Gefährliches Fahrwasser
Die Luftangriffe auf Katar und die Global Sumud Flotilla stellen eine neue Stufe der militärischen Enthemmung im Nahen Osten dar.
Als am 1. Juni 2025 ein Segelschiff namens „Madleen“ startete, um mit Lebensmitteln die Blockade des Gazastreifens durch die israelische Armee zu durchbrechen, wussten alle, aus selbstgefälligen und realistischen Gründen, dass das nicht gelingen wird. Und so geschah es auch. Die israelische Marine kaperte das Boot, nahm alle Mitglieder fest und schob sie ab. Im Nachhinein stellte jemand ein Bild ins Netz, das Hunderte von Segelbooten zeigte, die die Hungerblockade durchbrechen wollen. Schön wär’s, dachte sich Wolf Wetzel. Anfang September verließen 20 Boote und Schiffe mit mehr als 300 Personen an Bord im Rahmen der Global Sumud Flotilla den Hafen von Barcelona. In den kommenden Tagen werden sich Schiffe aus anderen Ländern, darunter aus Tunesien und Italien, anschließen. Wieder werden viele sagen, aus guten Gründen, dass man gegen die israelische Armee und ihre Verbündeten keine Chance haben werde. Das kann stimmen, wenn man alleine bleibt. Tatsächlich entsteht ein Bewusstsein, ein Weltbewusstsein, das „Gaza“ überall in der Welt wahrnimmt, überall wiedererkennt — als Kolonialmacht, als ein System des Hungers, der Ausplünderung, der Unterdrückung.
Mit jeder Bombe, mit jedem ermordeten Kind in Gaza wird deutlich, dass das, was Israel macht, überall passieren kann, überall passieren wird, wenn sich die Menschen weigern, als „Tiermenschen“ behandelt zu werden – von Herrenmenschen, die sich in die Rolle der Schlächter, der Massenmörder einreihen.
Ich nehme an, dass jeder, der nicht wegschaut, mit der Ohnmacht zu kämpfen hat, mit der (eigenen) Ohnmacht konfrontiert ist. Das ist sehr schmerzhaft und wahrscheinlich schlimmer als die vielen Bilder und Videos, die uns live miterleben lassen, mit welcher Widerlichkeit und Selbstverständlichkeit, ein Land, eine Bevölkerung, Palästina ausgelöscht werden sollen.
Man bekommt eine Ahnung davon, dass das israelische Kriegskabinett keine Mühe, kein Verbrechen scheut, Palästina auszuradieren. Dieses profaschistische Kriegskabinett strapaziert dabei kaum die „Geduld“ seiner Verbündeten, aber die Duldsamkeit derer, die spüren, wie nahe „Gaza“ gekommen ist.
Ein Schiff der Global Sumud Flotilla wurde am 9. September 2025 auf dem Weg nach Gaza um circa 1 Uhr nachts deutscher Zeit von einer Drohne angegriffen.
In diesem Video (1) sieht man das Schiff „Family“, auf dem unter anderem Yasemin Acar, Greta Thunberg, Thiago Avila und viele andere Personen segelten, in Flammen stehen, während gleichzeitig eine Drohne im Hintergrund um das Schiff kreist. Soweit bekannt, wurde niemand verletzt:
„Die Global Sumud Flotilla (GSF) bestätigt, dass eines der Hauptboote, bekannt als das ‚Familienboot‘, das Mitglieder des GS-Lenkungskomitees beförderte, in tunesischen Gewässern von einer Drohne getroffen wurde. Das Boot fährt unter portugiesischer Flagge und alle sechs Passagiere und Besatzungsmitglieder sind in Sicherheit. Das Hauptdeck und der Lagerraum unter Deck wurden durch das Feuer beschädigt. Derzeit laufen Ermittlungen und sobald weitere Informationen vorliegen, werden diese umgehend veröffentlicht. Aggressive Handlungen, die darauf abzielen, uns einzuschüchtern und unsere Mission zu vereiteln, werden uns nicht abschrecken. Unsere friedliche Mission, die Belagerung des Gazastreifens zu durchbrechen und Solidarität mit seiner Bevölkerung zu zeigen, wird mit Entschlossenheit und Entschiedenheit fortgesetzt.“ (2)
Widersprüche als Versteck
Nachdem die deutschen Laufstallmedien lange geschwiegen hatten, kommt jetzt eine redaktionelle Redaktion, die dümmlicher und komplizenhafter nicht sein kann. Man gibt sich dabei ganz neutral und verweist dabei auf eine völlig neutrale Quelle, die dpa. Diese verweist auf absolut glaubwürdige staatliche tunesische Quellen, die erklären, dass die Schwimmwesten an Bord durch Gott, nein durch Zigarettenstummel in Brand geraten seien.
Wenn man es braucht, das reaktionäre Regime unter Kais Saied, dann ist das eine gute Quelle, um sich in angeblichlicher Neutralität zu üben und sich gegebenenfalls erkenntlich zu zeigen.
Nun, man braucht keine tunesischen Quellen. Es würde vollkommen ausreichen, die israelischen und US-amerikanischen Geheimdienste aufzufordern, die Satelliten- und Spionage-Aufnahmen öffentlich zu machen, die den fraglichen Zeitraum abdecken.
Denn eines ist doch ganz sicher: Sie verfolgen die Flottille auf Schritt und Tritt. Warum machen sie das nicht?
Zigarettenstummel und Dritter Weltkrieg
Während der „Wertewesten“ nach den Zigarettenstummeln sucht, bombardierte die israelische Armee am 9. September 2025 Ziele in Katar. Es folgt die Litanei mahnender Worte, also nichts.
Viele haben sich mittlerweile an staatsterroristische Aktionen gewöhnt. Dabei fallen Kipppunkte kaum noch auf. Dieser israelische Terroranschlag in Katar gehört jedoch dazu: Katar gehört zu den arabischen Staaten, das als Vermittler in dem Nahost-Kolonialkrieg anerkannt und geschätzt wird. Dort sind auch die Delegationen des israelischen Kriegskabinetts und der Hamas untergebracht. Sie genießen folglich diplomatischen Schutz. Wenn es im „Kriegsrecht“ eine unantastbare Stelle gibt, dann an diesem neuralgischen Punkt.
Dass Israel Delegationsmitglieder der Hamas in Doha ermorden wollte, signalisiert, dass die letzte Barriere des „humanitären“ Kriegsrecht durchbrochen wurde. Man muss hinzufügen, dass diese Mordversuche zu einer Zeit erfolgten, als die Delegationen dort wegen einer Übereinkunft verhandelten. Gravierender und offensichtlicher kann man „Friedensverhandlungen“ nicht ad absurdum führen.
Die nun nachgeschobene und angedeutete Version, dass Israel alleine gehandelt habe, ist keine Erklärung, sondern eine vorbereitete Alibi-Version. Zwei Tage vorher hat der US-Präsident Donald Trump im Mafia-Stil die Vertreter Palästinas angewiesen, den „Deal“ anzunehmen, ansonsten bräche die nächste Hölle aus. Zwei Tage später wurde Doha angegriffen.
Zudem befindet sich in Katar der größte US-Luftwaffenstützpunkt dieser Region. Die Basis in Al Udeid beherbergt mehr als 10.000 US-Soldaten. Dazu gehören selbstverständlich alle Formen der Luftüberwachung. Dass die USA einen seiner engsten Verbündeten nicht warnt, sondern über die Klinge springen lässt, wird mehr als Krater hinterlassen.
Die Lunte an einen Dritten Weltkrieg ist damit jedenfalls ein weiteres Mal gelegt. Jetzt erst recht muss ich wieder an diese Grafik mit den Hunderten von (Segel-)Booten denken.
Das wäre doch die passende Antwort auf den gerade stattgefundenen Anschlag. Bereits in Tunesien sind es über 50 Boote und Schiffe geworden.
Wenn alles gut geht, werden die Schiffe und Boote an diesem Wochenende die Küste des Gazastreifens sehen.