Hauptsache Panik

Der Arzt Gerd Reuther und die Historikerin Renate Reuther deuten die europäische Pandemiegeschichte als „viel Lärm um nichts“.

Gerd Reuther ― Radiologe und langjähriger Chefarzt ― stieg vor Jahren aus dem Medizinbetrieb aus, weil er nach eigenem Bekunden kein Erfüllungsgehilfe schlechter Medizin mehr sein wollte. Er hat seitdem eine Reihe Bücher geschrieben. Medizin richtet laut Reuther unterm Strich schon immer weit mehr Schaden an, als sie nützt. Schädliche Medizin ist demnach Normalität, nützliche Medizin bloß deren Anomalie. Letzteres zeigt sich auch am Beispiel der europäischen Seuchengeschichte.

Ohne Hype keine Pandemie

Das Buch „Hauptsache Panik“ hat Gerd Reuther gemeinsam mit seiner Frau, der Historikerin Renate Reuther verfasst. Beide nehmen dort die europäische Seuchengeschichte in den Blick. „Geschichte wiederholt sich nicht“, schreiben die Reuthers, „aber sie reimt sich. Seuchennarrative haben für bloße Koinzidenzen zu viel gemeinsam“. Der gegenwärtig besonders auffällige Hype um eine „Jahrhundertpandemie“ ist demzufolge historisch nichts Besonderes, sondern notwendige Bedingung aller beschriebenen Pandemien. Ohne Hype keine Pandemie.

Anhand der bekanntesten pandemischen Großereignisse deckt das Autorenpaar eklatante Ungereimtheiten auf und benennt die typischen Muster. Es wird deutlich, dass es vor allem die Interessen mächtiger gesellschaftlicher Gruppen ― der Kirche, der weltlichen Oberschicht, der Ärzteschaft ― waren, die Infektionskrankheiten zu Pandemiemonstern werden ließen. „Hinter der Nebelwand von Seuchen ließ sich ein Wirtschaftskrieg gegen die Masse der Bevölkerung führen.“

Alter Essig in neuen Schläuchen

Alles, was bei Corona einmalig oder besonders schlimm anmutet, war Bestandteil jeder vergangenen Pandemie ― die Erzählung von einer „neuartige Seuche“, die hochinfektiös sei und vor der selbst eine durchgemachte Erkrankung nicht schütze; die drastischen Maßnahmen; die skrupellose Überbehandlung durch medizinische Fachleute; die Verfolgung bestimmter Bevölkerungsgruppen; die Restriktionen, die auch nach Abflauen beibehalten werden; sogar der „Great Reset“.

Die Quintessenz der Seuchengeschichte lautet: „Nicht Krankheitserreger lassen Epidemien zu Tragödien werden. Es sind die sozialen Umstände und die Maßnahmen“.

Seuchen taugen demnach vor allem als Waffe, Geschäft und zur Bevölkerungskontrolle. Sie zu verhindern sei jedoch prinzipiell einfach: durch Hygiene sowie allgemeinen Wohlstand. „Übersterblichkeiten durch Infektionskrankheiten gab es in europäischen Großstädten nur, wenn Fäkalien Wasser, Luft und Nahrung vergifteten“ ― und wenn Ärzte die Menschen mit Überbehandlungen traktierten.

Eine neue Sicht

Es ist beeindruckend zu sehen, wie leicht sich viele Unklarheiten rund um die europäischen Großseuchen mit der Grundannahme auflösen lassen, dass Krankheitserreger allein gar nicht das vernichtende Potenzial haben, solche katastrophalen Ereignisse zu erzeugen.

Gerd und Renate Reuther ersetzen das widersprüchliche, fadenscheinige Narrativ durch ein konsistentes und damit besseres. Wer unbedingt am bestehenden Narrativ festhalten will, muss nun schon sehr gute neue Argumente liefern. Mit den alten kommt man nicht mehr weit.

Das Buch ist unter anderem deshalb so wichtig, weil es kritische Menschen davon befreit, ständig mit der vermeintlichen Anomalie des Coronaregimes zu hadern, statt der Sache beherzt ins Auge zu blicken. Denn auf Letzteres kommt es an, wenn man etwas ändern will.


Gerd Reuther, Renate Reuther „Hauptsache Panik! Ein neuer Blick auf Pandemien in Europa“ Leipzig 2023, 14,80 Euro


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst am 6. April 2023 unter dem Titel „Gerd und Renate Reuther: Hauptsache Panik“ bei paul brandenburg: schwarz auf weiß.