Frau Dunkelheit

Ein kleines Gedicht über eine große, zu Unrecht verkannte Freundin der Menschen.

Sie ist nicht unbedingt beliebt. Die meisten schätzen doch mehr das Licht und wollen sich überhaupt nur auf die eine, die strahlende und „positive“ Seite der Schöpfung einlassen. Dabei brauchen wir beides: Tag und Nacht, Aktivität und Ruhe, Helligkeit und Finsternis. Die „Frau“, um die es hier geht, ist für uns Menschen unendlich segensreich. Sie hilft uns, alle Anspannung loszulassen und lockt uns ganz nach innen, in die Welt der Träume, der Fantasien und der Selbstbegegnung. Eine poetische Liebeserklärung an die Dunkelheit.

von Marianne Vogt

Schließt du die Augen, egal zu welcher Zeit,
lässt sie sich sehen — Frau Dunkelheit.

Sie schenkt dir einen tiefen, grauen Raum,
leuchtend zeigt sich darin dein größter Traum.

Zur blauen Stunde kannst du sie schon spüren,
nachts kommt sie, um dich sanft zu berühren.

Täglich gibt sie deinem Körper das Signal zu ruh‘n,
jetzt ist die Zeit, um einfach mal nichts zu tun.

Begegnet bist du ihr schon in deiner Mama Bauch,
Sich zu konzentrieren, lehrt sie deinem inneren Kind,
In einem abgeschlossenen Raum ohne Licht,
Von ihr ummantelt, offenbart sich dir erst der Kerze Schein,
Herr Licht kann keinen Moment ohne Frau Dunkelheit sein.

Sie schließt zur immer gleichen Zeit den Kreis im Jahr,
dann ist sie Tag um Tag ein bisschen länger für dich da.

Und wenn dir im Mond ihr Herz und in den Sternen deine Wünsche erscheinen,
weißt du gewiss, wie sie und du sich zu einem großen Ganzen vereinen.


Redaktionelle Anmerkung: Dies ist ein Gedicht aus dem Audiokalender von Mittengold & friends.


Quellen und Anmerkungen:

Am 6. Dezember 2022 veranstalten die Initiatoren des Audiokalenders um 20 Uhr in der Somatischen Akademie (Paul-Lincke-Ufer 30, 10999 Berlin, 4. Etage) eine Nikolaus-Lesung. Weitere Informationen zu der Veranstaltung unter: audiokalender.de/lesungen