibt es zum zweiten noch vor der Mauer mit einem Abstand von einem Meter eine riesengroße, dichte und Sicht verdeckende Hecke. Doppelte Abschirmung, doppelte Angst. Kein Namensschild neben der riesigen schmiedeeisernen Tür, Videokameras, uniformierte Bodyguards, Wachhunde im Käfig und mit freiem Auslauf nachts auf dem großen Grundstück, dicht bewachsenes Schilfufer am Seewasser, vier Riesenscheinwerfer mit Bewegungsmeldern nachts am Seeufer und auch hier – in drei Schichten über 24 Stunden abwechselnd – Securityleute mit Feldstechern. Und damit dem feministischen Zeitgeist genüge getan wird, grüßt den allzu neugierigen Schwimmer am Bootshaus von Ferdinand Piëch ein sexy weiblicher Bodyguard mit langem dunkelblondem Zopf.

Sie sind arm dran, diese Reichen: „Du bist die Rose vom Wörthersee.“

Ferdinand Piëch ist der Enkel von Ferdinand Porsche, dem VW-Erfinder und Lieblingsingenieur von Adolf Hitler. Und die Porsche-Villa steht auf dem Nachbargrundstück der Piëch-Villa. Auch hier: Ein mit Leibwächtern bewachtes Bootshaus, kein Namensschild, Videokameras, Mauern und Zäune. Nur wenige Seebuchten weiter gibt es die Flick-Villa mit Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach, heute bewohnt von der Witwe Ingrid Flick. Ihr 2006 verstorbener und 30 Jahre älterer Gatte Friedrich Karl Flick (Dynamit Nobel, Buderus, Krauss-Maffei, Stahlunternehmen, Daimler-Benz), mit einem geschätzten Vermögen von 6,5 Mrd. Euro einer der reichsten Männer Österreichs, soll in seiner Villa einen eigenen Operationssaal und einen unterirdischen Gang mit einem Tunnel zu einem eigenen, immer einsatzfähigen U-Boot gehabt haben. Etwa der Flick mit der Flick-Affäre? Ja, genau der.

Die Flicks legen ihr Geld gerne in Immobilien an. So kaufte Ingrid Flick, direkt an das Porschegrundstück angrenzend, ein Riesenmietshaus für 10 Mio. Euro und ließ alle Mieter ausziehen. Das Haus steht seit langem leer. Immobilienspekulation. Man sagt, dass die benachbarten Porsches über diesen Kaufakt der Witwe Flick nicht „amused“ waren. In der Tat: Zwischen den Reichen und Schönen am Wörthersee gibt es durchaus Streit um Zugangsrechte zum See und die Anzahl begrenzter Bootslizenzen für den See. Meine Tante Evelyn hätte dazu in ihrer arroganten Art gesagt: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich!“ Aber man verträgt sich auch, denn alle diese Reichen vereint ihre fremdenfeindliche Angst vor reichen Russen. Wollte die SPD den deutschen Arbeitern 1972 deren Villen am Tessin wegnehmen, so fürchten sich heute die alteingesessenen Milliardäre am Wörthersee vor russischen Oligarchen, die ihnen wie in Kitzbühel die besten Grundstücke wegnehmen könnten. Hinter vorgehaltener Hand spricht man von einer Wörthersee-Russenquote von maximal 10 Prozent aller Seevillen.

Eine weitere, besonders feine Geschichte ist auch die über Heidi Horten, die Witwe des 32 Jahre älteren Kaufhausunternehmers Helmut Horten, dessen Düsseldorfer Kaufhaus bis 1936 den jüdischen Unternehmen Gebr. Alsberg, Strauß und Lauter gehörte. Mit einem geschätzten Privatvermögen von 3,2 Milliarden Dollar ist Heidi Korten Besitzerin der Carinthia VII, einer der größten Privatyachten der Welt. Sie und Wwe. Flick sollen sich mit ihren Villen und Immobilien nicht grün sein. Hortens prächtiges Domizil kann sich durchaus neben der Flick-Villa sehen lassen. Es hält sich ferner das hartnäckige Gerücht, dass sich Kaufhausmillionär Horten nur deswegen eine eigene Kirche bauen ließ, um nicht mit dem Pöbel auf ein und demselben Friedhof begraben sein zu müssen. Manche meinen aber auch, dass das nur neidisches und boshaftes Geschwätz sei.

Gaston Glock, der berühmte Waffenproduzent, wohnt auch am Wörthersee. Seine Pistole Glock 17 ist seit 1980 Armeepistole beim österreichischen Bundesheer. Solche Geschäfte mit einem Staat, der ja nicht pleite gehen kann, gleichen einem Dauerlutscher oder einem kostenlosen Abo. Sie sind ein finanzielles Perpetuum mobile. Er lebt in einer seiner geschätzt 25 Wörthersee-Villen mit seiner 52 Jahre jüngeren Frau Kathrin zurückgezogen irgendwo an diesem schönen See. Mit seinen nun 88 Jahren tritt er öffentlich kaum noch auf.

Sie sind arm dran, diese Reichen, denn der gesamte private Familienbesitz der beiden Familien Porsche und Piëch wird auf 65 Mrd. Euro geschätzt. Wie mager sieht dagegen das Privatvermögen von Gaston Glock aus, nämlich nur 1,65 Mrd. Euro. Nur kein Neid, Herr Glock! Freuen Sie sich stattdessen mit uns an Vivi Bachs Film von 1962: „Wenn die Musik spielt am Wörthersee“.


Porsche-Villa am Wörthersee

Die Porsche-Villa am Wörthersee (Foto: Jörg Becker)


Ja, und dann gab es am Wörthersee auch noch den 2011 verstorbenen Fotografen und Kunstkenner Gunter Sachs, der zwischen 1990 und 2003 im riesigen Schloss Velden wohnte, heute ein 5 Sterne Hotel mit 104 luxuriösen Zimmern und Suiten. Sachs’ Privatvermögen wurde auf 500 Mio. Euro geschätzt. Als Sohn einer Eleonore von Opel und Erbe von Fichtel & Sachs, Produzent von Kleinmotoren, Kupplungen und Stoßdämpfern in Schweinfurt, war Gunter Sachs genauso Teil der Automobilwelt wie ein Porsche und ein Piëch. 2007 empfing Gunter Sachs aus der Hand des rechtspopulistischen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Kärnten. Besucht man heute die Haidersche Gedenkstätte im Bärental beim Wörthersee, die auf dem der Haiderfamilie gehörenden und mit 1.600 Hektar riesengroßen Gelände liegt, trifft man dort schnell auf rechtsradikales Gelump. Und man hätte Gunter Sachs gewünscht, dass er diesen Preis 2007 nicht angenommen hätte, denn Sachs war kein Rechter wie Haider, sondern ein liberaler Freigeist. Übrigens: Die heutigen Haiderschen Wälder, Seen und Täler gehörten bis zur Nazi-Zeit der jüdisch-italienischen Familie Roifer, übrigens ein Gelände in der Größe von mehr als 2.100 Fußballfeldern.

Und wo wir in Österreich schon bei Kleinmotoren und Autos sind, da darf man am Wörthersee die altehrwürdige und pompöse Burgvilla Schloss Reifnitz von 1898 in der Gemeinde Maria Wörth nicht vergessen. Unter aktiver Vermittlung von Jörg Haider ging dieses Schloss 2005 aus dem öffentlichen Besitz des Landes Kärnten in den privaten Besitz der Firma Magna über, einen Automobilzulieferer im Besitz von Frank Stronach. Auch Stronach ist kein Kind von Traurigkeit: Seine kanadisch-österreichische Produktionsfirma Magna International hat in 29 Ländern 150.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2013 einen Jahresumsatz von 25 Mrd. Euro. Der Werkzeugmacher und Mini-Milliardär Stronach besitzt ein privates Vermögen von nur 1,5 Mrd. Dollar. In der europafeindlichen und rechtspopulistischen Partei „Team Stronach“ ist Stronach Parteivorsitzender einer Gruppe, die seit 2013 mit elf Sitzen im österreichischen Nationalrat vertreten ist.

Sie sind immer noch arm dran, all diese Wörthersee-Reichen mit ihren Villen in der Wörthersee-Architektur aus der Industriewelt des Maschinenbaus, der Waffen und der Autos. Besonders arm dran ist Frank Stronach im Vergleich zu Ferdinand Piëch. Hören wir doch deswegen lieber Ralf Christian mit der Titelmusik der RTL-Schnulze „Ein Schloss am Wörthersee“ mit Uschi Glass und Roy Black in den Hauptrollen von 1990.

500 km weit weg vom Wörthersee wohnte einst am Bodensee die großartige Norne Elisabeth Noelle-Neumann. Mit Gunter Sachs vom Wörthersee verband sie ihr Interesse an Astrologie. Gemeinsam mit ihm veröffentlichte sie 1995 sogar eine Studie über die „Wissenschaft“ des Sternedeutens. Die weise Pythia vom Bodensee kam dabei zu folgendem Ergebnis: „Die Autoren sind keine ausgebildeten Astrologen. Es ist aber festzustellen, dass die mit dieser Studie gefundenen signifikanten Unterschiede zwar absolut gesehen klein sind, aber doch nach einer Erklärung verlangen.“ Elisabeth Noelle-Neumann, dieser beispielhaften und frühen Pionierin einer empirischen Glücksforschung, verdanken wir außerdem die wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnis, dass Geld nicht glücklich macht. Na, das ist doch mal was! Parallel zu dieser Erkenntnis kann man dann das Buch „Lob der Armut“ des Nazi-Dichters Will Vesper von 1921 lesen. Meine oben schon erwähnte Tante Evelyn hätte aber der Noelle-Neumannschen Sicht der Dinge hinzugefügt: „Doch mit Geld weint es sich besser als ohne.“


Foto: "The People's Car" von Heinrich Hoffmann (Lizenz von Getty Images, Bildnummer: 2672962)

Ferdinand Porsche (links) und Adolf Hitler (zweiter von links) mit einem VW-Modell (Foto: "The People's Car" von Heinrich Hoffmann, Lizenz von Getty Images, Bildnummer: 2672962)


Eine weitere Schlussfolgerung ergibt sich aus all den Zäunen und Mauern dieser reichen Wörtherseemenschen. Wer sich derartig von seiner Umwelt abschirmt und hinter seinen Mauern nur mit seiner ihm treu ergebenen Dienerschaft spricht (Butler, Adjutant, Haushälterin, Hausdame, Hausmeister, Chauffeur, Diener, Zofe, Magd, Knecht, Page, Bote, Dienstbote, Kurier, Laufbursche, Zugehfrau, Sekretär, Stylistin, Designerin, Leibwächter, Wachposten, Gärtner, Stallknecht, Bootskapitän, Matrose, Melkerin, Koch, Truchsess, Vorkoster, Kellner, Servierfräulein, Kellermeister, Putzfrau, Friseuse, Masseur, Krankenschwester, Kebsweiber, Schneiderin, Amme, Kindermädchen, Schuhputzjunge und sonstiges Gesinde), wer sich in abgedunkelten Fenstern seines neuen Tesla von der Villa zum Privatjet fahren lässt, um nach dem Flug anderswo an einer geheimen Aufsichtsratssitzung im hermetisch abgeschlossenen Raum auf der obersten Etage eines Hochhauses teilzunehmen (die nur per Lift mit Gesichtserkennung und nicht über Treppen erreichbar ist) und wer morgendlich nur die von seinem Sekretär in einer Pressemappe zusammengestellten Presseausschnitte über sein eigenes Unternehmen liest, der ist realitätsblind. „Arme Sau!“, hätte meine Tante Evelyn mitleidig ausgerufen.

Auch die zahlreichen Stars und Sternchen haben und hatten ihre Villen am Wörthersee. Doch gibt es hier markante Unterschiede zu den Villen der Industriemagnaten: Sie sind ärmlicher, kleiner und verfallen nach dem Tod ihres Superstars. Von Udo Jürgens zwei Strandvillen ist die schöne und ältere bereits abgerissen, in Peter Alexanders Villa sollen schmuddelige Oben-Ohne-Parties stattfinden und die Dieter-Bohlen-Freundin Naddel verkaufte ihre Villa neben der Flick-Villa, weil es ihr am Wörthersee zu langweilig gewesen sein soll. So ist das halt! Ein kapitalistisch fundierter Maschinenbau steht in alten und festen Familientraditionen – dagegen ist die Welt des Tingeltangel kurzlebig und leicht vergänglich.

Mauerbau ist zur Zeit „in“. Siehe Donald Trump an der Grenze zu Mexiko mit einer geplanten Ausgabe in Höhe von 8 Mrd. Dollar. Auf der Architekturbiennale 2018 in Venedig wird es im Deutschen Pavillon eine Ausstellung unter dem Titel „Unbuilding Walls“ geben. Dabei wird man der Berliner Mauer „vorher“ und „nachher“ gedenken. Ich empfehle Österreich in seinem Pavillon ein Projekt mit dem „unbuilding“ aller Mauern der großen Villen am Wörthersee. Auch hier bitte ein „vorher“ und „nachher“. Und noch eine abschließende Empfehlung: Alte Wörtherseemanager harren ungeduldig auf eine Zweitheirat mit jüngeren Damen vom See. Fesche Madln vom Wörthersee: Ihr könnt bei YouTube systematisch lernen, wie man sich einen Millionär angeln kann. Traut Euch!


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