Frieden durch die Hintertür

Ein amerikanischer Geschäftsmann tat, was westliche Regierungen offenbar nicht schaffen: Er verhandelte mit der russischen Regierung über ein Ende des Krieges.

Es ist ein Bild, das in seiner Absurdität alles sagt: Während sich die europäischen Nationen an diplomatischen Floskeln festhalten und sich mit Aufrufen zur Geschlossenheit gegenseitig überbieten, landet ein US-Milliardär in Moskau, trifft dort auf Funktionäre der russischen Regierung und verhandelt offenbar über Friedensoptionen — ohne UN-Mandat. Es gab keinen Medienrummel, das Ganze war nur ein stilles Treffen in einer aufgewühlten Welt. Der Name des Mannes: Steve Witkoff. Der Immobilienmogul, der durch seine Treue zu Donald Trump politische Bedeutung erlangte, ist kein Diplomat und kein gewählter Vertreter. Aber einer, der spricht, während andere schweigen. Und das mit einem Mann, den man im Westen gerne als „den Bösen“ im Spannungsfeld einer allzu schlicht interpretierten Weltordnung hinstellt: Wladimir Putin. Dass dieses Treffen überhaupt stattfindet, ist bemerkenswert. Dass es von der westlichen Presse weitgehend ignoriert wird, ist bezeichnend. Denn was Witkoff in Moskau bespricht, hat politische Sprengkraft.

Es geht um den Ukraine-Krieg, um Sanktionen, um geopolitische Umbrüche. Und um eine Friedenslogik, die sich von allem unterscheidet, was Europa bisher versucht hat.

Die stille Kapitulation der westlichen Diplomatie

Während sich die EU-Außenminister in Brüssel gegenseitig versichern, dass man an der Seite Kiews steht, werden die eigentlichen Gespräche längst anderswo geführt. Nicht mehr auf Sicherheitskonferenzen oder in diplomatischen Protokollen, sondern im Schattenflug zwischen Washington, Dubai und Moskau.

Putin selbst schlägt öffentlich ein Treffen mit Trump vor. In den Vereinigten Arabischen Emiraten. Kein NATO-Mitglied, kein Neutralitätspapier, kein Völkerrechtsformalismus. Nur zwei Männer, die sich offenbar einig sind, dass der Krieg enden sollte. Und sei es aus ganz verschiedenen Motiven.

Dass Trump auf dieses Angebot eingeht, überrascht nicht. Er denkt nicht in internationalen Allianzen, sondern in Deals. Europa ist für ihn bestenfalls Staffage, schlimmstenfalls Störfaktor. Und so entsteht ein diplomatisches Vakuum, das von Privatmännern wie Witkoff gefüllt wird. Es ist eine neue Form der Macht: informell, inoffiziell, aber wirksam.

Vielleicht ist das gar nicht so schlimm

Natürlich kann man das alles kritisieren. Dass hier nicht gewählte Vertreter über das Schicksal ganzer Regionen sprechen. Dass die Ukraine womöglich zur Verhandlungsmasse degradiert wird. Dass politische Prozesse von Männern gesteuert werden, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen.

Aber vielleicht ist gerade das der Grund, warum es plötzlich Bewegung gibt. Weil die offiziellen Kanäle verstopft sind. Weil Brüssel lieber tagt als handelt. Weil Berlin wie gelähmt auf Washington blickt. Und weil Washington unter Joe Biden zwar viel sagte, aber wenig bewegte.

Witkoff redet mit Putin. Und das ist mehr, als man von manchem gewählten Regierungschef behaupten kann. Die Frage ist also nicht: Dürfen die das? Sondern: Warum muss es ausgerechnet so passieren?

Frieden ohne Transparenz

Frieden ist ein hohes Gut. Aber wie er entsteht, ist nicht egal. Wenn er das Ergebnis undurchsichtiger Männerfreundschaften wird, besteht die Gefahr, dass er nur so lange hält, wie es den Beteiligten nutzt. Was passiert, wenn sich das politische Klima in den USA erneut ändert, oder die Gespräche mit Putin gescheitert sind? Was, wenn Europa dann nur noch Zuschauer ist?

Ein Frieden, der nicht auf Gerechtigkeit, sondern auf Opportunität basiert, kann instabiler sein als der Krieg, den er beenden soll. Aber: Er kann auch eine Tür öffnen. Eine Chance. Ein Fenster, das sich nicht wieder öffnet, wenn es jetzt geschlossen wird.

Deshalb geht es nicht darum, Witkoff zu verteidigen oder Trump zu idealisieren. Sondern darum, die eigene Ratlosigkeit zu überwinden. Es ist nicht schädlich, wenn jemand mit Putin spricht. Schädlich ist, wenn es sonst niemand mehr tut.

Europa, das abwesende Subjekt

Vielleicht ist das eigentliche Drama gar nicht, dass ein amerikanischer Geschäftsmann in Moskau verhandelt. Sondern dass kein Europäer dort ist. Kein deutscher Kanzler, kein französischer Präsident, kein UN-Sonderbeauftragter.

Europa hat sich aus der aktiven Friedenssuche verabschiedet. Stattdessen liefert man Waffen, formuliert Bedingungen und redet von Prinzipien. Alles wichtig. Aber Frieden entsteht nicht durch Prinzipien allein, sondern durch Gespräche. Und diese finden gerade ohne uns statt.

Wenn wir Glück haben, funktioniert es trotzdem. Wenn nicht, wird Europa zum Juniorpartner einer Ordnung, die anderswo ausgehandelt wurde.

Fazit: Nicht zynisch werden, aber wach bleiben

Wir sollten uns über jede Initiative freuen, die den Krieg beenden könnte. Auch wenn sie von unerwarteter Seite kommt. Aber wir dürfen nicht aufhören, Fragen zu stellen: Wer verhandelt mit wem? In wessen Namen? Und mit welchen Folgen?

Der Frieden ist zu wichtig, um ihn den falschen Händen zu überlassen. Vielleicht braucht er heute inoffizielle Wege.

Aber morgen braucht er wieder öffentliche Rückbindung. Demokratie lebt davon, dass wir auch in komplexen Zeiten nicht die Kontrolle verlieren. Witkoff spricht mit Putin. Gut so. Aber was sagt das über uns?