Gehorsam gegen Gewissen
Kritische Stimmen innerhalb der Bundeswehr — wie etwa das „Darmstädter Signal“ — könnten als Impulsgeber für eine verantwortungsbewusste Sicherheitspolitik dienen, werden jedoch kaum wahrgenommen.
Während des Kalten Krieges, genauer gesagt im September des Jahres 1983, trafen sich 20 Offiziere und Unteroffiziere der Deutschen Bundeswehr in Darmstadt, um einen friedenspolitischen Aufruf zu beschließen. Sie wandten sich nicht nur gegen die „Nach“-Rüstung mit Atomraketen in West- und Osteuropa, sondern forderten eine kleinere, nicht angriffsfähige Bundeswehr und den Abbau aller Massenvernichtungsmittel von deutschem Boden und weltweit. Für die Soldaten der Bundeswehr solle das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform gelten. Mit dem Treffen entstand der Arbeitskreis des Darmstädter Signals, das bis heute „einzige kritische Sprachrohr von ehemaligen und aktiven Offizieren und Unteroffizieren sowie Soldatinnen und Soldaten und zivilen Angehörigen der Bundeswehr“. Dazu besteht dann noch ein Förderkreis „mit mehr als 200 zum Teil prominenten Mitgliedern“ für jedermann zur freien Unterstützung.
Heute oder etwas über 42 Jahre später gibt es zwar keinen Ostblock mehr, aber der imperiale Westblock rüstet trotzdem wieder auf. Gegen Russland. Und Deutschland ist ganz vorne mit dabei. Maulhelden in Parlamenten, Redaktionsstuben, TV-Studios und staatsnahen oder staatlichen Institutionen hetzen im antirussischen Wahn für einen heißen Krieg gegen Moskau. Und boykottieren sich mit Doppelmoral zu Tode. Oder ein wenig anders formuliert: Die Pro-Kiew-Sprachrohre schießen aus allen Rohren für einen neuen Weltkrieg in Europa, dessen Lunte die Transatlantiker mit ihrem militärischen Arm, der NATO, und einem subversiven Putsch in der Ukraine gelegt haben und den das mit Propagandaorgien scharf gestellte Fußvolk dann in Schützengräben auszubluten hat. Entweder mit Hurra oder mit Zwang.
Schließlich müsse die Bundeswehr im Kriegsfall gegen Russland mit bis zu 1.000 Toten und Verwundeten rechnen. Pro Tag. Davon geht jedenfalls der kriegsunerfahrene, dafür aber auch so ziemlich frontferne Politiker, Hochschullehrer und Präsident des Reservistenverbands aus — ein gewisser Patrick Sensburg —, um eine neue Wehrpflicht zu fordern, die junge Menschen mit Staatsgewalt als Drohnenfutter einkassiert.
Ein verordneter Kadavergehorsam für eine nicht etwa dem Grundgesetz, sondern den Allmachtsfantasien des Pentagons und dessen treu unterworfenem Bundesregime blind folgende sowie ins Lächerliche ideologisierte Transgender-Bundeswehr. Und die hat in den Schulen zwar ebenso wenig wie die Dragqueens des Landes verloren, stellt sich aber trotzdem in den Klassenzimmern auf, um für den Fronteinsatz von Schulabgängern zu werben und dabei jede Wiederrede zu unterdrücken. Kritisiert ein Schüler die Perversion dann nämlich doch, so schießt die Bundeswehr ruckzuck, mimosenhaft und auch beleidigt gegen die Schüler zurück. Etwa mit der Staatsanwaltschaft in Freiburg wegen eines Memes. Ja, so sieht er aus, der herrschende EU-Totalitarismus. Und die deutsche Schrumpfwirtschaft wird auf Kriegswirtschaft gepolt.
Nun sollte das Darmstädter Signal — „nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung“ und ein „Auftrag der Streitkräfte unter Berücksichtigung der Bindung an Moral“ und Recht werden gefordert — dann auch mal in den Schulen, auf jeden Fall aber in der Bundeswehr ein wenig werben dürfen, um sich gesellschaftliches Gehör und personellen Zulauf zu verschaffen. Eben für Frieden, Freiheit und Vernunft.
In einer Demokratie wäre das ja nicht der Rede wert. Selbstverständlich sogar. Nun ist weder das eine noch das andere der Fall. Ganz im Gegenteil, das Signal leidet unter Überalterung und Mitgliederschwund. Weil das Signal nicht nur an den Schultoren, sondern auch an den Kasernentoren und sonst noch wo hängen bleibt.
Beim Bund der Jasager wird es nicht gern gesehen, wenn Soldaten eine eigene, weil abweichende Meinung, geschweige denn ein Gewissen haben und Verfassungstreue zeigen, wie Corona eindrucksvoll bewiesen hat.
Viel lieber lässt man sich testweise niederspritzen. „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen“, so der Eid, der die Soldaten an die Werte des Grundgesetzes binden soll. Im Übrigen geht das herrschende Schulsystem ja auf den preußischen Soldaten- und Beamtenstaat — vom Schul- auf den Kasernenhof — zurück, um folgsame Staatsbürger und Untertanen zu züchten.
Mitglieder des Signals wie der Sprecher des Arbeitskreises, Major a. D. Florian Pfaff, werden stattdessen öffentlich diffamiert und angezeigt. Immerhin fordert das Darmstädter Signal noch einen absoluten „Vorrang friedlicher Konfliktlösungen vor militärischen Einsätzen“, eine „strikte Einhaltung des Verfassungs- und Völkerrechts“, den „Abzug der US-Atomsprengköpfe“ aus Deutschland, militärische Einsätze nur „an friedenserhaltenden Blauhelmeinsätzen“ oder zur „Landesverteidigung im Bündnis“, aber keinen „Einsatz der Bundeswehr im Innern“ und keine friedenserzwingenden Kampfeinsätze. Oder einen „Stopp der Rüstungsexporte“, eine „Demokratisierung der Streitkräfte“ sowie eine „offene Diskussion ethischer Fragen des Soldatenseins“. Nur: Wer von den auf Krawall und Kriegsprofiten gebürsteten Schreibtischtätern, Schaumschlägern, Vasallen, Wehr- und Frontdienstverweigerern aus der Einheitsmeinungsfront von Berlin und Brüssel, Paris bis London will das schon?
Wie leicht der Mainstream in Europa und besonders in Deutschland mit der richtigen Dosierung von Propaganda immer wieder ferngesteuert werden kann, wissen wir dank Corona-Klima-Plan-Wahn und neuem, vielleicht auch nie erloschenem Russenhass ja nur zu gut. Und trotz der prekären geistigen Verfassung der in diesem Fall deutschen Volksmasse traf sich das Darmstädter Signal auch im Oktober dieses Jahres zu einem Arbeitstreffen im kleinen Kreis. Ganz ohne Aufsehen und Presse, um zwei Tage lang zum Thema „Friede, aber wie? — Friedfertigkeit versus Kriegstüchtigkeit“ in Darmstadt zu tagen. Mit einem Erfahrungsbericht von Pfaff, einer Lesung aus meinem Buch „Donbassdonner“, einem Vortrag des Vorsitzenden Oberstleutnant a. D. Jürgen Rose zur Frage der Militarisierung der EU, einem Vortrag des Propagandaforschers Dr. Jürgen Tögel über „Kognitive Kriegsführung — Neueste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO“ und einigen Diskussionsrunden zu all dem. Wie meinte doch der preußische General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz in „Vom Kriege“: „Der ganze Krieg setzt menschliche Schwäche voraus, und gegen sie ist er gerichtet.“