Geschichten, auf die niemand wartet
Von Schwertern, getretenen Herzen und verschwundenen Freunden — ein arabischer Hauch in der Poetik-Ecke XXXXI.
„Auszüge aus einem Buch, das ich nie schreiben werde“: So nennt der arabische Autor und Musiker Wassim Younes seine Texte. Verletzungen, Narben und die Zeichen der Macht kommen in ornamentaler Anordnung zum Ausdruck, mitunter gar märchenhaft. Machtkritik ist in eine filigrane Bildlichkeit gekleidet, die so einfach ist wie komplex. Eine Schönheit zum Erwachen. Den Originalen, verfasst in Englisch, sind in dieser Poetik-Ecke die deutschen Fassungen, übertragen von Elisa Gratias, vorangestellt.
An den Mann, der immer mit seinem Schild und seinem Schwert in die Welt hinausgeht,
Und sich vom Elend des Lebens nie erschüttern lässt, bis er sich wie ein herzloses Stück Fleisch fühlt …
Dann trifft er sie.
Sie und keine andere.
Er lässt seinen Schild und sein Schwert fallen, damit sie seine tiefen Narben und Wunden sehen kann.
Sie ist der Ort, an dem er sein Herz sicher aufbewahrt.
Und dann schreibe ich: Ich habe dir mein Schwert gegeben, um dir meine Treue zu zeigen.
Warum sehe ich mein eigenes Blut von meinem eigenen Schwert tropfen?
To the man who always goes out to the world with his shield and sword,
and the miseries of life never shook him off, to a state in which he feels like a heartless piece of flesh…
Then he meets her.
She and no one else.
He then drops his shield and sword for her to witness his deep scars and wounds.
She. Is where he keeps his heart safe.
And then I write: I gave you my sword to show my loyalty.
Why do I see my own blood dripping from my own sword?
Ich habe mein Herz getreten,
ich schwöre, ich habe mich selbst getreten,
aber ich war gezwungen, hart zu sein.
Dann wurde ich wie jemand, der mit Geschichten voller Freude nach Hause zurückkehrt,
nur um festzustellen, dass dort niemand wartet, um sie zu hören.
I stepped on my heart,
I swear I stepped on myself,
but I was forced to be hard.
Then I became like someone returning home with stories of joy,
only to find no one waiting to hear.
Männer weinen für die Befreiung ihrer Nationen und die Abwesenheit ihrer Geliebten.
Männer weinen nur in der Dunkelheit, unter dem Regen, auf ihren Kissen.
Männer weinen, doch ihre Tränen fließen nicht von den Augen herab über die Wangen, sodass alle Leute es sehen können.
Männer weinen und ihre Tränen fließen vom Herz herab in die Seele, sodass nur er es sehen kann.
Men cry for the liberation of their nations and the absence of their beloved.
Men cry only in darkness, under the rain, on their pillows.
Men cry but their tears doesn’t flow from the eyes down to the cheeks so all the people can see.
Men cry and their tears flow from the heart down to the soul, so only him can see.
Die Königliche Hoheit, der König, besuchte einige unserer Dörfer und als er näherkam, stellte er sich hin und sagte:
„Erzählt mir von euren Sorgen, Ängsten, euren verlorenen Geliebten und allem, das das Leben bieten kann, das es wert ist, euer Herz zu brechen. Erhebt eure Stimmen ohne Angst, die Ära der Diktatoren ist vorbei.“
Mein Freund Hassan stand auf und fragte:
„Wo ist das Brot? Wo ist die Milch? Wo ist die Medizin, die unsere gebrochenen Herzen heilen kann?“
Der König platzte vor Schreck heraus und sagte:
„Gott verbrenne meinen Körper, ist das in meinem Königreich geschehen, während ich auf meinen Ohren geschlafen habe? Morgen werdet ihr meinen Segen erfahren.“
Es verging ein Jahr und der König besuchte unser Dorf erneut und fragte:
„Was sind eure Sorgen, Ängste und alles, das das Leben bieten kann, das es wert ist, eure Seele zu brechen? Erhebt eure Stimmen ohne Angst, die Ära der Diktatoren ist vorbei.“
Stille lag über dem Dorf, niemand sagte ein Wort.
Also stand ich auf und hatte keine andere Wahl, als zu sagen:
„Wo ist das Brot? Wo ist die Milch? Wo ist mein Freund Hassan? Wo werde ich morgen sein?“
That royal highness, the king, visited some of our villages and when he came closer he stood and said:
“Tell me about your worries, fears, your lost lovers and everything that life can offer that is worthy enough to break your heart. Raise your voices fearlessly, the dictator era has gone.”
My friend Hassan stood up and asked:
“Where is the bread? Where is the milk? Where is the medicines that can heal our broken hearts?”
The king burst in shock to say:
“God burn my body, is that what’s happening in my kingdom while I was sleeping on my ears? You will face my blessings tomorrow.”
One year passed and the king visits again and ask:
“What are your fears, worries and everything that life can offer and it’s worth to break your soul? Raise your voices fearlessly, the dictator era has gone.”
The sound of silence flew over the village, no one said a word.
So I stood up with no other option than to ask:
“Where is the bread? Where is the milk? Where is my friend Hassan? Where will I be tomorrow?”
Vater, oh Vater.
Ich habe all die Schlangen überlebt, ihre Bisse und Angriffe,
dann hat ein Schmetterling mich getötet.
Ich bin nicht so stark, wie du denkst.
Es tut mir leid.
Father, oh Father.
I survived all the snakes, their bites and attacks,
then a butterfly killed me.
I’m not as strong as you think I am.
I’m sorry.