Gut gebrüllt und nicht geliefert
Donald Trumps Rückhalt in der amerikanischen Bevölkerung schwindet, denn die Erfolge der Regierung bleiben weit hinter seiner Rhetorik zurück.
Es gibt wenig Polarisierenderes als den amerikanischen Wahlkampf. Allein konzeptuell begünstigt er einen Kulturkampf, bei dem die Bevölkerung, in zwei Lager gespalten, sich feindlich gegenübersteht. Den letzten dieser Kämpfe hat Donald Trump eindeutig für sich entschieden — vor allem, weil die Menschen seine Beschreibung des Status quo mehrheitlich teilten. Doch nur, weil jemand aussprechen kann, was viele denken, und eine gesellschaftliche Stimmung treffsicher auf den Punkt bringt, heißt das nicht, dass er auch fähig ist, die Probleme tatsächlich zu lösen. Allmählich gelangt auch die Regierung Trump an einen Punkt, an dem sie — gerade wirtschaftlich — vor der Realität kapitulieren muss.
Die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung in den USA wird nicht besser, und durch den Shutdown hat sie sich noch mehr zugespitzt. Die Zustimmung zu Donald Trump bröckelt. Die Zeichen mehren sich, dass sich die Erwartungen nicht erfüllen, die in seine Politik gesetzt wurden.
Nicht Trump allein
Trumps Bedeutung liegt nicht in seinen Fähigkeiten oder großartigen Konzepten, mit denen er vorgibt, einen Ruck durch die USA gehen lassen zu können. Er wird auch nicht getragen von irgendwelchen mehr oder weniger geheimen Gruppen, deren fein ausgearbeiteten Plan er abarbeitet. Trump hatte die Zustimmung des überwiegenden Teils des Wahlvolkes, weil er sagte, was diesem Hoffnung auf die Besserung ihrer Lebensumstände machte. Sie teilten seine Sichtweisen darüber, wie der Zustand des Landes ist und wie dieser und damit ihr eigenes Leben verbessert werden könnten.
Trump steht mit seinen Ansichten nicht allein, seine Wähler denken ähnlich wie er, wie auch Joe Biden und dessen Wähler ähnlich dachten. Und weil offensichtlich mehr Wähler Trumps Sichtweisen und Gestaltungsideen teilten, fiel ihm die Macht zu. Seine Wahl ist also kein Zufall oder gar Ergebnis von Mauscheleien, sondern vielmehr Ausdruck der Stimmung in der amerikanischen Gesellschaft.
Sein Wahlerfolg ist zu deuten als Spiegel dieser Gesellschaft, als weitgehende Übereinstimmung in den Vorstellungen der überwiegenden Mehrheit der amerikanischen Wähler über Gesellschaft und das herrschende Wirtschaftssystem. Trumps Wähler sehen die gesellschaftlichen Verhältnisse ähnlich wie er und seine MAGA-Bewegung (1).
Das war die Situation im November 2024. Dieses Bild hat sich inzwischen geändert, nachdem die Menschen praktische Erfahrungen mit Trumps Politik gemacht haben und das Missverhältnis erkennen müssen zwischen den Hoffnungen, die sie sich gemacht hatten, und den Ergebnissen, die nun vorliegen. Deshalb haben nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Instituts Ipsos Trumps Zustimmungswerte den niedrigsten Wert seit seiner Amtseinführung erreicht, „nur 40 Prozent der Bürger befürworten seine Arbeit, 57 Prozent lehnen sie ab“ (2).
Denn die Theorien Trumps und seiner MAGA-Truppe gehen nicht auf, und damit schwinden auch die Hoffnungen seiner Anhänger auf bessere Lebensumstände. Sie hatten an die Versprechungen ihres Idols geglaubt, dass das Ausland, das bisher auf Kosten der USA gelebt haben soll, die finanzielle Gesundung des Landes durch Zölle gewährleisten wird. Sie hatten geglaubt, dass er es schafft, die Industrie der USA wieder auferstehen zu lassen und damit auch wieder reichlich Arbeitsplätze zu schaffen wie in den guten alten Zeiten vor der Globalisierung.
Nicht nur sie hatten es geglaubt, auch Trump selbst und seine Berater waren überzeugt vom eigenen Gerede und scheinen es immer noch zu sein. Trotz steigender Preise und neuer Zollverhandlungen, in denen die USA nicht nur gegenüber China Zugeständnisse machten, wies der Sprecher des Weißen Hauses, Kush Desai, „die Behauptung zurück, Zölle würden den Amerikanern schaden“ (3). Er vertröstet die MAGA-Community und vermutlich auch sich selbst damit, dass die derzeitige Lage nur eine Übergangsphase sei. Der Präsident und sein Lager geben sich immer noch fest überzeugt: „Die Kosten der Zölle werden letztendlich von ausländischen Exporteuren getragen“ (4).
Unerfüllte Versprechen
Bisher haben sich die Wirtschaftstheorien von Trump wie auch seiner Ratgeber und Gefolgsleute in der Wirklichkeit nicht bewahrheiten können.
Die Zölle gegenüber anderen Staaten wie China oder Indien lassen sich nicht so leicht durchsetzen, wie sie geglaubt hatten. Zwar kann er deren Waren mit Aufschlägen belegen, aber es gelingt ihm bei vielen nicht, die gewünschten Abkommen zu schließen, die erst die wirtschaftlichen Neuregelungen auf belastbare Grundlagen stellen. Das aber wäre nötig, um dauerhaft jene Einnahmen zu gewährleisten, die den Lebensstandard der Amerikaner verbessern und die Verschuldung wie auch die Handelsdefizite der USA senken sollen.
Die Entwicklung läuft in eine Richtung, die den vereinfachenden Theorien und abgehobenen Behauptungen nicht entspricht. Nicht die Exporteure zahlen, sondern die amerikanischen Importeure, Unternehmen und Familien. Laut einem Bericht von Goldman Sachs „tragen US-Verbraucher mindestens 55 Prozent der Zollkosten, US-Unternehmen 22 Prozent und ausländische Exporteure 18 Prozent [, und er] prognostiziert, dass US-Verbraucher bis Ende 2026 bis zu 70 Prozent der Abgaben übernehmen würden“ (5).
Entgegen aller Versprechungen ist das Leben der Amerikaner beschwerlicher geworden. „Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen leiden heute unter hohen Lebenshaltungs- und Wohnkosten. Die Preise für Nahrungsmittel und Wohnen steigen schneller als die Gesamtinflation.“ (6). Die Strompreise sind deutlich gestiegen, auch Benzin ist teurer geworden. „Viele Amerikaner geben an, dass sie die Mahlzeiten strecken oder ausfallen lassen, zumal der Präsident während des Shutdowns Lebensmittelhilfen stoppen ließ“ (7). Die Gründe auch für republikanische Wähler und sogar MAGA-Unterstützer, über Trumps Politik enttäuscht zu sein, werden täglich mehr.
Die Reallöhne stagnieren, und die Lage am Arbeitsmarkt wird schlechter. Während er „in sehr vielen Bereichen die Kürzungsaxt angelegt“ hat (8), hat er gleichzeitig mit dem großen Gesetzespaket „One Big Beautiful Bill“ die Steuern für Reiche gesenkt. Viele vermissen angesichts dieser Entwicklungen die versprochene „America-First“-Politik.
Sie gewinnen zunehmend den Eindruck, „dass Trump den Forderungen des global orientierten Kapitals viel nähersteht als seinen amerikanischen Arbeitern und Arbeiterinnen“ (9).
Wachsende Risiken
Steigende Preise und die Lage auf dem Arbeitsmarkt spielen eine bedeutende Rolle für den wachsenden Unmut gegenüber Trump. Zudem bedeutet der Abbau des Staates „auch den Abbau von Sozial- und Wirtschaftsförderungsprogrammen, von denen ein Großteil von Trumps Wählerschaft negativ betroffen“ ist (10). Die wirtschaftliche Lage entwickelt sich nicht so, wie es nach den Theorien Trumps und seiner MAGA-Bewegung hätte sein sollen, und auch „die versprochene großartige Renaissance der Industrie lässt auf sich warten“ (11).
Denn die Ansiedlung ausländischer Unternehmen kommt – abgesehen von den publikumswirksamen Vorzeigeprojekten – nicht so recht voran. Viele Unternehmen warten ab, weil ihnen die Lage für langfristige und teure Investitionen zu unübersichtlich ist. Sie wollen zwar die Zölle beim Export in die USA vermeiden, aber auch eine Produktion in den USA selbst ist teuer geworden, teilweise sogar unrentabel. Denn auch auf Vorprodukte, die eingeführt werden müssen, werden Zölle erhoben.
Die Lieferketten selbst sind sehr anfällig, wenn ständig neue Konflikte mit China vom Zaun gebrochen werden, dem größten Zulieferer von Rohstoffen, Vorprodukten und Investitionsgütern. Das betrifft ja nicht nur Importe aus der Volksrepublik, sondern auch Exporte dorthin, wenn man die Einschränkungen betrachtet, die Nvidia und anderen vom amerikanischen Präsidenten auferlegt wurden. Wer weiß, ob seine Launen und Sprunghaftigkeit nicht auch irgendwann andere Unternehmen und Wirtschaftszweige treffen?
Doch das größte Hindernis für die Ansiedlung neuer Unternehmen in den USA ist der weitgehende Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. So hatten LG und Hyundai für den Aufbau einer Batteriefertigung in den USA mehrere Hundert koreanische Arbeitskräfte mitbringen müssen, die dann sogar auch noch von der amerikanischen Ausländerpolizei festgenommen und ausgewiesen wurden. Die Migrationspolitik der USA ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die Ansiedlung moderner Industrie.
In vielen Wirtschaftsbereichen, etwa den Tech-Konzernen, werden qualifizierte Arbeitskräfte aus Asien benötigt, allein weil sie in den USA nicht in ausreichendem Maße und entsprechender Qualifikation vorhanden sind. Das trifft auf Widerstand in den USA selbst. Sogar Teile der MAGA-Bewegung äußern ihr Missfallen darüber und fordern, „dass stattdessen entsprechende Ausbildungsprogramme für amerikanische Arbeiter aufgelegt werden sollten“ (12).
Aber auch in den Staaten, die von den Abwerbeversuchen des amerikanischen Präsidenten betroffen sind, regt sich der Widerstand. So „drängt die Trump-Regierung Taiwan dazu, Investitionen und die Chipproduktion in die USA zu verlagern (, …) damit die USA die Hälfte ihrer Chips im Inland herstellen können. Es sei schlecht für die USA, dass 95 Prozent unserer Chips 14.500 Kilometer entfernt hergestellt werden“ (13).
Der Halbleiterersteller TSCM hat schon Investitionen in Höhe von 165 Milliarden US-Dollar angekündigt, seine bisher größte Auslandsinvestition. Aber auch hier entstehen Probleme aufgrund des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften. Durch eine umfangreiche Verlagerung der Halbleiterproduktion in die Vereinigten Staaten würde Taiwan „voraussichtlich 200.000 hochqualifizierte Fachkräfte und über eine Million kaufkräftige Konsumenten verlieren“ (14). Doch die USA machen keinen Unterschied zwischen Freund und Feind.
Es braut sich was zusammen
Die sich verschlechternden Lebensbedingungen der Amerikaner und die enttäuschten Erwartungen der Trumpwähler führen zu einer wachsenden Unzufriedenheit im Land. Nutznießer sind die Demokraten. Ihre Wahlsiege in New Jersey, New York und Virginia sind zum Teil auf Sorgen um die Lebenshaltungskosten zurückzuführen und offenbarten die wachsende Besorgnis der Wähler über die hohen Preise. Dass nun die Demokraten wieder Wahlen gewinnen, da sie doch gerade wegen der Preisentwicklung die Präsidentschaftswahlen im November verloren hatten, zeigt, wie verzweifelt die Wähler und wie ausweglos die Situation zu sein scheinen.
Aber unter dem Druck der Wahlergebnisse und dem wachsenden Unmut im Lande, den nun auch das Weiße Haus wahrzunehmen scheint, werfen die MAGAs ihre erfolglosen Wirtschaftstheorien zum Teil über den Haufen. Zölle, deren Absetzung einen Rückgang der Lebensmittelpreise erwarten lassen, werden gesenkt. Finanzminister Scott Bessent stellte Maßnahmen in Aussicht, „die zu niedrigeren Preisen für Kaffee, Bananen und andere Früchte führen würden. Dies sei Teil der Bemühungen der Trump-Regierung, die Lebenshaltungskosten für die Amerikaner zu senken“ (15).
Die MAGAs scheinen in der Wirklichkeit angekommen. Sie rücken offensichtlich ab von ihrer Theorie, dass Zölle den Reichtum der Amerikaner mehren. Die New York Times berichtete sogar, „die Trump-Regierung erwäge weitere Zollbefreiungen für importierte Lebensmittel wie Rindfleisch und Zitrusfrüchte, um die Preise zu senken, auch für Produkte aus Ländern, die keine Handelsabkommen mit den USA abgeschlossen haben“. (16)
Aber so ganz können sich die MAGAs noch nicht mit der Wirklichkeit anfreunden. Denn „Trump verspricht jetzt, jeden Amerikaner – abgesehen von den Reichen – mit 2000 Dollar aus den Zolleinnahmen zu beglücken und mit dem Rest Staatsschulden zu tilgen“ (17). Das dürfte rechnerisch schwierig werden, denn nach Angaben des Finanzministeriums haben die Zölle bisher nur 215 Milliarden Dollar erwirtschaftet. „Der 2000-Dollar-Scheck für fast alle würde die Zolleinnahmen mehr als aufzehren. “ (18) Der Realitätsverlust in Washington scheint groß zu sein – oder die Not.