Hoffnungslos am Bosporus
Die Friedensgespräche in Istanbul sind ein fragiles Unterfangen, denn die Chancen auf ein verhandeltes Kriegsende sind überschaubar.
„Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul sind fast garantiert zum Scheitern verurteilt“, warnt der russische Journalist Witali Rjumschin in einem scharfen Kommentar auf gazeta.ru. Mit dieser düsteren Prognose begannen am Donnerstag, dem 15. Mai, die ersten direkten Gespräche zwischen den beiden Ländern seit über drei Jahren. Ein historischer Moment, der die Welt in Atem hält. Unter der Moderation der Türkei, angeführt von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, treffen die Delegationen in einer Atmosphäre ein, die von Misstrauen, widersprüchlichen Interessen und geopolitischen Spannungen geprägt ist. Die Verhandlungen stehen vor enormen Herausforderungen: unvereinbare Positionen, eine chaotische Vorbereitung und konträre US-Vermittler.
Die Verhandlungen wurden durch einen überraschenden Vorschlag des russischen Präsidenten Wladimir Putin am 12. Mai 2025 ausgelöst, der direkte Gespräche ohne Vorbedingungen forderte. Die Ukraine unter Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ihre Teilnahme zugesagt, doch Selenskyj besteht darauf, nur persönlich mit Putin zu verhandeln — eine Forderung, die Russland als performative Geste bewertet. Die Vereinigten Staaten, vertreten durch die konträren Gesandten Steve Witkoff und General Keith Kellogg, drängen auf Fortschritte, drohen aber bei ausbleibendem Erfolg mit einem Rückzug aus dem Prozess.
Die Europäische Union, angeführt von EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas, fordert einen 30-tägigen Waffenstillstand und droht Russland mit weiteren Sanktionen, obwohl diese möglicherweise kaum noch umsetzbar sind. Der russische Analyst Rjumschin sieht in der europäischen Haltung ein zentrales Hindernis: „Die Ukraine wird von der ‚europäischen Troika‘ — Großbritannien, Frankreich, Deutschland — unterstützt, die erfolgreich jede amerikanische Initiative für ein schnelles Ende des Konflikts blockiert.“ Diese Spannungen prägen die Ausgangslage, während die Welt auf einen möglichen Durchbruch hofft — oder ein weiteres Scheitern fürchtet.
Verhandlungen ohne Vorbedingungen
Die Voraussetzungen für die Gespräche sind alles andere als vielversprechend. Die ukrainische Position ist von Widersprüchen geprägt. Selenskyj unterstützt öffentlich einen „vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand“, wie er in den Sozialen Medien erklärte, doch Rjumschin wertet dies als taktisches Manöver: „Selenskyjs Strategie ist, Trump gerade genug zu appeasieren, um seinen Zorn zu vermeiden, ohne sich zu Verpflichtungen für eine Friedenslösung zu binden.“ In einem Interview räumte Selenskyj ein, dass die seit 2014 verlorenen Gebiete wie die Krim oder Teile von Donezk und Luhansk militärisch nicht zurückzuerobern seien, lehnt aber ihre Anerkennung als russisch ab.
Ein ukrainisches Gesetz von Oktober 2022 verbietet Verhandlungen mit Russland, doch Selenskyj umgeht dies, indem er sich selbst als alleinigen Verhandlungsführer definiert, wie Anti-Spiegel berichtet. Gleichzeitig zeigt die Ukraine militärische Aggression: Während einer russischen Waffenpause vom 8. bis 10. Mai 2025 griff sie ein russisches Grenzdorf an, was Rjumschin als Beleg für mangelnde Verhandlungsbereitschaft wertet.
Russland tritt mit einer klaren, aber kompromisslosen Haltung an. Putin fordert direkte Verhandlungen ohne Vorbedingungen: ein strategischer Zug, um die europäische Forderung nach einem 30-tägigen Waffenstillstand zu umgehen, wie Anti-Spiegel analysiert.
Rjumschin betont: „Russland hält die militärische Initiative und sieht keinen Grund, die Offensive für einen Waffenstillstand zu stoppen, nur um Trump einen diplomatischen Erfolg zu verschaffen.“ Die seit 2014 annektierten Gebiete sowie die seit 2022 eroberten Regionen wie Saporischschja betrachtet Russland als unverhandelbaren Teil der Föderation. Vorschläge wie Kelloggs Idee, westliche Truppen in der Ukraine zu stationieren, werden kategorisch abgelehnt.
Waffenstillstand „zum Greifen nah“
Wladimir Putin werde nicht nach Istanbul reisen, das berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Neben dem russischen Präsidenten wird auch Putins erfahrener Außenminister Sergej Lawrow den Gesprächen fernbleiben. Wie die russische Nachrichtenseite Ukrainska Pravda informierte, wurde die Liste der Delegationsmitglieder von Präsident Putin selbst am Mittwochabend, 14. Mai, genehmigt. Die mehrköpfige Delegation Moskaus werde von seinem Berater Wladimir Medinski angeführt.
Interessant zu wissen ist: Medinski war bereits 2022 an den Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in Istanbul beteiligt. Damals, im Frühjahr 2022, scheiterten vielversprechende Abkommen zwischen Russland und der Ukraine, nicht zuletzt durch westliche Interventionen. Eine detaillierte Rekonstruktion von Professor Dr. Hajo Funke und General a. D. Harald Kujat zeigt, dass bereits Anfang März 2022 ernsthafte Chancen für ein Kriegsende bestanden, vermittelt durch den damaligen israelischen Premierminister Naftali Bennett. Bennett, der auf Bitten Wolodymyr Selenskyjs mit Wladimir Putin sprach, berichtete in einem Interview vom 4. Februar 2023, dass beide Seiten kompromissbereit waren: Putin verzichtete auf die Demilitarisierung der Ukraine, Selenskyj auf einen NATO-Beitritt. Themen wie Donbass, Krim und Sicherheitsgarantien wurden intensiv diskutiert, und ein Waffenstillstand war „zum Greifen nahe“.
Doch Großbritannien und die USA blockierten den Prozess, wie Bennett erklärte: „Im Grunde genommen, ja. Sie haben es blockiert, und ich dachte, sie hätten unrecht.“ Boris Johnson, damals britischer Premierminister, reiste nach Kiew und riet, die Verhandlungen abzubrechen und „einfach Krieg zu führen“.
Deckmantel „Friedenstruppen“
Großbritannien positionierte sich seither als Hardliner gegenüber Russland, doch bemerkenswerterweise bleibt Londons militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine hinter der von Ländern wie den USA, Deutschland oder Polen zurück. Kritiker werfen Großbritannien vor, andere „die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen“, während es selbst als ideologischer Antreiber des Konflikts agiert, wie Analyst Andrey Nizamutdinov kommentiert.
Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus und seinem Vorstoß für Verhandlungen musste London seine Strategie anpassen. Auf Initiative von Premierminister Keir Starmer, unterstützt von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, entstand die „Koalition der Willigen“ — eine Gruppe von Ländern, darunter Kanada, Australien, Neuseeland und die Türkei, die eine Fortsetzung des Konflikts oder eine Beendigung zu ihren Bedingungen anstrebt, mit dem Ziel, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen. Friedensbefürwortende Staaten wie Ungarn und die Slowakei wurden ausgeschlossen. Die Koalition plant, unter dem Deckmantel von „Friedenstruppen“ Soldaten in die Ukraine zu entsenden, um Sicherheitsgarantien durchzusetzen, wobei Starmer die USA als entscheidende Unterstützung nennt.
Hinter dieser Strategie stehen laut Andrey Nizamutdinov erhebliche wirtschaftliche Interessen: Großbritannien, das 2025 ein 100-jähriges Partnerschaftsabkommen mit Kiew über kritische Mineralien schloss, will durch Konzerne wie Rothschild, Rio Tinto und Anglo American den Zugriff auf ukrainische Bodenschätze sichern. Die britische Critical Minerals Strategy von 2022, unterstützt von BAE Systems und der Rothschild-Gruppe, sowie das SOERA-Projekt, das seit 2022 unter Beteiligung der britischen Agentur UKAID ukrainische Staatsunternehmen privatisierte, führten dazu, dass milliardenschwere Vermögenswerte unter Rothschild-Kontrolle gelangten.
Die geplante Truppenentsendung soll diese wirtschaftlichen Interessen schützen, birgt jedoch das Risiko einer Eskalation. Die Koalition stößt auf Widerstand: Länder wie Italien und Polen lehnen Truppenentsendungen ab, und selbst Macron hat seine Pläne für ein großes Expeditionskorps auf 10.000 Soldaten reduziert. Solche Pläne sind ein politisches Spektakel, das den Konflikt verschärfen könnte. Die Wiederkehr Medinskis in Istanbul wirft nun die Frage auf, ob die Lehren von 2022 — und Londons damalige Sabotage — diesmal einen anderen Ausgang ermöglichen.
Fokussierung auf Vertrag
Was Rjumschin als Signal für eine nüchterne, nicht hochrangige Strategie interpretiert, auch wenn er zwei andere Kandidaten für die Verhandlungen in Erwägung zog: „Putin hat keinen Grund, sich auf performative Diplomatie einzulassen, sondern fokussiert sich auf konkrete Vertragsverhandlungen, wenn der Moment günstig ist.“
Die Vereinigten Staaten spielen eine ambivalente Rolle. Steve Witkoff, Sondergesandter Trumps, plädiert für einen sofortigen Waffenstillstand und direkte Verhandlungen — eine Position, die russischen Interessen nähersteht. General Keith Kellogg hingegen vertritt eine pro-ukrainische Linie — er schlägt die Stationierung westlicher Truppen westlich des Dnepr vor und fordert die Kontrolle über das Kernkraftwerk Saporischschja.
Vorschläge, die Russland wiederum als Provokation ansieht. Diese Widersprüche spiegeln Trumps unkonventionelle Diplomatie wider, die bewusst Verwirrung stiftet, um Flexibilität zu schaffen. Der US-Analyst Gilbert Doctorow kritisiert diese „Taktik der Verwirrung“ als ineffektiv, verweist aber auf Trumps Erfolg bei einem indisch-pakistanischen Waffenstillstand als Hoffnungsschimmer: „Trumps unvorhersehbare Art könnte einen Durchbruch erzwingen — oder ein Fiasko verursachen“, sagte er in einem Interview mit Judge Napolitano. Rjumschin sieht hierin einen Versuch, „einen diplomatischen Sieg ohne echte Kompromisse zu erzwingen.“
Nachkriegsordnung behandeln
Insbesondere für die deutsche Bevölkerung könnten sich einige Irritationen verstärken, da ihnen über die hiesigen Medien Informationen verschwiegen werden. Während der russischen Waffenpause griff die Ukraine zum Beispiel ein Grenzdorf an, doch Medien wie Focus berichteten stattdessen über russische Angriffe auf Sumy, was den Eindruck erweckte, Russland habe die Waffenruhe gebrochen. Selenskyjs Drohung, Moskau während der Siegesfeierlichkeiten anzugreifen, wurde ebenso ignoriert wie auch das ukrainische Verhandlungsverbot von 2022, das Selenskyjs Position komplizierte.
Rjumschin kritisiert zwar nicht direkt die Medien, spricht aber vom „Mediaraum-Hype“, der unrealistische Erwartungen schüre und die Aussichtslosigkeit der Gespräche verschleiere. Und er ist mit seiner Sicht auf die Dinge nicht allein. Ein einflussreicher Experte der RAND-Corporation, Samuel Charap, veröffentlichte kürzlich mit seinem Kollegen Sergey Radchenko im Magazin Foreign Affairs einen bemerkenswerten Artikel. Darin stimmte er der russischen Sicht zu, dass Russland eine endgültige Lösung und kein Einfrieren des Konflikts will, der dann später jederzeit wieder ausbrechen könnte.
Diesen entscheidenden Teil der Verhandlungsgrundlage Russlands schien Charap nachvollziehen zu können. Denn um erfolgreich zu sein, müssen Verhandlungen sowohl den Prozess der Beendigung der Kampfhandlungen als auch die Ausgestaltung der Sicherheit in der Nachkriegsordnung behandeln. In Istanbul im Jahr 2022 konzentrierten sich die ukrainischen und russischen Unterhändler fast ausschließlich auf Letzteres.
Um die Verhandlungen verständlich zu machen, lohnt ein Blick auf diplomatische Gepflogenheiten, illustriert durch historische Beispiele. Die Dayton-Verhandlungen von 1995 beendeten den Bosnienkrieg nach dreieinhalb Jahren. Vom 1. bis 21. November 1995 — 22 Tage — verhandelten die Präsidenten Serbiens, Kroatiens und Bosniens unter US-Vermittlung in strenger Klausur auf einer Militärbasis in Ohio. Die USA, angeführt von Richard Holbrooke, setzten die Parteien unter Druck, indem sie den Kontakt zur Außenwelt begrenzten. Das Abkommen, am 14. Dezember 1995 in Paris unterzeichnet, schuf einen dezentralisierten Staat mit zwei Entitäten, überwacht von einer NATO-Truppe. Dayton zeigt, dass intensiver Druck Fortschritte erzwingen kann, doch die ethnische Teilung schuf langfristige Spannungen.
Langwierige Verhandlungen
Die Minsk-Abkommen von 2014 und 2015 sollten den Konflikt in der Ostukraine lösen. Minsk I scheiterte an fehlender Umsetzung, Minsk II brachte einen brüchigen Waffenstillstand. Verhandelt wurde unter OSZE-Vermittlung mit Deutschland und Frankreich als Garanten, doch mangelndes Vertrauen, unklare Überwachungsmechanismen sowie die Zurückhaltung von Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande führten zum Scheitern. Minsk unterstreicht die Notwendigkeit klarer Strukturen, die in Istanbul fehlen könnten.
Das Iran-Atomabkommen (JCPOA) von 2013 bis 2015 zeigt, wie langwierige Verhandlungen komplexe Konflikte lösen können.
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die USA, Russland, China und Iran einigten sich nach zwölf Jahren Konflikt am 14. Juli 2015 in Wien auf eine Reduzierung der iranischen Nuklearaktivitäten gegen Sanktionserleichterungen, überwacht von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA), wie bpb.de erläutert. Das JCPOA beweist, dass Geduld Fortschritte bringt, doch externe Faktoren wie der US-Austritt 2018 gefährden solche Abkommen.
Basierend auf diesen Beispielen könnte der Verhandlungsprozess in Istanbul folgendermaßen ablaufen. In der Vorbereitungsphase, bereits vor dem 15. Mai, führten türkische Vermittler Sondierungsgespräche, um die Tagesordnung — etwa Waffenstillstand oder Gebietsfragen — zu klären. Die Delegationen für Russland und für die Ukraine erstellten Positionspapiere, während öffentliche Rhetorik wie Trumps Ultimatum die Verhandlungspositionen stärkt.
Am ersten Tag eröffnet Erdoğan die Gespräche mit einem Appell an den Frieden, gefolgt von Statements der Delegationen: Selenskyj fordert einen Waffenstillstand, Russland einen Vertrag. Bilaterale Gespräche, etwa zwischen Witkoff und Medinski, sondieren Kompromisse. In den folgenden Tagen diskutieren Arbeitsgruppen Themen wie humanitäre Korridore oder die Kontrolle von Saporischschja, während türkische Vermittler zwischen den Parteien pendeln. Krisen, etwa durch russische Ablehnung westlicher Truppen, könnten Pausen erzwingen. Am vierten Tag oder später könnte ein Rahmenabkommen für einen zeitlich begrenzten Waffenstillstand entworfen werden, doch Streitpunkte wie Gebietsfragen würden an spätere Runden delegiert.
Bei Stagnation könnten möglicherweise der türkische Präsident Erdoğan oder der Präsident Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, eingreifen, der sich in einem Telefongespräch mit Wladimir Putin angeboten hatte, wie Reuters berichtet, um „zur Verständigung zwischen Russland und der Ukraine beizutragen“.
Die Ergebnisse werden vage formuliert, um Gesichtsverluste zu vermeiden, und internationale Beobachter wie die Vereinten Nationen (UN) würden die Umsetzung überwachen.
„Diplomatisches Chaos“
Rjumschin warnt jedoch, dass die chaotische Vorbereitung — unklare Tagesordnung, widersprüchliche Ziele — an frühere gescheiterte Waffenstillstände wie den Waffenstillstand der Marine, das Moratorium für Energieinfrastruktur und die „Ostern- und „Sieg-Feiertage“ erinnere, die an fehlenden Dokumenten und Überwachungsmechanismen zerbrachen. Gilbert Doctorow betont, dass Trumps unkonventionelle Taktik entweder einen Durchbruch oder ein Fiasko bringen könnte.
Die Verhandlungen stehen vor zahlreichen Hürden. Erstens bleibt der Waffenstillstand umstritten: Die Ukraine und die EU fordern 30 Tage Waffenruhe, Russland lehnt Vorbedingungen ab. Rjumschin sieht hierin ein taktisches Spiel, bei dem beide Seiten die Schuld für ein Scheitern der anderen zuschieben wollen. Zweitens sind die Gebietsfragen offensichtlich unlösbar, da die Ukraine russische Eroberungen nicht anerkennt und Russland sie als unverhandelbar betrachtet.
Drittens untergräbt die widersprüchliche US-Vermittlung durch Witkoff und Kellogg die Glaubwürdigkeit — Doctorow spricht daher von einem „diplomatischen Chaos“. Viertens würde auch eine europäische Teilnahme von Russland als Einmischung wahrgenommen, Rjumschin kritisiert die „Troika“ als Bremsklotz. Und fünftens sind die Vorschläge von Kelloggs, westliche Truppen in der Ukraine zu stationieren, für Russland inakzeptabel. Alles in allem sind dies äußerst schwierige Voraussetzungen, die die Gespräche sogar zum Scheitern verurteilen könnten.
Zynisches Theater der Diplomatie
Trotz der düsteren Prognose bieten die Gespräche in Istanbul eine seltene Chance, den Dialog in einem seit Jahren festgefahrenen Konflikt wiederaufzunehmen. Die Türkei als neutraler Akteur, Trumps unvorhersehbare Diplomatie und die professionelle Struktur könnten kleine Fortschritte ermöglichen, wie Dayton zeigte. Rjumschin bleibt jedoch skeptisch: „Die Parteien antizipieren die Ergebnislosigkeit und spielen auf Zeit.“ Doctorow hält einen Durchbruch für möglich, wenn Trump die Verhandlungen persönlich steuert. Auch könnten sich die BRICS-Staaten für Grenzkontrollen einbringen, sollte über Truppen in der Ukraine gesprochen werden. Denn für einen dauerhaften Frieden müssen die Gebietsfragen, Sicherheitsgarantien und externe Einflüsse geklärt werden — ein Prozess, der Jahre dauern könnte, wie das Iran-Atomabkommen zeigte.
Doch die Realitäten sind ernüchternd: Russland, gestärkt durch seine militärisch führende Position, sieht derzeit wenig Anlass, substanziellen Zugeständnissen zuzustimmen, während die Ukraine, unterstützt von westlichen Partnern, auf maximalistischen Positionen beharrt, die kaum mit Moskaus Forderungen vereinbar sind.
Die Sichtweisen beider Seiten — geprägt von tiefem Misstrauen und gegensätzlichen Zielen — lassen einen Durchbruch in naher Zukunft unwahrscheinlich erscheinen. Dennoch hängt ein Fortschritt von der Bereitschaft ab, pragmatische Kompromisse zu suchen und Vertrauen aufzubauen, wie es historische Beispiele wie Dayton oder das Iran-Atomabkommen gezeigt haben. Die Welt blickt gespannt und mit verhaltener Hoffnung auf Istanbul, doch Witali Rjumschins Worte hallen nach: „Am Donnerstag kommt kein Friedensabkommen. Der Istanbuler Gipfel wird ein weiteres Kapitel im langen und zynischen Theater der Diplomatie sein.“ Ob die Gespräche dennoch den Grundstein für künftige Verhandlungen legen können, wird davon abhängen, ob die Parteien den Mut finden, über taktische Manöver hinauszugehen und echte Lösungen anzustreben.