Geplanter Kulturverfall

Der Untergang der Schreibschrift beschleunigt die Gleichschaltungstendenz in unserer Gesellschaft

Viele Jahre wurde in der Bildungspolitik debattiert, wie die persönliche Schriftsprache im digitalen Zeitalter an Grundschulen erhalten und gefördert werden kann. Diese Debatten haben zu sehr unterschiedlichen Prioritäten geführt, die noch nicht beschlussfähig sind und noch nicht vom Kultusministerium länderzentral verordnet werden können. Vorerst soll das jeweilige kommunale Schulamt diese übertragen, umsetzen und daraus Empfehlungen ableiten. Zudem sollen explizit die jeweiligen Schulen und Eltern mitentscheiden können. Doch die grundlegende Wahrnehmung für die Entwicklungsgeschichte der Menschheit ist verblasst und bekommt kaum prägenden Stellenwert. Die Schreibschrift ist — ohne Wenn und Aber — ein Kulturgut und zeichnet den Menschen aus.

Die persönliche Schreibschrift gehört ebenso zum Menschen, wie die Malerei ein unerlässliches Kulturgut in der Entwicklungsgeschichte des Menschen ist.

Die Realität der Kinder in ihrem Alltag und Schulalltag

In meiner Arbeit als Mentorin in einer Grundschule erlebe ich unmittelbar, was die persönliche Schreibschrift, das „persönliche Werk“, einem Heranwachsenden bedeutet. Ich erweitere Lesestunden ins Schreiben hinein, um den Kindern neben der inhaltlichen Begrifflichkeit eine vertiefte Sinnhaftigkeit zu ermöglichen. Denn dies geschieht sofort, wenn das Kind aus eigener Hand den Gedanken, den Sinn — aus sich selbst heraus — in einen Sprachbegriff schreibend, malend ausdrückt.

Das Papier, die Hand, der Stift!

Unmittelbar aus der eigenen persönlichen Formgebung heraus entsteht die Schrift. Sinnlich getan und fühlbar kann sich das eigene Schreibbild und letztendlich die persönliche Ausdrucksfähigkeit wie der eigene Schreibstil entwickeln und vertiefen.

In einem Alter von circa 5 bis 6 Jahren bis zum Alter von etwa 10 Jahren verliert sich sehr schnell die tiefergehende Versinnlichung durch zu früh eingesetzte Digitalisierung der Schrift. Dadurch kann das Geschriebene nicht ausreichend in den Tiefen des Erinnerungsvermögens gespeichert werden.

Neurobiologisch lässt sich dies durch synaptische Nicht-Verschaltungen nachweisen. Daraus folgen unter anderem Flüchtigkeit, Aufmerksamkeitsstörungen, Ablenkungsaktionen, schnellere Müdigkeit, Vergesslichkeit wie auch Erkrankungen bis hin zu chronischen Formen.

Heranwachsende Kinder und Jugendliche sind heute damit konfrontiert, in einer stetig steigenden Geschwindigkeit die Realitäten des Lebens zu erfahren!

In der schulischen Vorbereitung — bis hin zur Verknüpfung der persönlichen Schreibschrift mit der Digitalisierung — besteht die Möglichkeit, die persönliche Ausdrucksfähigkeit und vertiefende Selbstwahrnehmung eines Kindes sich gestalten und freisetzen zu lassen. Das gelingt allerdings nur, wenn den Kindern in den ersten 3 Schuljahren dafür genügend Raum und Zeit zugestanden wird.

So kann ein sehr wichtiger Brückenschlag zur später folgenden digitalen Umsetzung des Schreibens erreicht werden. Eine tragfähige Verknüpfung!

Denn ein junger Mensch überträgt erfahrene mediale Versinnlichung und Sinnhaftigkeiten natürlich auf andere mediale Ausdrucksformen.

Seine Wortwahl erhält einen vertieften persönlichen Stellenwert und auch die Präsenz des Wortschatzes, wenn die Basis der Schreibschrift gestärkt und erhalten wird. Auf dieser Grundlage kann das Kind Erweiterung erfahren.

Ein halbwüchsiges Kind sagt zur „sms-Kommunikation:

„Das eigene Denken und Schreiben wird mir so schnell weggenommen! Habe Buchstaben, Silben oder Worte immer wieder zu löschen, um dann endlich Meins zu schreiben. Dabei vergesse ich oft, was ich eigentlich sagen wollte und mache auch viel mehr Fehler. Das ist so nervig! Ich will selbst schreiben.“

Ein tragendes Argument in der Bildungsdebatte ist, dass bevorzugt digitales Schreiben ab den Grundschuljahren als Demokratisierung zur „Gleichstellung unterschiedlich sozialer Bildungsschichten“ betrachtet wird. Diesem Anspruch wird das digitale Schreiben nicht gerecht. Vorrangig verbirgt sich dahinter der latente wie bewusste Wille, alle Schüler in der Schul-„Erziehung“ funktional gleich zu schalten, sie vorzubereiten auf ein angepasstes Leben in Leistungsgesellschaften. Doch auch der Wunsch nach mehr störungsfreiem Ablauf in den Unterrichtsstunden spielt dabei eine Rolle ebenso wie der Abbau von Mehrarbeit in der Korrektur und die Erleichterung für die Lehrerschaft, Schüler bewerten und klassifizieren zu müssen.

Diese Indoktrinierung birgt ein verantwortungsloses Gefahrenpotential, denn sie gefährdet und stört eine heranreifende Selbstbewusstheit und Persönlichkeit.

Dieser Effekt wird vielfach einfach hingenommen. Wissentlich wird im Bildungssystem das patrogene, veraltete, funktional mechanistische Bild des Menschen benutzt und weiter eingesetzt — zur Verdinglichung und Profitabilität des Menschen.

Kinder in diesem Alter können sich nur kompensatorisch verweigern.

Kinder im Grundschulalter können sich nicht grundlegend verweigern. Ihre Auflehnung zeigt sich symptomatisch im sogenannten ADHS, in Kopfschmerzen, schneller Ermüdbarkeit, Vergesslichkeit und Übersprungshandlungen. Viele leiden an Übelkeit, Magen- und Darmverstimmungen oder werden sogar chronisch krank. Die soziale und kreative Kompetenz der Kinder wird geschwächt, da eine zu frühe Digitalisierung Kinder in der Klassengemeinschaft verstärkt isoliert. Autistisches Verhalten und narzisstische Störungen, unter anderem egozentrisches Agieren, werden gleichwohl genährt und halten Einzug in den Unterricht.

Ist die Egomanie noch nicht groß genug?

Lehrer erleben erschreckende Formen, wie ein heranwachsendes Kind, wie der Geist im Wesen eines Kindes sich entziehen kann und sehr deutlich Überforderungen zeigt.

Ein Kind, das mit der eigenen Hand auf Papier schreibend malt, kann sich tief versenken! Diese Fähigkeit ist einfach grundlegend zu erhalten und zu fördern!

Der Raum und die Umsetzung des Schreibens sind direkt nachvollziehbar und nicht mit verschiedenartigen Funktionen belegt, die das digitale Schreiben am Computer einfordert. In diesem bezogenen Raum erlebt ein Kind die Abläufe nicht getrennt. Das Kind erlebt sich nicht isoliert, da es sich selbst in einer unmittelbar autarken Kreativität erfährt.

Es schafft ein eigenes Werk! Zum Anfassen.

Mehr als genug Wissen ist vorhanden

Sind wirklich noch mehr Details nötig, um die Unsinnigkeit einer Digitalisierung in zu frühen Kindesjahren zu verdeutlichen?!

Die sehr kontrovers geführte Bildungsdebatte wird vermutlich auf nicht absehbare Zeit weitergeführt werden.

Müssen wirklich noch mehr Auswertungen, Gutachten und mehr aufs Tablett gelegt werden, damit Debatten auf dieser politischen Spielwiese noch fortgeführt werden?! Auf Kosten der schon gefährdeten und schon betroffenen pathologisierten Kinder!

Wissenschaftliche Studien werden zur Beweisführung herangeführt, werden weiterhin abgerufen. Erforschungen und ausreichende Resultate aus der Neurobiologie, aus psychologischen und medizinischen Praxen und der Schulpädagogik liegen vor.

Sie füllen nationale und internationale Tagungen, Seminare und Vorlesungen, ermöglichen Diplome und Habilitationen.

Der heutige Stand des Wissens ist klar und detailreich genug, um umgehend bildungspolitisch der Verwirtschaftung eines heranwachsenden Menschen entgegenzutreten!

Es gilt, gezielt zum Wohl des Kindes Beschlüsse für Grundschulen und Kitas zu verabschieden. Denn in den Kitas werden ebenso vermehrt Computer installiert.

Die Entscheidung zur Verantwortungslosigkeit

Wie oft und wie viele Gutachten von schon digital pathologisierten Kindern sind noch erforderlich, wie viel Korrelate und Gutachten für weitere Kinder sollen noch zum „Begreifen“ und zur Umsetzung in verantwortliche Handlungen und Regeln ausgewertet werden, um beschlussfähig zu werden?! Die tägliche Pathologisierung der Kinder wie der Eltern ist das Äquivalent zum Abstoßen eines erkrankten Lohnarbeiters durch den Kapitaleigner. „Sehr bedauerlich, doch leider kein Mehrwert mehr möglich! Nehmen Sie es nicht persönlich!“

Für die Logik der kommerziellen Wirtschaft ist die Einrichtung von Labors mit technischen Innovationen, Fachkräften aus Medizin, Psychosomatik, Kinderpsychologie und Pädagogik und der Neurobiologie selbstverständlich lukrativ. Statistiken „beleben“ den Austausch zwischen ökonomischem Management und den akademischen Fachbereichen. Darin liegende Karrierechancen werden abgeklopft. Sie basieren auf dem duldsamen Leid der Kinder und nähren sich davon. In diesem gesellschaftlichen Feld schon ab dem 4./5. Lebensjahr!

Warum sollte die so kontrovers geführte Debatte der Digitalisierung von Kindern eine konstruktive, auf die Wirklichkeit und Gesundheit der Kinder bezogene Lösung finden!?

Was geschieht hier?!

Die Schreibschrift ist ein Persönlichkeitsrecht!