Hoffnungsschimmer für Palästina
Immer mehr Länder verurteilen sowohl die Menschenrechtsverletzungen durch die Hamas als auch die israelische Gewalt gegen Gaza — vielleicht entwickelt sich daraus eine Chance für den Frieden.
Humanität ist unteilbar. Es kann nicht angehen, dass jemand die Gewalttaten der Hamas und das Schicksal der Geiseln in Gaza anprangert, das Flächenbombardement des israelischen Militärs mit Zehntausenden von Toten dagegen „vergisst“. Aber auch im umgekehrten Fall würde sich die Weltöffentlichkeit mit einer halben Menschlichkeit zufriedengeben. Hoffnung machen vor allem zwei Entwicklungen der letzten Zeit. National zeigt sich wachsender zivilgesellschaftlicher Protest in Israel selbst, international nimmt die Zahl der Länder zu, die Palästina völkerrechtlich anerkennen. Die Freilassung aller Geiseln durch die Hamas ist für einen Friedensprozess ebenso unabdingbar wie die Beendigung der gewalttätigen Politik der israelischen Regierung. Die internationale Gemeinschaft sollte sich für beide Ziele einsetzen, damit ein Verständigungsprozess in Gang kommt.
Der Nahost-Konflikt hat mit dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eine neue Eskalationsstufe erreicht. Neben tausenden zivilen Opfern prägen seither Bilder israelischer Geiseln in der Gewalt terroristischer Gruppen die internationale Wahrnehmung. Diese Geiselnahmen werden von der Hamas und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) bewusst zur politischen Propaganda instrumentalisiert, in einer perfiden Inszenierung, die die Menschenwürde der Opfer systematisch verletzt.
Gleichzeitig setzt sich in Israel trotz der verhärteten Fronten innerhalb der Regierung eine zivilgesellschaftliche Bewegung für einen humanitären Ausweg und einen umfassenden Frieden ein. Diese Entwicklung steht in scharfem Kontrast zur Unnachgiebigkeit der ultrarechten Netanjahu-Regierung, die bislang zentrale Forderungen der Angehörigen der Geiseln ignoriert. Eine nachhaltige Lösung für den Nahost-Konflikt wird nur über einen humanen, auf Menschenrechten basierenden Ansatz möglich sein — letztlich in Form einer Zwei-Staaten-Lösung.
Die Instrumentalisierung der Geiseln
Das von der Hamas und dem PIJ betriebene Spiel mit dem Leid der Geiseln ist ein eklatanter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Videos, in denen israelische Geiseln — unter ihnen der 19-jährige Rom Braslavski und der 24-jährige Evjatar David — vor laufender Kamera unterernährt und gebrochen präsentiert werden, sind zu einem zynischen Propagandainstrument geworden. Besonders das Video, in dem Braslavski sein vermeintlich eigenes Grab schaufeln muss, ist ein Beispiel für diese entmenschlichende Inszenierung (1).
Solche Taten sind nach Artikel 3 der Genfer Konventionen als Kriegsverbrechen zu werten, da sie die Geiseln „Beleidigungen und erniedrigender Behandlung“ aussetzen. Die bewusste Verbreitung solcher Videos verstößt darüber hinaus gegen die Würde der Opfer und ihrer Familien, die in einer Art psychologischer Kriegsführung öffentlich zur Schau gestellt werden.
Zwischen Unnachgiebigkeit und zivilgesellschaftlichem Protest
Während die Hamas Geiseln als Druckmittel missbraucht, gerät auch die israelische Regierung unter wachsenden Druck. Angehörige der Geiseln fordern vehement Verhandlungen für deren Freilassung. Demonstrationen in Tel Aviv und vor der Knesset spiegeln den Unmut der israelischen Zivilgesellschaft wider, die der Hardliner-Politik der Regierung Benjamin Netanjahu zunehmend kritisch gegenübersteht (2).
Menschenrechtsorganisationen wie B’Tselem oder „Breaking the Silence“ prangern nicht nur die Taten der Hamas, sondern auch die restriktive Besatzungspolitik Israels an, die langfristig den Nährboden für Terrorismus bildet.
Diese Gruppen fordern einen Kurswechsel: hin zu einem politisch mutigen Dialog, der das Leben der Geiseln über militärische Eskalation stellt und eine politische Lösung für Palästina und Israel sucht (3).
Globaler Trend zur Zwei-Staaten-Lösung
Die internationale Anerkennung des Staates Palästina hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Bis August 2025 haben über 140 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen Palästina offiziell als souveränen Staat anerkannt. Diese Anerkennungen stammen überwiegend aus Afrika, Asien, Lateinamerika sowie von einigen europäischen Staaten (4).
Einen bemerkenswerten Trend stellt die Anerkennung Palästinas durch westliche Länder dar. Im Jahr 2024 haben Norwegen, Spanien und Irland Palästina als Staat anerkannt. Malta plant, diesen Schritt im September 2025 zu vollziehen (5).
Frankreich hat seine Anerkennung für September 2025 angekündigt. Großbritannien und Kanada signalisieren ebenfalls Bereitschaft, unter bestimmten Bedingungen Palästina anzuerkennen (6).
Die diplomatische Offensive erhielt besonderen Schub durch die UN-Resolution ES-10/23 vom Mai 2024, die Palästina erweiterte Rechte innerhalb der Vereinten Nationen einräumt und eine Vollmitgliedschaft empfiehlt. 143 Staaten stimmten für die Resolution, darunter viele europäische Länder; nur neun votierten dagegen (7).
Dieser Trend zur Anerkennung ist ein deutliches Signal der internationalen Gemeinschaft, dass eine Zwei-Staaten-Lösung als einziger realistischer Weg zu einem dauerhaften Frieden gesehen wird.
Dennoch gibt es immer noch Staaten — darunter Deutschland, Österreich, die USA, Italien, Japan und Australien —, die Palästina aus nicht nachvollziehbaren Gründen bislang nicht anerkannt haben. Obwohl die Anerkennung und Verleihung einer territorialen Integrität ein integraler Bestandteil eines Friedensprozesses sein kann, verweisen diese Länder auf die Notwendigkeit eines umfassenden Übereinkommens, das eine einvernehmliche Lösung mit Israel voraussetzt (8).
Die wachsende globale Anerkennung Palästinas sollte als diplomatischer Impuls verstanden werden, um Israel und Palästina zu ernsthaften Verhandlungen über eine friedliche Koexistenz zu bewegen. Eine formelle Anerkennung kann dabei nicht das Ziel an sich sein, sondern muss Teil eines umfassenden Friedensprozesses sein, der beiden Völkern Menschenrechte und Sicherheit garantiert.
Hoffnung auf Frieden
Trotz der gegenwärtigen Härte der israelischen Regierung wächst international der Druck, den Konflikt nicht weiter militärisch, sondern diplomatisch zu lösen. Ein umfassender Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Gefangene könnte ein erster Schritt sein, um das gegenseitige Misstrauen abzubauen. Für die Opfer auf beiden Seiten wäre dies nicht nur ein humanitärer Akt, sondern ein Signal für eine ernsthafte Friedensperspektive.
Langfristig ist eine nachhaltige Lösung nur in Form einer Zwei-Staaten-Lösung denkbar, wie sie auch von der UN und der internationalen Gemeinschaft gefordert wird. Diese Perspektive wird jedoch von der aktuellen israelischen Regierung bewusst blockiert, was eine noch stärkere Rolle der Zivilgesellschaft notwendig macht (9).
Fazit
Die Geiselnahmen durch Hamas und PIJ sind eine gravierende Verletzung der Menschenrechte und der Menschenwürde. Die Verrohung dieser Taktiken erfordert eine unmissverständliche Verurteilung durch die internationale Gemeinschaft. Gleichzeitig darf jedoch die Blockadehaltung der israelischen Regierung nicht hingenommen werden, wenn der Frieden im Nahen Osten realistisch werden soll.
Der Widerstand der israelischen Zivilgesellschaft gegen den menschenverachtenden Kurs beider Seiten — Hamas wie auch der eigenen Regierung — eröffnet einen Hoffnungsschimmer. Die wachsende internationale Anerkennung Palästinas stärkt zudem jene Kräfte, die auf Dialog und eine gerechte Lösung setzen.
Die Freilassung der Geiseln und Gefangenen, verbunden mit einem ernsthaften Friedensprozess, bleibt der einzig gangbare Weg, um dem Kreislauf aus Gewalt und Rache zu entkommen.