Gute und schlechte Spaltung
In der Schweiz wird eine alte Coronamaßnahme wieder angewendet — doch dieses Mal bleibt die Empörung aus.
Im Freibad in Pruntrut, im Schweizer Kanton Jura, gilt seit dem 4. Juli 2025 ein Betretungsverbot für Ausländer. Es dürfen nur Schweizer Staatsbürger und Personen, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben oder einen Schweizer Arbeitsvertrag ihr Eigen nennen, dieses Freibad betreten. Das Zutrittsverbot zielt insbesondere auf Franzosen ab, weil diese sich seit dem Beginn der Badesaison danebenbenommen haben sollen. Die Handlungen der Franzosen wie auch einiger Schweizer reichen von Missachtung der Regeln bis zu Belästigung von Badegästen. Zuerst wurden rund 20 Hausverbote ausgesprochen, danach wurde das Zutrittsverbot aktiviert. Genau genommen wurde es reaktiviert, denn bei diesem Verbot handelt es sich um eine alte Coronamaßnahme aus dem Jahr 2020. Damals ging es um „Ansteckungsgefahr“, falls „sich Einheimische und Franzosen zu nahe“ kommen. Wie vor fünf Jahren wird auch heute als Grund die „Sicherheit“ genannt. (1) Der Vorstoß der Behörden wie auch der ausbleibende Widerstand der Bevölkerung dagegen sind ein Alarmsignal, das für die Zukunft der zunehmenden Überwachung und Segregation der Menschen Schlimmes befürchten lässt.
Doch in dem vorliegenden Text soll es nicht weiter um die Gründe gehen, die das Schwimmbad angibt. Sondern um die möglichen Motive, wieso eine reaktivierte Coronamaßnahme nicht zu einer stark ausgeprägten Empörungswelle führt. Der Text ist ein Versuch, diese möglichen Beweggründe herauszufiltern. Außerdem wird in der Analyse ein Szenario des Datenanalysten Tom Lausen berücksichtigt, weil in der wiederholten Akzeptanz von Zutrittsverboten ein Grundstein für die Einführung der digitalen ID liegt. Und diese ID, die betrifft dann alle.
Wie ernst kann der berechtigte Ruf nach einer Aufarbeitung der Coronazeit gemeint sein, wenn eine reaktivierte Coronamaßnahme jetzt akzeptiert wird? Und was sind die Gründe für diese Akzeptanz? Die Entfernung zwischen dem eigenen Wohnort und dem Schwimmbad? Das Wissen, dass es einen nicht selbst trifft, weil man nicht genau dieses Schwimmbad aufsucht? Weil ein Sprechen, genauer, eine Kritik über die besagte Maßnahme sofort mit den Vorfällen, die in letzter Zeit in einigen deutschen Schwimmbädern geschehen sind, verknüpft wird? Getreu dem Motto: Wer das Zutrittsverbot kritisiert, der will nichts gegen Vorfälle dieser Art unternehmen? Wer die beiden letzten Fragen bejaht, dem lässt sich entgegnen, dass eine wiederaktivierte Coronamaßnahme eine Kettenreaktion auslösen wird.
Diese Segregation, sich somit überall auszuweisen, wie es sie bereits in der Coronazeit im öffentlichen wie mancherorts auch im privaten Raum gegeben hat, kann nach diesen Erfahrungen niemand wirklich mehr wollen.
Außerdem verfügt das Schwimmbad in der Schweiz immer noch über andere Mittel: Denn was spricht dagegen, weiterhin ein Hausverbot auszusprechen, falls sich jemand absolut danebenbenehmen sollte, anstatt pauschal bestimmte Personengruppen auszugrenzen? Alles weitere klärt in einem Rechtsstaat dann der Richter, aber nicht präventiv der Mitarbeiter am Ticketschalter. Außerdem würde, wenn es um Änderungen in der Migrationspolitik geht, der Ball bei der Regierung und beim Parlament liegen, nicht bei den Betreibern eines Schwimmbades.
„Und dann ist die Falle zu.“
Apropos Migrationspolitik: Welche Gründe könnte es noch für die hohe Akzeptanz der reaktivierten Coronamaßnahme geben? Weil es, zynisch gesprochen, jetzt nur die Anderen trifft? Diese Sicht erinnert an ein Szenario des Datenanalysten Tom Lausen. (2) Er hat vor einigen Monaten in einem Gespräch mit dem Rapper B-Lash zu dem Thema „Migration & Überwachung“ folgende Szene skizziert:
„Könnte man mit der heutigen Gesellschaft, die ja so extrem gespalten ist, und das ist nicht nur in Deutschland so, also mit der Gesellschaft, die sich nicht impfen lassen wollte, (…) und den Menschen, (...) die sich haben freiwillig impfen lassen, könnte man die dazu bringen, jetzt eine digitale ID zu akzeptieren?“
Lausen verneint diese Möglichkeit klar. Die Menschen werden diese ID aufgrund der Merkmale geimpft oder ungeimpft nicht mehr mittragen. Weil die digitale ID, so Lausen weiter, aber unter die Leute gebracht werden soll, muss ein neuer Grund für ihre Einführung gefunden werden. Dieser Grund könnte so aussehen:
„Es wird so sein, dass jetzt erzählt werden wird, die Ausländer müssen alle raus, also die, die irgendwie kriminell werden und dann will man die auch nicht mehr reinlassen und dafür müssen wir die Grenzen schließen.“
Und weil die Grenzen jetzt zu sind, die Leute aber in den Urlaub wollen, brauchen die nun auch eine digitale ID: „Sonst könnte ja jeder in dieses Land zurückkommen.“ Dieses Szenario würde dazu führen, dass viele Bürger die digitale ID akzeptieren werden. Lausen weiter:
„Und diejenigen, die sich gewünscht haben, dass die ganzen Menschen hier nach draußen kommen und dass man die Grenzen schließt, die werden dann auch mitmachen, weil die ja wiederum dann glauben, das ist eine gute Sache, dann machen wir doch die digitale ID, das hilft uns. Und dann ist die Falle zu.“
Wer nicht mitmacht, ist raus
Nun geht es hier aber nur um ein Schwimmbad, nicht um ein ganzes Land. Außerdem fehlt hier noch die digitale ID als Eintrittskarte. Doch begann nicht jede Entwicklung im Kleinen? Denn mit der reaktivierten Coronamaßnahme und der damit einhergehenden Segregation, kann schon die Erzählung, dass bestimmte Personen präventiv draußen bleiben müssen, in der Bevölkerung implementiert werden. So kann sich die Akzeptanz für Maßnahmen dieser Art ausbreiten. Nur auf dieser Basis kann die digitale ID dieses Mal installiert werden. Verluste sind hier nebensächlich.
Laut einem Beitrag von ServusTV wird im Nachbarland Österreich die ID Austria bereits für Behördengänge verwendet. Und die Lehrer müssen diese ID verwenden, damit sie die Noten ihrer Schüler eintragen können oder um „den Gehaltszettel abzurufen“. Eine Lehrerin wehrt sich dagegen, die ID Austria anzulegen. Nun droht ihr nach über 30 Arbeitsjahren die Kündigung.
Kinder müssen draußen bleiben
Doch selbst ohne digitale ID sind die Nachteile der Segregation in dem besagten Schwimmbad bereits spürbar.
Die Schweizer Tageszeitung 20 Minuten berichtet, dass auch Personen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, vom Zutrittsverbot betroffen sind, weil sie die Bedingungen für den Eintritt nicht erfüllen. Unter ihnen sind Großeltern und Kinder.
Bereits am ersten Tag der Maßnahme nahm die Mitarbeiterin am Kiosk weniger ein: „Heute hat es viel weniger Leute. Normalerweise habe ich um diese Zeit eine riesige Schlange“, sagt sie zu 20 Minuten. Die neue Regel sei für sie zu drastisch und treffe auch viele Unschuldige. „Natürlich ist es jetzt ruhiger, aber viele Kinder und Eltern können nicht mehr kommen, das ist schade.“
Fazit
Das Zutrittsverbot im Schwimmbad gilt erst einmal bis zum 31. August 2025. Doch die Dauer ist hier nicht der springende Punkt. Es geht um die Akzeptanz solcher Maßnahmen, die sich breit macht, wenn ebendiese Maßnahmen erneut eingeführt werden. Erst an einem Ort, dann in einem weiteren, und immer so weiter. So lange, bis es allen ganz normal erscheint, bestimmte Personengruppen, unter ihnen viele Unschuldige, präventiv auszuschließen. Die Coronazeit war der Beginn.
Ob nun vor einigen Jahren der „Pieks“ fehlte oder man heute im falschen Ort wohnt: Ausschluss ist Ausschluss, das Ergebnis bleibt gleich. Es gibt, wie bereits erwähnt, Mittel, die bei dringendem Bedarf angewendet werden können.
Und die Politik als Ansprechpartner. Doch es ist anstrengend, diese Wege zu beschreiten, ein pauschales Zutrittsverbot ist da viel einfacher auszusprechen. Doch wer hier schweigt, der schafft die Grundlage für eine Einführung der digitalen ID. Ist die erst einmal eingeführt, dann ist es zu spät.