Geldspritze für Vielimpfer
Mit einer Änderung der Vorhaltepauschale für Hausärzte werden finanzielle Anreize gesetzt, die schwere Nachteile für nicht impfende Ärzte bedeuten.
Eine zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) getroffene Vereinbarung legt fest, dass die Vorhaltepauschale für Hausärzte gekürzt wird. Dies kann jedoch durch die Erfüllung bestimmter Kriterien, die unter anderem eine Impfquote enthalten, ausgeglichen werden und es kann sogar eine Erhöhung der Pauschale erzielt werden. Ärzten, die zu wenig impfen, wird die Vorhaltepauschale ganz erheblich gekürzt.
Die Änderungen bei der Vorhaltepauschale
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gab am 19. August 2025 eine Vereinbarung mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) über eine Änderung der Vorhaltepauschale für Hausärzte bekannt, die ab 1. Januar 2026 gilt. Sie enthält eine umfassende Neuregelung für Hausärzte zur sogenannten Vorhaltepauschale, die seit 2013 als Zusatzpauschale zu den Versichertenpauschalen für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrages gezahlt wird. Die Vereinbarung wurde aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe getroffen (Paragraph 87 Absatz 2q SGB V).
Ein zentraler Punkt der Vereinbarung ist, dass die Vorhaltepauschale gemäß Gebührenordnungspunkt (GOP) 03040 von 138 auf 128 Punkte, also um circa 7,2 Prozent gekürzt wird. Neu ist, dass Kriterien aufgestellt werden, bei deren Erfüllung der Hausarzt einen Ausgleich der Kürzung oder darüber hinaus sogar zusätzliche Einnahmen in Höhe von circa 14,5 Prozent über dem alten Niveau erzielen kann. Ein Ausgleich wird bei der Erfüllung von mindestens zwei dieser Kriterien erzielt, die Erhöhung bei Erfüllung von mindestens acht Kriterien.
Acht der zehn Kriterien, die zur Einstufung der Vorhaltepauschale herangezogen werden, betreffen Quoten bei den Behandlungen:
- Haus- und Pflegeheimbesuche: mindestens 5 Prozent,
- geriatrische/palliativmedizinische Versorgung: mindestens 12 Prozent,
- Kooperationen mit Pflegeheimen: mindestens 1 Prozent,
- Schutzimpfungen: mindestens 7 Prozent in Quartal 1 bis Quartal 3 und mindestens 25 Prozent in Quartal 4,
- Kleinchirurgie/Wundversorgung/postoperative Behandlung: mindestens 3 Prozent,
- Ultraschalldiagnostik Abdomen und/oder Schilddrüse: mindestens 2 Prozent,
- hausärztliche Basisdiagnostik: mindestens 3 Prozent,
- Videosprechstunde: mindestens 1 Prozent. Zwei weitere Kriterien betreffen
- die Zusammenarbeit, zum Beispiel in einer fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder durch Teilnahme an Qualitätszirkeln,
- erweiterte Praxis-Öffnungszeiten.
Neu ist auch ein Abschlag für Hausarztpraxen, die weniger als zehn Schutzimpfungen im Quartal durchführen. In der Vereinbarung heißt es dazu: „Ihre Vorhaltepauschale wird um 40 Prozent gekürzt, da Impfen zur hausärztlichen Grundversorgung gehört.“
Es stellt sich die Frage, welche medizinischen Zwecke mit diesen Quoten verfolgt werden sollen, insbesondere da die Regelungen laut Paragraph 87 Absatz 2q SGB V „so auszugestalten“ sind, „dass sie weder zu Mehrausgaben noch zu Minderausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung führen“. Die Erwartung der Versicherten ist, dass Behandlungen nach Notwendigkeit erfolgen, wobei der Arzt über Priorisierungen entscheidet. Vor diesem Hintergrund bedeuten diese Regelungen einen Eingriff in die oder zumindest eine Beeinflussung der ärztlichen Therapiefreiheit.
Dies gilt insbesondere für die Regelungen zur Impfung, die im Übrigen im oben genannten Paragraph 87 Absatz 2q SGB V gar nicht genannt sind. Eine 40-prozentige Kürzung der Vorhaltepauschale bedeutet erhebliche finanzielle Einbußen. Die Erfüllung des Kriteriums 4 bedeutet eine starke Fokussierung auf Impfungen, im 4. Quartal müssen ein Viertel (!) aller in der Praxis durchgeführten Behandlungen Impfungen sein.
Verstärkend wirkt sich aus, dass ärztliche Interessensvertretungen, wie zum Beispiel der Medi Südwest e. V., die Kriterien für die Reduktion beziehungsweise die Erhöhung der Pauschale nicht korrekt unterscheiden. Er empfiehlt seinen Mitgliedern unter anderem:
„Impfquote absichern: Planen Sie Impfaktionen oder spezielle Sprechstunden, um den Abschlag von 40 % sicher zu vermeiden.“
Auch bei dem vom Medi Südwest e. V. bereitgestellten Pauschalen-Rechner wird nicht zwischen diesen Kriterien unterschieden.
Auswirkungen für die Krankenkassen-Mitglieder
Da der Verwaltungsaufwand in den Praxen erheblich steigt, bedeutet die Neuregelung für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, dass sie für ihre eingezahlten Beiträge weniger Leistung erhalten.
Eine voraussichtlich gewichtigere Folge der Neuregelung ist, dass Ärzte ihre Patienten nicht ausschließlich zu deren Wohl behandeln werden, sondern auch die neu geschaffenen finanziellen Anreize beachten werden (müssen).
Der IVfG stellt auf seiner Website eine Vorlage für ein Schreiben bereit, mit dem man sich bei seiner jeweiligen Krankenkasse über die Vereinbarung zur Vorhaltepauschale beschweren kann. Er sammelt auch die Antworten der Krankenkassen. Falls Sie sich daran beteiligen wollen, schicken Sie bitte die Antwort Ihrer Krankenkasse — gerne auch anonymisiert, also mit geschwärzter Empfängeradresse — an kontakt@ivfgesund.de.