Gesundheit unerwünscht

Viele Therapiemethoden in Geschichte und Gegenwart erzeugten erst jene Krankheitssymptome, die sie zu heilen behaupteten. Exklusivabdruck aus „Hauptsache krank?“.

Viele medizinische Behandlungen verschlechtern zunächst einmal den Zustand eines Kranken. Wenn sich das Befinden in weiterer Folge bessert, neigen Ärzte und Patienten dazu, die Gesundung dem betreffenden Behandlungsversuch zuzuschreiben. Studien legen allerdings nahe, dass meist die Selbstheilungskräfte dafür verantwortlich sind. Die internationale Gesellschaft Cochrane belegte mehrfach, dass nur 5 Prozent der etablierten Therapien wirken, aber mehr als ein Drittel von ihnen die Gesundheit beschädigen (1). Der Medizinhistoriker Gerd Reuther wirft in seinem jüngsten Buch „Hauptsache krank?“ über die Entwicklung der kollektiven Gesundheit in Europa sogar die Frage auf, ob Therapiekrankheiten womöglich beabsichtigt sind. Nicht nur, weil das Geschäft der Medizin auf Krankheit beruht. Die „COVID-19“-Genspritzen waren kein völlig einzigartiger Sündenfall. Exklusivabdruck aus „Hauptsache krank? Ein neuer Blick auf die Medizin in Europa“.

Der von der Kirche im 13. Jahrhundert installierte Ärztestand beförderte jedenfalls die Gesundheit nicht. Im Gegenteil, die herbeifabulierte Säftelehre mit ihren astrologischen Spekulationen und Aderlässen als Allheilmittel schadete ausschließlich. (2) Der Entzug großer Mengen von Blut, giftige Brech- und Abführmittel, abartige Schwitzkuren, Trink- und Stillverbote, Quecksilber, Arsenik, Antimon, Blei und Strychnin – was sollte daran heilsam sein? Nur die widerstandsfähigsten Menschen überlebten die Rosskuren, die Selbstheilungen untergruben und dem vorbestehenden Leiden weitere Therapiekrankheiten hinzufügten. Wer überlebte, musste sich von mindestens „zwey Krankheiten“ erholen, wie der selbstkritische Arzt Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836) vor 200 Jahren feststellte. (3)

Heilkunde war von Beginn an eine Glaubensangelegenheit. Für die christliche Religion lagen Heil und Heilung ausschließlich in den Händen eines allmächtigen Gottes. Nur Wunder vermittelt durch Kirche und Könige konnten Heilung in Aussicht stellen. Nicht umsonst titulierte man Jesus, Maria und Heilige als „Ärzte“ und sprach von „himmlischer Arznei.“ (4)

Heilsame Medizin wäre nach Lesart der katholischen Kirche ein unzulässiger Eingriff in das göttliche Wirken gewesen. Ärzte sollten bestenfalls kurieren.

Mit Gründung der ersten medizinischen Fakultäten im 13. Jahrhundert gab die Kirche dieses Privileg keineswegs auf. Alle Universitäten bedurften einer päpstlichen Zustimmung und standen unter kirchlicher Aufsicht. Die Inhalte mussten der kirchlichen Lehre entsprechen. Abweichlern war keine lange Verweildauer auf einer Lehrkanzel beschieden. Der Medizinrebell Paracelsus (1493-1541), der sich nicht mehr an vorgegebene Dogmen halten wollte, sah sich nach einem Semester gezwungen, aus Basel zu fliehen. Schon in seiner Antrittsvorlesung hatte er erklärt, dass „viele Doktoren der heutigen Zeit mit größter Gefahr für die Kranken die greulichsten Irrtümer begehen“. (5) Paracelsus war überzeugt, dass „wer sich (...) am bloßen Buchstaben begnügt, (...) als Arzt den Kranken tötet.“ (6)

Kollateralschäden galten in der akademischen Medizin immer als unvermeidlich. „Nebenwirkungen“ von Behandlungen waren selten ein Thema: „Die von wissenschaftlichen Medizinern angewandte Medizinwissenschaft bietet die richtige Therapie – gleichgültig ob diese zur Heilung oder zum Tod führt oder ob der Patient gar keine Reaktion zeigt.“ (7)

Mittelalterliche Scholastik oder heutige wissenschaftsinszenierte Medizin: Dogmen, rangierten immer über dem Patientenwohl.

Die Irrlehre von Krankheiten durch ein Ungleichgewicht von angeblich vier Körpersäften wurde zum Gesundheitsdesaster für Europa. Nirgends sonst verwandelten sich Infektionen in „Pandemien“ und Geschlechts- oder Atemwegskrankheiten in tödliche Monster. Über 500 Jahre herrschte die Säftemedizin, bevor Krankheiten lokalisiert wurden. Die Mittel zum Kurieren erzeugen seither meist die Symptome, gegen die sie eingesetzt werden. Schädliche Auswirkungen von Behandlungen können dadurch den vorbestehenden Leiden zugeschrieben werden. Heilsame Maßnahmen von Gesundheitshandwerkern und Kräuterkundigen wurden verschwiegen und unterdrückt. Narkose und antibiotische Substanzen waren vor deren angeblichen Entdeckungen im 19. und 20. Jahrhundert in der Volksmedizin bekannt.

Das heutige westliche medizinische System, das sich naturwissenschaftlich inszeniert, basiert wie die Säftelehre auf Dogmen, denen es an Evidenz fehlt. Der Einzug von Messwerten, Mikroskopen und Statistik änderte nichts daran, dass man Teilaspekte eines Geschehens als Wesen einer Krankheit verkennt.

Fürsorge für Leidende war weder das Ziel der Säftelehre, noch ist es der Ansatz des medizinisch-industriellen Komplexes. Gemeinsam ist beiden der Strafcharakter von Therapien, deren Wirksamkeit bis heute von der Schwere möglicher Therapieschäden abhängig gemacht wird. (8)

Eine „recht scharfe Arznei“ wird auch ohne Behandlungserfolg akzeptiert. Bis heute nehmen Menschen selbst bei präventiven Maßnahmen wie Impfungen eine Verschlechterung des Befindens hin.

Krankheit und Tod durch ärztliche Behandlungen war von Anfang an berufsimmanent. Was anders hätte die giftige Chemie bewirken sollen, die den Ärzten exklusiv übrig blieb? Heilkräuter, Placebo-Maßnahmen und mechanische Therapien waren bereits von den etablierten Heilern besetzt. Selbstlimitierende und spontan heilende Leiden sowie psychosomatische Beschwerden blieben das Kerngeschäft der Kirchenfürsten an Wallfahrtsorten mit Handauflegen, Reliquien und Fürbitten.

Wenn akademische Ärzte nicht für eine Gesundung benötigt wurden, für welche Dienstleistungen brauchte man den neuen Berufsstand dann? Es ging darum, die Therapieversager der „Heiligen“ nicht einfach jüdischen Ärzten zu überlassen und die Kontrolle über Todkranke zu verlieren. Schließlich waren Übereignungen von Vermögen im Angesicht des Todes eine wichtige Einnahmequelle. Ärzte fungierten frühzeitig als scheinbar unabhängige Gutachter für Krankheiten mit Ausschluss von Menschen aus der Gemeinschaft wie Lepra und Pest, aber auch von Einstufungen als Hexen. (9) Unliebsame oder vermögende Personen wurden in Leprahäuser verbannt oder ins Jenseits befördert. Die Profiteure wollten Todesfälle und Eigentumsübergänge nicht selbst verantworten.

Die Rolle der Ärzte mag hierbei sogar noch perfider gewesen sein. So konnte man mit den durchweg schädlichen Behandlungen die Symptome erzeugen, die man für Diagnosen brauchte.

Die seit der Antike vor allem gegen die Krätze benutzten Salben mit Quecksilber provozierten „dem Masern- oder Scharlachexanthem gleichende Effloreszenzen“ oder eine „brandige Zerstörung und Verjauchung“ sichtbarer Körperteile wie bei der Lepra. (10)

Todesfälle durch Therapien – ob giftige Metalle oder massiver Flüssigkeitsentzug – mutierten zu vermeintlich schicksalhaften Infektionen. Samuel Hahnemann (1755-1843), der Begründer der Homöopathie, stufte Aderlässe als „privilegierte Methode“ ein „Menschen verdeckter Weise in Massen umzubringen“. (11) Zahlreiche vorzeitige Todesfälle von Herrschern und Thronanwärtern in den europäischen Fürstenhäusern legen beredtes Zeugnis ab. Die der weltlichen Obrigkeit vorbehaltene straflose Tötung wurde zum „Privilegium der Herren Medicorum“, wie dies der katholische Prediger Abraham a Santa Clara (1644-1709) ungeschminkt benannte. (12)


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